Hottentotten
im engeren Sinne ist eine in der
Kolonialzeit
von den
Buren
erstmals verwendete Sammelbezeichnung fur die im heutigen
Sudafrika
und
Namibia
lebende Volkerfamilie der
Khoikhoi
, zu der die
Nama
, die
Korana
und
Griqua
(
Orlam
und
Baster
) gehoren. Im weiteren Sinne ist es auch eine Bezeichnung fur die
San
, also zusammen fur die
Khoisan
.
Kulturwissenschaftler gehen heute davon aus, dass die niederlandische Bezeichnung
Hottentot
seit ihrer Einfuhrung hauptsachlich abwertend
rassistisch
und diskriminierend verwendet wurde.
[1]
Außerdem wurde das englische Wort
Hottentots
auf Menschen mit vermeintlich unterlegener Kultur und Mangel an intellektuellen Fahigkeiten ubertragen.
[2]
[3]
Ein Erklarungsversuch geht auf eine Eigenart der
Khoisan-Sprachen
zuruck. Er geht davon aus, dass diese Sprachen von ? fur europaische Ohren ungewohnten ?
Klick- und Schnalzlauten
, den ingressiven Verschlusslauten, durchsetzt sind. Diese Laute hatten dann die niederlandischen Siedler als Gestotter empfunden und die Khoi somit als
Stotterer
(im nordlichen Dialekt des
Afrikaans
:
hottentots
) bezeichnet.
[4]
Der Hinweis auf die eigentumliche Sprache (jedoch ohne Hinweis auf Stottern) fur die Namensherkunft findet sich schon in den ersten Beschreibungen ab 1670.
[5]
[6]
Nach dem
Zedler-Lexikon
(Bd. 13, 1735) sollen die Khoi in frohlicher Stimmung das Wort ?Hottentot“ ausgerufen haben, was dann zur Benennung durch die Hollander fuhrte.
Es finden sich auch historische Erklarungen, nach denen das Wort Hottentotte auch nordafrikanischen Ursprunges (
Hadendoa
) sein konnte.
[7]
Im Korpus von
Google Books
ist das niederlandische
Hottentots
erstmals 1665 zu finden.
[8]
Danach erscheint es in einer zusammengetragenen Reisebeschreibung von
Olfert Dapper
[9]
, die 1670 im gleichen Amsterdamer Verlag in einer deutschen Version herauskam, nun mit
Hottentotten
.
[5]
Im Rahmen der deutschen Koloniegrundung im heutigen Namibia ubernahmen die deutschen Siedler Sichtweisen und Worter ihrer burischen Nachbarn. Eine Auseinandersetzung mit dem Wort
Hottentotten
findet sich im
Deutschen Kolonial-Lexikon
1920: ?Die H. nennen sich selbst Koikoin, was so viel wie Menschen bedeutet. Als Naman fasst man dagegen jetzt am besten alle H.-Stamme von
Deutsch-Sudwestafrika
zusammen, obwohl diese Bezeichnung ursprunglich wohl nur fur die vor 1800 dort vorhandenen Hottentotten galt. Das sonderbare Wort ?Hottentott‘ hat man meist als einen hollandischen Spottnamen bezeichnen wollen, …“
[10]
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Begriff ? bereits seit der
Epoche der Aufklarung
? in etlichen deutschsprachigen literarischen Werken manifestiert. Bis heute haben sich in Deutschland Redewendungen wie ?Hier geht es zu wie bei den Hottentotten!“ erhalten, zum Beispiel nannte
Marius Muller-Westernhagen
sein 2011er Live-Album ?Hottentottenmusik“. Die Wendungen sollen einen Mangel an raumlicher beziehungsweise musikalischer Ordnung zum Ausdruck bringen.
Der Ausdruck findet sich auch in verschiedenen
Wortzusammensetzungen (Komposita).
Beide Begriffe entstammen dem 19. Jahrhundert, der Blutezeit der
Rassentheorien
, die unter anderem
biologistisch
begrundet wurden. Mit der Zuordnung solcher korperlicher Merkmale zu einem afrikanischen Volk verbanden viele damalige europaische Zeitgenossen ein besonderes Maß an
Wollust
und
Laszivitat
.
Sarah Baartman
wurde in Großbritannien als
Hottentot Venus
und in Frankreich als
Venus hottentote
ausgestellt. Heute ist bekannt, dass die genannten anatomischen Phanomene auch bei anderen genetisch ahnlichen
Phanotypen
vorkommen.
[12]
- Die Kampfe der deutschen Truppen in Sudwestafrika. Auf Grund amtlichen Materials bearbeitet von der Kriegsgeschichtlichen Abteilung I des Großen Generalstabes
, Band 2:
Der Hottentottenkrieg. Mit 47 Abbildungen und 28 Skizzen
, Ernst Mittler & Sohn, Konigliche Hofbuchhandlung Berlin 1907;
Digitalisat
vom
Center for Research Libraries
(CRL)
- ↑
Susan Arndt
,
Antje Hornscheidt
(Hrsg.):
Afrika und die deutsche Sprache.
2004,
ISBN 3-89771-424-8
.
- ↑
Eintrag zu ?Hottentots“ im
Shorter Oxford Dictionary
: ?one of inferior culture and intellect.“ (Jemand unterlegener Kultur und Intellekts)
ISBN 978-0-19-920687-2
- ↑
Auch das
South African Concise Oxford Dictionary
bezeichnet das Wort als
offensive
(d. h. ?anstoßig, beleidigend, befremdlich, widerwartig“)
ISBN 978-0-19-571804-1
- ↑
Der Neue Herder, Band II, S. 1744, Herder-Druckerei Freiburg im Breisgau, 1950
- ↑
a
b
Olfert Dapper:
Umbstandliche und Eigentliche Beschreibung von Africa, und denen darzu gehorigen Konigreichen und Landschaften, als Egypren, Barbarien, Libyen, Biledulgerid, dem Lande der Negros, Guinea, Ethiopien, Abyßina, und den Adrikanischen Insulen: zusamt deren Verschiedenen Nahmen, Grentzen, Stadten, Flussen, Gewachsen, Thieren, Sitten, Trachten, Sprachen, Reichthum, Gottesdienst, und Regierung
. Jacob von Meurs, Amsterdam 1668, Die Kafferey oder das Land der Kaffer oder Hottentotten,
S.
602 u. a
. (
Online
in der Google-Buchsuche [abgerufen am 2. Januar 2016]).
?Das Land Kafrarien, oder, wie es Marmol schreibet, die Quefrerie, wird von den
Kaffern
also genennet; welche des Landes eingebohrne seynd, und von den Hollandern Hottentotten oder Hottentosen, ihrer anstossenden und ungeschickten Sprache wegen, gemeiniglich benahmet werden.“
- ↑
Walter Schultze:
Ost-Indische Reyse: Worin erzehlt wird Viel gedenckwurdiges, und ungemeine seltzame Sachen, bluthige See- und Feld-schlachten, wieder die Portugisen und Makasser; Belagerungen, Besturmungen, und Eroberungen vieler furnehmen Stadte und Schlosser.
Jacob von Meurs & Johannes von Sommern, Amsterdam 1676,
S.
6, 247
(
Online
in der Google-Buchsuche [abgerufen am 2. Januar 2016] niederlandisch:
Wouter Schoutens Oost-indische Voyage; vervattende veel voorname voorvallen en ongemeene vreemde geschiedenissen, bloedige Zer-en Landt-gevechten tegen de Portugeesen en Makassaren; Belegerung, Bestozming, en Verovering van veel voozname Steden en Kasteelen.
Amsterdam 1676. Ubersetzt von J. D.).
Seite 6: [In der
Tafelbucht
, nordlich des Kap der guten Hoffnung] ?Wir verwunderten uns aber uber nichts mehr, als uber die wilde Menschen, welche am Ufer in grosser Anzahl sich sehen liessen. Diese werden Hottentotten, wegen ihrer klucksender Aussprache, genannt, welche sich dem klucksen der Welschen Hahnen gleichet.“
Seite 247: ?Noch seltsamer aber war die wilde Lands-art der Inwohner der Cap de bon Esperance [Kap der guten Hoffnung] zu sehen, welche wegen ihrer Unmenschlichkeit, nichts an sich haben, das einen Menschen gleichet: sie sind warlich die elendesten Menschen, die ich jemahls auf der Welt gesehen hab. Sie werden mehrenteils, wegen ihrer seltsamen Sprach, Hottentotten genennet, welche sie nach Art der Welschen Hahnen, gleichsam in der Kehlen formiren; …“
Original: S. 8, 182
Online
in der Google-Buchsuche
- ↑
Das Deutsche Kolonial-Lexikon (1920), Band II, S. 77 ff,
ISBN 3-939102-13-X
,
Text des Eintrags auf dem Server der Universitatsbibliothek Frankfurt am Main
- ↑
Klvcht van Jean de la Roy, of D'ingebeelde Rijke. Gspeelt op d' Amsterdamsche Schouwburgh.
Jacob Lescaille, Amsterdam 1665,
S.
A3a
(
Online
in der Google-Buchsuche [abgerufen am 2. Januar 2016]).
- ↑
Olfert Dapper:
Naukeurige Beschrijvinge der Afrikaensche Gewesten van Egypten, Barbaryen, Libyen, Biledulgerid, Negroslant, Guinea, Ethiopien, Abyssinie: Vertoont in de Benamingen, Grenspalen, Steden, Revieren, Gewassen, Dieren, Zeeden, Drachten, Talen, Rijkdommen, Godsdiensten en Heerschappyen
.
Band
1
. Jacob van Meurs, Amsterdam 1668, Namaquas,
S.
643
(
Online
in der Google-Buchsuche [abgerufen am 2. Januar 2016]).
- ↑
Das Deutsche Kolonial-Lexikon.
Band II. 1920,
ISBN 3-939102-13-X
, S. 77ff. (
Text des Eintrags auf dem Server der Universitatsbibliothek Frankfurt am Main
).
- ↑
Growth, sexual maturity and reproduction in the hottentot Pachymetopon blochii (Val.)
- ↑
Marion A. Hulverscheidt:
Weibliche Genitalverstummelung und die ?Hottentottenschurze“. Ein medizinhistorischer Diskurs des 19. Jahrhunderts.
In:
Journal Ethnologie.
2007. Hrsg.
Museum der Weltkulturen
, Frankfurt.
- ↑
Claudia Law:
Sprachratgeber und Stillehren in Deutschland (1923-1967).
Reihe: Studia Linguistica Germanica, Verlag De Gruyter, Berlin 2007,
ISBN 978-3-11-018363-4
, S. 95
- ↑
Ernst Wasserzieher:
Schlectes Deutsch. Der Kampf gegen das Falsche, Schwerfallige, Geschmacklose und Undeutsche
. 9. Auflage, besorgt von Dr. Eugen Flad, Ferdinand Dummlers Verlag, Bonn 1961 (Erstauflage 1920), S. 73
- ↑
Emil Kuh:
Adalbert Stifter
. Tendler & Comp., Wien 1868, S. 74