Kardiologie
(von
altgriechisch
καρδ?α
kardia
, deutsch
‚Herz‘
, und von ?
-logie
“)
[1]
ist die Lehre vom
Herzen
, die sich mit dessen Strukturen und Funktionen im Organismus sowie mit seinen Erkrankungen und deren Behandlung befasst. Als Teilgebiet der
Inneren Medizin
umfasst die Kardiologie die
Herz-Kreislauferkrankungen
. Die
Kinderkardiologie
ist in Deutschland und der Schweiz ein eigenstandiges Teilgebiet der
Kinderheilkunde
.
Kardiologe
ist in den deutschsprachigen Landern eine
standesrechtlich
geschutzte Bezeichnung fur
Herzspezialist
, die nur von
Arzten
gefuhrt werden darf, die im Rahmen einer speziellen
Weiterbildung
besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Kardiologie erworben und nachgewiesen haben.
Menschen empfanden das Herz bereits seit langer Zeit als besonders verwundbares Organ, darauf weisen
steinzeitliche
Wandmalereien in Spanien hin. Im Altertum und in der Antike widmeten heilkundige Chinesen, Griechen und Romer dem Herzen und zunachst noch weit mehr
[2]
dem Puls als Ausdruck mechanischer Herztatigkeit besondere Aufmerksamkeit. Gegen 500 v. Chr. entwickelte sich in China eine umfangreiche Pulslehre, die 30 verschiedene Pulsarten unterschied und daraus auf Krankheitsdiagnosen schloss.
Herophilos von Chalkedon
konstruierte um 300 v. Chr. eine Taschenwasseruhr zur
Pulsmessung
bei Fieberpatienten. Er unterschied verschiedenartige Pulsmerkmale und vermutete, dass die Pulswelle durch eine aktive Ausdehnung (
Diastole
) und ein passives Zusammenfallen (
Systole
) von Herz und Schlagadern zustande kommt. Diese Theorie vertrat auch
Galen von Pergamon
und begrundete eine das ganze Mittelalter hindurch geltende Pulslehre.
[3]
[4]
Vor etwa 2000 Jahren beschrieb der romische Literat
Seneca
der Jungere seine
Angina Pectoris
so: ?Der Anfall ist sehr kurz und einem Sturm ahnlich. Bei anderen Leiden hat man mit der Krankheit zu kampfen, hier aber mit dem Sterben.“ Das Mittelalter und die fruhe Neuzeit waren in kardiologischer Hinsicht bestimmt von den anatomischen und physiologischen Ansichten Galens, der seine Vorstellungen vor allem aus der Tieranatomie ableitete. Die fur Galens Theorien grundlegenden Poren in der Herzscheidewand konnte der Anatom
Vesal
an menschlichen Leichnamen jedoch nicht nachweisen.
Der Beginn der modernen Kardiologie kann auf das Jahr 1628 datiert werden, als der englische Arzt
William Harvey
seine Entdeckung des
Blutkreislaufes
mit der Schrift
De motu cordis et sanguinis
veroffentlichte. Harvey erkannte die Systole als das Blut vorantreibende aktive Kontraktion und die Diastole als Blut ansaugende passive Erschlaffung des Herzens.
[3]
Erforderlich fur das Verstandnis der Stromungsverhaltnisse im Kreislaufsystem und damit fur die Entwicklung der Kardiologie waren zudem die von
Marcello Malpighi
bis 1661 gewonnenen Erkenntnisse uber kapillare arteriovenose Anastomosen.
[5]
Im Jahr 1733 konnte der englische Pfarrer und Wissenschaftler
Stephen Hales
erstmals ?blutig“, d. h. invasiv, den
Blutdruck
messen, indem er eine Kanule in die Halsschlagader eines Pferdes einfuhrte und mit einem Glaszylinder verband. Ab den 1840er Jahren konnte der Blutdruck mit dem von dem um 1850 die moderne Herz- und Kreislaufphysiologie begrundenden Physiologen
Ludwig
entwickelten
Kymographen
aufgezeichnet werden. Das alteste herzwirksame Medikament ist
Digitalis
, dessen Nutzen fur die Behandlung der durch das erkrankte Herz verursachten ?
Wassersucht
“ 1785
William Withering
beschrieb.
[6]
1816 erfand der Franzose
Rene Laennec
das
Stethoskop
, zunachst in Form recht einfacher holzerner Zylinder, die eine
Auskultation
moglich machten. Die Auskultation des Herzens beschreibt er in seinem 1819 veroffentlichten
Traite de l’auscultation mediate
. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts waren Stethoskope mit flexiblen Schlauchen fur beide Ohren verbreitet. Bedeutsam fur die Entwicklung der Kardiologie war zudem die von
Leopold Auenbrugger
(1761 dargestellt in
Inventum novum
) und
Jean-Nicolas Corvisart
eingefuhrte, von
Josef von ?koda
weiterentwickelte und 1839 in einer
Abhandlung uber Perkussion und Auskultation
publizierte Diagnosetechnik der
Perkussion
.
[7]
Eine verlangsamend auf das Herz wirkende
Vagusreizung
wurde 1845 von
Eduard Weber
und
Ernst Heinrich Weber
(1795?1878) bekanntgegeben.
[8]
Ein fruhes Gerat der indirekten ?unblutigen“, d. h. nichtinvasiven Blutdruckmessung war z. B. der
Sphygmograph
des deutschen Physiologen
Karl von Vierordt
(1818?1884). Das erste
Sphygmomanometer
wurde vom osterreichischen Pathologen
Samuel Siegfried Karl Ritter von Basch
(1837?1905) erfunden. 1896 beschrieb der italienische Arzt
Scipione Riva-Rocci
ein einfaches Gerat zur Blutdruckmessung mit einer Armmanschette, das von
Harvey Williams Cushing
verbessert wurde, und dessen Messmethode 1905 vom russischen Militararzt
Nikolai Sergejewitsch Korotkow
abgewandelt wurde. Heutzutage wird nur noch selten nach der Methode von Riva-Rocci gemessen. Dann wird der so gemessene Blutdruck mit (
RR
) benannt. Falschlicherweise wird der heutzutage nach Korotkow gemessene Blutdruck in der Praxis aber immer noch mit ?RR“ bezeichnet.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts gewannen die Herz-Kreislauferkrankungen erheblich an Bedeutung. Zu Beginn waren sie weltweit fur weniger als 10 % der Todesfalle verantwortlich, gegen Ende fur knapp 50 % in den Industrielandern und 25 % in den Entwicklungslandern. Diese Verschiebung wird mit dem selteneren Auftreten von Infektionskrankheiten und Mangelernahrung als zuvor haufigsten Todesursachen und der steigenden Lebenserwartung erklart. Da Herz-Kreislauferkrankungen im hoheren Alter haufiger auftreten, erklart schon der Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung ? in den USA von 49,2 Jahren im Jahr 1900 auf 76,9 Jahre im Jahr 2000 ? einen Großteil des Zuwachses.
[9]
Anfang des 20. Jahrhunderts kristallisierte sich die Kardiologie als eigenstandiges Forschungsgebiet innerhalb der
Inneren Medizin
heraus. 1907 wurde in Paris die erste Ausgabe der Fachzeitschrift
?Archives de Maladies du Coeur et des Vaisseaux“
veroffentlicht, 1909 in Wien das
Zentralblatt fur Herzkrankheiten und die Erkrankung der Gefaße
. In England folgte 1910 die Zeitschrift
Heart
, in den USA 1925 das
American Heart Journal
. Ebenfalls 1925 wurde in den USA als erste kardiologische Fachgesellschaft die
American Heart Association
gegrundet. Sie wurde 1927 von der
Deutschen Gesellschaft fur Kreislaufforschung
als erster Fachgesellschaft in Europa gefolgt, deren Mitgliederzahl in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens von 180 auf 300 anwuchs.
[10]
1903 entwickelt der Hollander
Willem Einthoven
den
Elektrokardiografen
(EKG). Hande und Fuße der Patienten wurden damals zur Ableitung der Herzstrome in Salzlosung getaucht, erst in den 1940er Jahren erfolgte die Registrierung mit Hilfe von Metallscheiben an den Hand- und Fußgelenken, die durch Drahte mit dem von Einthoven entwickelten Registriergerat, dem Saitengalvanometer, verbunden wurden. Die heutige Behandlung von
Herzrhythmusstorungen
basiert u. a. auf der Arbeit des Japaners
Sunao Tawara
, der 1906 wahrend seiner Tatigkeit beim Marburger Pathologen
Ludwig Aschoff
die Grundzuge des
Erregungsleitungssystems
des Herzens veroffentlichte. 1914 hatte
Karel Frederik Wenckebach
seine grundlegenden Studien uber Herzrhythmusstorungen
[11]
veroffentlicht.
Im Jahr 1929 kam es zur ersten
Herzkatheterisierung
, als sich der damalige chirurgische Assistenzarzt und spatere Urologe
Werner Forßmann
in Eberswalde einen Harnleiterkatheter
[12]
durch seine Armvene in den rechten
Vorhof
schob. Zu dieser Zeit publizierte
Frank Norman Wilson
die nach ihm benannten Brustwandableitungen zur Schreibung der Herzstromkurve beim EKG.
[13]
1941 veroffentlichte
Andre Frederic Cournand
seine Erfahrungen mit der Herzkatheterisierung als diagnostische Methode. 1956 erhielten Forßmann und Cournand u. a. fur diese Verdienste zusammen mit
Dickinson Woodruff Richards
, der 1941 ebenfalls am Ausbau der Herzkatheteruntersuchung zur klinischen Routinemaßnahme beteiligt war, den Nobelpreis. Ab etwa 1938 (J. Steinberg) fand dann die
Angiokardiographie
. aus der sich dann die
Koronarographie
vor allem durch
Sones
in Cleveland entwickelte, Eingang in die kardiologische Diagnostik.
[14]
Die erste
Herzoperation
wurde am 9. September 1896 von dem Frankfurter Chirurgen
Ludwig Rehn
vorgenommen. Er nahte das Herz eines Frankfurter Gartnergesellen, das bei einer Messerstecherei verwundet worden war. Vorangegangen waren tierexperimentelle Versuche, die gezeigt hatten, dass der Herzmuskel zur Regeneration fahig war.
[15]
In den USA folgt die erste Herzoperation eines offenen Ductus Botalli 1938 durch den amerikanischen Chirurgen Robert E. Gross, die erste Operation am offenen Herzen 1952 durch F. John Lewis.
Die ersten
Echokardiographien
wurden 1950 durch
Wolf-Dieter Keidel
sowie 1954 von Inge Edler und Carl H. Hertz durchgefuhrt. Das 1952 von
Bernard Lown
und Samuel A. Levine fur die
Herzinfarkt
-Behandlung propagierte
armchair treatment
fand erst in den 1960er Jahren auch in Deutschland Anklang. Wahrend den Patienten in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts fur sechs bis acht Wochen jegliche korperliche Anstrengung verboten und strikte Bettruhe verordnet wurde, konnten sie jetzt bereits eine Woche nach dem Infarkt taglich bis zu zwei Stunden im Sessel sitzen, um den Kreislauf anzuregen und Muskelabbau sowie Thrombosen vorzubeugen. Heute stehen Patienten nach einem unkomplizierten Infarkt am ersten oder zweiten Tag auf und werden nach sieben bis zehn Tagen aus dem Krankenhaus entlassen, in den USA bereits nach weniger als funf Tagen.
Am stillstehenden Herzen konnte erst nach Einfuhrung der Herz-Lungen-Maschine durch John Gibbon im Jahr 1953 operiert werden, die erste Operation mit diesem Gerat in Deutschland nahm 1957 der Berliner Chirurg
Emil Sebastian Bucherl
vor. 1958 wurde am Karolinska-Spital in Stockholm der erste von Ake Senning und Siemens-Entwicklungschef
Rune Elmqvist
gebaute
Herzschrittmacher
implantiert. 1959 brachten die deutschen
Behring-Werke
Streptokinase
auf den Markt, das beim akuten
Herzinfarkt
das Blutgerinnsel im Herzkranzgefaß auflosen kann und so die Blutversorgung des betroffenen Areals wieder ermoglicht.
Die erste
kunstliche Herzklappe
wurde 1961 durch die beiden Amerikaner Albert Starr und Lowell Edwards implantiert. 1963 stellte das deutsche Unternehmen
Knoll
mit
Verapamil
den ersten
Calciumantagonisten
vor. Den ersten
Beta-Blocker
entwickelte 1964 der Schotte
James W. Black
, der 1980 den Nobelpreis erhielt. Der erste
Koronararterien-Bypass
wurde 1967 durch
Rene G. Favaloro
angelegt. Ebenfalls 1967 erfolgte die erste
Herztransplantation
durch
Christiaan Barnard
.
Der in Dresden geborene
Andreas Gruntzig
fuhrte 1977 in Zurich die erste
Ballon-Dilatation
durch und begrundete damit die interventionelle Kardiologie.
1980 wurde an der Johns-Hopkins-Universitat erstmals ein
interner Defibrillator
eingesetzt, um lebensbedrohliche
Tachykardien
und
Kammerflimmern
zu beenden. 1981 fuhrte die Pharmafirma Squibb
Captopril
als ersten
ACE-Hemmer
in die Therapie ein. Der erste
Stent
wurde von
Ulrich Sigwart
in Lausanne entwickelt und 1986 erstmals eingesetzt. 1987 entwickelte der in Amerika lebende Grieche Roy Vagelos das erste
Statin
. Die
dopplergestutzte
Echokardiographie wurde zwar bereits 1959 durch den Japaner S. Satomura eingesetzt, kam jedoch erst in den fruhen 1980er-Jahren mit der Verfugbarkeit leistungsstarker Rechner durch K. Namekawa, William J. Bommer sowie Larry Miller zur Anwendungsreife. In den spaten 1980er-Jahren verbreiteten sich mit der
transosophagealen Echokardiografie
(kurz
TEE
; ?Schluckecho“) und der
Stressechokardiografie
zwei wesentliche Erweiterungen der Ultraschalluntersuchungen des Herzens. Die TEE wird insbesondere fur die Feinbeurteilung von Herzklappenveranderungen und die Suche nach
Embolie
quellen eingesetzt, die Stressechokardiografie zur Beurteilung von Durchblutungsstorungen des Herzmuskels.
Die erste Bypass-Operation in
minimalinvasiver Technik
wurde 1994 in den USA durchgefuhrt, 1995 erstmals auch in Deutschland durch Joachim Laas in der Herz-Kreislauf-Klinik in
Bad Bevensen
. Wahrend die
Computertomografie
(CT) und
Magnetresonanztomografie
(MRT) zunachst aufgrund der schnellen Eigenbewegung des Herzens in der Kardiologie nur selten Verwendung fanden, haben sich diese Untersuchungsverfahren mit der Einfuhrung immer leistungsfahigerer Computer in den 1990er-Jahren auch in diesem Fachgebiet etabliert.
In Nordamerika und Westeuropa ist die Kardiologie zu Beginn des 21. Jahrhunderts nahezu flachendeckend in Praxis oder Klinik vertreten, wahrend sie noch in den 1960er-Jahren fast ausschließlich an den Universitatskliniken und in wenigen spezialisierten Zentren prasent war. In den USA waren im Jahr 1999 etwa 14.000 Kardiologen
zertifiziert
.
[16]
CT und MRT konnen auf Grund immer leistungsfahigerer Computer fur eine Reihe von Fragestellungen bereits vergleichbare oder bessere Ergebnisse liefern als die Echokardiografie oder die
Herzkatheteruntersuchung
, sind aber in vielen Landern aus verschiedenen Grunden (u. a. Verfugbarkeit, Kosten, Strahlenbelastung und fehlende Moglichkeit zur Intervention) nicht in die Routineversorgung eingebunden.
Zum Jahresende 2003 waren in Deutschland 3059 Kardiologen berufstatig, davon waren 2126 als
Kassenarzt
tatig. 2002 wurden allein zu Lasten der
gesetzlichen Krankenversicherung
u. a. 3.721.705
Echokardiografien
durchgefuhrt.
[19]
Besonders im Bereich der
invasiven
Kardiologie (
Herzkatheteruntersuchungen
) und der
interventionellen
Kardiologie (
Ballondilatationen
und andere kathetergestutzte Therapieverfahren) ist es zu einer erheblichen Leistungsausweitung gekommen. Vom Beginn der systematischen Datenerhebung im Jahr 1984 bis zum Jahr 2005 zeigt sich ein deutlicher Anstieg der entsprechenden Untersuchungs- und Behandlungszahlen in deutschen Katheterlaboren.
Prozeduren pro 1 Mio. Einw. (2004)
[17]
|
Deutschland
|
Osterreich
|
Schweiz
|
Katheterplatze
|
0,9
|
1,1
|
2,3
|
Linksherzkatheter
|
8.695
|
5.537
|
4.490
|
Ballondilatationen
|
3.022
|
2.072
|
1.933
|
2001 waren in Deutschland 356
Linksherzkatheter
-Einrichtungen mit 503 Messplatzen gemeldet. Dies entsprach einer Dichte von 4,3 Einrichtungen und 6,2 Messplatzen pro 1 Mio. Einwohner.
[20]
Im Jahr 2004 wurden in Deutschland pro 1 Mio. Einwohner 8695 diagnostische Linksherzkatheter und 3022 Ballondilatationen vorgenommen. Diese Zahlen liegen im Vergleich mit anderen Landern (vgl. Tabelle) recht hoch, was angesichts der Kosten von schatzungsweise 573 Mio. Euro fur die Linksherzkatheter und 871 Mio. Euro fur die Ballondilatation auch von
gesundheitsokonomischer
Bedeutung ist.
[17]
Die Osterreichische Kardiologische Gesellschaft wurde im Jahre 1968 von
Fritz Kaindl
gegrundet. In der
2. Medizinischen Klinik
am AKH Wien wurde unter
Karl Fellinger
die erste Abteilung fur Kardiologie in Osterreich uberhaupt geschaffen. Aus ihr entwickelte sich dann die Kardiologische Universitatsklinik als erste große Organisationseinheit einer Subspezialisierung der osterreichische Inneren Medizin. In den ersten Jahren gab es noch einen deutlichen
angiologischen
Schwerpunkt, und die ersten wissenschaftlichen Sitzungen wurden als kardio-angiologische Diskussionen in Wien durchgefuhrt. Seit 1994 fanden jahrlich osterreichische Kongresse abwechselnd in
Bad Gastein
und
Gmunden
statt,
[21]
anschließend nur mehr in Landeshauptstadten.
2001 waren in Osterreich 35 Linksherzkatheter-Einrichtungen mit 39 Messplatzen gemeldet, davon vier fur Kinder. Pro 1 Mio. Einwohner entsprach dies 4,3 Einrichtungen und 4,8 Messplatzen.
[20]
Die fur die Schweiz im Jahr 2000 gemeldeten 28 Linksherzkatheter-Einrichtungen (davon funf auch und zwei nur fur Kinder) mit 36 Messplatzen ergaben eine Dichte von 3,9 Einrichtungen und 5,0 Messplatzen pro 1 Mio. Einwohner.
[20]
2004 waren insgesamt 323 Kardiologen registriert.
[22]
Die Kardiologie konzentriert sich nicht nur auf die angeborenen und erworbenen Erkrankungen des Herzens (
Kardiopathien
), sie befasst sich auch mit dem Blutkreislauf und den herznahen
Blutgefaßen
. Der daraus abgeleitete Begriff der Herz-Kreislauferkrankungen, auch Kardiovaskulare Erkrankungen (im englischen Sprachraum
cardiovascular diseases
) genannt, beinhaltet auch
Bluthochdruck
(Hypertonie)
,
Schlaganfall
,
arterielle Verschlusskrankheit
und viele andere Erkrankungen, ist aber nicht verbindlich definiert (vgl.
Herz-Kreislauf-Erkrankung
). Bei der Diagnostik und Behandlung der nicht unmittelbar am Herz lokalisierten Krankheiten kommt es zu Uberschneidungen mit anderen Fachgebieten wie der
Angiologie
, der
Neurologie
und der
Pneumologie
.
Spezielle Aufgaben und Untersuchungsverfahren der Kardiologie sind
- die Erkennung und Behandlung von angeborenen und erworbenen Erkrankungen des Herzens, des Kreislaufs, der herznahen Gefaße und des Herzbeutels (
Perikard
),
- die Beratung und Fuhrung von Herz-Kreislaufpatienten in der
Rehabilitation
und die
sozialmedizinische
Beurteilung ihrer beruflichen Belastbarkeit,
- die
intensivmedizinische
Basisversorgung,
- die
Ultraschalluntersuchung
des Herzens (z. B.
Echokardiografie
, Stressechokardiografie, Doppler- und Duplex-Echokardiografie,
transosophageale Echokardiografie
),
- die diagnostische Links- und Rechts
herzkatheteruntersuchungen
u. a. mit
Koronarangiografie
,
- therapeutische Koronarinterventionen (z. B.
PTCA
,
Stentimplantationen
,
Atherektomie
,
Rotablation
,
Brachytherapie
),
- Elektrokardiogramme
(EKG)
- die medikamentose, apparative und interventionelle antiarrhythmische Therapie einschließlich
Defibrillation
und
Ablation
,
- die
Herzschrittmachertherapie
und -nachsorge,
- die Indikationsstellung und Nachsorge von
implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICD)
und
- gemeinsam mit anderen Fachdisziplinen die interdisziplinare Indikationsstellung und Beurteilung
nuklearmedizinischer
Untersuchungen und chirurgischer Behandlungsverfahren.
[23]
In Nordamerika, Westeuropa, Japan, Australien und Neuseeland leidet die große Mehrzahl der von Kardiologen betreuten Patienten heute an der
koronaren Herzkrankheit
(KHK), so dass dort die Erkennung, Behandlung und Nachsorge von
Angina Pectoris
,
Herzinfarkten
und infarktbedingter
Herzmuskelschwache
zur Haupttatigkeit der meisten Kardiologen geworden ist.
Neben der
medikamentosen
Therapie haben hier in den letzten zwei Jahrzehnten die
invasiven Therapien
immer mehr an Bedeutung gewonnen. Dabei handelt es sich um die von
Herzchirurgen
durchgefuhrte
Bypass-Operation
und die von interventionellen Kardiologen vorgenommene
Ballondilatation
, die heute meist mit der Implantation eines
Stents
verbunden wird. Voraussetzung fur beide Verfahren ist die genaue Kenntnis der
Koronaranatomie
, die bei der
Koronarangiografie
im Rahmen einer Links
herzkatheteruntersuchung
gewonnen wird.
Neben der KHK und der
Herzinsuffizienz
spielen fur die heutige Kardiologie
Herzrhythmusstorungen
eine große Rolle (
Rhythmologie
), wobei zahlenmaßig das
Vorhofflimmern
uberwiegt und hinsichtlich der Bedeutung fur den Patienten die ventrikularen Rhythmusstorungen (
Ventrikulare Tachykardie
und
Kammerflimmern
) besonders bedeutsam sind. Erkrankungen der
Herzklappen
(insbesondere
Herzklappenfehler
), primare Erkrankungen des
Herzmuskels
(
Kardiomyopathien
) und die entzundlichen Herzkrankheiten (
Endokarditis
,
Myokarditis
und
Perikarditis
) sind dagegen heute in den Hintergrund getreten. Besonders die fruher auch in Europa bedeutsameren rheumatischen Klappenfehler nach
Infektionen
mit β-hamolysierenden
Streptokokken
sind viel seltener geworden. Wahrend hier nur noch etwa 1,5 % der Todesfalle durch Herz-Kreislauferkrankungen auf eine rheumatische Herzerkrankung zuruckzufuhren sind, betragt der Anteil in Entwicklungslandern noch 10?15 %.
[9]
Kinder und Jugendliche mit (in der Regel angeborenen) Herz-Kreislauferkrankungen werden in der
Kinderkardiologie
betreut, einem Schwerpunkt der
Kinderheilkunde
. Ein besonderes Problem stellt die kardiologische Versorgung von Patienten mit angeborenen komplexen
Herzfehlern
dar, die das Erwachsenenalter erreicht haben. Deren Zahl steigt standig. Nach Operationen im Neugeborenen- und Kindesalter benotigen sie eine weitere Betreuung ? in der Regel lebenslang. Der Ubergang von der Kinderkardiologie zur Erwachsenenkardiologie war bis vor Kurzem nicht abschließend geregelt, da diese Krankheitsbilder neu sind und sich durch neue Operationsverfahren weiterentwickeln. Aus dieser Notwendigkeit heraus wurden 2006 durch eine medizinische
Task Force
Zertifizierungsbestimmungen fur eine
Zusatzqualifikation Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern
erarbeitet und verabschiedet. In der Folge wurden dann im Juli 2011 drei uberregionale Kompetenzzentren fur Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern (EMAH) in Deutschland zertifiziert. Durch eine enge interdisziplinare Zusammenarbeit mit anderen erforderlichen Fachkliniken kann an den Standorten Berlin, Hamburg (deutsche Herzzentren) und Munster (Universitatsklinikum) eine hochwertige Behandlung der Patienten sichergestellt werden. Neben dieser engen Verzahnung der Fachkliniken gehoren eine entsprechende personelle und technische Ausstattung der Kompetenzzentren zur Grundvoraussetzung der Zertifizierung, deren Einhaltung durch drei große medizinische Fachgesellschaften (Deutsche Gesellschaft fur Kardiologie, die Deutsche Gesellschaft fur Padiatrische Kardiologie und die Deutsche Gesellschaft fur Thorax-, Herz- und Gefaßchirurgie) uberpruft wird.
Bluthochdruck wird auch von Nephrologen,
pulmonale Hypertonie
auch von Pneumologen, die
arterielle Verschlusskrankheit
von Angiologen, die entzundlichen Gefaßkrankheiten von
Rheumatologen
und der Schlaganfall auch von Neurologen und Neuroradiologen erforscht und behandelt.
Zusammenhange zwischen psychischen Erkrankungen und Herzerkrankungen sind Gegenstand der
Psychokardiologie
.
Fachgesellschaft der deutschen Kardiologen ist die
Deutsche Gesellschaft fur Kardiologie
, die 1927 als erste kardiologische Gesellschaft in Europa gegrundet wurde. Sie hatte im Jahr 2006 mehr als 6000 Mitglieder, davon circa 15 % Frauen. In
Osterreich
sind mehr als 1000 Arzte in der 1968 gegrundeten
Osterreichischen Kardiologischen Gesellschaft
organisiert. Fachgesellschaft der schweizerischen Kardiologen ist die
Schweizerische Gesellschaft fur Kardiologie
.
In Deutschland sind die in der Praxis tatigen Kardiologen im
Bundesverband Niedergelassener Kardiologen
(BNK) organisiert. Die Aufgaben des BNK sind unter anderen die Interessenvertretung fur
vertragsarztlich
tatige Kardiologen und die Organisation der wissenschaftlichen und berufspraktischen Fortbildung der Mitglieder.
Die Zunahme von Wissen und speziellen Techniken hat zu einer zunehmenden Spezialisierung der Kardiologen insgesamt und auch innerhalb der Kardiologie gefuhrt. Das ehemalige Teilgebiet der Inneren Medizin etabliert sich immer deutlicher als selbststandiger Schwerpunkt und innerhalb der Kardiologie entwickelt sich eine Subspezialisierung in nicht-invasive und invasive Kardiologie sowie Elektrophysiologie.
Die kardiologische Ausbildung von Arzten und anschließende
Zertifizierung
zum Kardiologen ist landerspezifisch geregelt. In den USA beispielsweise erteilt das
American Board of Internal Medicine
Zertifikate fur 16 Subdisziplinen, von denen eines die Kardiologie ist. Die ersten drei Jahre der Ausbildung in
Allgemeiner Innerer Medizin
werden mit einem Zertifikat abgeschlossen. Darauf baut eine dreijahrige Subspezialisierung in
Kardiologie
auf, die ebenfalls mit einem Zertifikat beendet wird. In der Kardiologie kann in einer dritten Stufe
(third tier)
eine weitere einjahrige Spezialisierung in
Klinischer Elektrophysiologie des Herzens
oder
Interventioneller Kardiologie
angeschlossen und ebenfalls zertifiziert werden.
In Deutschland schließen jahrlich etwa 300 bis 350 Arzte ihre Weiterbildung zum Kardiologen mit einer Prufung bei den Landesarztekammern erfolgreich ab. Die Kardiologie ist aus einer Spezialisierung innerhalb der
Inneren Medizin
hervorgegangen und ist als einer ihrer Schwerpunkte (wie
Gastroenterologie
oder
Nephrologie
) organisiert. Die genaue Bezeichnung lautet
Facharzt fur Innere Medizin Schwerpunkt Kardiologie
. Die meisten heute tatigen Kardiologen sind gleichzeitig Facharzte fur
Allgemeine Innere Medizin
, weil sie nach einer alteren Weiterbildungsordnung zunachst die sechsjahrige Weiterbildung und Prufung zum Internisten absolviert und die kardiologische Spezialisierung daran angeschlossen haben.
Kontrovers werden Initiativen der letzten Jahre beurteilt, die Kardiologie als eigenstandige Fachdisziplin neben der ?allgemeinen“ Inneren Medizin und ihren anderen Teilgebieten anzusehen und entsprechend zu etablieren. In Deutschland sieht die 2003 verabschiedete Musterweiterbildungsordnung einen
Facharzt fur Innere Medizin und Schwerpunkt Kardiologie
mit mindestens sechsjahriger Weiterbildung (davon drei Jahre in der Inneren Medizin) neben dem
Facharzt Innere und Allgemeinmedizin
vor.
In
Osterreich
wird die Kardiologenausbildung ? wie alle arztlichen Ausbildungen ? von der vom
Gesundheitsminister
verordneten
?Arztinnen-/Arzte-Ausbildungsordnung 2015“ (AAO 2015)
geregelt. Das
Sonderfach Kardiologie
umfasst nach geltendem Recht eine neunmonatige Basisausbildung, gefolgt von einer 27-monatigen Sonderfach-Grundausbildung und einer 36-monatigen Sonderfach-Schwerpunktausbildung, die sich bei Absolvierung des
wissenschaftlichen Moduls
auf 27 Monate verkurzt. Am Ende der Ausbildung ist die Facharztprufung abzulegen (
§ 8
(1) Z 3 ArzteG 1998). Die explizit vorgeschriebenen Ausbildungsinhalte sind in der AAO per Anlage ausgefuhrt.
[24]
In der
Schweiz
ist bereits seit 2001 ein
Facharzt fur Kardiologie
mit einer mindestens sechsjahrigen Weiterbildung (davon die ersten zwei Jahre in der Inneren Medizin) vorgesehen.
Auch in der
Tiermedizin
erlebt die Kardiologie zunehmende Bedeutung, vor allem bei Hund und Katze. Bei Nutztieren treten zwar ebenfalls gelegentlich Herzerkrankungen auf, vor allem im Zusammenhang mit einigen
Tierseuchen
, diese werden aber, wenn uberhaupt, nicht von kardiologisch spezialisierten Tierarzten behandelt.
Die Kardiologie ist in Deutschland kein eigenes
Fachtierarztgebiet
, sondern eine Zusatzbezeichnung zu einem verwandten Fachtierarztgebiet (Kleintiere, Innere Medizin). 1981 wurde in
Venedig
die
European Society of Veterinary Cardiology
gegrundet. Sie gibt seit 1998 das
Journal of Veterinary Cardiology
(
ISSN
1760-2734
) heraus. 1994 wurde von der
European Society of Veterinary Internal Medicine
eine europaische Weiterbildung auf dem Gebiet der Kleintierinternistik etabliert, die seit 2003 vom
European Board of Veterinary Specialisation
anerkannt ist. Innerhalb dieses
European College of Veterinary Internal Medicine ? Companion Animals
(
ECVIM-CA
) existiert eine Spezialisierung Kardiologie. Dieser postgraduale Weiterbildungsgang stellt fachlich deutlich hohere Anspruche als das deutsche Weiterbildungssystem und erfordert unter anderem eine dreijahrige Ausbildung an einer zugelassenen Weiterbildungsstatte. Absolventen dieser Zusatzausbildung durfen den Titel
Diplomate of the European College
of Veterinary Internal Medicine ? Companion Animals (Cardiology)
? Dipl. ECVIM-CA (Cardiology) ? fuhren. Momentan (Stand Mai 2006) haben 30 Tierarzte diese Zusatzausbildung absolviert, darunter drei Deutsche und zwei Schweizer. Dieses europaische Ausbildungssystem wurde nach dem Vorbild des amerikanischen ACVIM-CA (Cardiology) geschaffen. Dieser bereits langer existierende Abschluss wird in Europa ebenfalls anerkannt und seine Inhaber sind auch fur das European College weiterbildungsberechtigt. Den Kardiologie-Abschluss des
American College
haben 129 Tierarzte (Stand 2005) erworben.
Hauptarbeitsgebiet der Veterinarkardiologie sind Herzerkrankungen bei
Hunden
,
Katzen
und
Pferden
.
Im Kleintierbereich weisen etwa 11 Prozent aller vorgestellten Patienten eine Herzerkrankung auf. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf erworbenen Herzerkrankungen, welche bei kleinen
Hunderassen
vor allem in Form degenerativer Klappenerkrankungen (
Klappenendokardiosen
) auftreten, bei großwuchsigen Hunderassen hauptsachlich in Form von Herzmuskelerkrankungen (
Dilatative Kardiomyopathie
) vorliegen. Katzen neigen gleichfalls zur Auspragung von
Kardiomyopathien
, hier tritt allerdings wesentlich haufiger die hypertrophe Form auf, auch infolge der in den letzten Jahren zunehmend diagnostizierten
Schilddrusenuberfunktion
. Fruher aufgetretene futterungsbedingte Herzmuskelerkrankungen (meist dilatative Kardiomyopathien bei bestimmten Hunderassen und Katzen) kommen infolge der breiten Verwendung industrieller Fertigfutter nur noch selten vor. In den Sudstaaten der USA und im Mittelmeerraum spielt daruber hinaus die
Herzwurmerkrankung
(Dirofilariose)
eine großere Rolle.
Zu einem weiteren Schwerpunkt der Kleintierkardiologie entwickelt sich in den letzten Jahren die Untersuchung auf erblich bedingte Herzerkrankungen. Mit Untersuchungsprogrogrammen wird so von vielen Hunde- und Katzenzuchtverbanden der Versuch unternommen, bei einzelnen Rassen gehauft auftretende Herzerkrankungen zuchterisch zu eliminieren (z. B.
Boxer
: Aortenstenose;
Neufundlander
,
Irischer Wolfshund
: Dilatative Kardiomyopathie;
Maine-Coon-Katze
: Hypertrophe Kardiomyopathie). Koronare Herzerkrankungen treten bei Tieren im Gegensatz zum Menschen so gut wie nicht auf.
Bei Pferden spielen vor allem Herzmuskelentzundungen im Zusammenhang mit Infektionskrankheiten, futterungs- und stoffwechselbedingte Myokardosen, Herzklappenfehler (vor allem Insuffizienz der Aortenklappe) und Herzrhythmusstorungen eine Rolle.
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Vorlage:Webachiv/IABot/www.bag.admin.ch
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