Ilanz/Glion
(
deutsch
Ilanz
[?ilants]
,
ratoromanisch
Glion
[??n]
ⓘ
/
?
) ist eine Kleinstadt in der Gemeinde
Ilanz/Glion
in der
Region Surselva
des
schweizerischen
Kantons
Graubunden
.
Bis zum 31. Dezember 2013 gehorte die Stadt zur gleichnamigen politischen Gemeinde
Ilanz
, die aus der Stadt sowie seit 1978
Strada im Oberland
bestand. Zusammen hatten die beiden Orte 2353 Einwohner (31. Dezember 2012).
[2]
Seit dem 1. Januar 2014 gehoren sie zur neuen Gemeinde
Ilanz/Glion
, die aus einer
Fusion
von Ilanz, Hauptort des ehemaligen
gleichnamigen Kreises
, mit den damaligen Gemeinden
Castrisch
,
Duvin
,
Ladir
,
Luven
,
Pigniu
,
Pitasch
,
Riein
,
Rueun
,
Ruschein
,
Schnaus
,
Sevgein
,
Siat
entstand.
[3]
Die Gemeinde wirbt mit dem Motto ≪Die erste Stadt am Rhein≫.
Die Stadt liegt am
Vorderrhein
inmitten der weiten Mulde
Gruob
,
am Eingang des Tals
Lugnez
, wenige Kilometer oberhalb der Rheinschlucht
Ruinaulta
. Als regionales Verwaltungszentrum, Sitz des
Regionalspitals
,
Markt
- und Schulort bildet Ilanz den Mittelpunkt der unteren
Surselva
.
Die 765 im Testament von
Bischof Tello
urkundlich erwahnte Siedlung wird 1289 als Stadt unter dem Namen
Illiande
genannt. Die Bedeutung des Namens ist ungeklart; von
Johann Ulrich Hubschmied
vorgeschlagenes ≪Kornscheune≫ ist fragwurdig.
[4]
Zu Beginn des Mittelalters bestanden drei Siedlungskerne: Ober-Ilanz bei der Kirche
St. Martin
, Unter-Ilanz im heutigen
Stadtli
und St. Nikolaus am linken Ufer des Vorderrheins. Zentrum des Ortes war vorerst wohl Ober-Ilanz, wo die bauerliche Markgenossenschaft ihren Sitz hatte. Hier residierte auch der Minister des frankischen Konigs fur den Verwaltungsbezirk
Tuverasga
, zu dem die ganze
Gruob
gehorte.
In Unter-Ilanz, im Bereich der
St. Margarethenkirche
und der
Casa Gronda
lag der bischofliche Grosshof, den Bischof Tello 765 dem
Kloster Disentis
vermacht hatte.
Die Bedeutung von Ober-Ilanz wurde bald von Unter-Ilanz abgelost. Mit dem Zerfall der frankischen Herrschaft hatte Ober-Ilanz seine Bedeutung als Sitz des Ministers verloren. Zudem war die Bedeutung des Grosshofs des Klosters Disentis in Unter-Ilanz gewachsen, da die Abtei ab dem 10. Jahrhundert an politischer und wirtschaftlicher Bedeutung gewann. Auch nahm der Verkehr uber den
Lukmanierpass
zu, so dass das an der Lukmanierroute gelegene Unter-Ilanz an Bedeutung gewann.
Der dritte Siedlungskern St. Nikolaus durfte trotz fehlenden Hinweisen in Urkunden aufgrund siedlungshistorischer Uberlegungen gleich alt, wenn nicht alter sein als das Stadtli-Quartier; Bodenfunde belegen, dass der Lukmanierweg schon in urgeschichtlicher Zeit hier vorbeigefuhrt haben muss.
Durch die wirtschaftspolitische Vorzugsstellung am Rhein erlangten die Ilanzer vermutlich in der zweiten Halfte des 13. Jahrhunderts das
Stadtrecht
. Das Privileg einer Stadt umfasste nach mittelalterlichem Recht den Anspruch auf eigenen Markt, eigenes Gericht und auf
Stadtmauern
.
Wahrend das
Marktrecht
der Ilanzer unbestritten blieb, gelang es ihnen nicht, sich in gerichtlichen Dingen von der Gruob zu losen. Immerhin erhielt die Stadt ein sogenanntes Stadt- oder Burgergericht, das kleinere Streitigkeiten beilegen konnte und fur fremde Marktleute zustandig war, die sich innerhalb der Mauern aufhielten.
Auch das Recht auf Mauern nutzten die Ilanzer. 1390 besass das Stadtchen Mauern und Tore, denn ein Vertrag aus diesem Jahr meldet, dass Freiherr Caspar von Sax dem Stephan Sporer zu Erblehen gegeben habe
ain hoffstat gelegen ze Inlantz in der stat bi dem undern tor an der ring muren under dem nuwen arggel (Erker) von Rudis Schniders hus
.
Der gleiche Vertrag von 1390 erwahnt auch
ein stat recht und gewonhait ze Inlantz
. Von dessen genauerem Inhalt erfahrt man erst um 1529 beziehungsweise 1534 mehr:
dann sy (die Ilanzer) vii ordnung in irer stattrecht haben mit hofstetten, techeren, gassen, odgesselynen (kleinen Gasschen) … ouch so habent sy ein schwer Brucken zu halten und ouch viI ander beschwerden, es sy mit wuren oder bannholtz … ouch andre ufsatzung von des furs wegen und ouch um ire ordnung der wurten (Wirte) halben uszeschenken
. Offenbar enthielt das stadtische Gesetz eine Art Bauordnung, Regelungen fur Bruckenbau und Wuhren sowie eine Feuerpolizei- und Wirtschaftsordnung.
Ilanz war jedoch trotz Stadtrecht keine freie Stadt wie etwa die
Reichsstadte
Zurich und Bern, sondern gehorte einem Stadtherrn, der Anspruch auf zahlreiche Entschadigungen in Form von Zinsen und Zollen besass und von den Burgern eine Steuer fur den Schutz gegen feindliche Angriffe erhob.
Herren der Stadt waren im ausgehenden 13. und 14. Jahrhundert die
Freiherren von Belmont
, benannt nach ihrer
Burg Belmont
in der Nahe von
Fidaz
. Die Belmonter, denen fast die ganze Gruob und das
Lugnez
gehorten, mussten 1352 ihren Besitz gegen den Herrn
von Werdenberg
-Heiligenberg verteidigen, der mit seinen Truppen in die Gruob eindrang und Ilanz brandschatzte. 1483 zerstorte ein Brand die Stadt und die St. Margarethenkirche. Die Jahreszahl 1513 am Erdgeschoss des Obertors weist darauf hin, dass die Stadt relativ bald wieder aufgebaut wurde.
1371 wurden die
Freiherren von Sax
-Misox die Stadtherren von Ilanz; sie hatten nach dem Tod des letzten Belmonters dessen Erbschaft angetreten. Unter ihnen begann fur Ilanz ein rascher Aufstieg zu gesamtbundnerischer Bedeutung. Hier schlossen 1395 Abt Johannes von Disentis, ein geburtiger Ilanzer, Graf Albrecht von Sax-Misox sowie Freiherr Ulrich der Machtige
von Rhazuns
den Landfriedensvertrag
Part Sura,
der die Grundlage des spater in Truns erweiterten
Grauen Bundes
bildete. Die Bedeutung von Ilanz reichte bald uber das eigentliche Bundesgebiet hinaus, war es doch nach der Vereinigung der
Drei Bunde
mit Chur und Davos im Turnus Tagungsort der allgemeinen Bundesversammlung, der obersten Behorde des bundnerischen Freistaates.
Ilanz’ zentrale Bedeutung gewann im Zeitalter der
Reformation
noch an Bedeutung.
[5]
In der St. Margarethenkirche wurden zu Beginn des 16. Jahrhunderts die fur die Reformation in Bunden entscheidenden
Disputationen
abgehalten. Die
Ilanzer Disputation,
ein im Januar 1526 abgehaltenes religioses Streitgesprach, bereitete den Boden fur die Reformation in Graubunden, das sich zu einem konfessionell gemischten Staatswesen entwickelte. In den
Ilanzer Artikeln
vom 25. Juni 1526 wurden die Rechte der Gemeinden gegenuber dem Churer Bischof entscheidend gestarkt. Ilanz ist einer der zehn Schweizer Orte, die 2017 vom
Evangelischen Kirchenbund
das
Etikett ≪Reformationsstadt≫
verliehen bekommen haben.
[6]
In der gleichen Kirche trat 1538 auch die erste
evangelisch-ratische Synode
zusammen. Ilanz wurde reformiert und blieb es rund dreihundert Jahre. Im 19. Jahrhundert fuhrten zugewanderte
Katholiken
den katholischen Glauben wieder ein und bauten im Zentrum der heutigen Stadt 1879 eine Kirche.
1546 bis 1563 fand der verfolgte
Tiroler
Leopold Scharnschlager
in Ilanz Zuflucht und arbeitete hier als Schulmeister. Im Untergrund wirkte er als Fuhrer einer kleinen
Taufergemeinde
.
[7]
In den
Bundner Wirren
des beginnenden 17. Jahrhunderts war Ilanz auf der Seite der Franzosen und
Venezianer
. Fur Unterschlupf, das manchem Gegner Spaniens gewahrt wurde, musste die Stadt unter osterreichischer Besetzung bussen. Als Folge von Not und Armut machte sich der
Hexenglaube
breit, der in Ilanz wahrend einiger Jahre zu zahlreichen
Hexenprozessen
fuhrte.
Als im spaten 17. und 18. Jahrhundert Bunden seiner geopolitischen Lage wegen von den Grossmachten Europas umworben wurde, nahm Ilanz durch die Familie
Schmid von Gruneck
regen Anteil am politischen Geschehen. Die Schmid von Gruneck waren das bedeutendste Geschlecht der Stadt. Die Familie erschien in Ilanz erstmals am Ende des 14. Jahrhunderts und starb im 18. Jahrhundert aus. 1544 wurde sie von Kaiser
Karl V.
in den Adelsstand erhoben und durfte das Pradikat ≪von Gruneck≫ tragen, nach der gleichnamigen
Burg
, die allerdings schon damals eine Ruine war. Der Initiative der Familie Schmid von Gruneck verdankte Ilanz auch die Hilfe der reformierten Stadte
Zurich
und
Bern
beim Wiederaufbau der Mauern und beim Schmuck der Tore von 1715 bis 1717.
Als die Franzosen im ausgehenden 18. Jahrhundert die alte Staatsordnung auflosten und das Land 1803 als Kanton zur Eidgenossenschaft kam, verlor Ilanz seine Bedeutung als Bundeshauptort und als Tagungsort. Als Hauptort des Kreises Ilanz bewahrte es aber eine gewisse politische Bedeutung.
Bevolkerungsentwicklung
|
Jahr
|
1835
|
1850
|
1900
|
1950
|
2000
|
2014
|
Einwohner
|
574
|
663
*
|
981
|
1640
|
2488
|
4700
|
*
(mit Strada)
Gegenuber dem fruher vorherrschenden
sursilvanischen
Idiom
des
Ratoromanischen
hat sich Deutsch als Umgangssprache mehrheitlich durchgesetzt. Dennoch gab anlasslich der letzten Volkszahlung eine knappe Mehrheit der Bevolkerung an, regelmassig Romanisch zu sprechen, und die geplante Einfuhrung einer zweisprachigen
Primarschule
durfte die angestammte Sprache wieder etwas starken.
Seit der 1526 eingefuhrten Reformation ist Ilanz traditionell eine
reformierte
Ortschaft. Infolge der Zuwanderung aus dem ganz uberwiegend
katholischen
Umland haben sich die Mehrheitsverhaltnisse im Laufe des 20. Jahrhunderts indes umgekehrt. In dem Zusammenhang stand 1919 die Grundung der
Evangelischen Vereinigung Gruob und Umgebung
.
Die eidgenossische Volkszahlung aus dem Jahr 2000 ergab folgende konfessionelle Zugehorigkeit der Einwohner von Ilanz: 63,4 % romisch-katholisch, 22,5 % protestantisch, 8,4 % andere Religionsgemeinschaften, 3 % ohne Zugehorigkeit.
[8]
Die Stadt verfugt uber drei Kirchen: die
reformierte Kirche Ilanz
(Margarethenkirche) im ?Stadtli“, die ebenfalls reformierte
Martinskirche
an der Strasse Richtung Lugnez und die
romisch-katholische
Pfarrkirche
Maria Himmelfahrt
.
In Ilanz bildete sich im 19. Jahrhundert die
Ordensgemeinschaft
der Ilanzer
Dominikanerinnen
. Seit 1970 bewohnt die Schwesterngemeinschaft das nach Planen von Architekt
Walter Moser
neu errichtete
Kloster Ilanz
.
Mit seinem 1611 erstmals gedruckten Katechismus
Ilg Ver Sulaz da pievel giuvan
(deutsch:
Die wahre Freude des jungen Volkes
) begrundete der reformierte Pfarrer
Stefan Gabriel
die
ratoromanischen Schriftsprache
des
surselvischen Idioms
.
[9]
Sein Sohn
Lucius Gabriel
ubersetzte das Neue Testament
Ilg Nief Testament da Niess Senger Jesu Christ
(deutsch:
Das Neue Testament von unserem Herrn Jesus Christus
) in die gleiche neue Schriftsprache, das 1648 in
Basel
gedruckt und neunmal bis 1869 nachgedruckt wurde.
[10]
2016 erhielt Ilanz das Label
Reformationsstadt in Europa
, das von der
Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa
(GEKE) verliehen wurde, anlasslich des 2017 stattfindenden 500. Jubilaums der
Reformation
.
[11]
Im Stadtli:
Ausserhalb:
- Kirche Sogn Martin
, ehemals Mutterkirche des Kirchenbezirks, heutiger Bestand aus dem 14. bis 17. Jahrhundert.
[23]
* Etwas oberhalb von Ilanz, an der Strasse nach
Ruschein
, liegt die Ruine der
Burg Gruneck
.
Durch Ilanz fuhrte die
Oberlander Strasse
von
Chur
uber den
Lukmanierpass
ins
Tessin
. Bedeutsam fur den Aufstieg des Stadtchens war die Lage an einer Rheinbrucke ? der ersten oberhalb von
Reichenau
.
Die
Vorderrheinlinie
der
Rhatischen Bahn
wurde 1903 bis zum damaligen Endbahnhof Ilanz eroffnet und 1912 bis
Disentis/Muster
verlangert. Bis heute ist der
Bahnhof Ilanz
der wichtigste Zwischenbahnhof der Linie und weist ein hohes Guteraufkommen auf, unter anderem durch eine Verladestation fur Mineralwasser.
Sternformig von Ilanz ausgehende Postautolinien erschliessen die umliegenden Dorfer, darunter bekannte Ferienorte wie
Flims
,
Laax
,
Obersaxen
und
Vals
.
Nach einer Bauzeit von rund vier Jahren wurde am 10. August 2016 die Umfahrung Ilanz West in Betrieb genommen. Je ein Kreisel auf der Oberalpstrasse und der Lugnezerstrasse sollen zusammen mit der 267 Meter langen Rheinbrucke zu einer Reduktion des taglichen Verkehrs in Ilanz von etwa 9400 auf 4600 Fahrzeuge fuhren. Die Kosten betrugen rund 26 Millionen Franken.
[24]
Seit 1940 bestand in Ilanz die
Bundner Fachschule fur Pflege
. Diese Schule wurde Ende 2011 aufgelost zugunsten des
Bildungszentrums Gesundheit und Soziales
in
Chur
.
- Leupold Scharnschlager
(um 1485?1563), fuhrende Personlichkeit der
Tauferbewegung
; war ab 1546 Schulmeister in Ilanz und verstarb hier 1563
- Stefan Gabriel
(1570?1638), evangelisch-reformierter Pfarrer in Ilanz 1599?1620 und 1626?1638 und Begrunder der
ratoromanischen Schriftsprache
des
surselvischen Idioms
[9]
- Lucius Gabriel
(1597?1663), evangelisch-reformierter Pfarrer in Ilanz 1623?1626 und 1638?1663 und Bibelubersetzer in die ratoromanische Schriftsprache des surselvischen Idioms
[10]
- Men-Fort Gabriel
(1608?1672), evangelisch-reformierter Pfarrer und Ubersetzer
- Johannes Caprez
(1701?1777), evangelischer Geistlicher und Pietist
- Balthasar von Castelberg (1812?1897), nichtresidierender Domherr der Diozese Chur und Bischoflicher Landesvikar, in Ilanz geboren
- Herkules Oswald
(1823?1869), Jurist und Politiker, in Ilanz geboren
- Gustav Tobler
(1855?1921), Historiker, in Ilanz geboren
- Emmy Cathomas-Meyer
(1881?1972), in Ilanz, erste Arztin der Surselva
[25]
- Benedikt Momme Nissen
(1870?1943), Maler und Schriftsteller, in Ilanz verstorben
- Flurin Maissen
, geboren als
Fidel Maissen
(1906?1999), Benediktinerpater und Naturwissenschaftler, in Ilanz geboren
- Corina Casanova
(* 1956), Bundeskanzlerin der Schweizerischen Eidgenossenschaft 2008?2015, in Ilanz geboren
- Reto Nay
(* 1962), romisch-katholischer Priester und
Exeget
, in Ilanz geboren
- Christian Spescha
(* 1989), Schweizer Skifahrer, in Ilanz geboren
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84
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Ursulina Mutzner-Scharplatz:
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0524-9287
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Mit Fraktion ist hier ein
Ortsteil
gemeint.