Hindu
ist eine Weiterleitung auf diesen Artikel. Weitere Bedeutungen sind unter
Hindu (Begriffsklarung)
aufgefuhrt.
Der
Hinduismus
, auch
Sanatana Dharma
(
Sanskrit
????? ????
san?tana dharma
, fur
das ewige Gesetz
) genannt, ist mit rund einer Milliarde Anhangern und einem Anteil von etwa 15 % der Weltbevolkerung nach dem
Christentum
(rund 31 %) und dem
Islam
(rund 23 %) die drittgroßte
Religionsgruppe
der Erde oder, genauer gesagt, ein vielgestaltiger Religionskomplex. Seinen Ursprung hat er in
Indien
.
[1]
Anhanger des im Ausland haufig verkurzend als
polytheistisch
wahrgenommenen und in wissenschaftlichen Kreisen als
henotheistisch
kategorisierten Hinduismus werden
Hindus
genannt, wobei dieses
Hyperonym
in seiner Zusammenfassung mehr eine
europaisch
-
kolonialistische
Perspektive wiedergibt, als der historischen Entwicklung bzw. den Entwicklungslinien der differenten Religionen Indiens gerecht zu werden. Im Gegensatz zu anderen Religionen gibt es im Hinduismus keinen
Religionsstifter
, vielmehr entwickelten sich die religiosen Systeme Indiens uber einen Zeitraum von ca. 3500 Jahren.
Der Hinduismus vereint in sich mithin grundsatzlich verschiedene Religionen, die einander teilweise mit gemeinsamen Traditionen uberlagern und gegenseitig beeinflussen, doch in ihren
heiligen Schriften
,
Glaubenslehren
, ihrer
Gotterwelt
und ihren
Ritualen
Unterschiede aufweisen.
[2]
Axel Michaels
vertritt die These, dass diese verschiedenen Religionen und Gemeinschaften zumeist funf Kriterien erfullen: (a) ein raumlicher Bezug zu
Sudasien
, (b) ahnliche Sozial- und Heiratsvorschriften (siehe
Kastensystem
), (c) dominierende
vedisch
-
brahmanische
Werte, (d) die Verehrung bestimmter
Gottheiten
und (e) ein zueinander identifikatorischer Habitus.
[3]
Doch gibt es auch Inder, die zwar den Begriff ?Hinduismus“ fur ihre Religion beanspruchen, sich dabei aber vom Vedisch-Brahmanischen abgrenzen.
[4]
Spirituelle Stromungen
Die wichtigsten spirituellen Stromungen innerhalb der hinduistischen Religion sind:
- Brahma
, der Erschaffer der Welt; er manifestiert sich als Dreiheit (
Trimurti
); jede weitere Gottheit ist ein Aspekt des Einen.
- Vishnuismus
nach dem Erhalter und Bewahrer der Welt.
- Shivaismus
nach dem Vollender und Zerstorer der Welt.
- Shaktismus
nach der Quelle des Lebens, der wohlwollenden Mutter, die jedoch auch eine schreckliche boswillige Kraft sein kann.
Die meisten Hindus sehen entweder in Vishnu oder in Shiva den einzigen, allumfassenden und damit verehrungswurdigen Gott (
Monolatrie
). Im Shaktismus wird insbesondere
Shakti
, die kosmische Energie, auch als gottliche Mutter vorgestellt. Sie manifestiert sich und wird verehrt in ihren Gestalten als
Durga
,
Kali
,
Lakshmi
,
Sarasvati
. Die Stromung, die Brahma als den einen Gott verehrte, ist nur noch selten anzutreffen.
Verbreitung
Weltweit gibt es nach einer Schatzung von 2010 etwa eine Milliarde Hindus, wovon rund 92 % in
Indien
leben, wo sie etwa 80 % der Bevolkerung bilden. Die großte Religionsgruppe sind Hindus auch in
Nepal
(81 %), der indonesischen Provinz
Bali
(90 %,
Indonesien
gesamt 1,8 %; siehe auch
Balinesischer Hinduismus
) und auf
Mauritius
(49 %). Lander mit einem erheblichen Anteil Hindus an der Bevolkerung sind zudem
Fidschi
(30 %),
Guyana
(30 %),
Bhutan
(25 %),
Suriname
(22 %),
Trinidad und Tobago
(18 %),
Sri Lanka
(13 %),
Bangladesch
(9 %) und
Malaysia
(7 %). Die rund drei Millionen Hindus in Sri Lanka sind fast ausschließlich
Tamilen
. In
Pakistan
kam es nach der
Teilung Indiens
1947 zu einem Bevolkerungsaustausch, bei dem fast alle Hindus nach Indien flohen. Der Anteil in Pakistan betragt heute 1,5 %.
Auf dem indischen Subkontinent setzte sich der Hinduismus im 1. Jahrtausend n. Chr. gegenuber dem
Buddhismus
durch und wurde im 12. Jahrhundert zur vorherrschenden Religion Indiens. In Nepal wurde der Hinduismus seit dem 14. Jahrhundert gefordert und war bis zum Ende der Monarchie 2008 die Religion der Konigsfamilie.
Außerhalb des indischen Subkontinents verbreitete sich der Hinduismus in mehreren Schuben. Vom 1. bis zum 6. Jahrhundert entfaltete er sich entlang der Handelsstraßen in Sudostasien, besonders in
Burma
,
Kambodscha
, Indonesien und auf der
Malaiischen Halbinsel
. Wahrend der
britischen Herrschaft in Indien
gelangten zahlreiche Inder als Arbeitskrafte oder Handler in andere Teile des britischen Kolonialreiches. Die hinduistische Gemeinde in
Großbritannien
geht vor allem auf die indische Einwanderung nach 1945 zuruck.
In den letzten Jahrzehnten gab es eine verstarkte Einwanderung indischer Gastarbeiter in die arabischen Staaten am
Persischen Golf
und die
USA
. In
Katar
,
Bahrain
und den
Vereinigten Arabischen Emiraten
betragt der hinduistische Bevolkerungsanteil inzwischen uber 10 %. Viele indische Handler, die 1972 aus
Uganda
vertrieben wurden, ließen sich in
Kanada
und Großbritannien nieder. Seit 1873 kamen sogenannte
Hindustanen
als Kontraktarbeiter nach
Suriname
. Nachdem Suriname 1975 die Unabhangigkeit erlangt hatte, zogen zahlreiche surinamische Hindus aus Furcht vor Diskriminierung in die
Niederlande
.
[5]
Auch die Mehrheit der uber 60.000 Hindus in Deutschland sind Fluchtlinge, vor allem Tamilen, die dem
Burgerkrieg in Sri Lanka
entkommen sind.
[6]
Ihr kulturelles und religioses Zentrum ist der 2002 eingerichtete
Sri-Kamadchi-Ampal-Tempel
in
Hamm
, der nach dem im nordindischen
Nagara-Stil
errichteten
Neasden-Tempel
in
London
der zweitgroßte
Hindutempel
Europas.
Zum Begriff
Der Hinduismus ist keine einheitliche
Religion
.
Indologen
und
Religionswissenschaftler
wahlen haufig die Bezeichnung
Hindu-Traditionen
oder
Hindu-Religionen
. Der Begriff ?Hinduismus“ umfasst einen Komplex religioser
Traditionen
und gesellschaftlicher Phanomene, die teilweise sehr unterschiedliche
soziookonomische
, historische und geographische Bedingungen haben.
[7]
Das Wort ?Hindu“ stammt aus dem
Persischen
und bezeichnet im Singular den Fluss
Indus
(der im
Sanskrit
wiederum
Sindhu
heißt). Als geographische Bezeichnung kommt dieses Wort somit schon in den
altpersischen
Inschriften der
Achameniden
vor. Als die Griechen unter
Alexander dem Großen
326 v. Chr. in den indischen Subkontinent vordrangen, bezeichneten sie den Fluss als ?Indos“ und die Bewohner des Landes als ?Indoi“, wovon sich das Wort Inder ableitet.
Mit dem Vordringen der Muslime in den
Sindh
ab 711/712 n. Chr. wurde die einheimische Bevolkerung Hindus und das Land als ?al Hind“ genannt. Dies hatte auch
steuertechnische
Grunde, da Nicht-Muslime eine besondere Steuer zu zahlen hatten, die sogenannte
Kopfsteuer
. Somit gab es im westlichen Teil Indiens ab dem 8. Jahrhundert zwei Steuerkategorien: die fur Muslime und die fur Hindus. Diese aus der Steuerverwaltung entsprungene Bezeichnung wurde von allen nachfolgenden Herrscherdynastien weitergefuhrt, zuletzt von den Englandern, die die Verwaltungsstrukturen des
Mogulreiches
ubernahmen. Die Hindu-Identitat konstruierte sich damit besonders durch ihr Verhaltnis zu den herrschenden Muslimen.
[8]
In der
britischen Kolonialzeit
entstand die kunstliche Unterscheidung zwischen ?Inder“ im
sakularen
und ?Hindu“ im religiosen Sinn. Davon abgeleitet entstand ?Hinduismus“ als Bezeichnung der indischen Religion.
[9]
Unbemerkt blieb anfangs, dass es sich tatsachlich nicht um eine, sondern um mehrere Religionen mit teils sehr verschiedenen Vorstellungen handelte, da die Anhanger dieser Religionen selbstverstandlich und meist ohne Konflikte miteinander zu leben schienen.
[8]
Der fruheste Beleg fur die Verwendung des Begriffs ?Hindoo“ im Englischen stammt aus dem Jahr 1808; der britische
Colonel
≫Hindoo≪ Stewart verwendete ihn in seinem Pamphlet ?Vindication of the Hindoos, by an bengal Officer“.
[10]
Einige moderne Hindus ziehen den Ausdruck ?Sanatana Dharma“ zur Beschreibung ihrer Religion vor.
Innerhalb des Hinduismus gibt es
monotheistische
,
dualistische
und
polytheistische
Richtungen, Gottheiten erscheinen als personliche oder unpersonliche Wesen. Die Hindu-Religionen verfugen weder uber ein gemeinsames
Glaubensbekenntnis
noch uber eine zentrale Institution, die eine Autoritat fur alle Hindus ware. Nur einzelne Richtungen gehen auf einen bestimmten Grunder zuruck. Die Auspragung der
indischen Philosophie
und sogar die Gottesvorstellungen sind in den einzelnen Stromungen sehr verschieden, auch die Ansichten uber Leben, Tod und Erlosung (
Moksha
) stimmen nicht uberein. Der Priesterstand kann sowohl dem
Brahmanentum
als auch niedrigeren Kasten angehoren, teilweise besteht er auch aus
Unberuhrbaren
. Fur den personlichen Glauben haben religiose Lehrer (
Gurus
) oft einen großen Stellenwert. Trotz aller Unterschiede konnen Hindus der verschiedenen Richtungen weitgehend gemeinsam feiern und beten. ?Einheit in der Vielfalt“ ist eine oft verwendete Redewendung im Hinduismus.
Als Gegenbewegung zum
sakularen
Staatsmodell
, das von
Mahatma Gandhi
als Losung fur die religiosen Konflikte, hauptsachlich zwischen Muslimen und Hindus, gesehen wurde, zeigte die Entwicklung des hinduistischen Nationalismus Ansatze einer
Ideologisierung
des Begriffs, besonders zur Abgrenzung von den Muslimen. Die ideologischen Wurzeln dieses ?politisierten Hinduismus“ liegen in der neo-hinduistischen Bewegung des indischen Unabhangigkeitskampfes. Dieser wurde mit dem Begriff
Hindutva
verbunden, der Ubertragung des Begriffs ?Hinduismus“ in die indischen Sprachen. Zu den fuhrenden Ideologen zahlte
Vinayak Damodar Savarkar
, ein radikaler Befreiungskampfer, der 1910 von den Briten gefangen genommen wurde. Ziel der Hindutva-Bewegung ist die (Wieder-)Erschaffung einer einzigen Hindu-Nation. Savarkar bediente sich dabei der (de facto ahistorischen) Vorstellung von einer gemeinsamen Vergangenheit aller Hindus.
[11]
Artikel 25 der
indischen Verfassung
, der der
Religionsfreiheit
und den diese einschrankenden Rechten des Staates gewidmet ist, enthalt in einer Zusatzbestimmung zu Absatz 2b eine Prazisierung, wonach der Hinduismus auch
Jainismus
,
Buddhismus
und
Sikhismus
umfasst. Damit folgt die Verfassung Savarkars Forderung, unter Hindutva alle Religionen und Weltanschauungen zusammenzufassen, die auf indischem Boden entstanden sind und Indien als ihr heiliges Land betrachten. Ursprunglich ging es vor allem darum, im Kampf um die Unabhangigkeit und die kunftige Machtverteilung eine moglichst große Mehrheit von ?Hindus“ gegenuber den Muslimen zu konstruieren. Gegen diese ?Vereinnahmung“ als ?Hindus“ haben sich bisher nur die Sikhs vor dem Verfassungsgericht erfolgreich gewehrt.
[12]
Selbst auf der zweiten von der
Vishva Hindu Parishad
organisierten Welt-Hindu-Konferenz von 1979 konnten sich die Vertreter verschiedener hinduistischer Gruppierungen, Kasten und religiosen Richtungen nicht auf eine gemeinsame Definition einigen. Immerhin entwickelte man einen Sechs-Punkte-Kodex fur alle Hindus: Wer Gebete (
suryapranama
und
prarthana
) spricht, die
Bhagavad Gita
liest, eine personliche Wunschgottheit (
Murti
, wortlich ?Gotterstatue, Bild“) verehrt, die heilige Silbe
Om
verwendet und das heilige Kraut
Tulsi
(?Indisches Basilikum“) anbaut, darf sich Hindu nennen.
[13]
Doch diese Definition bleibt oberflachlich und wegen des Tulsi-Strauches zudem
vishnuistisch
gefarbt.
[14]
Axel Michaels
[15]
sieht im Hinduismus eine Art von
Sammelbegriff
fur Religionen, religiose Gemeinschaften und sozio-religiose Systeme, die folgende Kriterien erfullen:
- Sie sind im
sudasiatischen
Raum entstanden und verbreitet;
- die soziale Organisation ist durch Abstammungs- und Heiratsvorschriften gekennzeichnet (
Kastensystem
);
- (ursprunglich) dominieren vedisch-brahmanische Werte,
Rituale
und
Mythen
;
- die Erscheinungsformen von
Shiva
,
Vishnu
,
Devi
,
Rama
,
Krishna
oder
Ganesha
werden als gottliche Kraft oder Gott verehrt oder zumindest nicht abgelehnt;
- ein identifikatorischer Habitus, der in einer aus dem altindischen Opferwesen kommenden Heilsbezogenheit der Deszendenz steht, sich aber weitgehend hiervon abgelost hat.
Geschichte des Hinduismus
Vorvedische Religionen (bis ca. 1750 v. Chr.)
Uber das religiose Leben in den
fruhsteinzeitlichen
Siedlungen ist fast nichts bekannt. Vermutlich wurden verschiedenste
Geistwesen
,
Muttergottheiten
und Baume verehrt. Die Religionen waren gekennzeichnet durch
Ahnenkult
und
Animismus
.
Die
bronzezeitliche
Indus-Kultur
(ca. 2500?1500 v. Chr.) entwickelte sich entlang des
Indus
im Nordwesten des
indischen Subkontinents
. Dort gab es Stadtanlagen mit bis zu 40.000 Einwohnern, Bewasserungssystemen und rechtwinkligen Straßen. Hauser und Burgen wurden aus gebrannten, gleichmaßig geformten Ziegeln gebaut.
[16]
Als Erster versuchte der Archaologe
John Marshall
(siehe auch
Mohenjo-Daro
und
Harappa
) die Indusreligion zu erklaren und kam dabei zu dem Schluss, dass viele Erscheinungen des spateren Hinduismus in der Indusreligion bereits vorhanden waren.
[17]
Dabei nannte er drei wichtige Aspekte:
- Verehrung der ?großen Muttergottin“ als Vorlaufer des
Shaktismus
. Die Gottin konne eine Protoform der hinduistischen
Durga
oder
Shakti
gewesen sein.
- Verehrung eines ?großen mannlichen Gottes“ als Vorlaufer des Proto-
Yoga
. Dieser vermutete Gott wurde schon 1928 von Mackay als Proto-
Shiva
bezeichnet, der sich ?Herr der Tiere“, dem spateren
Pashupati
, annaherte (siehe
Mohenjo-Daro Siegel 420
).
- Das ?große Bad“ in Mohenjo-Daro habe rituellen Waschungen gedient, die noch immer im Hinduismus eine außergewohnlich wichtige Rolle einnehmen.
Die Deutung der Abbildung des großen mannlichen Gottes ist jedoch nicht gesichert. Auch die Bestimmung der Darstellungen von (eventuell schwangeren) Frauen oder weiblichen Tonfiguren als Muttergottheiten bleibt spekulativ. ?Aber man darf vermuten, dass
Animismus
,
Damonenkult
,
Fruchtbarkeitskulte
, die Verehrung von Naturgewalten und Muttergottheiten die Religiositat bestimmte, wenngleich diese Anteile von spateren Stufen der Hindu-Religionen uberlagert wurden und nur schwer herauszufiltern sind.“
[18]
Einige Forscher gehen davon aus, dass die Religion der Indus-Kultur ahnlich den Religionen der Sumerer, Agypter und anderer antiker Volker
polytheistisch
war. Jedoch sei ein Alleinstellungsmerkmal das Fehlen monumentaler Bauwerke, vergleichbar den agyptischen Pyramiden oder sumerischen
Zikkuraten
. Sie nehmen an, dass solche Bauwerke existierten, aber im Lauf der Zeit umgewandelt oder abgetragen wurden.
[19]
[20]
Vedische Religion
Die vedische Religion entstand nach dem Zusammenbruch der Indus-Kultur im Norden Indiens oder heutigen Pakistan.
[21]
Zu den vier
Veden
gehoren neben dem
Rigveda
das
Samaveda
,
Yajurveda
und
Atharvaveda
. Alle hinduistischen Religionen akzeptieren die Unantastbarkeit der vier Veden, jedoch rechnen einzelne Glaubensrichtungen oft noch weitere Schriften hinzu. Sie gelten als heilige Offenbarung (
Shruti
), fordern Verbindlichkeit des Glaubenden in den Fragen der Religion, der Ethik und des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Nach hinduistischer Vorstellung existieren die Texte seit Ewigkeit und sind ubernaturlichen Ursprungs.
Name des Textes
|
Rigveda
|
Samaveda
|
Yajurveda
|
Atharvaveda
|
Funktion beim
Opfer
|
Der Rufer (hot?) ruft die Gotter an
|
Der Sanger (udg?t?) stimmt die Lieder an
|
Der Opferpriester (adhvaryu) murmelt wahrend seines Opfers die Spruche
|
Der Oberpriester (brahman) wendet unheilvolle Machte ab
|
Etymologie
|
rik (?c) = Strophe
|
saman (s?man) = Lied
|
jadschu = Spruch
|
atharvan = Zauber
|
Anzahl der
Strophen
|
10600
|
1800
|
2000
|
6000
|
Inhalt
|
Hymnen
, die die Gotter anrufen und preisen (z. B.
Indra
,
Agni
,
Soma
,
Vischnu
)
|
Texte
fur priesterliche Gesange; bis auf 75 identisch mit dem Rigveda
|
Opferspruche und Ritualan-Weisungen
|
Zaubertexte, Wettersegen, Besanftigungen boser Damonen, Abwehr von Feinden
|
Theologische Hauptgedanken
|
Krafte und Elemente der Natur, werden als Gotter angesehen. In der
Spatzeit
entsteht die Frage:Ist hinter der Vielzahl an Gottern ein letzter Weltgrund verborgen?
|
Ausbildung und Entwicklung des
Kastenwesens
:
1.
Brahmanen
(Priester),
2.
Kshatriya
(Krieger, Adel),
3.
Vaishya
(Kaufleute, Gewerbetreibende, freie Bauern),
4.
Shudra
(Knechte, Sklaven). Außerhalb der Kastenordnung stehen die
Paria
. Die unbedingte Vorrangstellung der Priesterkaste entwickelte sich mit Ausbildung von Opferwesen und -ritual (um 1000 v. Chr.)
|
? siehe unter Samaveda
|
? siehe unter Samaveda
|
Vedanta
|
Upanishaden
: Betrachtungen und Gedanken von Weisen und
Asketen
(z. B.
Yajnavalkya
) Pessimistische Grundstimmung. Alles Dasein ist Leiden. Zwei wichtige Grundgedanken:
1.
Identitat von
Atman
und
Brahman
(Monismus)
2.
Reinkarnation
und
Erlosung
|
?
|
?
|
?
|
Brahmanas
|
Texte zur Erklarung und Deutung des Opferrituals
|
?
|
?
|
?
|
Aranjakas
|
Betrachtungen der Waldsiedler uber das Opfer und das Zauberwort
|
?
|
?
|
?
|
Vier große Satze
|
Prajnanam brahma (Sanskrit: ????????? ?????? prajn?na? brahma ?Bewusstsein (Prajnana) ist Brahman“ ?Brahma ist Erkenntnis“)
|
Aham brahma asmi (Sanskrit: ??? ??????????? aham brahm?smi ?Ich bin Brahman“).
|
Tat tvam asi
(Sanskrit: ??? ????? ???, oder ?????????, ?Das bist Du“ oder ?Du bist das“)
|
Ayam atma brahma (Sanskrit: ???? ????? ?????? ayam ?tm? brahma ?Dieses Selbst ist Brahman“)
[22]
|
[23]
Fruhvedische Phase (1750?1200 v. Chr.)
Ab der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. drangen verschiedene Stammesgruppen
indoiranischer
Viehnomaden
von Zentralasien oder dem vorderen Orient in den nordlichen
Punjab
ein. Obwohl die Einwanderungsthese teilweise in Frage gestellt wird, bleibt die Tatsache bestehen, ?daß man aus
linguistischen
und
archaologischen
Grunden nicht ubersehen kann, daß sich ab etwa 1750 v. Chr. von Nordwesten eine neue Kultur ausbreitete, die wegen ihrer Texte auch als
vedische
bezeichnet wird, von der man aber nicht genau weiß, welche
kulturhistorischen
Veranderungen diesen ?Eindringlingen‘ zu verdanken sind.“
[24]
Die
vedische Religion
stellt ?eine der fruhesten ... Quellen des Hinduismus“ dar. Die Veden haben im heutigen Hinduismus in Bezug auf deren Inhalte keine große Bedeutung, jedoch gelten sie als ?Synonym fur absolute und unangreifbare Wahrheite[n]“.
[25]
Arier
war eine Selbstbezeichnung der Einwanderer und kommt vom
vedischen
arya
, das ?ehrwurdig“ bedeutet. Damit war wohl weniger eine
rassische Grenze
gemeint als vielmehr eine
kulturelle
und
sprachliche
; es wurde ein Bekenntnis zu bestimmten moralischen Werten ausgedruckt, wie Vertragstreue,
Gastfreundschaft
,
Wahrhaftigkeit
und zur von den Gottern etablierten Ordnung. Das weitere Vordringen in den Nordwesten Indiens und der Ubergang vom
Halbnomadismus
zur
Sesshaftigkeit
erfolgte in mehreren Stufen.
[26]
Das Wissen uber diese Zeit fußt im Wesentlichen auf den Buchern I bis IX des
Rigveda
und
altiranischen Quellen
, denn die Aryas hinterließen erstaunlich wenig fur die Archaologie.
[27]
Die Texte wurden zunachst mundlich weitergegeben. Dass sie in solchem Umfang und solcher Genauigkeit uberliefert sind, ?verdanken wir dem Umstand, daß es sich bei den Arya um Stamme mit nomadischer oder semi-nomadischer Lebensweise handelte, die ihre Gruppenidentitat nicht dem Bau fester Wohnstatten und der dauerhaften Zugehorigkeit zu einer bestimmten Landschaft verdankten, sondern einem von Kind an trainierten
kulturellen Gedachtnis
, in dem der Stamm die Legenden seiner Helden, die Mythen seiner Gotter und auch die Priesterlieder bewahrte, mit denen inspirierte Priester die Gotter zum Opfer gerufen und als Bundesgenossen gewonnen hatten“.
[28]
Das polytheistische Weltbild hat eine deutliche Verwandtschaft mit der Gotterwelt der alten
Iraner
,
Griechen
und anderer indogermanischer Volker. Der Vater der himmlischen Gotter war der Himmel
Dyaus Pita
(vgl.
Zeus
Pater und
Jupiter
) und die Gottermutter
Aditi
. Die Kinder bezeichneten die Arier als
Aditas
(?Sohne der Aditi“) oder Devas (?Himmlische“). Ein zentrales Merkmal des
Kults
waren Nahrungsopfer, die die Gotter starken sollten, damit diese ihrerseits die kosmische und moralische Ordnung schutzten. Die
Opferpraxis
ist noch immer eine kulturelle Eigenart Indiens geblieben. Darin hat auch die verbale und rituelle Kommunikation zwischen Mensch und Gottheit ihren Ursprung. Der Opferdienst fand unter freiem Himmel oder in einfachen, wechselnden Opferhutten statt. Dabei spielte die Zubereitung des Rauschtranks
Soma
eine wichtige Rolle.
[29]
Heinrich von Stietencron
vermutet, dass etwa im 10. Jahrhundert v. Chr. begonnen wurde, die verschiedenen Uberlieferungen zusammenzutragen. Es entstanden zunachst drei Sammlungen vedischen Wissens (
Veda
?Wissen“), der
Rigveda
, der
Samaveda
und der
Yajurveda
, die das ?dreifache Wissen“ (
trayi vidya
) bildeten. Spater wurde der
Atharvaveda
als vierter
Veda
anerkannt.
[30]
Mittelvedische Phase (1200?850 v. Chr.)
Die mittelvedische Zeit ist vor allem in
Rigveda
X, den
Mantras
des
Yajurveda
und den alteren Brahmana-Texten erfasst. Die Arier sind bereits im oberen
Gangestal
anzutreffen. Es gibt erste Staatsbildungen mit Stammeshauptlingen und konkurrierenden Priestern uber das Volk der Gemeinen.
Das Opferwesen gewann zunehmend an Bedeutung. Wahrend die Gotter in fruhvedischer Zeit durch Gebete oder beim Opfer zur Hilfe uberredet wurden, zwangen nun die Priester die Gotter, den Gesetzen zu gehorchen, denen das Opfer und die Weltordnung unterliegen. Durch ihre Opferwissenschaft erlangten die Priester eine nie gekannte Macht. Sie nannten sich selbst
Brahmanen
und erklarten sich zur Personifizierung des Brahman.
[31]
Spatvedische Phase (850?500 v. Chr.)
Es kam zum Aufbau von zentralisierten Konigtumern und die berufsstandische Gliederung hat sich als Gesellschaftsordnung im
Varna (Kaste)
-System gefestigt.
[31]
Als Bestandteil des
Veda
kamen die
Brahmanas
hinzu. Diese bieten Kommentare, ausfuhrliche Anweisungen zum Ritual und theologische Begrundungen oder spekulative Andeutungen jeder der Opferhandlungen. An die Brahmanas schließen sich die
Aranyakas
(?Waldtexte“) an. Es handelt sich dabei um Ritualtexte fur die orthodoxen Brahmanen, die sich in die Waldeinsamkeit zuruckgezogen hatten. Sie waren Wegbereiter der
Upanishaden
, vertraulicher philosophischer Deutungen, die nur fur einen engen Kreis von Schulern gedacht waren, die sich so ?nahe niedersetzen“ (
upa-ni-shad
), dass es kein Unberufener hort. Die
mythisch
-
allegorische
Ausdeutung des Opfers wird in den
asketischen
Kreisen hoher bewertet als die Durchfuhrung des Rituals. Wenn in Indien vom
Veda
die Rede ist, sind vor allem die
Upanishaden
gemeint, die man auch als das ?Ende des Veda“ (
Vedanta
) bezeichnet. Damit vollzieht sich ein Wandel, der sich religionshistorisch in zwei neuen Lehren zeigt: In der Lehre von Brahman und Atman und in der Wiedergeburtslehre.
[32]
Brahma
stellt das Prinzip der Schopfung dar. Es ist das Eine, aus dem alles hervorgegangen ist: ?Das Brahman ist jenes Bleibende, das hinter dem gesprochenen Wort liegt, das Unsichtbare, Unhorbare, nicht Tastbare, aber eigentlich Wirksame, das allem Dasein zugrunde liegt.“
[33]
Daneben bezeichnet
Atman
das individuelle Selbst, die unzerstorbare, ewige Essenz des Geistes. Es sei standig existent und nie von der kosmischen Kraft, dem Brahman, getrennt, es verandere sich nicht. Als Ziel des Lebens gilt es hier, die Einheit von Atman und Brahman zu erkennen. Dazu dient der Weg der
Meditation
, des
Yoga
und der existentiellen Erkenntnis. Religionsgeschichtlich fand ein Systemwechsel statt. An Stelle des Polytheismus trat der
Monismus
. Die entmachteten Gotter wurden dem Brahman als dem herrschenden Prinzip untergeordnet.
[34]
Ein weiteres wichtiges Thema der Unpanishaden ist die Wiedergeburtslehre (Sanskrit: punarbhava = bestandiges Werden) und die Lehre von den Tatenfolgen (
Karma
). Der Atman, die unsterbliche Seele, verkorpert sich nach dem Tod des Korpers wieder. Nach der Karmalehre ist die Qualitat des kunftigen Leibes und der kunftigen Erfahrungen vorgepragt durch die fruheren Handlungen. Als wichtigste Errungenschaft wurde damit das Problem der
Theodizee
(in etwa ?Gerechtigkeit Gottes“) gelost. Die Ungerechtigkeit der Welt stammt nicht von einem ungerechten Gott, sondern jeder hat sein Schicksal selber verursacht.
[35]
Als Gegensatz zum monistischen Denken etablierten sich auch erste Ansatze
monotheistischen Denkens
. Als gab also eine Alternative zum gestaltlosen (
ar?pa
), eigenschaftslosen (
nirguna
) und unerkennbaren (
acintya
) Brahman in der Form eines personalen Gottes mit Eigenschaften (
saguna
). Die Personifizierung dieser nicht greifbaren Macht vollzog sich sprachlich lediglich durch die Verschiebung des Akzentes von der ersten Silbe (
brahman
) auf die zweite (
brahman
) und durch den dadurch entstehenden Genuswechsel. Inhaltlich war der Wunsch nach einem omnipotenten Schopfergott, der uber ein klar benennbares Bewusstsein und eine definierte außere Form verfugen musste, ausschlaggebend.
Da der
Veda
jedoch nichts uber eine Gottheit mit dem Namen Brahm? uberlieferte, musste dieser nun mit bereits bestehenden und durch den
Veda
belegten Gottheiten identifiziert werden. Hierfur bot sich ein bis dato namenloser Gott mit dem Titel ?Herr der Geschopfe“ (
Praj?pati
) an, der fortan Brahm? zugeordnet wurde. Weitere Legitimation erfuhr die neu erschaffene Gottheit Brahm? durch die Assoziation mit der bereits bekannten Vorstellung eines goldenen und unverganglichen Embryos (
hiranyagarbha
)
[36]
, welcher uber Leben und Tod herrschte und gegenuber anderen Gottheiten weisungsbefugt war. Ferner galt diese Gottheit als Schopfer der Erde und des Himmels.
[36]
Diese personifizierte Schopfergottheit findet im
Rigveda
vor allem unter den Namen Praj?pati und
Purusha
, in spaterer Zeit unter den Namen
Bhagav?n
oder
?shvara
Erwahnung.
[37]
Seit dem 5. Jahrhundert v. Chr., der Zeit der Stadteentwicklung, des Stadtkonigtums und Stadtadels, nutzten verschiedene Bewegungen die Schwachung der vedischen Opferreligion. Zwar hielten die Brahmanen weiterhin das Monopol auf das Opfer als Heilsweg, aber vor allem der durch den Handel bedingte
wirtschaftliche
und gesellschaftliche Wandel ermoglichte mehr
Individualismus
. Die bislang schwelende Kritik am brahmanischen Opferwesen nahm zu. Asketische Reformbewegungen suchten nach einer Moglichkeit, dem ewigen Kreislauf der Geburten zu entrinnen. Man entwarf
monchische Lebensformen
, in denen Reinheit, Bedurfnislosigkeit, Gewaltlosigkeit und Meditation geubt wurden. Die Abkehr von der Welt galt als Voraussetzung der Selbstbefreiung.
Zwei dieser Monchsbewegungen konnten sich auf Dauer durchsetzen: der
Jainismus
und der
Buddhismus
. Beide waren Reformbewegungen, die vom Kriegerstand im ostlichen Gangestal (Bihar) ausgingen, wo die Fursten großtenteils nicht-arischer Herkunft waren. Von den Lehren der Upanishaden waren die Wiedergeburts- und Karmalehre die einzigen, die ubernommen wurden. Der Buddhismus war von Indien bis nach Zentralasien lange Zeit die zumindest politisch favorisierte Religion. Der Brahmanismus und der Volkshinduismus lebten jedoch weiter.
[38]
Nachdem Alexander der Große 327 bis ins Industal vorgedrungen war, hatten die vielen nordindischen Konigtumer griechische oder
skythische
Oberherren anzuerkennen. Es bildeten sich
synkretische
Kulturen: ?Die hindu-religiose Fahigkeit zur Anpassung und Vereinnahmung fremdreligioser Einflusse hat sich wohl in dieser Zeit und im Kontakt mit diesen mannigfaltigen außeren Kulturen herausgebildet.“
[39]
Klassischer Hinduismus
Vorklassischer Hinduismus (200 v. Chr.?300 n. Chr.)
Der vorklassische Hinduismus beginnt mit dem Zusammenbruch des
Maurya-Reichs
und geht bis zum Beginn des
Gupta-Reichs
. In dieser Umbruchsphase gehen viele Elemente der vedischen Religion verloren. Dass sich die Hinduisierung weiterer Religionen ohne kriegerische Mittel vollziehen konnte, kann als welthistorische Leistung Indiens angesehen werden.
[40]
Der fruhe Hinduismus beruht aber nicht nur auf
Akkulturation
oder asketischen Reformbewegungen, sondern auch auf
Restauration
. Moglicherweise durch religiose Orientierungsverluste begrundet, besann man sich auf alte Traditionen und begann das brahmanische Erbe zusammenzutragen. Eine religiose Eigenstandigkeit konnte auch durch das Sanskrit bewahrt werden, das man an den Hofen wiederbelebte.
Brahmanische Priester erklarten lokale Gottheiten zu Erscheinungsformen ihrer jeweiligen
Hochgottheit
und nahmen sie so in das hinduistische
Pantheon
auf. Daneben gab es einen Niedergang der vedischen Gotter und einen Aufstieg von Gottheiten, die im Veda nicht oder nur kaum Erwahnung finden, besonders
Shiva
und
Vishnu
, beziehungsweise ihre Erscheinungsformen.
[41]
Blutezeit (300?650)
Mit dem Beginn der Gupta-Herrschaft kommt der klassische Hinduismus zu einer Blutezeit, der erst mit dem Zusammenbruch des
Harsha
-Reichs einen Einbruch erleidet.
Die Brahmanen gewinnen zunehmend an Macht und Wohlstand, demgegenuber erfolgt eine Abwertung von
Shudras
und Frauen. Kinderverheiratung wird ublich, ebenso
Witwenverbrennung
und das Verbot der Wiederverheiratung. Es setzte sich das Verbot der Rinderschlachtung durch. Als Ausdruck des feudalen Systems entstanden erste
Hindutempel
, beispielsweise der
Durga-Tempel
in
Aihole
. Diese hatten spitze Turme (
Shikhara
) als kultische Zentren, in denen eine Hochgottheit im Sanktuarium und andere Gottheiten in den Nischen, Turen oder kleineren Nebenbauten verehrt wurden. Als Folge kamen Wallfahrten auf, denn die monumentalen Bauten zogen das Volk an. Außerdem entstand in dieser Zeit der hinduistische Gotterdienst (
Puja
), der altindische Bewirtungsformen von hochstehenden Gasten mit hofischem Zeremoniell verbindet.
[42]
Spatzeit (650?1100)
Mit dem Zusammenbruch des Harsha-Reiches entstand eine politische Situation, die dem europaischen
Feudalismus
ahnlich war. Kleinere Konigtumer, die sich bekampften oder lose verbunden waren, waren auf den Schutz der großeren Konigtumer angewiesen. Der Zerfall der Großreiche fuhrte auch in der Religion zu Regionalisierung und Rivalitat. Lokale Kulte und Regionalsprachen wurden aufgewertet, der brahmanisch-ritualistische Hinduismus bekam wieder einmal Gegenwind. Es zeigte sich eine Bevorzugung von lokalen Gottern, die zu Erscheinungsformen Vishnus und Shivas erklart wurden. Daneben wurden ebenso Gotter-Helden wie
Parashurama
und
Krishna
Vasudeva zu Erscheinungsformen Vishnus erklart. In dieser Spatzeit des klassischen Hinduismus reifen typisch hinduistische Richtungen wie
Shivaismus
,
Vishnuismus
,
Bhakti
und der
Tantrismus
. Hinzu kamen landliche,
devotionale
Bewegungen und vereinzelt schon nicht- oder anti-brahmanische
Stiftungsreligionen
.
Besonderen Einfluss hatte der Wanderasket
Shankara
(ca. 788?820). Dieser entwickelte die Philosophie des
Advaita Vedanta
weiter, ein
monistisches
System, das die Welt auf ein einziges Prinzip zuruckfuhrt und predigte damit gegen brahmanischen Ritualismus und Buddhismus. Er begrundete verschiedene asketische Gruppierungen. Die bis in die Gegenwart existierenden Shankaracharya-Orden gehen auf Shankaras vier wichtigste Schuler zuruck.
[43]
Islamische Ausbreitung und Sekten-Hinduismus (1100?1850)
Diese Epoche steht unter dem Einfluss von
Islam
und spater
Christentum
. Im Unterschied zu innerindischen Religionen wurden diese monotheistischen Religionen weniger durch die Hindu-Religionen vereinnahmt. Zwar gab es zahlreiche Vermischungen, aber die Fremdreligionen blieben fremde Religionen, vermutlich weil diese das Kastensystem nicht tolerierten und sich aufgrund ihrer politischen und okonomischen Uberlegenheit eigene religiose Strukturen besser behaupten konnten.
[44]
Seit der Eroberung des
Sindh
durch muslimische Heere im Jahr 711 gibt es eine Prasenz des
Islams
auf dem indischen Subkontinent. Diese stagnierte territorial zunachst, erweiterte sich jedoch unter der Dynastie der
Ghaznawiden
Ende des 11. Jahrhunderts bis in den
Punjab
und fuhrte unter dem Einfluss der
Ghuriden
und des fruhen
Delhi-Sultanats
zur Oberherrschaft uber weite Teile Nordindiens. Es ist irrefuhrend, in diesem Zusammenhang von einer Invasion des indischen Subkontinents zu sprechen, da diese Bezeichnung ein Konstrukt auf der Grundlage des kolonialen
britischen Herrschaftsgebietes
im 19. Jahrhundert ist und die territoriale Weltwahrnehmung im vorkolonialen Zeitalter eine grundlegend andere war. Seit Jahrhunderten gab es einen etablierten Kontakt des
Industals
und der
Gangesebene
mit den Regionen
Afghanistans
(ein fruhes Zentrum des
Buddhismus
) und Zentralasiens (vgl. die
Kuschana-Dynastie
).
Daruber hinaus muss die Einseitigkeit der vorherrschenden (muslimischen und hinduistischen) Geschichtswerke der damaligen Zeit in Betracht gezogen werden, die im Wesentlichen den Herrschaftsinteressen der verschiedenen Machthaber verpflichtet waren und in denen in der Regel eine tiefe und unversohnliche Feindschaft zwischen Muslimen und Hindus dokumentiert ist.
[45]
Zum einen verliefen die Rivalitaten nicht allein entlang religioser Linien; die verschiedenen hinduistischen Herrscher der Zeit vor der islamischen Eroberung waren zum Teil tief verfeindet und uberzogen sich mit Kriegen, und die Plunderungen muslimischer Heere in Nordindien richteten sich mitunter auch gegen als
haretisch
angesehene Muslime (z. B.
Schiiten
). Zum anderen ist die Plunderung hinduistischer Tempel durch muslimische Herrscher nicht vorrangig als Akt religioser Unterdruckung zu sehen, sondern eher als politische Maßnahme der Zerstorung der zentralen Tragerorte des jeweiligen Herrscherkultes und somit der ideologischen Fundierung der koniglich-hinduistischen Macht. Dadurch wird die Brutalitat und Rucksichtslosigkeit der entsprechenden Aktionen nicht gemindert, es wird jedoch vermieden, dieses Geschehen in den Kontext heutiger explizit religioser Konflikte zwischen Hindus und Muslimen zu stellen und dies so zu verzerren.
[46]
Uber die konkreten tagespolitischen Konflikte hinaus hatte die muslimische Prasenz in Nordindien (langerfristig) einen wesentlichen Einfluss auf die dortigen regionalen Kulturen in vielen Gebieten (z. B. der Architektur, der Literatur und der bildenden Kunst, der Staatstheorie und Verwaltung, aber auch auf religiosem Gebiet).
[47]
Der Einfluss des
Sufismus
spielte eine wesentliche Rolle in der Bildung lokaler religioser Identitaten im Punjab und anderen Regionen Nord- und Westindiens, nicht nur unter Muslimen. Es kam zur Herausbildung verschiedenster Mischformen religioser Praktiken, insbesondere im Umfeld der Graber von Sufi-Heiligen.
[48]
Die Verschmelzung der religiosen Lebenswelten fuhrte so weit, dass dem von der britischen Kolonialregierung durchgefuhrten Zensus aus dem Jahr 1911 fur die Region
Gujarat
die Zahl von ca. 200.000
Mohammedan Hindus
(also muslimischen Hindus) zu entnehmen ist.
[49]
Im
Punjab
entstand ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts zudem der
Sikhismus
.
Die Herrschaft der
Moguln
im 16. und 17. Jahrhundert vertiefte den islamischen Einfluss auf die hinduistischen Gesellschaften Nordindiens. Obwohl die verschiedenen Herrscher in unterschiedlichem Maße den Ratschlagen ihrer orthodoxen islamischen Eliten folgten und zuweilen mit Gewalt gegen hinduistische Tempel vorgingen, zeugt doch die Prasenz einer Vielzahl von hinduistischen Verwaltungsbeamten und Heerfuhrern am Mogulhof sowie die zuweilen massive Dominanz von hinduistischen Uberseehandlern insbesondere in Gujarat von einem weitgehend friedlichen Zusammenleben von Muslimen und Hindus in Indien in der Epoche muslimischer Herrschaft auf dem Subkontinent.
Als Gegenreaktion auf die islamische Vormacht und auch in Fortsetzung der vorherigen Regionalisierungen bildeten sich in den Hindu-Religionen zwei Neuerungen heraus: die
Sekten
und die
Historisierung
als Vorlaufer des spateren
Nationalismus
. Die Sekten waren Gefolgschaften mit
charismatischen
Fuhrern oder Dichterheiligen ohne organisierten Anhang (zum Beispiel
Tulsidas
und
Chaitanya
). Sie verfassten hingebungsvolle Werke. Daneben predigten Sektenfuhrer wie
Tukaram
und
Samartha Ramdas
Ideen, die das Hindutum und die Vergangenheit verherrlichten. Vielleicht stellt die devotionalistische Verinnerlichung der Religiositat eine Reaktion auf außere Bedrangungen vor. Auch die Brahmanen verfassten zunehmend historisierende Texte oder entwickelten eine ruckbesinnliche Sammelleidenschaft, indem sie umfangreiche Zutatensammlungen zu vielen Themen kompilierten.
[50]
Der Niedergang des Mogulreiches fiel mit der Ankunft der
East India Company
zusammen, die den Hinduismus mit christlichem und abendlandischem Gedankengut konfrontierte.
Moderner Hinduismus (ab 1850)
Im 19. Jahrhundert entstanden in Indien verschiedene religios-soziale Reformbewegungen, die aus der Begegnung Indiens mit Europa und der
Industrialisierung
hervorgingen und meist ?Neohinduismus“ genannt werden.
[51]
Die Briten verfolgten zunachst die Strategie, sich aus religiosen Streitfragen herauszuhalten. Zu Konflikten uber religiose Fragen kam es erst, als man in London forderte, gegen Missstande wie
Witwenverbrennung
und Kinderverheiratung vorzugehen, wodurch in Indien Minderwertigkeitsgefuhle gegenuber der britischen Kolonialmacht wuchsen. So entzundete sich der
indische Aufstand von 1857
an einer religiosen Frage: Als Ausloser des Aufstands gilt gemeinhin die Einfuhrung des
Enfield-Gewehres
, dessen
Papierpatronen
nach einem unter britisch-indischen Streitkraften weit verbreiteten
Gerucht
mit einer Mischung aus Rindertalg und Schweineschmalz behandelt waren. Da die Patronen vor dem Einsatz aufgebissen werden mussten, stellte ihre Verwendung fur glaubige Hindus wie Moslems einen Verstoß gegen ihre religiosen Pflichten dar.
[51]
Nach dem Vorbild der christlichen Mission grundete Swami
Vivekananda
1897 die
Ramakrishna-Mission
, mit dem Ziel, die Lehre des
Vedanta
, den er als Vollendung der Religionen betrachtete, auf der ganzen Welt zu verbreiten. Sein Lehrer
Ramakrishna
vertrat die Ansicht, alle Religionen der Welt verkundeten dieselbe Wahrheit, die Vielfalt der Religionen sei lediglich Schein (
Maya
). Die Rede Vivekanandas vor dem
Weltparlament der Religionen
1893 in Chicago, in der er erstmals den Hinduismus als Universalreligion vorstellte, war die erste Gelegenheit, bei der sich der Hinduismus außerhalb Indiens prasentierte.
In indischen Intellektuellenkreisen bildeten sich ethische Reformbewegungen, die das
Kastensystem
und die Tradition der
Witwenverbrennung
verurteilten und eine Demokratisierung der Hindu-Religionen ohne priesterliche Dominanz der Brahmanen anstrebten. Im Zuge dieser Entwicklung begannen Hindus sich als Einheit aufzufassen. Von Anfang an war der Neohinduismus mit den Unabhangigkeitsbestrebungen verbunden. Beispiele dafur sind die neohinduistischen Reformbewegungen von
Brahmo Samaj
(gegrundet 1828),
Ramakrishna
(1836?1886),
Sri Aurobindo
(1872?1950), der
Theosophischen Gesellschaft
(gegrundet 1875) und
Mahatma Gandhi
(1869?1948). Demgegenuber betonten Vertreter des
Arya Samaj
(gegrundet 1875) einen ?vedischen“, von westlichen und islamischen Einflussen gereinigten Hinduismus.
[52]
Die Phase der christlich-hinduistischen Begegnungen wird mit der Unabhangigkeit Indiens (15. August 1947) durch hinduistische Tendenzen abgelost. Nach Axel Michaels ist noch nicht erkennbar, ?welches Etikett diese Phase einmal tragen wird.“
[52]
Die Unabhangigkeitsbewegung Indiens unter
Mahatma Gandhi
mit seinem gewaltfreien Widerstand auf Basis seiner Grundhaltung
Satyagraha
trug zu einem großeren Interesse an hinduistischen Traditionen in der westlichen Welt bei. Außerdem entstand ein nach Westen orientierter, missionarischer Hinduismus, den Michaels als ?Guruismus“ bezeichnet. Zu den bekanntesten Vertretern gehoren
Jiddu Krishnamurti
,
Maharishi Mahesh Yogi
,
Sathya Sai Baba
und
Bhagwan Shree Rajneesh
.
Mogliche Einteilungen des Hinduismus
Einteilung in drei Hindu-Religionen nach ritueller Praxis
Die Einteilung des Hinduismus in drei Hindu-Religionen ist eine in Indien selbst getroffene Kategorisierung. Sie entspricht den Unterteilungen ritueller Praktiken in vedische (vaidika), dorflich-volksreligiose (gramya) und sektarische (agama oder tantra). Hindu-Religionen treten jedoch nicht ungemischt auf und die Inder sehen diese Grenzziehungen nicht als Ausgrenzungen.
[53]
Brahmanischer Sanskrit-Hinduismus
Dies ist eine
polytheistische
, sehr stark
ritualistische
,
brahmanische
Priesterreligion mit Berufung auf die
Veden
als Autoritat. Sie ist nahezu in ganz Sudasien verbreitet. Im Zentrum stehen großfamiliare Haus- und Opferrituale. Diese Religion steht im Vordergrund der meisten Abhandlungen uber den Hinduismus. Sie erfullt viele der ublichen Kriterien, die an eine Religion gestellt werden:
kanonische
Texte (Veda), heilige Sprache (Sanskrit), sichtbare Zugehorigkeit (
Heilige Schnur
) und einheitliches Priestertum (Brahmanen). Sie ist in vielen Regionen Indiens die dominante Religion, die nicht-brahmanische Bevolkerungsgruppen nachzuahmen trachten.
Die verehrten Hochgotter sind besonders
Shiva
,
Vishnu
,
Devi
,
Rama
,
Krishna
und
Ganesha
oder Erscheinungsformen davon. Unter den Anhangern bestehen viele Gemeinsamkeiten in hauslichen Ritualen (Geburt, Initiation, Heirat, Tod), Pilgerwesen, Festtagen, Gelubden, Ernahrung und der
Heiligen Kuh
. Die meisten Hindus, auch die Brahmanen, praktizieren jedoch mindestens eine weitere Religion aus dem Bereich der Volksreligionen.
[54]
Hinduistische Volksreligionen
Hinduistische Volks- bzw. Stammesreligionen
sind polytheistische, teilweise
animistische
Religionen mit lokalen, gemeinschaftlichen und kastenubergreifenden Festen und Verehrungsformen sowie
oralen Traditionen
oder Texten in den Volkssprachen. Diese Religionen haben eigene Priester und meist nur lokal verehrte Gottheiten, einschließlich vergottlichter Helden und Geister, von denen Menschen
besessen
werden konnen. Die Verehrungsformen gelten dem brahmanischen Sanskrit-Hinduismus oft als
unrein
. Dadurch konnen Spannungen zwischen Volksreligion und brahmanischem Hinduismus entstehen.
[55]
Der populare Hinduismus vermischt jedoch oft Formen des brahmanischen Sanskrit-Hinduismus mit volksreligiosen Elementen.
[56]
Gestiftete Religionen
Stifterreligionen zeichnen sich durch
Religionsstifter
aus, die aktiv oder passiv den Anstoß zur Bildung einer neuen Religion gegeben haben sollen. Im Hinduismus sind es oft asketische, antibrahmanische und missionierende
Erlosungsreligionen
mit monastischen Gemeinschaften und Basistexten der Stifter. Ursprunglich waren auch Buddhismus, Jainismus und Sikhismus solche Stifterreligionen. Diese entfernten sich aber so weit von der Autoritat des Veda und den brahmanischen Priestern, dass sie sich als eigene Religionen etablieren konnten.
[55]
Einige Richtungen werden als ?Sektenreligionen“ bezeichnet. Das Wort ?
Sekte
“ bezeichnet im Hinduismus jedoch nicht eine abgespaltene oder ausgeschlossene Gemeinschaft. Es steht keine
Haresie
im Vordergrund. Vielmehr meint es eine organisierte, meist von einem Stifter begrundete Tradition mit asketischer Praxis, in der die Gefolgschaft im Zentrum steht.
[57]
(Siehe auch
Hinduistische Orden
) Zu den Sektenreligionen zahlen beispielsweise:
Eine weitere Richtung innerhalb der gestifteten Religionen sind ?
synkretische
Stifterreligionen“. Dabei vermischen sich verschiedene religiose Ideen oder Philosophien zu einem neuen System oder Weltbild. Dazu gehoren folgende Mischreligionen:
?Missionierende Stifterreligionen“ (auch ?Guruismus“) sind im Westen verbreitete, von
charismatischen
Personen (Gurus) begrundete Religionsgruppierungen mit uberwiegend englischen, esoterischen Schriften der Gurus. Dazu gehoren
Sathya Sai Baba
,
A. C. Bhaktivedanta Prabhupada
(
ISKCON
),
Prem Rawat
,
Rajneesh Chandra Mohan
(
Neo-Sannyas
).
Große und kleine Tradition
Die Einteilung in große und kleine Tradition geht auf zwei Wissenschaftler zuruck: Der
Soziologe
M. N. Srinivas unterschied 1952 zwischen dem ?Sanscritic Hinduism“ beziehungsweise ?All-India and Peninsular Hinduism“ und dem regionalen und dorflichen Hinduismus.
[58]
Der
Ethnologe
Robert Redfield
trennte zwei Jahre spater zwischen ?Great“ und ?Little Tradition“.
[59]
Unter Großer (oder hoher) Tradition versteht man den sanskritischen, brahmanischen, uber ganz Sudasien verbreiteten Hinduismus, als kleine Traditionen dagegen die Volksreligionen und Sekten.
[60]
Allerdings wird diese Unterteilung teilweise nach sehr unterschiedlichen Kriterien vorgenommen: nach Kaste (hochkastiger und niedrigkastiger Hinduismus), Sprache (Sanskrit und Volkssprachen), regionale Verbreitung (Stadt und Dorf beziehungsweise Uberregionalitat und Regionalitat) oder Religion (Hochreligion und Volksreligion beziehungsweise Hochgotter und lokale Gotter). Nach Axel Michaels kann aber nur der brahmanische Sansrit-Hinduismus das Pradikat ?Große Tradition“ beanspruchen, wenn man damit an gelaufige Vorstellungen von einer Hochkultur (einheitliche Texte, Priestertum, Hochgotter) anknupfen will.
[61]
Hauptrichtungen
Vishnuismus
Der
Vishnuismus
nimmt
Vishnu
als hochstes Allwesen an, dem alle anderen Gotter untergeordnet oder aus dem sie hervorgegangen sind. Im Vishnuismus haben sich mehrere religiose Stromungen unterschiedlichen Ursprungs vereinigt. Die drei Hauptstromungen sind:
[62]
- der Kult des vedischen Gottes Vishnu: Hier wurden vier Gotteskonzepte der Tradition des Yajurveda vereinigt: Vishnu,
Narayana
, vedischer
Purusha
und Purusha des
Samkhya
.
- der Heroenkult des Vasudeva Krishna: Dieser kam im 4. oder 3. Jahrhundert hinzu und stammte aus der epischen Tradition. Die
Bhagavad Gita
ist das einflussreichste Zeugnis dieser fruhen Theologie.
- der Heroenkult des koniglichen Helden Rama aus dem Epos Ramayana: Dieser kam als letzter im 2. Jahrhundert n. Chr. hinzu. Rama wurde nun als Inkarnation des Vishnu angesehen.
Rama und Krishna sind nur die bekanntesten
Manifestationen
des Vishnu. Um den
Dharma
im Sinne einer gerechten kosmologischen und menschlichen Ordnung zu schutzen, inkarniert er sich immer, wenn die Weltordnung (Dharma) ins Schwanken zu geraten droht, auf der Erde. Diese Inkarnationen werden
Avataras
genannt (siehe
Die 10 Avataras
). Seit dem 20. Jahrhundert ist es daher nicht ungewohnlich, dass Anhanger Vishnus auch
Jesus Christus
verehren, denn in der Bibel, insbesondere im
Buch der Offenbarung
(Kap. 19), ist von Christus als
endzeitlichem
Richter die Rede, der auf der Erde erscheint, um die Welt zu
richten
.
Dem Selbstverstandnis nach sind einige vishnuitische Stromungen monotheistisch, da sie Vishnu, den ?Einen ohne einen Zweiten“, verehren, beziehungsweise seine Inkarnationen, die Avataras. Jeder der großen Zweige der Vishnuiten (Verehrer Vishnus, Krishnas und Ramas) hat jedoch deutlich verschiedene Theologien ausgebildet. Eine oberste Lehrinstanz gibt es nicht. Im Prinzip triumphiert die Freiheit des Denkens und der religiosen Erfahrung uber jede Dogmatik.
[63]
Vedische Komponenten
Tatsachlich ist Vishnu bereits im
Veda
der Name eines Gottes, wenn auch eines eher untergeordneten. Im
Rigveda
erscheint Vishnu vor allem als ein Gott mit kosmischer Bedeutung. Ursprunglich war er wohl ein Gott der Sonne, des Lichtes und der Warme, der die Zeit in Bewegung setzte, das Universum durchdrang und den Raum ausmaß. Er zahlte zu den
Adityas
, den Sohnen der Gottin
Aditi
, die teilweise auch als seine Frau galt.
Im Yajurveda (Taittiriya Samhita 2.1.3) und ausfuhrlicher im
Shatapatha-Brahmana
erfahrt man, dass Vishnu ein Zwerg ist. Der Zwerg ist das Opferfeuer, das als winziges Glimmen entsteht und dann zu einer machtigen Große aufflammt. Somit wird Vishnu zum gigantischen Riesen, dessen Fuße das Opferfeuer und dessen Kopf (oder Auge) die Sonne darstellen. Der Rauch und die Opfergaben, die dieser mit sich fuhrt, folgen der Weltachse bis hinauf zum Himmel, den das Opfer stutzt. Die Deutung Vishnus als personifiziertes Opfer, dessen kosmogonische Kraft Himmel und Erde voneinander trennt und Raum fur Leben schafft, meint das Opfer in der Gesamtheit seiner rituellen Bezuge.
[64]
Vishnu wird mit
Purusha
gleichgesetzt, der in der beruhmten Hymne Rigveda 10.90 das Urindividuum ist, aus dem die Welt und die
Varnas
(Kasten) entstehen. Zu Beginn des kosmogonischen Prozesses bringt das Opfer (Vishnu) sich selbst zum Opfer, und zwar als Menschenopfer, die hochste Form des Opfers. Er opfert sich selbst (als Purusha = ?Mann“) in sich selbst (als dem Opfer). Purusha wird mit tausend Kopfen und tausend Fußen beschrieben.
[65]
Vishnu wird auch gleichgesetzt mit dem kosmischen Gott
Narayana
. Dargestellt wird dieser meist mit vier Armen sowie den Attributen Rad (
chakra
),
Schneckenhorn
(
shankha
),
Lotos
(
padma
) und Keule (
gada
). In einer besonders bekannten Darstellung ruht Narayana, hier mit dem Beinamen
Anantashayi
, als menschengestaltiger Gott zwischen zwei Weltperioden auf einem Schlangenbett im kosmischen Ozean, dem
Milchozean
. Auf der Lotosblute, die aus seinem Nabel entsteht, thront der vierkopfige Brahma, der in seinem Auftrag eine neue Schopfung hervorbringt. Vishnu-Narayana ist deutlich eine Gottheit aus dem priesterlichen Milieu, die als Opferer wirkende Ursache und als Geopferter materielle Ursache ist.
[65]
V?sudeva Krishna
Spatestens seit Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. wurde in Nordindien
Vasudeva Krishna
verehrt. Dieser ist aus dem Epos
Mahabharata
bekannt als vergottlichter Heros aus dem Stamm der Yadavas. In den alteren Teilen des Epos ist er der Freund und Wagenlenker des Helden
Arjuna
, in jungeren Teilen ist er eine menschliche Manifestation der hochsten Gottheit. Bereits im 2. Jahrhundert v. Chr. wird er mit Vishnu identifiziert. Verschiedene Uberlieferungs-Traditionen fanden eine Zusammenfuhrung in der
Bhagavad Gita
(3./2. Jahrhundert v. Chr.), die in das Epos Mahabharata eingefugt wurde und bald so bedeutend wurde, dass man sie auf eine Stufe mit den Upanishaden stellte.
In der Schlacht von
Kurukshetra
steht Krishna
Arjuna
als Freund und Beschutzer sowie als
geistiger Fuhrer
zur Seite. Vor Beginn dieser Schlacht offenbart er sich Arjuna als der Hochste. Als Furst und Wagenlenker von Arjuna zieht Krishna mit in die Schlacht. Arjuna zogert zu kampfen, da auf der Gegenseite viele Verwandte stehen. Krishna belehrt ihn uber seine Pflicht,
Dharma
, als Krieger
Kshatriya
zu kampfen sowie uber die Unsterblichkeit der Seele
Atman
. Der Mensch Krishna ist nach diesem Text der hochste Gott, der auch allein die Wunsche erfullt, welche an die Gotter gerichtet werden.
Der Harivamsha ist ein Nachtrag zum Epos, der Krishnas historischen Stammbaum und seine Lebensgeschichte enthalt. Das Thema wird im Vishnupurana weiter vertieft und findet seine endgultige Form im Bhagvata Purana (ca. 10. Jahrhundert). Im Bhagvat Gita war der Krishna noch eine ubermachtige Lehrgestalt, die sich dem Arjuna als Lehrgestalt offenbart. Der Anblick ist aber so uberwaltigend, dass Arjuna sie anfleht, wieder die vertraute menschliche, wenn auch vierarmige Gestalt als freundlicher Gott anzunehmen (Gita 11.9?51). Im Harivamsha tritt bereits eine veranderte Beziehung zwischen Gottheit und Mensch auf. Der jugendliche Krishna weckt die Liebe und strahlt das Gluck aus.
Der Krishnakult behielt stets eine gewisse Eigenstandigkeit vor dem Kult des großen Vishnutempel. Besondere Merkmale sind Gesang und Tanz, die Erzahlung von Mythen und Legenden und das hausliche Ritual. Obwohl sich die Verehrer Krishnas weiterhin als Vishnuiten bezeichnen, hat sich die alte monotheistische Krishnaverehrung weitestgehend von den Vishnu-Religionen entfernt. Besonders in Nordindien ist die Verehrung Krishnas zur dominanten Religion geworden.
[66]
Ramabhakti
Neben dem Mahabharata ist das dem Dichter Valmiki zugeschriebene
Ramayana
das zweite indische Nationalepos. Es durfte im 2. Jahrhundert n. Chr. seine bekannte Form erreicht haben, als die Sage um das erste und letzte Buch erganzt wurde. Nur in diesen beiden Buchern wird Rama als gottliches Wesen, als Inkarnation von Vishnu verstanden, wohingegen die anderen Bucher Rama als menschlichen Helden darstellen.
Das Ramayana erzahlt die Geschichte des Prinzen
Rama
aus dem Konigreich Kosala, der vom Hof seines Vaters
Dasharatha
in die Waldeinsamkeit verbannt wird und spater
Ravana
, den Fursten der
Damonen
auf
Lanka
, besiegt. Rama wurde zum Ideal des Konigtums, mit Leitsatzen wie Treue, Gerechtigkeit Unbesiegbarkeit und Vorbild fur die Untertanen. Dass er den Bogen Shivas nicht nur zu spannen vermochte, sondern mit Leichtigkeit zerbrach, zeigte ihn als Inkarnation Vishnus in einer gerade erwachenden Rivalitat zweier Religionen als den uberlegenen.
[67]
Madhva
Madhva
, ein Brahmane aus
Udupi
begrundete im 13. Jahrhundert mit der Dvaita-Schule eine weitere vishnuitische Konfession mit einer dualistischen Auslegung des
Vedanta
. Vishnu ist mit der hochsten Vollkommenheiten ausgestattet, von denen sich der Mensch keine zureichende Vorstellung machen kann. Die Linie der Madhva-Gurus, deren Erster er war, besteht seit 700 Jahren noch fort.
[68]
Ramanuja und der Shri-Vishnuismus
Seit dem 6./7. Jahrhundert entstanden sogenannte
Bhakti
-Bewegungen, die besonders die emotionale Hinwendung zu einem personalen Gott betonten und so besonders gegen die Macht der Tempel und Priester Stellung bezogen. Ziel der Erlosung ist es, zur Gottheit zu gelangen, ihre Nahe zu spuren, sie anzuschauen und zu preisen.
Eine der großen vishnuitischen Bhakti-Bewegungen sind die Shri-Vaishnavas.
Ramanuja
(ca. 1050?1137) begrundete diese Theologie als Synthese aus vier Quellen: dem Vedanta der Upanishaden und Brahmasutras, den Lehren der Bhagwad Gita, den vereinten Traditionen der Vaikhanasas und des Pancaratra sowie der Bhakti-Religiositat des Alvars. Die Bezeichnung Shri-Vishnuismus kommt daher, dass die Gottin
Shri
, die Gemahlin Vishnus, eine zentrale Rolle bei der Erlosung spielt: ?Shri-Laksmi namlich, die als Essenz der Gnade Gottes gilt, ist die Mittlerin zwischen dem sundigen Menschen und Gott, sie ist es, die seine Sunden tilgt und ihn hinfuhrt in die Gegenwart des Herrn.“
[69]
Fur die Gottheit verwendet Ramanuja auch die Bezeichnung
Brahman
. Das Brahman hat sowohl einen personlichen als auch einen unpersonlichen Aspekt, wobei der personliche der wesentliche ist. Insoweit Brahman Person ist, wird dafur (unter anderem) auch die Bezeichnung Vishnu verwendet. Nachdrucklich wendet sich Ramanuja gegen die Behauptung der radikalen Monisten, das Brahman sei eigenschaftslos. Er will nur uble Eigenschaften ausschließen und schreibt der Gottheit eine Fulle von guten Eigenschaften zu.
[70]
Die Lehre wird als ?Einheit des Verschiedenen“ bezeichnet: ?Gott (das personhafte Brahman) ist lenkend und erkennend in der Welt und allen ihren belebten Teilen anwesend wie die Seele im Korper. Seine Gegenwart ist eine tatige, aber auch eine wissende und liebende. Er ist ein Freund in unserem Herzen, der großer ist als wir.“
[69]
Ramanuja lehnte die Lehre vom Karma grundsatzlich ab. Vielmehr hangen die Fruchte unserer Taten davon ab, ob sie dem Hochsten Wesen gefallen oder nicht. Der Herr bestimmt, welche Taten forderlich sind und welche nicht. Dies offenbart sich im Gewissen, also der Stimme Gottes, und in den Schriften, die den Dharma lehren. Als innerer Kontrolleur (antaryamin) ist er in ihnen vorhanden, um Zustimmung (anumati) zu geben oder abzulehnen.
[69]
Shivaismus
Rudra und die Ursprunge des Shivaismus
Der Vorlaufer des
Shiva
war vermutlich
Rudra
, der im Veda als gefahrlicher, Krankheit und Tod bringender Gott bekannt war. Die zerstorerische Gottheit wird in besanftigender Absicht
euphemisch
Shiva, ?der Freundliche“ oder Shankara, ?der Wohltatige“ genannt. Weitere Bezeichnungen sind Hara, ?der Hinwegraffer“, und Pashupati, ?Herr der Tiere“.
Sein Kult hatte seine Ursprunge außerhalb der arischen Schicht, in einer Bevolkerungsgruppe, die an den Rand der arischen Besiedlungen in die Walder und Berghange des Nordens verdrangt worden war. Diese Kirata genannten Stamme wurden als Rauber gefurchtet. So wird auch Rudra im Yajurveda (16, 20?21) bereits als Herr der Diebe und Rauber bezeichnet.
Entsprechend der verbreiteten Anschauung, dass der Bringer des Ubels seine gefurchtete Aktivitat auch einstellen und das Ubel abwenden kann, kann er auch ein in hochstem Maße ein hilfreicher, friedlicher und segnender Gott sein. Seine heilsamen Arzneien konnen Mensch und Vieh retten. Auch der
Phallus
, das wichtigste Symbol fur den Kult des Shiva, zeigt diese Ambivalenz, indem seine Zeugungskraft auch den Fortbestand des Lebens sichert.
[71]
Erst mit der Stadtentwicklung (7.?5. Jahrhundert v. Chr.) erreichte die nicht-arische Bevolkerungsschicht auch im religiosen Bereich ein großeres Gewicht. Die brahmanische Shiva-Theologie entstand nach derjenigen des Vishnu ebenfalls in den Priesterkreisen des Yajurveda und ubernahm von ihr wichtige Aspekte: ?Das betrifft das gesamte, aus den Upanishaden abgeleitete Theoretische Gebaude, die Gleichsetzung von Shiva mit Brahman und Purusha, die Einbeziehung des Samkhya und Yoga sowie die Verehrung des Gottes uber ein Zusammenstellen und Preisen seiner Namen, Taten und Vollkommenheiten.“
[72]
Diese Priesterkreise brauchten offenbar eine neue Klientel, nachdem sich die Fursten- und Kaufmannsschicht den Monchsorden zugewandt hatten und große Teile Nordindiens unter Fremdherrschaft geraten waren. Damit einhergehend wurden mit der Aufzahlung der hundert Namen Rudras und der shivaitischen Shvetashvatara Upanischad zwei wichtige Texte nachtraglich in die Tradition des Yajurveda eingefugt.
[72]
Die Pashupatas
Die erste in der Literatur vorkommende shivaitische Gruppierung bildeten die
Pashupatas
. Diese werden auch nach ihrem wichtigsten Lehrer Lakulisha genannt, der am Ende des 2. Jahrhunderts nahe der Mundung des Flusses Narmada im heutigen Gujarat lebte. Nach Alain Danielou war Lakulisha ein
Ajivika
, der pra-arische Kulte der Indus-Kultur wiederherstellt.
[73]
Der Name Pashupata (?Anhanger des Herrn der Seelen“) verdanken diese fruhen Shivaiten ?ihrer dualistischen Gegenuberstellung der individuellen, ewigen Seele (
pashu
, eigentlich das Haus- oder Opfertier) mit dem Herrn (
pati
), der allein in der Lage ist, die Fessel zu losen, die den Menschen an die Materie bindet wie das Opfertier an den Opferpfahl“.
[74]
Die puranische Mythologie zeigt Shiva als Vernichter von
Damonen
, als Yogi, der im Himalaya tausendjahrige Askese ubt und als Zerstorer, der am Ende einer Weltperiode den großen Weltenbrand einleitet. Auf seiner Stirn befindet sich ein drittes Auge. Wenn Shiva diese Auge offnet, schießt daraus eine feurige Glut, die alles augenblicklich verzehrt, worauf sie trifft.
Im Unterschied zum weltbejahenden Vishnu ist Shiva ein asketischer und weltverneinender Erlosergott. Eine menschenfreundlichere Sicht des Gottes entwickelte sich in Sudindien unter Einfluss der Bhakti-Bewegung. So erscheint er hier auch als Erfinder der Musik und des Tanzes und als Lehrer der Menschen.
Shiva erhielt betrachtlichen Zuwachs an Macht, indem der Kriegsgott
Skanda
-Karttikeya als Sohn in seine Familie aufgenommen wurde und mit diesem wiederum weitere Kriegsgotter wie Vaishakha und Kumara identifiziert wurden. Als Gemahlin kam Parvati hinzu, die mit Durga, Kali und allen blutgierigen lokalen Gottinnen der Volkskulte gleichgesetzt wurde. Die Gottin wurde sogar als Teil Shivas einbezogen, so dass sich dieser in androgyner Form prasentierte, als ?Herr, der zur Halfte Weib ist“. Weiter kam der elefantenkopfige Gott Ganesha als Sohn in Shivas Familie und schließlich integrierte Shiva den Sonnengott in Gestalt des Martanda Bhairava. Dadurch konnte der Gott viele Anhanger auf sich ziehen und verschaffte den Herrschern ein wichtiges Potential.
[75]
Kashmirischer Shivaismus
Der kaschmirische Shivaismus ist eine
monistische
Lehre, in der die religiosen Texte
(
Agamas
)
als unmittelbarer Ausdruck des hochsten Gottes
Shiva
betrachtet werden. Er entstand wahrend des 8. oder 9. Jahrhunderts n. Chr. in Kaschmir und machte bis zum Ende des 12. Jahrhunderts große Fortschritte, sowohl philosophisch als auch theologisch.
[76]
Als transzendenter Monismus nahm er eine Dreiheit von geistigen Prinzipien an: Shiva, Shakti und Seele (anu). Diese Form des Shivaismus wird entsprechend auch
Trika
-Schule (
Triade
) genannt. Die Seele, die ursprunglich Shiva ahnlich ist, wird durch ihr anhaftenden materiellen Schmutz (mala) verdunkelt. Der Prozess der Befreiung aus diesem Zustand der Beschmutzung fuhrt zur Wiedererkennung (pratyabhijna) der letztlich vollstandigen Einheit der Seele mit Shiva.
[77]
Shaiva Siddhanta
Diese Tradition wurde ursprunglich in ganz Indien praktiziert, durch die muslimische Unterwerfung des Nordens wurde sie aber in den Suden gedrangt, wo sie mit der tamilischen Saiva-Bewegung verschmolz und in der Bhakti-Poesie der
Nayanmars
Ausdruck fand.
[78]
Im Zentrum steht nicht ein theoretischer, sondern vielmehr ein emotional gepragter dualistischer Shivaismus. Er betont die Verschiedenheit von Gottheit und Seele. Nur diese garantiert das in der Bhakti-Beziehung erfahrbare hochste Gluck: ?Es gibt also neben Shiva eine Vielheit von unverganglichen Seelen, die in erlostem Zustand in der Anschauung Gottes verharren.“
[79]
Natha-Yogis
Natha-Yoga ist eine Yoga-Lehre, die auf
Gorakhnath
zuruckgeht. Natha-Yogis sind asketische Shivaiten und das Ziel dieser Yoga-Disziplin ist es, die hochste Realitat, die Identitat mit Shiva, zu erreichen. Die Bewegung der Natha-Yogis ging von Bengalen aus und breitete sich spater auch nach Suden und Westen aus. Natha-Yogis praktizieren
Hatha-Yoga
und versuchen den Korper durch Yoga und Schulung der Willenskraft zu reinigen und letztendlich unsterblich zu werden. Auch Alchemie war unter den Natha-Yogis verbreitet. In dieser Schule werden ?Vollendete“ (Siddhas) und bedeutende Lehrer als Gottheiten angesehen.
[79]
Varashaivas
Die Virashaivas, die ab dem 12. Jahrhundert entstanden sind, losten sich vom brahmanischen Ritualismus los und lehnen jegliche Form von Kasten ab. Ebenso gibt es eine Gleichberechtigung von Mannern und Frauen. Unter den Herrschern von Mysore wurde der Virashaivismus von 1350 bis 1610 Staatsreligion. Die Virashaivas fuhren mit sich eine Kapsel mit einem Shiva-Linga, weshalb sie auch Lingayats genannt werden.
Shankara und die monistische Lehre der Upanishaden sind pragend, jedoch wird dies auf Shiva als hochstes Sein bezogen (Shiva als Brahman selbst). Monismus bedeutet, dass Shiva das einzige Sein darstellt, auch in Bezug auf die Schopfung und die Seelen. Shiva-Brahman ist mit den Attributen Sat, Chid, Ananda ausgestattet, Sein, Bewusstsein, Seligkeit.
Die Virashaivas praktizieren Shiva-Bhakti und Yoga, und Gurus sind besonders wichtig, ebenso
Ahimsa
, Vegetarismus und Formen der Abstinenz. Es wird angenommen, dass ein lauterer und glaubiger Lebenswandel dazu fuhrt, dass man sich im Tod mit Shiva vereint. Von besonderer Bedeutung ist das Mantra 'Om Namah Shivai'.
[79]
Shaktismus
Der
Shaktismus
ist eine Form des Hinduismus, der sich auf die weiblichen Gotter oder die Gottin bezieht. Diese sogenannte Shakti, die als weiblich gedachte Urkraft des Universums, hat in dieser Religionsform eine herausragende Bedeutung im Heilsgeschehen und im Weltprozess, in dem die mannliche Gottheit nur durch ihre Energie, die Shakti ist, handelt.
Der Shaktismus begann sich ab dem 6. oder 7. Jahrhundert als eigenstandige Religion zu etablieren. Der alteste Text, der diese Entwicklung zeigt, ist das
Devi Mahatmya
, ein Preiselied auf die Gottin, das diese als machtigstes handelndes Prinzip uber alle Gotter stellt.
Religionsgeschichtlich stammt der Shaktismus vom Shivaismus ab. Seine Theologie weicht kaum von der des Shivaismus ab, nur die Wertung des obersten Prinzips wird vertauscht: Nicht Shiva, sondern die Shakti wird als hochstes Prinzip angesehen. Dies wird aus dem Shivaismus selbst begrundet: Dort ist Shiva ein reiner Geist, der passiv ist, wahrend seine Shakti als dessen aktives Prinzip gilt. So sehen Shaktas den Shiva als handlungsunfahig ohne seine Shakti und diese deshalb als den schopferischen Aspekt des Gottlichen.
Die Theologie der Shakta ist grundsatzlich monistisch und vom Vedanta gepragt, da Devi als die Manifestation des Brahman angesehen wird. Jedoch wird die Maya im Gegensatz zum Vedanta als bewusste Kraft angesehen, in der die verschiedenen Aspekte der Gottin erscheinen und diese wird auch als personale Gottheit angebetet.
Unterschieden werden zwei Hauptformen des Shaktismus: Die
Shri
-Kula (Familie der Gottin Shri) sind hauptsachlich in Sudindien vertreten, wahrend die Kali-Kula (Familie der Gottin
Kali
) in Nord- und Ostindien stark verbreitet sind. Die Kali-Kula lehnt die brahmanische Tradition ab. Zur Verbreitung des Shaktismus hat sehr stark die
indische Volksreligion
beigetragen, in der die Verehrung weiblicher Gottheiten ohnehin vorherrscht.
[80]
Glaubensrichtungen und Lehre
Der Hinduismus kennt keine gemeinsame Grunderperson. Jede Glaubensrichtung hat eigene nur fur sie verbindliche heilige Schriften: z. B. Vishnuiten das
Bhagavatapurana
, Shaktianhanger das
Devi Mahatmya
, ein
puranisches
Werk zur Verehrung der Gottin. Die
Veden
werden ubergreifend von vielen Hindus als heilig angesehen.
Entgegen dem ersten Anschein ist der Hinduismus keine
polytheistische
Religion. Viele westliche Religionswissenschaftler und Indologen bezeichnen ihn, obwohl der Begriff umstritten ist, als
Henotheismus
, da alle Gotter ? je nach individueller Glaubensausrichtung ? Ausdruck des einen hochsten personlichen Gottes oder auch der unpersonlichen Weltseele (
Brahman
) sein konnen.
Obwohl der Hinduismus aus unterschiedlichen Stromungen besteht, gibt es Gemeinsamkeiten, die in den meisten Richtungen vorliegen, die als eine Reihe von Leitgedanken und Grundsatzen erscheinen.
[81]
Hinduistische Lehren betrachten den Kosmos als geordnetes Ganzes, das vom
Dharma
, dem Weltgesetz, welches die naturliche und sittliche Ordnung darstellt, beherrscht wird. Dharma bedeutet Recht, Pflicht, Ordnung und bezieht sich darauf, dass jedes Wesen sich so zu verhalten hat, wie es seinem Platz in der Welt entspricht. Zyklen des Werdens und Vergehens (
Kalpa
) der Welt bilden eine andere wichtige Grundlage hinduistischer Traditionen. In diesen Zyklen gibt es keinen Schopfungsanfang und keine endgultige Vernichtung des Universums und des Daseins.
[81]
Andere allgemein verbreitete Konzepte sind
Karma
,
Atman
und
Moksha
. Zentrale Praktiken sind
Bhakti
und
Pujas
.
Samskaras
sind hinduistische Sakramente, welche die Ubergange zwischen den einzelnen Abschnitten des Lebenszyklus rituell gestalten. Von diesen gibt es ca. 40 und die drei wichtigsten sind Initiation, Hochzeitsriten und Totenriten.
[82]
Zentren hinduistischer
Religiositat
sind neben dem eigenen Haus die Tempel. Einer der großten Tempelkomplexe und Pilgerzentren ist
Tirumala Tirupati
in Sudindien. In Nordindien zieht die heilige Stadt
Varanasi
am
Ganges
immer wieder Unmengen von Pilgern an.
Gottesbild
Die verschiedenen hinduistischen Traditionen und Philosophien vertreten unterschiedliche Gottesbilder, Hauptrichtungen sind jedoch
Shivaismus
,
Vishnuismus
sowie
Shaktismus
, die Verehrung Gottes in weiblicher Form. Daneben gibt es auch die
indische Volksreligion
.
Brahma
,
Shiva
und
Vishnu
werden auch als Dreiheit (
Trimurti
) dargestellt. Die Verehrung von Shiva und Vishnu, jeweils in unzahligen verschiedenen Formen und Namen, ist weit verbreitet. Brahma dagegen ist nur noch in der Mythologie prasent, in der Verehrung spielt er fast keine Rolle mehr; seine Stelle nimmt seine
Shakti
ein, die Gottin
Sarasvati
. Daneben gibt es aber unzahlige andere Manifestationen, z. B. den elefantenkopfigen
Ganesha
, der als Sohn von Shiva und Parvati gilt, sowie
Hanuman
, der Diener
Ramas
, der wiederum ein
Avatar
von Vishnu ist. Es gibt auch eine große Zahl weiblicher Gottheiten, die entweder als ?Große Gottin“ (
Mahadevi
) autonom auftreten wie
Durga
oder als Gemahlinnen bzw. weibliche Seite der mannlich gedachten Gotter gelten, z. B. Sarasvati und
Lakshmi
. Die meisten Glaubigen gehen davon aus, dass die Anbetung eines jeden Gottes dem Anbeten des hochsten Gottlichen entspricht, da alle Erscheinungsweisen des Einen seien. Andere dagegen verehren das Hochste nur in einer Form, wie etwa viele der Anhanger
Krishnas
, und betrachten die anderen Gotter als ihm untergeordnete
Devas
. Die Verehrung des Gottlichen in
Bildern
und Statuen ist weit verbreitet, jedoch lehnen viele Hindus, wie die Lingayats, die Verehrung in dieser Form strikt ab.
[83]
Neben den Hauptgottern gibt es noch unzahlige andere Gottheiten, von denen viele nur lokal verehrt werden.
Hinduistische Theologie
Das Gottesbild des Hinduismus kennt sowohl Gotter als auch mit dem monotheistischen Gottesbegriff vergleichbare Vorstellungen. Von den
indogermanisch
ererbten Grundzugen her bestehen Zusammenhange, die auch den Begriff ?
Gott
“ betreffen. Manche Stromungen des Hinduismus glauben an einen obersten Gott, benannt als
Ishvara
(wortlich ?der hochste Herr“). Es gibt auch ihm unterstellte Wesen, die
Devas
genannt werden. Sie konnen als Gotter, Halbgotter, Engel, himmlische Wesen oder Geist angesehen werden und stehen zwischen dem Ishvara und den Menschen.
Einer der wichtigsten Begriffe im Hinduismus ist das
Brahman
? der hochste kosmische Geist. Brahman ist die unbeschreibbare, unerschopfliche, allwissende, allmachtige, nicht korperliche, allgegenwartige, ursprungliche, erste, ewige und absolute Kraft. Es ist ohne einen Anfang, ohne ein Ende, in allen Dingen enthalten und die Ursache, die Quelle und das Material aller bekannten Schopfung, rational unfassbar und doch dem gesamten Universum immanent. Die Upanishaden beschreiben es als das Eine und unteilbare ewige Universalselbst, das in allem anwesend ist und in dem alle anwesend sind. Diese unpersonliche Vorstellung von Gott wird erganzt oder ersetzt durch die Sichtweise auf einen personlichen Gott, wie es in der
Bhagavadgita
geschieht. Hier wird der personliche Gott, der
Ishvara
oder hochste
Purusha
, uber die Welt der Erscheinungen und den ?unbeweglichen“ Brahman gestellt.
Nach Auffassung des
Advaita Vedanta
ist der Mensch in seinem innersten Wesenskern mit dem
Brahman
identisch. Dieser innere Wesenskern wird auch
Atman
genannt. Diese Identitat kann prinzipiell von jedem Menschen erfahren bzw. erkannt werden.
Advaita Vedanta (
Nichtdualitat
) ist die Lehre
Shankaras
(788?820 n. Chr.), die auf diese Erkenntnis der Einheit zielt und die Erscheinungen der Welt als
Maya
bezeichnet. Nach Lehre des
Vishishtadvaita
(
qualifizierter Monismus
) von
Ramanuja
dagegen ist Gott alles was existiert, es besteht jedoch ein qualitativer Unterschied zwischen individueller Seele und hochstem Gott. Am anderen Ende des Spektrums steht die rein dualistische Philosophie des
Dvaita Vedanta
des Madhvas, die streng zwischen Seele und Gott unterscheidet (siehe
Indische Philosophie
).
Die Theologie des Hinduismus ist nicht von der Philosophie getrennt, und so erscheinen die Saddarshana (
Darshana
Sanskrit
, n.,
?????
,
dar?ana
, fur Betrachtung, Beobachtung, Zusammentreffen, Philosophie; von
drish
sehen), die sechs klassischen Systeme der indischen Philosophie, auch als theologische Konzepte. Diese sind:
Heilige Schriften
Schriften liegen im Hinduismus in einer großen Vielfalt vor. Hinduistische Schriften wurden sowohl auf Sanskrit als auch in allen anderen indischen Sprachen geschrieben. Neben schriftlichen Zeugnissen gibt es auch mundlich tradierte Texte. Diese Schriften und Texte haben unter anderem eine rituelle Funktion, enthalten religiose Ideen und Konzepte, und viele von ihnen werden als heilig angesehen. Der Ausdruck
heilige Schriften
ist nicht hinduistisch und entstammt einer westlichen Terminologie.
Die Schriften und oralen Texte, die als heilig angesehen werden, sind nicht einheitlich, sondern werden dadurch definiert, dass religiose Gruppierungen diese unterschiedlichen Texte als heilig ansehen. Sowohl die Form der Texte als auch Inhalte und Verwendung unterscheiden sich dabei in den verschiedenen Gruppierungen.
In Hinduismus gibt es unterschiedliche Klassifizierungen von Schriften. Das bedeutet, dass die Einordnung der Schriften unter bestimmte Kategorien nicht einheitlich ist. Zudem konnen auch viele Schriften nicht datiert werden. Viele Schriften wurden auch noch nicht ediert und Ubersetzungen liegen oft nicht vor.
Wiedergeburt und Erlosung
Einige Glaubige gehen davon aus, dass Leben und Tod ein sich standig wiederholender Kreislauf (
Samsara
) sind und glauben an eine
Reinkarnation
. Der Glaube an Wiedergeburt ist aber, im Gegensatz zum im Westen vorherrschenden
Klischee
, nicht Hauptbestandteil des Hinduismus und nur in einigen wenigen Stromungen vertreten. So gibt es im Ur-Hinduismus und den fruhen sudindischen Religionen kein derartiges Konzept. Es wird angenommen, dass die Idee von Wiedergeburt erst spater im Norden Indiens entstand.
[84]
[85]
[86]
Gotter, Menschen und Tiere durchwandern nach hinduistischer Glaubensvorstellung in einem durch ewige Wiederkehr gekennzeichneten Kreislauf,
Samsara
, die Weltzeitalter,
Yuga
. Wahrend des Lebens wird je nach Verhalten gutes oder schlechtes
Karma
angehauft. Dieses
Gesetz von Ursache und Wirkung von Handlungen
beeinflusst nach hinduistischer Vorstellung zukunftige
Reinkarnationen
und die Erlosung (
Moksha
), das Aufgehen des
Atman
(das innewohnende Brahman). Es ist nur bedingt zu vergleichen mit der Seele, da die Seele etwas Individuelles (also bei jedem verschieden) und das Atman immer das Gleiche ist im ?kosmischen Bewusstsein“ (Brahman). Die personliche
Erleuchtung
ist der Endpunkt der Entwicklung des Geistes, und je nach Realisation des Suchenden kann diese, neben anderen Wegen, durch die klassischen drei Methoden erreicht werden:
Bhakti-Yoga
, die liebende Verehrung Gottes,
Karma-Yoga
, den Weg der Tat, sowie
Jnana-Yoga
, den Weg des Wissens. Oft zahlt man als vierten Weg
Raja-Yoga
, den ?Konigsweg“ hinzu.
In den
fruhen Schichten
der vedischen Schriften war die Vorstellung prasent, dass nach dem Tod ein Ort der Belohnung oder Strafe bereitstand. Das entschied sich nicht nur an der personlichen Lebensfuhrung, sondern war stark von den priesterlichen Zeremonien und Opferriten abhangig.
[87]
Erst in den ab etwa 800 v. Chr. niedergeschriebenen
Upanishaden
wurde die Lehre von der Reinkarnation und dem
Karma
entwickelt, die dem
Atman
(
Sanskrit
, n., ??????,
?tman
), dem unsterblichen Wesenskern des Menschen, unterworfen ist. Eines der altesten Zeugnisse dazu ist die
Brihad?ranyaka Upanishad
.
Jiva
(Sanskrit: ??? j?va
adj.
u.
m.
lebend, lebendig; ein lebendiges Wesen; das Leben; das Lebensprinzip; der Lebensatem) bezeichnet die individuelle Seele, Individualseele.
Jiva
ist Atman, der sich mit den
Upadhis
(den begrenzenden Hullen) identifiziert.
In der Schrift der
Taittiriya Upanishad
(etwa vor 550 v. Chr.) (
Sanskrit
: ?????????????????? taittir?yopani?had
f
.), sie gehort zu den altesten
Upanishaden
und wird dem schwarzen
Yajurveda
zugerechnet, werden drei Abschnitte aufgefuhrt, die wiederum in Unterabschnitte (
Anuvakas
) gegliedert sind. Sie gehen als erste
Upanishad
auf die Lehre der funf Hullen,
Koshas
ein. Der Name der
vedischen
Schrift bezieht sich wahrscheinlich auf den Lehrer
Tittiri
.
Nach vedischer Ansicht besteht der Mensch nicht aus einem, sondern aus drei Korpern, Shariras (
Sanskrit
: ???? ?ar?ra
n.
fester Bestandteil des Korpers, Knochengerust, Skelett; Leib, Korper). Diese wiederum umfassen die funf Hullen, Koshas. In den Vedanta-Schriften spricht man von den drei Korpern.
Nach der
Vedanta
(
Sanskrit
, m., ???????,
ved?nta
) sie heißt wortlich ubersetzt: ?Ende des
Veda
“ d. h. der als
Offenbarung
verstandenen fruhindischen Textuberlieferung (
Veda
Wissen). Der Begriff wurde erstmals in der Mundaka-
Upanishad
3,2,6 und der
Bhagavad-Gita
, Vers 15,15 fur die am Ende des vedischen Schrifttums stehenden Upanishaden verwendet.
[88]
- Sthula Sharira (Sanskrit: ????????? sth?la-?ar?ra
n.
wortlich grobstofflicher (
Sthula
) Korper (
Sharira
)), der physische Korper:
- Sukshma Sharira (Sanskrit: ??????????? s?k?ma-?ar?ra
n.
wortlich feinstofflicher (
Sukshma
) Korper (
Sharira
)) der astrale Korper
- Karana Sharira (Sanskrit: ???????? k?ra?a-?ar?ra
n.
wortlich Korper (
Sharira
) der Ursachen (
Karana
)), der kausale Korper
Den Kreislauf der Wanderung, wurde vermittels der Lehre von den verschiedenen Leibhullen,
Koshas
(
Sanskrit
: ??? ko?a
m.
oder Sanskrit ??? ko?a Fass, Eimer; Kiste, Gefaß, Kasten, Truhe; Wagenkasten; Degenscheide; Behalter, Verschluss, Gehause; Vorratskammer, Schatzkammer; Schatz), meist sind es funf, gefunden. Denn die Vorstellung eines Selbst, das von einem voll ausgebildeten Korper zu einem gleichen anderen wandern wurde war nicht plausibel. Man entwickelte die Vorstellung, dass der ?tman, das Selbst, von verschiedenen Hullen umgeben ist oder dass er selbst aus verschiedenen Schichten besteht. Bei der Seelenwanderung wurden dementsprechend nur die außeren Hullen bzw. Schichten abgestreift, wahrend das tiefere Selbst als solches bleibt. Der Mensch hat funf Koshas (auch Panchakosha), die das Selbst, Atman, umhullen und durch die das Selbst wirkt und Erfahrungen macht. Die funf
Koshas
sind:
- Annamaya Kosha (Sanskrit: ????????? annamayako?a
m.
wortlich die aus Nahrung,
Anna
(Sanskrit: ???? anna
n.
Essen, Speise, Nahrung, Korn, Reis) bestehende
Maya
Hulle (Kosha)) grobste der funf Koshas, die das hochste Selbst umgeben, vereinfacht der physische Korper;
- Pranamaya Kosha (Sanskrit: ?????????? pr??amayako?a
m.
wortlich die aus Energie,
Prana
) bestehende Maya Hulle. Im Pranamaya Kosha befinden sich auch die
Chakras
(Energiezentren) und
Nadis
(Energiekanale), vereinfacht der Atem- oder Lebensenergie Korper;
- Manomaya Kosha (Sanskrit: ???????? manomayako?a
m.
wortlich die aus Geist,
Manas
(Sanskrit: ???? manas
n.
) der innere Sinn, das innere Organ, Denkorgan,
Geist
,
Sinn
,
Verstand
, Wille, Denken, Gedanke) bestehende Maya Hulle, der Mentalkorper;
- Vijnanamaya Kosha (Sanskrit: ???????????? vijn?namayako?a
m.
) wortlich die aus Erkenntnis (
Vijnana
) bestehende Maya Hulle, vereinfacht der Korper der Weisheit;
- Anandamaya Kosha (Sanskrit: ?????????? ?nandamayako?a
m.
) wortlich die aus Gluckseligkeit (
Ananda
) bestehende Maya Hulle; die Wonnehulle, Hulle der Gluckseligkeit, vereinfacht der Korper der Gluckseligkeit.
Der Reinkarnationslehre zufolge endet das Leben nicht mit dem Tod, sondern die Seele geht in eine neue Ebene des Seins ein. Der im innersten Wesen des Menschen ruhende unsterbliche Seelenkern (Atman), kann sich nach dem Tode des Korpers in einem neu in Erscheinung tretenden Wesen ? einem Menschen, einem Tier oder auch einem Gott (Deva) ? wiederverkorpern.
In welcher Art von Wesen das Individuum wiedergeboren wird, hangt ab von den Taten in vorherigen Existenzen, woraus sein Karma resultiert. Das Karma ist verknupft mit der Vorstellung einer sittlichen Weltordnung, dem
Dharma
, wodurch alle Handlungen gemaß dem Prinzip von
Ursache und Wirkung
die Voraussetzung fur die kunftige Wiedergeburt darstellen. Ein jedes Wesen besteht aufgrund seines in fruheren Daseinsformen angesammelten Tatenpotenzials, welches das Gesamtergebnis einer jeden Existenz bewirkt. Folglich ist der Tod nicht der Abschluss des Lebens, sondern lediglich der Ubergang zu einer neuen Daseinsform. Erhalten bleibt der durch den Atman begrundete, ewige und unveranderliche Wesenskern des Menschen. Solange wir daran glauben, ein getrenntes und handelndes Individuum zu sein, sind wir gefangen im Kreislauf der Wiedergeburten, der
Samsara
genannt wird. Sobald wir die Identifizierung mit unserem Werkzeug, also dem Korper mit all seinen Funktionen zu denen auch das Denken und Fuhlen gehort, transzendieren oder loslassen, sind wir aus diesem Kreislauf befreit und erkennen, wer wir wirklich sind.
In der
Advaita-Vedanta
, wichtigster Vertreter war
Shankara
(ca. 788?820 n. Chr.)
[89]
, ist das wesentliches Merkmal die Wesensidentitat von Atman (der individuelle Seele) und
Brahman
(der Weltseele), deshalb die Bezeichnung
Advaita-Vedanta
, 'Vedanta der Nichtzweiheit'. Durch das Uberwinden von
avidya
(Unwissenheit) und
maya
(Illusion) kann der Mensch diese Wahrheit erkennen, das Selbst vom Nicht-Selbst befreien und
Moksha
(Erlosung, die Befreiung aus dem Kreislauf), aus dem Kreislauf des
Samsara
erlangen.
[90]
Die Notwendigkeit des immer wiederholten Geborenwerdens wird von den Hindus als Unheil empfunden; man suchte nach Mitteln und Wegen der Befreiung (Moksha) aus dem unheilsamen Kreislauf.
Vegetarische Nahrung und die heilige Kuh
Moglicherweise auch als Reaktion auf den
Vegetarismus
im Buddhismus und auf die gestiegene Bedeutung von
Ahimsa
, der Gewaltlosigkeit, forderten die hinduistischen Schriften verstarkt den Verzicht auf Fleischverzehr. In vedischen Zeiten waren die Lebensumstande noch vollig anders. In einigen Schriften gibt es Hinweise, dass Fleisch, selbst Rindfleisch, gegessen wurde, wobei es sich aber stets um das Fleisch von Opfertieren gehandelt haben durfte.
Allgemeiner Vegetarismus ist fur Hindus weder eine Forderung noch ein Dogma, jedoch wird die vegetarische Lebensweise als die ethisch hohere angesehen, da Fleisch ein Produkt der Totung ist und nicht
sattvic
(rein). Vegetarier sind in allen Bevolkerungsschichten zu finden, besonders wird der Verzicht von Brahmanen erwartet. Prinzipiell lehnen aber fast alle Hindus den Genuss von Rindfleisch ab. Nach dem Zensus von 2004 sind etwa 25 % der indischen Bevolkerung Vegetarier. Dabei gibt es allerdings große Schwankungen zwischen den einzelnen Bundesstaaten; so ernahren sich etwa 69 % der Einwohner in
Gujarat
und 60 % in
Rajasthan
vegetarisch, dagegen in
Tamil Nadu
nur 21 %.
[91]
In der indischen Mythologie finden sich vielfaltige Bezuge zur
Kuh
(
Go
). Von Krishna wird gesagt, er sei einerseits ein
Govinda
(Kuhhirte) und andererseits ein
Gopala
(Beschutzer der Kuhe). Seine Gefahrtin
Radha
ist eine
Gopi
(Hirtenmadchen), Shivas Reittier ist der Bulle
Nandi
.
Siegel aus vergangenen indischen Kulturen (
Indus-Kultur
) lassen darauf schließen, dass Kuhe schon vor mehr als viertausend Jahren einen besonders hohen Stellenwert hatten. Die wichtigsten Wurzeln fur die Verehrung sind jedoch die Veden, in denen immer wieder das Bild der Heiligen Kuh als gottliches Wesen auftaucht. Trotzdem wurden Rinder in Indien zur Zeit der Jungsteinzeit uneingeschrankt geopfert und verspeist. Warum und wann sich dies anderte, ist unklar. Der Kulturanthropologe Marvin Harris fuhrt die Tatsache auf veranderte okonomische Rahmenbedingungen zuruck: Mit dem Aufkommen des Staates und einer großeren Bevolkerungsdichte konnten nicht mehr genugend Rinder gezuchtet werden, um sowohl als fleischliche Nahrungsquelle als auch als Zugtiere genutzt zu werden. Moglicherweise war das einer der Grunde, dass die Totung von Kuhen auch als Opfertier fur Hindus ein absolutes Tabu und ihr Fleisch nicht mehr gegessen wurde. Interessanterweise waren es gerade die fruher fur die rituelle Rinderschlachtung verantwortlichen Brahmanen, die sich spater am starksten fur den Schutz der Rinder einsetzten.
Ethik und Soziologie des Hinduismus
Kastensystem
Oft wird der Hinduismus mit der
Kastenordnung
in Verbindung gesetzt. Demnach spielt die
rituelle Reinheit
eine wichtige Rolle in der
sozialen
Hierarchie
. Grundsatz der Kastenordnung ist, dass die Lebewesen von Geburt an nach Aufgaben, Rechten, Pflichten und Fahigkeiten streng voneinander getrennt sind. Heute wird die Kastenordnung zunehmend als ein umfassendes System zur sozialen Unterdruckung gesehen, das religios begrundet wird.
[92]
Nach dem Ethnologen
Louis Dumont
ergibt sich die Zugehorigkeit zum Hinduismus aus der Geburt in die Kastengesellschaft.
[93]
Allerdings herrscht keine Einigkeit uber Wesen, Umfang und Erscheinungsformen der Kasten.
[94]
Laut David Mandelbaum sei der Begriff fur so viele soziale Systeme verwendet worden, dass es fast besser sei, auf ihn ganz zu verzichten.
[95]
Axel Michaels außert sich ebenso kritisch zur Verwendung des Begriffs ?Kaste“, da dieser nicht indischen Ursprungs ist.
[96]
Declan Quigley weist darauf hin, dass Kastenhierarchien regional und lokal ganz unterschiedlich konstruiert und oft umkampft sind.
[97]
Des Weiteren bieten zahlreiche Bhakti-Traditionen die Verwirklichung religioser Ziele zum Teil auch unabhangig von Kaste und Geschlecht.
[98]
In den zahlreichen ethnographischen Werken entwickelten die europaischen Kolonialbeamten eine ?
Sammelwut
“, ?mit der Menschen fast wie Schmetterlinge archiviert wurden“.
[99]
[100]
Die klassische Standeordnung gliedert sich
hierarchisch
und
arbeitsteilig
in vier ?Hauptkasten“, sogenannte
Varnas
(wortlich ?Farben“), von denen jede mit einer Farbe assoziiert wird:
- Brahmanen
: Farbe Weiß; oberste Kaste; Priester und Gelehrte
- Kshatriyas
: Farbe Rot; die Kriegerkaste; Krieger, Aristokraten, Landbesitzer
- Vaishyas
: Farbe Gelb; Handler, Geschaftsleute, Handwerker
- Shudras
: Farbe Schwarz; Diener, Knechte, Tagelohner
Die Hierarchie wird durch den Wert der rituellen ?Reinheit“ strukturiert. Dadurch unterscheidet sie sich beispielsweise von der mittelalterlichen
Standegesellschaft
, die die
okonomischen
und
politischen
Machtverhaltnisse abbildete.
[101]
Das vierteilige Varna-System erhielt seine
mythisch
-
metaphorische
Formulierung im Purusa-Hymnus des Rigveda (Rv 10.90). In diesem wird beschrieben, wie dem kosmischen Urmenschen die Varnas als Korperteile zugeordnet werden:
?Sein Mund war der Brahmane (der Priester); die Krieger wurden seine Arme, die Ackerbauern und Viehzuchter wurden seine Schenkel, die Dienstboten und Tagelohner entstanden aus seinen Fußen.“
?
Purusa-Hymnus des Rigveda (Rv 10.90.12)
[102]
Unterhalb der vier Hauptkasten sind die
Dalits
, die auch als ?Unberuhrbare“ bezeichnet werden, woraus eine gewisse
Diskriminierung
und
Ausgrenzung
resultiert. Diese fuhren ?unreine“ Tatigkeiten aus, damit die Kastengesellschaft ihre Werte der Reinheit aufrechterhalten kann. So sind sie es, die ublicherweise
Fakalien
, Mull, Uberreste verstorbener Tiere und Leichen entsorgen bzw. beseitigen.
[103]
Uber den Grad der Diskriminierung gibt es in der Forschung verschiedene Positionen.
[104]
Zwar ist in der indischen Verfassung ein Verbot von Praktiken der ?Unberuhrbarkeit“ festgeschrieben, dies hat die Diskriminierung jedoch nicht beseitigt, was sich beispielsweise im Ausschluss aus Dorfgemeinschaften oder diskriminierenden Kleidervorschriften zeigt.
[105]
Die Varnas gliedern sich in Hunderte von
Jatis
auf. Der Begriff leitet sich ab aus dem Begriff
jan
fur ?geboren werden“. Dies weist auf die Hauptbedeutung von Jati hin: ?Geburtsgruppe“, auch im Sinne von Großfamilie oder Clan. Jatis sind somit die soziale und familiare Dimension des Kastensystems und erinnern in gewissem Maße an die mittelalterliche Standeordnung in Europa. Sie sind manchmal ? aber nicht immer ? mit einer beruflichen Tatigkeit verbunden. Viele Autoren verwenden Jati im Sinne von ?Subkaste“ und meinen damit eine Kategorie wie Kaste, aber in einem
ethnisch
, sprachlich, regional und religios eingegrenzten Sinne.
[106]
Rolle der Frau
Die Rolle der Frau im Hinduismus hat uber die Jahrhunderte und Jahrtausende eine kontinuierliche Entwicklung durchgemacht und muss immer auch im Zusammenhang mit den jeweiligen Lebensumstanden sowie den verschiedenen hinduistischen Kulturen gesehen werden. Einerseits verboten einige Gesetzgeber den Frauen das Lesen der Veden, einige Hymnen des Rigveda jedoch wurden von Frauen geschrieben, und in der
Brhadaranyaka Upanishad
finden wir einen Dialog zwischen der gelehrten Tochter von Vachaknu Gargi und Yajnavalkya. Aus dieser Zeit ist auch die Sitte des Swayamvara uberliefert, wortlich ?Selbstwahl“: Frauen am Konigshof wurden nicht einfach verheiratet, sondern wahlten den Brautigam aus den in Frage kommenden Kandidaten selbst aus.
Ein zentrales Ritual, das
Upanayana
(Initiationsritus fur Knaben), ist von fruhester Zeit an jedoch nur mannlichen Angehorigen der oberen Kasten vorbehalten. Es ist diese kultische Handlung, die einen Menschen zum
Dvijati
werden lasst, zum ?Zweimalgeborenen“. Nach der naturlichen Geburt stellt das Upanayana die kulturelle Geburt dar.
Eine wichtige Rolle im hinduistischen Frauenbild verkorpert
Sita
, die Gattin
Ramas
aus dem großen Epos Ramayana. Das Bild der opferbereiten Gattin stellt fur viele noch das Modell der idealen Frau dar. Sita wurde dadurch zum wichtigen Thema im indischen
Feminismus
und in der modernen indischen Literatur. Aus einer modernen Sicht haben Frauen in hinduistischen Traditionen zu wenig Rechte.
Eine der Hauptaufgaben der Frau im Hinduismus ist die Mutterschaft. Jedes Stadium der Schwangerschaft bis hin zur Geburt wird begleitet von sakramentalen Riten zum Schutz und zu korperlichem und geistigem Wohlergehen von Mutter und Kind. Fruher sollten Frauen moglichst viele Sohne bekommen, da diese die Sicherheit und das Uberleben der gesamten Familie garantieren konnten. Obwohl Hindus die Tochter nicht generell geringer schatzen, gelten sie doch zu oft auch noch in manchen Familien als Belastung, da sie bei ihrer Hochzeit die Mitgift mitbringen mussen und die Familie durch Mitgiftzahlungen fur zu viele Tochter auch verarmen kann. Dieses Problem fuhrt zu einer hohen
Abtreibungsrate bei weiblichen Foten
.
Viele moderne Hindus, besonders in den Stadten, freunden sich allmahlich mit dem Gedanken an, dass auch eine Tochter ihre Eltern im Alter versorgen kann.
Familie
Normalerweise ist in der traditionellen Familie der Vater das Oberhaupt. Er trifft alle wichtigen Entscheidungen, beispielsweise uber Geldangelegenheiten, Hochzeit usw. ? zumindest soll es nach außen hin so aussehen. Traditionellerweise ist die Mutter-Sohn-Bindung die engste im indischen Familiensystem. Meist wohnt der Sohn mit seiner Ehefrau im Haus der Eltern, wenn die raumlichen Verhaltnisse dies zulassen.
Bei den Tochtern jedoch ist auch noch meist von vorneherein klar, dass sie das Haus verlassen werden, um in die Familie des Ehemannes zu ziehen. Dies ist nicht einfach fur die junge Ehefrau. Sie ist diejenige in der Familie mit den wenigsten Rechten, ihr Status verbessert sich oft erst, wenn sie Kinder (am besten einen Sohn) bekommt. Altere Frauen, d. h. Schwiegermutter, haben oftmals einen sehr soliden Status und sind mit genugend Autoritat ausgestattet. Eine soziale Rolle, die im Hinduismus traditionell nicht sehr angesehen ist, ist die der unverheirateten Frau. Ledige Frauen wohnen in Indien meist nicht alleine, sondern weiter im Haushalt der Eltern.
Das Verhaltnis zwischen Ehegatten ist in erster Linie von Pragmatismus gepragt. Nach wie vor sucht oft die Familie eine Person als Ehemann oder Ehefrau aus, die in Bezug auf Bildung und Status gut passt (arrangierte Ehe). Die Liebe kommt spater, sagt man in Indien. Das sei wie ein Topf Wasser, den man auf den Herd stellt und der erst spater zu kochen anfangt. Liebesheiraten werden jedoch mit der Zeit ublicher.
Das Ideal ist ein vierstufiges Lebensmodell (Ashrama-System), das vorsieht, nach den Schulerjahren eine Familie zu grunden und erst nachdem die Kinder erwachsen geworden sind sich zuruckzuziehen und sich intensiv religiosen Studien und der eigenen Erlosung zu widmen.
Heilige Orte
|
Heilige Statten des Hinduismus
|
Die sieben heiligen Orte sind
Ayodhya
, der Geburtsort des Gottes Rama,
Dvaraka
, Hauptstadt von Krishna,
Haridwar
, ein Quellplateau des Ganges,
Kanchipuram
mit dem Großen Tempel von Shiva,
Mathura
, der Geburtsort des Gottes Krishna, sowie
Ujjain
und
Varanasi
.
[107]
In Ujjain und Haridwar findet dabei auch
Kumbh Mela
statt.
Siehe auch
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Sieben Heilige Statten