|
Howard Staunton, um 1855
|
Verband
|
England
England
|
Geboren
|
April 1810
London
|
Gestorben
|
22. Juni 1874
London
|
Beste
Elo‑Zahl
|
2706 (November 1846) (
historische Elo-Zahl
)
|
Howard Staunton
(* April
1810
in
London
; †
22. Juni
1874
ebenda) war ein
britischer
Schachspieler
, Schach
journalist
und
Shakespeare
-Forscher. Er galt zwischen 1843 und 1851 als starkster Schachspieler der Welt.
Jean Henri Marlet: Das beruhmte Schachspiel zwischen Howard Staunton und Pierre Saint Amant am 16. Dezember 1843
Geboren als unehelicher Sohn des Grafen von
Carlisle
, wuchs Staunton in armlichen Verhaltnissen auf und erlernte das Schachspiel erst mit 20 Jahren, relativ spat fur einen großen Schachmeister. Erst ab 1830 tauchte er in den Londoner Schachclubs auf. Zuvor war er als Schauspieler aktiv und trat u. a. mit dem großen Schauspieler
Edmund Kean
in
William Shakespeares
Der Kaufmann von Venedig
auf, in dem er sich in der Rolle als
Lorenzo
durchaus neben Keans
Shylock
behaupten konnte. Daneben beschaftigte sich Staunton jahrelang mit den Werken Shakespeares und wirkte auch als Herausgeber einer von November 1857 bis Mai 1860 in monatlichen Lieferungen erschienenen und von
John Gilbert
illustrierten Werkausgabe. Außerdem verfasste er 1865 ein Werk uber das englische Bildungswesen mit dem Titel
The great schools of England
.
Staunton beschaftigte sich eingehend mit der
Eroffnungstheorie
, was seine beachtlichen Erfolge auf dem Schachbrett beschleunigte. Er wurde zu einem glanzenden
Analytiker
und ihm zu Ehren erhielt die
Ponziani-Eroffnung
, die er grundlich studiert hatte, die Bezeichnung
Englische Eroffnung
, wobei diese Bezeichnung spater auf den Eroffnungszug 1. c2?c4 uberging.
[1]
Seinen Namen erhielt auch eine Variante der
Hollandischen Verteidigung
, das
Staunton-Gambit
.
Staunton wurde schnell zu einem der besten Schachspieler Europas. Im Jahr 1843 forderte er im beruhmten Pariser Schachcafe
Cafe de la Regence
den franzosischen Meister
Pierre Saint Amant
zu einem Wettkampf heraus. Von 21 Partien gewann er elf, verlor sechs und spielte vier Mal unentschieden. Danach galt er als starkster Spieler der Welt.
Ab 1841 gab Staunton die Schachzeitung ?The Chess Player’s Chronicle“ heraus und leitete sie bis 1852. Sie war nach der franzosischen Zeitschrift ?
Le Palamede
“ die zweite Schachzeitung uberhaupt. Oft prasentierte er hier eigene Partien, wobei Gewinnpartien uberreprasentiert sein sollen. Aber auch eines der bekanntesten Schachprobleme veroffentlichte er dort, das
Indische Problem
. Ab 1845 bis zu seinem Tod verfasste Staunton auch die Schachrubrik in der ?Illustrated London News“. Hier berichtete er uber das sich entwickelnde Schachleben in aller Welt und publizierte Schachprobleme und Partien. Diese Schachrubrik gilt heute als wertvolle Informationsquelle. Außerdem veroffentlichte er mehrere Schachbucher, darunter 1847 sein einflussreiches Lehrbuch,
The Chess-Player’s Handbook
. Die von ihm empfohlene Form von
Schachfiguren
(
Staunton-Figuren
) wird heute bei fast allen offiziellen Turnieren verwendet.
Im Februar 1849 heiratete er die verwitwete Frances Carpenter, die einige Jahre alter als er war. Im Alter von 64 Jahren erlag Staunton in der Bibliothek seines Hauses einem
Herzinfarkt
. Er wurde auf dem
Kensal Green Cemetery
beerdigt.
Howard Staunton im Jahr 1866 (Ausschnitt einer Fotografie)
Große Verdienste erwarb sich Staunton auch dadurch, dass aufgrund seiner Bemuhungen 1851 in London zeitgleich zur
Weltausstellung
das erste große internationale
Schachturnier
zustande kam. Er forderte Schachfreunde in England und den Kolonien zu Spenden auf und lieferte damit die finanzielle Basis fur das
Turnier
. Dem Organisationskomitee gehorten fuhrende Personlichkeiten der Londoner Gesellschaft an. Der wohlhabende Schachklub St. George richtete Einladungen an die fuhrenden Schachmeister Europas. Das Turnier hatte schließlich sechzehn Teilnehmer, darunter auch
Adolf Anderssen
und
Lionel Kieseritzky
. Staunton, zuvor als Favorit gehandelt, verlor gegen Anderssen, der unerwartet das Turnier gewann. Staunton wurde lediglich Vierter.
Bedenkzeiten
von 12 bis 16 Stunden pro Partie waren in diesem Turnier ublich, da noch ohne
Schachuhr
und ohne Zeitbeschrankung gespielt wurde.
Den Misserfolg konnte Staunton nicht verkraften. In seiner Zeitschrift setzte er seine Gegner herab und fuhrte eine angebliche Krankheit als Entschuldigung an. Im Jahr 1853 verlor Staunton einen inoffiziellen Wettkampf gegen
von der Lasa
und zog sich danach aus der internationalen Schachszene zuruck. Als der neue aufgehende Stern am Schachhimmel,
Paul Morphy
aus den USA, ihn 1858 zu einem Wettkampf aufforderte, wich er einem Zweikampf aus. Seine beste
historische Elo-Zahl
betrug 2706. Diese erreichte er im November 1846. Er lag mehr als sechs Jahre auf Platz eins der Weltrangliste.
- Carl Meier (Hrsg.):
Der Schachkampf in Paris, im November und December 1843, zwischen Mr. Staunton und M. de St.-Amant
, Zurich 1844.
- Raymond Keene
, Richard N. Coles:
Howard Staunton, the English world chess champion.
The British Chess Magazine, St. Leonards on Sea 1975,
ISBN 0-900846-19-4
.
- Bernd-Peter Lange:
Modernisierung des aristokratischen Habitus. Howard Staunton als viktorianischer Gentleman, Schachmeister und Philologe.
In:
Archiv fur Kulturgeschichte
.
Bd. 76 (1994), H. 1, S. 201?229,
doi:10.7788/akg.1994.76.1.201
.
- Mario Ziegler:
Das Schachturnier London 1851.
ChessCoach, St. Ingbert 2013,
ISBN 978-3-944158-00-6
, S. 107?124.
- ↑
Deutsche Schachzeitung
Jg. 1874, S. 121.