Internationaler Stil

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Le Corbusier und P. Jeanneret , Doppelhaus in der Weißenhofsiedlung in Stuttgart , 1927

Der Internationale Stil ( englisch [The] International Style , auch ? Internationalismus [1] ) ist eine Stromung der modernistischen Architektur , die umgangssprachlich [2] oft mit dieser gleichgesetzt wird. Die Entwicklung des Internationalen Stils begann um 1922 in Europa, spater verbreitete er sich auf der ganzen Welt. Als Gegenbewegung innerhalb der Moderne kann der kritische Regionalismus angesehen werden.

UNO-Gebaude , New York ,
Wallace K. Harrison und Beratungskommission, 1947?1950
860?880 Lake Shore Drive Apartments , Chicago
Mies van der Rohe , 1951

Die Bezeichnung International Style wurde von Philip C. Johnson und Henry-Russell Hitchcock als kunstlicher Oberbegriff fur minimalistische und funktionalistische Tendenzen der europaischen modernen Architektur der 1920er und fruhen 1930er gebildet. Zum ersten Mal wurden sie 1932 in ihrer Publikation The International Style: Architecture Since 1922 begleitend zur ikonischen MoMA -Ausstellung Modern Architecture: International Exhibition verwendet. Die Autoren suggerierten damit, dass die neue Architektur internationalisiert und von den ortlichen Gegebenheiten abgetrennt sei, zugleich deuteten sie zum ersten Mal, dass sie sich zu einem neuen Stil der Architekturgeschichte entwickelte. Die meisten modernen Architekten hielten entgegen den Behauptungen Johnsons und Hitchcocks die Moderne eher fur eine neue Gestaltungsmethodologie als fur einen Stil. Bereits fruher gab es in Europa eine ahnliche Bezeichnung, Internationale Architektur , die unter anderen Ludwig Hilberseimer als Titel des Ausstellungskatalog Die Wohnung in Stuttgart 1927 nutzte. Die Kunsthistoriker Hitchcock und Johnson wahlten eine andere Bezeichnung, die das Wort Stil beinhaltete, und beschrieben die moderne Architektur anhand klarer Stilkriterien, die sie mittels 83 nach Architektennamen alphabetisch geordneten Beispielobjekten erklarten. Besonders Walter Gropius wehrte sich gegen den Begriff ?Stil“. Das Buch Johnsons und Hitchcocks, welches die visuellen und asthetischen Qualitaten der Moderne einfach erklarte, wurde zu einer Art Asthetikhandbuch in den USA und ubte einen großen Einfluss auf die weitere Entwicklung der dortigen Architektur aus.

Die Bezeichnung wurde zuerst in englischsprachigen Landern verwendet; inzwischen wird sie uberall fur die kubischen Varianten der Moderne angewandt. So betrachtet man Internationaler Stil teils als Synonym des Funktionalismus und des Rationalismus , die Abgrenzung zwischen diesen Begriffen wird in der Literatur unterschiedlich dargestellt. Johnson und Hitchcock haben die radikalen Funktionalisten dem mehr von der Asthetik beeinflussten Internationalen Stil gegenubergestellt. Einige spatere Architekturhistoriker bezweifeln allerdings, dass es in den 1920er Jahren ein einheitliches Konzept des Funktionalismus bzw. eine Gruppe der Funktionalisten gab.

Der Kunsthistoriker Hitchcock und der Architekt Johnson analysierten die neue Architektur nach formalen Gesichtspunkten und formulierten einige Prinzipien, welche die moderne Architektur bezeichnen sollten:

  1. Architektur ist Definieren und Gestalten des begrenzten Raumes, nicht die Bildung einer Tektonik .
  2. Die moderne Architektur soll regelmaßig und modular sein. Eine Aufgabe des Architekten ist nun, die richtige Prasenz und Zusammenstellung der ahnlichen und unterschiedlichen Funktionsbereiche unter einen Hut zu bringen. Der Grundriss wird zwanglos und asymmetrisch .
  3. Internationaler Stil vermeidet das Ornament, mit Ausnahme abstrakter Wandmalerei , die den Charakter der Architektur betont sowie der Kunst, die nicht zur Architektur, sondern zur Ausstattung gehort.
Radisson Collection Hotel, Royal Copenhagen , Kopenhagen ,
Arne Jacobsen , 1956?1960

Die Autoren haben sich besonders auf das Außere der Gebaude konzentriert, an ihrer Ausstrahlung; den Raumexperimenten der Moderne schenkten sie weniger Beachtung. Moderne Gebaude sollten nach Hitchcock und Johnson leicht aussehen, die Außenwande sollten große glatte Flachen mit regularer Textur sein. Als besonders geeignete Fassadenoberflachen bzw. -verkleidungen bezeichneten sie Holzverschalung, Keramikpaneele sowie Glasbausteine . Die verputzten Oberflachen sowie Sichtbeton , obwohl nach ihrer Bemerkung mit der Moderne allgemein assoziiert, hielten sie fur ungeeignet, da bei solcher Fassade das Gebaude visuell an Gewicht zunahme, das gleiche Problem trete meistens bei den Backsteinfassaden auf. Mit großen, mit der Fassadenvorderkante bundigen Verglasungen sollten die Gebaude an Leichtigkeit gewinnen. Nicht zum Stilprinzip wurde das fruher von Le Corbusier postulierte Flachdach , die Autoren hielten auch das Pultdach fur funktional und asthetisch.

Im August 1951 erschien in Architectural Record ein Artikel, in dem Hitchcock nach fast zwanzig Jahren einige seiner Ansichten revidierte. Er berichtete, dass das Buch weder als eine Sammlung der akademischen Regeln, noch als Gestaltungstheorie gedacht worden war, und eher eine Beschreibung und Prognose der zukunftigen Tendenzen beschrieben hatte. Das zweite Prinzip hielt er fur zu eng formuliert, und das dritte fur nicht mehr gultig, da es eher dem Geschmack als allgemeiner Asthetik zuzuschreiben sei. Dazu erklarte Hitchcock die konstruktive Wahrheit und Klarheit des Gebaudes zu einem weiteren Stilprinzip.

Der Internationale Stil, dessen Leitbild im Laufe der Zeit ein prismatisches Hochhaus mit dem glasernen Curtain Wall mit den filigranen Konstruktionsprofilen wurde, war in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg die dominierende Stromung der Moderne. Laut vieler Kritiker des Stils haben sich seine Vertreter allmahlich vollstandig von den funktionalen und humanistischen Grundprinzipien der Moderne entfernt oder waren von Anfang an nur mit asthetischen Fragen beschaftigt. Ihre Architektur wiese viele funktionale Mangel auf, die sich nur mit mechanisch-technischen Anlagen abmildern ließen. Der Internationale Stil wurde auch fur die Wiederholbarkeit der Form und Monotonie der Fassaden heftig kritisiert; ein weiterer Punkt der Kritik war die aggressive Platzierung der Gebaude im Stadtraum.

Stilentwicklung

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Von den Architekturhistorikern werden vier Phasen der Stilentwicklung beobachtet:

  • In fruher Phase (1920er Jahre) war der Stil hauptsachlich auf die deutschsprachigen Lander, Niederlande und Frankreich begrenzt ? diese Phase wurde in dem namengebenden Buch beschrieben.
  • In den 1930er Jahren kamen einige europaische (vor allem deutsche) Architekten in die USA und der Stil wurde verbreitet.
  • Die großte Blute des Stils waren die spaten 1940er sowie die 1950er Jahre.
  • Der Spate Internationale Stil entstand seit den 1960er, manchmal bis in die 1990er Jahre.

Fruhere internationale Stile

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Streng genommen ist der Funktionalismus nicht der erste internationale Stil: Im 17. bis 19. Jahrhundert wurden weltweit historisierende Gebaude mit Stilelementen der griechisch - romischen Antike errichtet. Mit dem Alten Sommerpalast in Peking fand europaischer Barock , auch ein Teil dieses Style classique den Weg bis nach China. Internationale Verbreitung gewisser Stilelemente gab es sogar schon fruher. So favorisierten im 8. bis 11. Jahrhundert abendlandische und orientalische Architektur gleichermaßen Rundbogen auf runden Saulen oder quadratischen Pfeilern. Und die europaischen Gotik , verbreitet zwischen Portugal , Norwegen und Siebenburgen , verbreitete sich gleichzeitig mit der Verwendung von Spitzbogen in der islamischen Architektur. So gab es Gemeinsamkeiten des Bauens von Nordwesteuropa bis nach Indien, Sudostasien und Ostafrika ( Kustenstadte wie Kilwa), bevor Vasco da Gama das Kap der guten Hoffnung passiert hatte.

Ausgewahlte Vertreter

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Commons : Internationaler Stil  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Martin Grassnick (Hrsg.): Die Architektur der Neuzeit. Wiesbaden 1982, S. 119
  2. Peter Blundell Jones: Hans Scharoun ? Eine Monographie. Karl Kramer Verlag, Stuttgart 1980