Hochwasserruckhaltebecken

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Das Hochwasser- Ruckhaltebecken Mordgrundbach an der Bahra im Osterzgebirge wird im Teildauerstau betrieben, das heißt, ein Teil des Beckens ist standig gefullt.

Ein Hochwasserruckhaltebecken ist eine Stauanlage , deren Hauptzweck die Regulierung der Abflussmenge eines Fließgewassers bei Hochwasser ist. Es dampft die abfließende Hochwasserwelle, indem es ubermaßige Zuflusse zwischenspeichert und verzogert wieder abgibt. Das Becken ist im Normalfall leer (sogenanntes Trockenbecken oder grunes Becken) oder teilweise gefullt (Dauerstaubecken). Große Hochwasserruckhaltebecken konnen ahnlich aufgebaut sein wie Talsperren , ihr Hauptzweck bleibt jedoch der Hochwasserschutz . Talsperren dienen daruber hinaus jedoch auch weiteren Zwecken, wie z. B. der Trinkwasserversorgung oder der Stromerzeugung. Als Absperrbauwerk werden Staumauern oder Staudamme eingesetzt.

Lage des Beckens zum Gewasser [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Hochwasserruckhaltebecken im Hauptschluss (links) und Nebenschluss (rechts), bestehend aus Staudamm (1), Retentionsbecken (2), Naturbereich (3), Tosbecken (4), Uberleitung (5) und Auslass (6)

Hauptschluss [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Hochwasserruckhaltebecken im ?Hauptschluss“ werden vom Gewasser direkt durchflossen. Das Absperrbauwerk (1) liegt quer zum Flusslauf, wobei das Fließgewasser bei Niedrigwasser ungehindert durch den Grundablass ablauft. Steigt der Zufluss des Gewassers uber die Regelabgabe des Grundablasses, wird dieser erhohte Abfluss zuruckgehalten und das Becken (2) wird eingestaut. Erst wenn der Zufluss den Regelabfluss unterschreitet, entleert sich das Becken langsam wieder. Der Grundablass ist so eingestellt, dass nur so viel Wasser durchfließen kann, wie der Unterlauf schadlos verkraften kann. [1] Der unterste Bereich des Beckens, welcher bei kleineren Hochwassern regelmaßiger betroffen ist, wird in der Regel als reiner Naturbereich (3) gestaltet. [2] Ein Beispiel fur ein derartiges Becken ist das Hochwasserruckhaltebecken Jonenbach .

Nebenschluss [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Hochwasserruckhaltebecken im ?Nebenschluss“ werden vom Gewasser nicht direkt durchflossen, sondern das Becken (2) ist seitlich neben dem Fluss angeordnet. Das Becken ist dabei durch einen in Flussrichtung orientierten Langsdamm (1) vom Fluss getrennt. Bei Hochwasser kann eine Teilmenge des Wassers aus dem Fluss durch eine Uberleitung (5) in das Becken geleitet werden. Es fließt spater durch die Uberleitung oder einen anderen Auslass (6) wieder in den Fluss zuruck. Der Fluss bleibt im Normalzustand in seinem naturlichen Lauf. Das Okosystem des Flusses mit Uferstreifen und Auen bleibt beim Hochwasserruckhaltebecken im Nebenschluss also durchgangig erhalten. [1]

Hochwasserruckhaltebecken im Nebenschluss unterscheiden sich in ihrer Anordnung zum Gewasser sowie in den erforderlichen technischen Anlagen nicht von Poldern , die zum Hochwasserschutz eingesetzt werden. Die DIN 19712 (Hochwasserschutzanlagen an Fließgewassern) von 2013 grenzt beide Formen von Retentionsraumen uber den maximalen Wasserstand ab: Steigt dieser Wasserstand nur wenig uber den des Hauptgewassers an, so handelt es sich um einen Polder. [3] Ein Beispiel fur einen Polder ist das Hochwasserschutzbecken Langeler Bogen .

Klassifizierung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Eine Unterteilung von Hochwasserruckhaltebecken erfolgt gemaß DIN 19700-12 zuerst einmal aufgrund der Große entsprechend folgender Tabelle:

Klassifizierung Gesamtstauraum Hohe des Absperrbauwerks
sehr klein kleiner 0.0 50.000 m³ kleiner 0 4 m
klein kleiner 0. 100.000 m³ kleiner 0 6 m
mittel kleiner 1.000.000 m³ kleiner 15 m
groß großer 1.000.000 m³ großer 15 m

Zusatzlich konnen Abweichungen von dieser Einteilung nach oben oder unten aufgrund der Bedeutung und des Gefahrdungspotentials vom Betreiber in Abstimmung mit der Zulassungsbehorde festgesetzt werden. [4] Dieses gilt insbesondere, wenn die beiden Werte Gesamtstauraum und Hohe des Absperrbauwerks in verschiedenen Klassen liegen. [5]

Der vorrangige Zweck von Hochwasserruckhaltebecken ist der Schutz vor Hochwasser. Sind weitere Nutzungen vorhanden, konnen Hochwasserruckhaltebecken mit Dauerstau Talsperren im Sinne der DIN 19700 zugeordnet werden. Die entsprechende Entscheidung erfolgt anlagespezifisch. [4] Kriterien fur die Entscheidung sind weniger die Große ? das 2006 fertiggestellte Hochwasserruckhaltebecken Lauenstein in Sachsen hat zum Beispiel eine Hohe uber Talsohle von uber 40 m ? als vielmehr das Verhaltnis der Große von Dauerstauraum zu Hochwasserruckhalteraum oder weitere Aufgaben wie Niedrigwasseraufhohung, Trinkwasserversorgung oder Stromerzeugung.

Aufbau eines Hochwasserbeckens [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Ein Hochwasserruckhaltebecken besteht normalerweise aus einem Absperrbauwerk mit dem Zweck das Wasser im Bedarfsfall im Staubecken aufzustauen. Der Betriebs- und Grundablass ermoglicht die Beckenentleerung und die Beckenbewirtschaftung. Eine Hochwasserentlastung dient zum Schutz vor unerwartet hohen Wasserstanden.

Das Absperrbauwerk [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Das Absperrbauwerk kann entweder als Staudamm oder als Staumauer ausgefuhrt sein. Staudamme sind geschuttet und lassen sich sowohl auf Fels als auch auf hinreichend tragfahigem Boden (Lockergestein) aufbauen. Wenn wasserdichte Schichten erst in großerer Tiefe anstehen, sind in der Regel spezielle Maßnahmen zur Untergrundabdichtung vorzusehen. Untergrundabdichtung und Staudammdichtung mussen ein luckenloses Dichtungssystem bilden. Staumauern sind ausschließlich auf tragfahigem Fels zu errichten. Die genaue Bauform hangt maßgeblich von den Felseigenschaften und der Talform ab. [6]

Die Entscheidung uber die Art des Absperrbauwerks wird neben den entscheidenden geologischen Untergrundbeschaffenheiten auch von wirtschaftlichen und gestalterischen Gesichtspunkten bestimmt. Staudamme sollten insbesondere in erdbebengefahrdeten Gebieten bevorzugt werden. Andererseits muss fur einen Dammbau Baumaterial in ausreichender Menge und Qualitat in ortlicher Nahe der geplanten Stauanlage zur Verfugung stehen. [6]

Je nach Große der Anlage sind verschiedene Sicherheitsnachweise zu erbringen. Diese betreffen die Tragsicherheit, die Gebrauchstauglichkeit und die Dauerhaftigkeit des Tragwerks. Die Dauerfestigkeit muss bei einer Nutzungsdauer von 80 bis 100 Jahren durch regelmaßige visuelle und messtechnische Kontrollen nachgewiesen werden. Nach DIN 19700-11 mussen bei der Auslegung standige Einwirkungen wie Eigenlast, Verkehrs- und Auflast sowie Wasserdruck bei Dauerstau, aber auch seltene Einwirkungen wie ein extremer Hochwasserstau und außergewohnliche Lastfalle wie Erdbeben berucksichtigt werden. [4]

Der Betriebs- und Grundablass [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Betriebs- und Grundablass sind bei vielen Hochwasserruckhaltebecken in einem Bauwerk zusammengefasst und bilden das ?Herzstuck“ einer Stauanlage. Der gemeinsame Betriebs- und Grundablass verlauft meist auf dem Niveau der Gewassersohle durch den Fuß des Staudamms und besteht aus einem Einlaufbauwerk mit Treibgutrechen , einem Drossel- oder Verschlussbereich, einem Durchlass (Transportgerinne) und einem Auslaufbauwerk mit Tosbecken .

Querschnitt des Staudamms am Hochwasserruckhaltebecken Jonenbach [7] (1): Durchlass, (2): Hochwasserentlastung mit Schwemmholzrechen, (3): Grundablass (Einlauf) mit Rechen und Einlassdrosselung, (4): Auslaufbauwerk mit Fischtreppe, (5): Tosbecken (schnell fließendes Wasser wird verlangsamt), (6): Fußweg, (7): Dammkrone
Zufluss (rot) und Abflussganglinien (blau) des Bemessungshochwassers fur a) ungesteuertes Becken und b) auf konstanten Abfluss gesteuertes Becken
Einlaufbauwerk fur den Grundablass mit Rechen und Einlassdrosselung, sowie Offnung fur Bypass (rechts)

Der Betriebsablass dient zur Abflussbegrenzung. Die Wasserabgabe wird durch einen verringerten Querschnitt im Drosselbereich so eingestellt, dass nur eine schadlose Menge in den Unterlauf abgegeben wird. Der Drosselbereich kann wasserseitig, mittig oder luftseitig am Grundablass angeordnet sein. Die Reduzierung auf den Bemessungsabfluss (?Regelabgabe“) erfolgt entweder durch eine fest eingestellte Große einer Durchflussoffnung im Grundablass oder durch eine bewegliche Drossel in Form von Schutz, Schieber oder Klappe. Der ungesteuerte Grundablass hat die Vorteile geringer Storanfalligkeit, sowie niedriger Errichtungs- und Wartungskosten. Andererseits sind als Nachteile eine schlechtere Ausnutzung des Beckeninhalts, sowie das Fehlen der Moglichkeit zur Anpassung an die Hochwasserwelle (spitzer oder flacher Scheitelabfluss) zu nennen. [1]

Bei einem ungesteuerten Becken muss die Große der Durchflussoffnung auf die maximal zulassige Abflussmenge Q max bei vollstandig angestautem Becken abgestimmt sein. Bei niedrigerem Fullstand im Retentionsbecken ist hingegen der Wasserdruck und damit die Durchflussmenge geringer als die Leistungsfahigkeit des Unterlaufes des Bachs erlauben wurde. Dieses ergibt zu Beginn der Hochwasserwelle einen starkeren Einstau im Becken als eigentlich notwendig (gestreifte Flache im oberen Diagramm). Unterschreitet der Zufluss die zulassige Abflussmenge Q max , so entleert sich das Becken relativ langsam wieder (verzogerte Abgabe). [1]

Die adaptive, ereignisangepasste Steuerung erlaubt hingegen eine gleichmaßige, an den kritischen Durchfluss im Unterlauf abgestimmte Abgabe von Wasser. Gerade am Anfang einer Hochwasserwelle kann die Abflussmenge durch eine weite Offnung erhoht, der Einstau reduziert (gestreifte Flache im unteren Diagramm) und so der Ruckhalteraum besser ausgenutzt werden. Da am Anfang eines Hochwasserereignisses zumeist der Schwemmholzanteil erhoht ist, hat eine großere Offnung im Grundablass zu diesem Zeitpunkt den weiteren Vorteil, dass die Gefahr der Verblockung durch Treibgut (Verklausungsgefahr) reduziert ist. Nach Abklingen der Hochwasserwelle wird der Normalpegel schneller erreicht und das Becken steht schneller fur weitere Hochwasser zur Verfugung. Die beschriebenen Vorteile sind bei großeren Anlagen starker als bei kleineren oder mittleren Anlagen. Auch konnen die abgegebenen Hochwassermengen verschiedener Hochwasserruckhaltebecken aufeinander abgestimmt werden, um durch eine leicht zeitversetzte Abgabe eine Uberlagerung von Hochwasserwellen an Flusseinmundungen zu reduzieren. Andererseits bedarf eine adaptive Steuerung einer aufwandigen Planung, sowie verlasslicher Informationen uber Gesamtabflusssituation des betroffenen Gebietes. [1]

Zur Erhohung der Betriebssicherheit schreibt die DIN 19700-12 bei mittleren und großen Becken (Hohe großer 6 m, Volumen großer 100.000 m³) einen Bypass im Verschlussbereich vor. Dabei handelt es sich entweder um eine Umgehungsleitung fur den Drosselbereich oder um eine zweite separate Offnung mit Verschlussmoglichkeit. Normalerweise ist der Bypass geschlossen. Bei einer Verklausung des Grundablasses kann das Becken uber den Bypass entleert werden. Der Notauslass mundet entweder direkt in das Tosbecken (getrennter Rohrdurchlass) oder wird nur im ersten Teil getrennt gefuhrt und mundet dann in den Grundablass (gemeinsamer Auslass). [1]

Hochwasserentlastung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Ruckhaltebecken Glashutte , 2007 wieder aufgebauter Damm

Fließt bei Hochwasser so viel Wasser zu, dass das Becken ganz gefullt wird, so muss das weitere zufließende Wasser uber die Hochwasserentlastung ablaufen. Diese muss deshalb einen befestigten Uberlauf, ein Gerinne und ein Tosbecken haben. Selbst ein uberlaufendes Becken hat dank der Retention noch eine Hochwasser dampfende Funktion.

Weitere Beispiele [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. a b c d e f Clemens Hofer: Gestaltung und Dimensionierung von Grundablassen von Hochwasserruckhaltebecken kleiner Einzugsgebiete, Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Diplomingenieur, Institut fur Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktiven Wasserbau, Universitat fur Bodenkultur, Wien, 2010 ( online als PDF downloadbar )
  2. Andrew Faeh, Susanne Eigenheer Wyler und Heinz Hochstrasser: Hochwasserruckhaltebecken: Fortschrittlich und bewahrt. (PDF; 318 kB) Basler & Hofmann, archiviert vom Original (nicht mehr online verfugbar) am 30. April 2015 ; abgerufen am 8. Juni 2013 (Ubersichtsartikel zur Funktionsweise von Hochwasserruckhaltebecken aus UMWELTPRAXIS Nr. 55 / Dezember 2008 S. 17?20).
  3. Deutsche Vereinigung fur Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (Hrsg.): Flutpolder. DWA, Hennef 2014, ISBN 978-3-942964-81-4 , S. 12.
  4. a b c Landesanstalt fur Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Wurttemberg: Arbeitshilfe zur DIN19700 fur Hochwasserruckhaltebecken , PDF (1,8 MB), 2007, abgerufen am 16. Juni 2013.
  5. Ronald Haselsteiner: Normative Neuerungen der DIN 19700-12/2004 ?Hochwasserruckhaltebecken“ ( Memento vom 7. Januar 2014 im Internet Archive ) , PDF, abgerufen am 20. Juni 2013.
  6. a b Konrad Bergmeister , Frank Fingerloos, Johann-Dietrich Worner: Beton-Kalender 2011: Schwerpunkte: Kraftwerke, Faserbeton , Verlag Ernst & Sohn, 2010, ISBN 978-3-433-02954-1 (onlinevorschau auf Google-Books )
  7. AWEL: Amt fur Abfall, Wasser, Energie und Luft: Infotafel: Hochwasserruckhaltebecken am Jonenbach zum Schutz von Affoltern am Albis