Isabella Ruttenauer

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Isabella Ruttenauer um 1970

Isabella Ruttenauer (geb. Papmehl ; * 15. September 1909 in St. Petersburg ; † 21. August 2007 in Neuhaus , Schliersee ) war eine deutsche Germanistin , Schriftstellerin und Erziehungswissenschaftlerin . Ruttenauer hatte seit den 1960er Jahren eine Professur fur Allgemeine und Vergleichende Padagogik an der Padagogischen Hochschule Munster I, spater Abteilung der PH Westfalen-Lippe, leitete die Padagogische Sektion des Arbeitskreises Wissenschaft und Gegenwart und veroffentlichte als Autorin mehrere Bucher.

Die Eltern Eduard und Martha (geb. von Veh) Papmehl gehorten zu der großen deutschstammigen Gemeinde in St. Petersburg . Beide Familien ? Papmehl und von Veh ? siedelten seit mehreren Generationen im Baltikum und in Russland. Der Urgroßvater Karl Papmehl besaß in St. Petersburg eine kleine, noch ganz auf Handbetrieb abgestellte Zuckersiederei. Hier trat 1837 Leopold Koenig , der spatere ?Zuckerkonig“, [1] als Lehrling ein. 1846 heiratete er Karoline Papmehl, die Tochter seines Lehrherrn. Karolines Bruder Eduard-Friedrich wiederum ehelichte Leopold Koenigs Schwester Henriette. Aus dieser Ehe ging Eduard Papmehl, Isabella Ruttenauers Vater, hervor.

Der Vater, von Beruf Ingenieur, trat Jahrzehnte spater seinerseits in die Dienste des inzwischen großten russischen Zuckerimperiums, das nach dem Tod Leopold Koenigs 1903 dessen Sohne weiterfuhrten. Bis 1914 war Eduard Papmehl Direktor der hoch-modernen Zuckerfabrik in Trostjanetz, Ukraine .

Dort in der Ukraine verlebte Isabella Ruttenauer ihre Kindheit. Ihre erste Sprache war Russisch. 1914 zog die Familie nach St. Petersburg. Ab dem funften Lebensjahr wurde sie von ihrer Mutter in Deutsch und den anderen Fachern unterrichtet ? vorzugsweise nach der Methode Montessori .

In den Unruhen der Oktoberrevolution von 1917 floh die Familie ? inzwischen war auch der jungere Bruder geboren ? nach Riga , Lettland . Nachdem die ? Roten “ Riga eingenommen hatten, wurde die Einheits-Arbeitsschule [2] eingefuhrt ? Unterrichtssprache Russisch. Nach der Ruckeroberung durch die ? Weißen “ wurde es wieder die normale Schule ? Sprache Deutsch. 1919 ubersiedelte sie mit ihrer Familie nach Deutschland.

Vorubergehend kam die Familie bei Eduard Papmehls Vetter Alexander Koenig auf Schloss Blucherhof in Mecklenburg unter ? bis der Vater 1920 Arbeit und eine bescheidene Wohnung in Berlin fand.

Der Zweite Weltkrieg zwang Isabella Ruttenauer ein zweites Mal zu Umsiedlung und Flucht: 1936 hatte sie in Berlin Wolfgang Ruttenauer, [3] den Sohn des Schriftstellers Benno Ruttenauer geheiratet. 1943 hatten sie bereits drei kleine Kinder, als sie mit ihren Kindern auf Geheiß der nationalsozialistischen Behorden nach Landsberg an der Warthe evakuiert wurde. Hier kam das vierte Kind (der vierte Sohn) zur Welt. Im Januar 1945 ? als die Sowjetarmee immer naher ruckte ? gelang es ihr, mit ihren Kindern einen der letzten Zuge in Richtung Westen zu besteigen. Das Ziel war St. Quirin am Tegernsee . Dort war ihre aus Munchen ?ausgebombte“ Schwagerin Irmingard einquartiert worden ? im Rahmen der Wohnraumzwangsbewirtschaftung.

Ruttenauer schilderte ihr eigenes, privates Leben unter der Herrschaft der Nationalsozialisten in ?Die Zeit des Entsetzens und des kleinen privaten Glucks“. [4]

In St. Quirin wurde 1949 der jungste Sohn geboren. Hier lebte sie mit ihrer Familie bis zum Tode ihres Ehemanns Wolfgang im Jahr 1957.

Aus finanziellen Grunden musste sie sich nun nach einer festen Anstellung umsehen. Auf Empfehlung von Erich Trunz erhielt sie ein Angebot der Padagogischen Akademie in Munster . Sie nutzte die Chance und wagte einen Neuanfang als Wissenschaftlerin. Die beiden jungsten Sohne zogen mit nach Munster. Die drei alteren waren schon selbstandig genug, befanden sich aber alle noch in der Ausbildung.

Nach ihrer Emeritierung lebte sie wieder in Oberbayern. 2007 starb sie kurz vor ihrem 98. Geburtstag.

Ihre erste deutsche Schule war die Altstadter Hohere Madchenschule in Dresden. Hier blieb sie ? betreut von einer Tante ? bis zum Schulabschluss mittlere Reife 1926. Danach zog sie zu ihren Eltern nach Berlin und machte dort 1929 das Abitur.

An der Friedrich-Wilhelm-Universitat in Berlin studierte sie Germanistik, Philosophie und Theologie ? Promotion 1935. [5] In Seminaren von Romano Guardini lernte sie Wolfgang Ruttenauer, ihren spateren Ehemann, kennen. Wolfgang Ruttenauer war Guardinis Privatsekretar. Die Begegnung mit Guardini bestarkte sie in ihrem Entschluss, zum katholischen Glauben zu konvertieren. Neben ihrem Studium arbeitete sie als Hilfskraft an der Preußischen Akademie der Wissenschaften . Diese Tatigkeit fuhrte sie weiter bis zur Geburt ihres dritten Kindes 1941. Danach war sie freie Literaturkritikerin und Schriftstellerin. 1958 wurde sie als Quereinsteigerin Assistentin an der Padagogischen Akademie Munster ? ab 1960 Dozentin. In den 1970er Jahren erhielt sie dort die Professur fur Allgemeine und Vergleichende Padagogik. Ihre Emeritierung erfolgte 1975.

Auf Grund ihrer Veroffentlichungen, in denen sie nachwies, dass kunftige Lehrer sowie Personen, die in außerschulischen Tatigkeitsfeldern padagogisch tatig werden wollen, Grundwissen uber das padagogische Denken und Handeln in Geschichte und Gegenwart benotigen, wurde sie auf eine neu eingerichtete Professur fur Allgemeine und Vergleichende Padagogik berufen. Mit einer Monographie uber den sowjetischen Schriftsteller und Padagogen Anton S. Makarenko , die 1965 im Herder Verlag Freiburg erschien, erlangte sie internationale Aufmerksamkeit und Anerkennung. Beim Studium der russischen Fachliteratur kam ihr zugute, dass sie auf Grund ihres Lebenslaufs die Texte muhelos im Original lesen konnte.

Eines ihrer vorrangigen Anliegen als Hochschullehrerin war die Forderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Zahlreiche ihrer Doktoranden und Habilitanden, die in einem ? fur die 60er Jahre seltenen ? Kolloquium zu Fragen der international-vergleichenden Bildungsforschung versammelt waren, wurden spater zu Professoren an deutschen Universitaten berufen.

Mit den Publikationen

  • Vergleichende Erziehungswissenschaft. Texte zur Methodologie-Diskussion , Munchen 1974
  • Schritte. Beitrage und Studien zur vergleichenden Erziehungswissenschaft und Lehrerausbildung , Oldenburg 1979
  • Suche nach Identitat. Isabella Ruttenauer zum 75. Geburtstag , Oldenburg 1984

wurden ihre Verdienste um die Lehrerausbildung und die Ausbildung fur außerschulische Tatigkeitsfelder, die mit dem Diplom abgeschlossen wurden, gewurdigt.

Ein weiteres Feld ihrer wissenschaftlichen Tatigkeiten war mit dem Arbeitskreis Wissenschaft und Gegenwart [6] verbunden. Dieser Arbeitskreis, der in den 1960er Jahren von katholischen Laien gegrundet wurde und bis zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten bestand, suchte uber interdisziplinar ausgerichtete Sektionen in jahrlichen Begegnungstreffen den Gedanken der Wiedervereinigung lebendig zu halten. Isabella Ruttenauer leitete uber viele Jahre die Padagogische Sektion des Arbeitskreises.

Werke (Auswahl)

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Von Isabella Ruttenauer

  • Das Wort Heilig in der deutschen Dichtersprache von Pyra bis zum jungen Herder ? Weimar: Bohlau, 1937
  • Vom verborgenen Glauben in Eduard Morikes Gedichten ? Wurzburg: Werkbund-Verl., Abt. Die Burg, 1940
  • Ein christlicher Hausvater ? Wurzburg: Werkbund-Verl., 1949, Neudr.
  • Gottes Geschichte mit den Menschen ? Berlin: Morus-Verl., 1951
  • Der Herr wirkt Wunder an dir! ? Berlin: Morus-Verl., 1951
  • Friedrich von Spee, 1591?1635 ? Freiburg: Herder, 1950
  • Matthias Claudius ? Freiburg: Alber, 1952, 2. Aufl.
  • A.S. Makarenko: Ein Erzieher u. Schriftsteller in d. Sowjetgesellschaft ? Freiburg i. Br.: Herder, 1965

Uber Isabella Ruttenauer

  • Schritte ...: Beitr. u. Studien zur vergl. Erziehungswiss. u. zur Lehrerausbildung. Isabella Ruttenauer zum 70. Geburtstag von Freunden u. Kollegen / hrsg. von Friedrich W. Busch
  • Vom Ausschluss zum Abschluss, Berliner Germanistinnen von 1900 bis 1945 ? Studienalltag und Lebenswege. Herausgegeben von Levke Harders, Berlin: ZwiebelFisch Verlag 2004
  • Weibliche Arbeitswelten in der Wissenschaft ? Frauen an der Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1890?1945 , von Petra Hoffmann (E-Book), Transcript Verlag 2014

Einzelnachweise

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  1. Hertha Koenig in Der Fahrenschreiber von Libau 1964 ? wiederveroffentlicht 2012 als Der Zuckerkonig
  2. Die Einheits-Arbeitsschule ? Kinderarbeit? ein padagogisches Fragezeichen! ein subjekttheoretischer Ansatz
  3. Literatur von und uber Wolfgang Ruttenauer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  4. Ruttenauer, Isabella (1983): Die Zeit des Entsetzens und des kleinen privaten Glucks ? Ein Ruckblick auf Hochschulausbildung und Familienalltag im Dritten Reich , in: Frauenforschung. Informationsdienst des Forschungsinstituts Frau und Gesellschaft Jg. 1, H. 2 (1983) S. 23?29
  5. Harders, Levke: Studiert, promoviert: Arriviert? Promovendinnen des Berliner Germanischen Seminars (1919?1945) . Peter Land, Frankfurt am Main 2004, S.   124–131 .
  6. Publikation zum Arbeitskreis Wissenschaft und Gegenwart