Intrige
(Originaltitel:
J’accuse
) ist ein
franzosisch
-
italienisches
Historiendrama
des
Regisseurs
Roman Pola?ski
, der gemeinsam mit dem britischen
Schriftsteller
Robert Harris
auch das
Drehbuch
nach dessen
Roman
Intrige
verfasste. Der Film mit
Jean Dujardin
und
Louis Garrel
in den Hauptrollen behandelt die
Dreyfus-Affare
und gewann bei seiner Weltpremiere im Wettbewerb der
Filmfestspiele von Venedig 2019
den Großen Preis der Jury und war fur den
Europaischen Filmpreis 2019
nominiert.
Intrige
startete am 13. November 2019 in den franzosischen und am 6. Februar 2020 in den deutschen Kinos.
Alfred Dreyfus
, ein judischer Offizier der franzosischen Armee mit vielversprechenden Karriereaussichten, wird am 5. Januar 1895 wegen angeblicher Spionage fur Deutschland zu lebenslanger Haft auf der
Teufelsinsel
im Atlantik vor Franzosisch-Guayana verurteilt. Zu den Zeugen seiner offentlichen Verurteilung und Demutigung gehort
Marie-Georges Picquart
, der einst Dreyfus in der Offiziersausbildung als Schuler hatte und wenig spater zum Leiter der militarischen Spionageabwehreinheit befordert wird ? jener Behorde, die Dreyfus uberfuhrt hat. Bald nach seinem Antritt im neuen Amt wird Picquart auf den Offizier
Ferdinand Esterhazy
aufmerksam, der offenbar Geheimnisse an die Deutschen gegen Geld verrat. Im Laufe seiner Ermittlungen entdeckt er verblufft, dass die Handschrift von Esterhazy auf einem Schreiben exakt der auf einem anderen gleicht, das eigentlich Dreyfus zugeordnet wurde und als wichtigster Beweis fur dessen Betatigung als deutscher Spion galt. Picquart muss feststellen, dass Dreyfus ohne wirkliche Beweise verurteilt wurde, und wird auf ein von
Antisemitismus
durchzogenes System aus Betrug und Korruption aufmerksam. Seine Untergebenen in der Spionageabwehreinheit, allen voran der sturkopfige Major
Hubert-Joseph Henry
, wollen die Fehler vertuschen und sind bald feindlich gegenuber ihrem neuen Vorgesetzten eingestellt.
Picquart wendet sich an seine vorgesetzten Generale, die zwar die Richtigkeit seiner Ermittlungen nicht abstreiten, aber die Fehler ignoriert wissen wollen und denen Schuld oder Unschuld des weiter auf der Teufelsinsel sitzenden Dreyfus egal ist. Picquart kann das nicht mit seinem Gewissen vereinbaren und ermittelt weiter, woraufhin er von seinen Vorgesetzten auf eine Inspektionsreise geschickt wird, um seine Untersuchungen nicht weiter verfolgen zu konnen. Als Picquart nach langerer Zeit eigenmachtig nach Paris zuruckkehrt, werden immer hartere Intrigen gegen ihn geschmiedet. So wird er mithilfe gefalschter Dokumente beschuldigt, die Beweise gegen Esterhazy manipuliert zu haben, um Dreyfus zu entlasten, und schließlich selbst verhaftet. Auch seine langjahrige Affare mit Pauline Monnier, der Frau eines Freundes, wird aufgedeckt und ausgeschlachtet.
Allerdings regen sich insbesondere unter den franzosischen Intellektuellen kritische und starker werdende Stimmen gegen die Vorgange im Militar. Der beruhmte Schriftsteller
Emile Zola
lost mit seinem Zeitungsartikel
J’accuse
Entwicklungen aus, durch die Dreyfus von der Teufelsinsel zuruckgeholt wird und in einem zweiten Prozess seine Unschuld beweisen kann. Picquart sagt als Zeuge zu Gunsten von Dreyfus aus, um diesen zu rehabilitieren. Er siegt auch in einem Duell gegen Major Henry, der wenig spater selbst wegen Beweisfalschungen wie der
Le faux Henry
inhaftiert wird und im Gefangnis Suizid begeht. Trotz dieser Entwicklungen halten die Oberen des Militars starrkopfig an der angeblichen Schuld von Dreyfus fest und spielen dafur auch mit antisemitischen Vorurteilen. Die Bevolkerung ist zu einem großen Teil auf der Seite der Armee und viele der Dreyfus-Unterstutzer agieren unter großer personlicher Gefahr. So ist Picquart monatelang inhaftiert, Zola wegen seiner angeblichen Lugen verurteilt und der Anwalt
Fernand Labori
wird bei einem Attentat schwer verletzt. Am Ende des Prozesses wird Dreyfus trotz fehlender Beweise immer noch fur schuldig befunden, erhalt aber mildernde Umstande zugebilligt, seine Haftstrafe wird auf zehn Jahre Festungshaft reduziert. Kurz darauf begnadigte ihn die Regierung
Waldeck-Rousseau
. Erst am 12. Juli 1906 hob der
Kassationsgerichtshof
das Urteil gegen Dreyfus auf und rehabilitierte ihn vollstandig.
Picquart wird aus dem Gefangnis entlassen und profitiert in seiner spateren Karriere sogar von der Dreyfus-Affare, er wird
Kriegsminister
. Dreyfus wird zwar auch zum Major ernannt, der Aufstieg in die hochsten Amter des Militars bleibt ihm aber verwehrt, da ihm ? anders als Picquart ? die erzwungenermaßen außerhalb der Armee verbrachten Jahre nach seiner Rehabilitierung nicht fur die Laufbahn angerechnet wurden. Als Dreyfus Picquart im Ministerium aufsucht, um ihn um die entsprechende Beforderung zu bitten, schlagt Picquart dies mit der Begrundung aus, dass dafur eine Gesetzesanderung notig sei, die aufgrund des zu erwartenden politischen Streits ?nicht machbar“ sei. Zur Verabschiedung entschuldigt sich Picquart fur seine passive Rolle zu Beginn der Affare. Dreyfus erwidert, Picquart habe dies wieder gutgemacht, sei allerdings nicht wegen Dreyfus Minister geworden, sondern weil er seine Pflicht getan habe.
J’accuse
…!
(franzosisch fur
Ich klage an …!
) ist der Titel eines
offenen Briefs
des franzosischen Schriftstellers
Emile Zola
an
Felix Faure
, den damaligen Prasidenten der Franzosischen Republik, um diesen und die Offentlichkeit uber die wahren Hintergrunde der
Dreyfus-Affare
zu informieren. Der Brief erschien am 13. Januar 1898 in der
Tageszeitung
L’Aurore
und verursachte einen großen politischen und gesellschaftlichen Skandal. In den deutschen Sprachgebrauch ist
J’accuse
als Bezeichnung fur eine mutige offentliche Meinungsaußerung gegen
Machtmissbrauch
eingegangen.
Regie fuhrte
Roman Pola?ski
. Der Film basiert auf dem Roman
Intrige
(Originaltitel
An Officer and a Spy
) des britischen Schriftstellers
Robert Harris
aus dem Jahr 2013, der von Harris und Pola?ski fur die Leinwand adaptiert wurde. Harris war 2014 fur den Roman mit dem Walter Scott Prize ausgezeichnet worden. Gemeinsam hatten beide zuvor bereits
Der Ghostwriter
realisiert.
[2]
Pola?ski erklarte, die Dreyfus-Affare, die sich in Rechtsfehlern, Justizirrtumern und Antisemitismus außerte und Frankreich auseinanderriss, sei noch immer ein Symbol fur die Ungerechtigkeit, zu der die politischen Autoritaten im Namen des nationalen Interesses fahig seien.
[3]
Louis Garrel
ubernahm die Rolle von
Alfred Dreyfus
, dessen ungerechtfertigte Verurteilung wegen Landesverrats 1894 die Dreyfus-Affare ausloste.
Jean Dujardin
spielt den Offizier und spateren Kriegsminister Marie-Georges Picquart,
Vincent Grass
den franzosischen General de division
Jean-Baptiste Billot
. In weiteren Rollen sind
Emmanuelle Seigner
,
Gregory Gadebois
,
Olivier Gourmet
,
Melvil Poupaud
und
Mathieu Amalric
zu sehen.
[4]
Polanski selbst hat einen
Cameo
-Auftritt als Zuhorer bei einem Konzert.
Fur Kameramann Pawel Edelman ist es der siebte Film seit 2002, den er zusammen mit Pola?ski gedreht hat.
[2]
Die Dreharbeiten fanden zwischen dem 26. November 2018 und dem 7. Marz 2019 in Paris sowie an der Felsformation Pointe de Primel in der Gemeinde
Plougasnou
im Norden der Bretagne, in der Gemeinde
Moret-Loing-et-Orvanne
im
Departement Seine-et-Marne
und in
Beynes
statt. Als Kameramann fungierte
Paweł Edelman
.
[2]
Die Filmmusik komponierte
Alexandre Desplat
.
Intrige
ist Polanskis funfter Film, fur den Desplat die Musik geschrieben hat. Der Soundtrack, der insgesamt zwolf Musikstucke umfasst, darunter auch zwei von
Gabriel Faure
, wurde am 8. November 2019 von Warner Classics auf CD und als Download veroffentlicht.
[5]
Am 30. August 2019 feierte der Film seine Premiere im Wettbewerb der
Filmfestspiele von Venedig
und gewann den Großen Preis der Jury (Silberner Lowe).
[6]
Am 13. November 2019 kam er in die franzosischen und am 6. Februar 2020 im Verleih von
Weltkino
in die deutschen Kinos.
[7]
Die Vorstellung des Films in Venedig hatte im Vorfeld zu Irritationen und kontroversen Reaktionen wegen der Vergewaltigungsanklagen gegen Polanski gefuhrt, so unter anderem bei der Jury-Prasidentin
Lucrecia Martel
und in der amerikanischen Presse.
[8]
Der Film wurde jedoch im Wettbewerb von Presse und Premierenpublikum mit großem Beifall aufgenommen.
[9]
Hanns-Georg Rodek
von der
Welt
konstatiert: ?Er ist ein Historiendrama der aufwendigen Sorte, mit einem uberzeugenden Jahrhundertwende-Paris, Hunderten von Statisten und verschwenderisch in Szene gesetzten Kostumen. Es ist eine Art historische Enthullungsgeschichte“.
[10]
Andreas Borcholte
nennt den Film in
Spiegel Online
?ein beeindruckend prazise inszeniertes, packendes Historiendrama“. Polanskis Film kommentiere wie kein anderer im Wettbewerb ?das drohende Kippen des gegenwartigen gesellschaftspolitischen Diskurses in uberkommen geglaubte Faschismusmuster“ und ?gerade jetzt, da uberall in Europa verstarkt Juden und Migranten diskriminiert und verfolgt werden, wirkt die Erinnerung an diesen Fall von staatlich sanktioniertem
Antisemitismus
wie ein Mahnruf aus der Geschichte.“
[11]
Christopher Diekhaus von der
Gilde deutscher Filmkunsttheater
schreibt, auch wenn der Regisseur die
Thriller
-Elemente nur verhalten ausschopfe, gebe es hier und da kleine Spannungsspitzen, doch langweilig sei das Geschehen ohnehin nicht, da erstaunliche Parallelen zur Gegenwart hervortraten: ?Zum einen illustriert der Film, wie einflussreiche weiße Manner ihre Machtpositionen schamlos ausnutzen und sich das Recht nach eigenem Gutdunken stricken. Zum anderen lost die beschriebene judenfeindliche Stimmung großes Unbehagen aus, wenn man bedenkt, dass antisemitische Stromungen aktuell wieder auf dem Vormarsch sind.“
[12]
Der von Polanski thematisierte Antisemitismus im Europa der Wende zum 20. Jahrhundert und der Bezug zur Gegenwart wird in den Beitragen der meisten Kritiker angesprochen. So betont auch Chiara Ugolini von
La Repubblica
die Aktualitat des Films angesichts eines wachsenden Antisemitismus in Europa.
[9]
Auch Glenn Kenny von
rogerebert.com
geht in seiner ausfuhrlichen Filmkritik auf das Antisemitismus-Problem in der damaligen franzosischen Regierung, der Armee und der Gesellschaft ein. Abgesehen von der technischen Perfektion und der gestalterischen Brillanz, der souveranen Kunst des Erzahlens und der Gestaltung von Spannungsbogen habe der Film, der die Qualitat eines Hitchcock-Films habe, ?etwas sehr Reales und Dringendes zu sagen uber die Welt, in der wir heute leben“. Dass der Film, den er als ?fantastisch“ bewertet, jedoch in naher Zukunft oder uberhaupt je in die amerikanischen Kinos kommen werde, halt er fur unwahrscheinlich.
[13]
Camerimage
2019
Cesar 2020
Europaischer Filmpreis 2019
- Nominierung als
Bester europaischer Film
- Nominierung fur die
Beste Regie
(Roman Pola?ski)
- Nominierung fur das
Beste Drehbuch
(Roman Pola?ski und Robert Harris)
- Nominierung als
Bester Darsteller
(Jean Dujardin)
Goya
2021
Internationale Filmfestspiele von Venedig 2019
- Auszeichnung mit dem Silbernen Lowen ? Großer Preis der Jury (Roman Pola?ski)
- Auszeichnung mit dem
FIPRESCI-Preis
(Roman Pola?ski)
- Auszeichnung mit dem Green Drop Award (Roman Pola?ski)
- Auszeichnung mit dem Premio Sorriso Diverso ? Bester fremdsprachiger Film (Roman Pola?ski)
- Nominierung fur den
Goldenen Lowen
(Roman Pola?ski)
Prix Lumieres
2020
Die deutsche
Synchronisation
entstand nach der
Dialogregie
von
Stephan Hoffmann
im Auftrag der TaunusFilm Synchron GmbH, Berlin.
- ↑
Freigabebescheinigung
fur
Intrige
.
Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft
(PDF; Prufnummer: 196939/K).
Vorlage:FSK/Wartung/typ nicht gesetzt und Par. 1 langer als 4 Zeichen
- ↑
a
b
c
Fabien Lemercier:
Filming in sight for J’accuse by Roman Polanski.
In: cineuropa.org, 27. September 2018.
- ↑
J’accuse (An Officer And A Spy)
La Biennale di Venezia, abgerufen am 9. September 2019
- ↑
Heike Angermaier:
Polanski gewinnt Starbesetzung fur ?J’accuse“.
In: blickpunktfilm.de, 28. September 2018.
- ↑
Soundtrack Album for Roman Polanski’s 'An Officer and a Spy' ('J’accuse') to Be Released.
In: filmmusicreporter.com, 7. November 2019.
- ↑
Mutige Entscheidungen: Preise fur ?Joker“ und Polanski
in: Berliner Zeitung, 8. September 2019, abgerufen am 8. September 2019.
- ↑
Starttermine Deutschland
.
In: insidekino.com. Abgerufen am 6. Februar 2020.
- ↑
Nick Vivarelli:
Venice: Producer Considered Withdrawing Roman Polanski’s Film After Jury President’s Remarks.
In:
Variety
, 29. August 2019, abgerufen am 18. September 2019.
- ↑
a
b
Chiara Ugolini:
Venezia 76, applausi a ?J’accuse“ di Polanski. Dujardin: ?Un grande film diretto da un regista-sciamano“.
In:
La Repubblica
, 30. August 2019, abgerufen am 16. September 2019.
- ↑
Hanns-Georg Rodek:
Der aktuellste 125 Jahre alte Skandal.
In:
Die Welt
, 1. September 2019, abgerufen am 13. September 2019.
- ↑
Andreas Borcholte:
Polanskis ?J’accuse“ in Venedig: Ein wichtiger Film, ein endloser Skandal.
In:
Spiegel Online
, 30. August 2019, abgerufen am 16. September 2019.
- ↑
Christopher Diekhaus:
Intrige.
In:
programmkino.de
, abgerufen am 23. Januar 2020.
- ↑
Glenn Kenny:
Venice 2019: Roman Polanski's J’Accuse.
In:
rogerebert.com
, 30. August 2019.
- ↑
Carolyn Giardina:
Camerimage Cinematography Festival Unveils Main Competition Lineup.
In: The Hollywood Reporter, 21. Oktober 2019.
- ↑
https://www.20minutes.fr/arts-stars/cinema/2706103-20200129-cesar-2020-12-nominations-accuse-roman-polanski-11-miserables
- ↑
Estas son las nominaciones De los Premios Goya 2021
In: premiosgoya.com, abgerufen am 20. Januar 2021. (spanisch)
- ↑
Les nominations 2020.
In: academiedeslumieres.com. Abgerufen am 3. Dezember 2019. (PDF; 256 KB)
- ↑
Fabien Lemercier:
Les Miserables triumphs at the Lumieres Awards.
In: cineuropa.org, 28. Januar 2020.