Herrschaft

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Herrschaft wird sozialwissenschaftlich nach dem Soziologen Max Weber definiert: ?Herrschaft soll heißen die Chance , fur einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden.“ [1] Im Gegensatz zur ? Macht “ setzt Herrschaft nach Weber Legitimitat voraus, die erst durch die Akzeptanz der Herrschenden durch die Beherrschten sichergestellt wird (Legitimitatsglauben) . Neben diesem klassischen soziologischen Verstandnis wird auch in den Staatswissenschaften und Geschichtswissenschaften zwischen verschiedenen Formen der sozialen Herrschaft unterschieden, insbesondere nach Zahl und Absichten der Herrschenden. Dieter Nohlens Lexikon der Politik definiert Herrschaft als ?asymmetrische soziale Beziehung mit stabilisierter Verhaltenserwartung, wonach die Anordnungen einer ubergeordneten Instanz von deren Adressaten befolgt werden“. [2]

Der klassische sozialwissenschaftliche Herrschaftsbegriff beruht auf der Herrschaftstypologie von Max Weber. Demzufolge mussen die Beherrschten eine Legitimitat der Herrschenden anerkennen, damit Herrschaft entsteht. Im Unterschied zu seiner Definition der Macht (die er als soziologisch amorph , also formlos bezeichnet) setzt Herrschaft ein bestimmtes Maß an Dauerhaftigkeit voraus; sie ist eine institutionalisierte Form von Uber- und Unterordnung, die jedoch keinerlei hierarchische Strukturen voraussetzt.

Dadurch, dass Weber ein Minimum an Gehorsam voraussetzt, geht seine Definition uber die von Karl Marx hinaus, dessen Herrschaftsbegriff auf politischer Macht basierte. Ahnlich meint Franz Oppenheimer mit Herrschaft eine Beziehung zwischen zwei rechtsungleichen sozialen Klassen . Er unterscheidet mit Otto von Gierke die Herrschaft als vertikale Sozialbeziehung von der Genossenschaft als horizontale Beziehung.

Max Webers Begriffsdefinition

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Max Weber, 1894

Der Begriff der Herrschaft wird allerdings heute in der von Max Weber durchgesetzten Bedeutung des legitimierten Machtverhaltnisses verstanden. Weber war der erste, der den Begriff Legitimitat mit Herrschaft zusammenbrachte. Vor Weber bezog sich Legitimitat auf den Staat und die Form der Regierung . In der antiken politischen Philosophie bezog sich Herrschaft auf Gesetze, die das Zusammenleben der Menschen im Staat regelten. Im Feudalismus wurde Herrschaft als personliche Beziehung von Herr und Vasall gedacht. Der Herr oder der Vasall konnte abtrunnig werden, dies betraf aber nicht die gottgegebene Basis der Legitimitat als solche. Durch den Sakularisierungsprozess der Neuzeit stellt sich die Frage der Herrschaft im Zusammenhang mit ihrer Legitimitat. Herrschaft ist nicht etwas immer schon Vorhandenes, wie in der Antike oder etwas Gottgewolltes wie im Feudalismus, sondern etwas von Menschen Gemachtes und damit auch Hinterfragbares. Max Webers typologische Antwort bringt zwar Legitimitat und Herrschaft zusammen, aber es kann bei Max Weber keine illegitime Herrschaft geben. Entweder es gibt Gehorsam, dann gibt es Herrschaft oder es gibt keinen Gehorsam, dann existiert auch keine Herrschaft.

Damit hat Max Weber den Blick auf die tatsachlichen Verhaltnisse und das Rechtssystem geworfen. Es waren z. B. Talcott Parsons oder Norbert Elias , die Webers Frage der Herrschaft auf die Frage nach den Bedingungen der Herrschaft erweiterten. Diese Fragestellung liegt aber jenseits des Begriffs der Herrschaft. Weber unterscheidet drei Typen von Herrschaft anhand des Grundes der Akzeptanz ihrer Legitimitat durch die Beherrschten:

?[Herrschaft] kann rein durch Interessenlage, also durch zweckrationale Erwagungen von Vorteilen und Nachteilen seitens des Gehorchenden, bedingt sein. Oder andererseits durch bloße ?Sitte‘, die dumpfe Gewohnung an das eingelebte Handeln; oder sie kann rein affektuell, durch bloße personliche Neigung des Beherrschten, begrundet sein.“

? Max Weber : Wirtschaft und Gesellschaft [3]

Dabei liege gemaß Weber im ersten Fall ?legale Herrschaft“, im zweiten Fall ?traditionale Herrschaft“ und im dritten Fall ?charismatische Herrschaft“ [4] vor.

Legale Herrschaft

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Legale Herrschaft basiert auf den folgenden Vorstellungen:

  • jedes Recht durch Paktierung oder Oktroyierung ist rational, zweckrational oder wertrational orientiert,
  • jedes Recht kann mit einem Kontrakt festgestellt werden und
  • der legale Herr ist selber diesem Recht gehorsam.

Hier wird die Legitimitat der Herrschaft mit einer Satzung festgestellt.

Der reinste Typus der legalen Herrschaft ist die Burokratie mit einem Verwaltungsstab. Der Verwaltungsstab besteht typischerweise aus dem Leiter, der durch Wahlen oder durch Nachfolger-Designation als solches bezeichnet wird, sowie Einzelbeamten. Hier ist der Befehlende dem Typus nach ein Vorgesetzter, der Typus des Verwaltungsstabes ist Behorde mit Beamten und endlich die Gehorchenden sind hier die Mitglieder oder auch Burger.

Aber auch außerhalb einer klassischen Burokratie liegt legale Herrschaft immer dann vor, wenn eine Person bestimmte Handlungen bloß deshalb ausfuhrt oder unterlasst, um einer gesetzlichen Strafe zu entgehen. Hier liegt eine klassische zweckrationale Abwagung vor, da diese Person das Gut der Ausubung einer Handlung dem Ubel einer zu befurchtenden Strafe gegenuberstellt. Diese Form der Herrschaft ist im Gegensatz zu etwa charismatischer Herrschaft an Institutionen gebunden, da ohne eine funktionierende Exekutive auch kein tatsachlicher Vollzug der Strafe zu erwarten ist.

Traditionale Herrschaft

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Traditionale Herrschaft (gelegentlich und nicht dem Wortlaut bei Weber gemaß traditionelle Herrschaft genannt) besteht, wenn die Legitimitat sich stutzt und geglaubt wird auf Grund der Heiligkeit altuberkommener Ordnungen und Herrengewalten. In diesem Fall wird kraft der Tradition gehorcht. Im Gegensatz zur legalen Herrschaft ist der Herrschende hier nicht der Vorgesetzte, sondern personlich der Herr. Sein Verwaltungsstab besteht nicht aus Beamten, sondern aus personlichen Dienern. Die Beherrschten sind nicht Mitglieder des Verbandes, sondern entweder traditionelle Genossen oder Untertanen. Und im Gegensatz zur legalen Herrschaft werden die Beziehungen des Verwaltungsstabes zum Herrn nicht durch die sachliche Amtspflicht bestimmt, sondern durch personliche Dienertreue. Zudem wird nicht den Satzungen gehorcht, wie bei der legalen Herrschaft, sondern der Tradition oder dem durch die Tradition genannten Herrn. Seine Befehle werden sowohl durch Inhalt der Tradition als auch durch seine freie Willkur legitimiert.

In vormodernen Gesellschaften ist Herrschaft außerdem durch die Vorstellung legitimiert, dass emotionale Bande Herrscher und Beherrschte verbinden. Die hierarchische Asymmetrie wurde mit der menschlichen Natur begrundet, nach der nicht Interessen und Bedurfnisse, sondern Gefuhle soziale Beziehungen gestalten. Als emotionale Treiber, die Herrschaft durchsetzen und sie akzeptabel machen wurden, galten Liebe und Schrecken. Beide konnten positiv bewertet werden, jedoch auch zur Differenzierung guter von schlechter Herrschaft verwendet werden, so dass die Moglichkeit geschaffen wurde, Herrschaft zu kritisieren. Die Normen, denen die Herrschaft unterlagen, waren an menschliche Grundkonstitutionen angebunden. Die Praxis der Herrschaft in vormodernen Gesellschaften bedurfte der Verstandigungen, die indes nicht durch willentliche Vereinbarungen und gemeinsame Nutzerwartungen entstanden, sondern durch gefuhlsmaßige Gemeinsamkeiten der Herrscher und Beherrschten. [5]

Der Herr kann sowohl mit als auch ohne einen Verwaltungsstab herrschen. Jedoch ist die Herrschaft ohne Verwaltungsstab der typische Fall traditionaler Herrschaft. Formen traditionaler Herrschaft sind in der Regel:

  • Gerontokratie : die Herrschaft des Altesten im Verband als der beste Kenner der Tradition
  • primarer Patriarchalismus: die Herrschaft von Einzelnen innerhalb des Hauses infolge der Erbregeln.

Im Fall des Entstehens eines Verwaltungsstabes stellt sich die traditionale Herrschaft als Patrimonialismus mit standischer Struktur dar, in der Herrengewalt herrscht. Hier wird meistens Hierarchie durch Privilegien durchbrochen.

Charismatische Herrschaft

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Charisma ist nach Weber eine geltende Qualitat einer Personlichkeit, um derentwillen sie als mit ubernaturlichen oder ubermenschlichen oder mindestens spezifisch außeralltaglichen oder nicht jedem anderen zuganglichen Kraften oder Eigenschaften oder als gottgesandt oder als vorbildlich und deshalb als ?Fuhrer“ gewertet wird. Hier wird also kraft der personlichen Qualitaten gehorcht. Als Befehlende konnen hier Propheten, Kriegsfursten oder Fuhrer auftreten. Gehorchende konnen fur Propheten Junger, fur Kriegsfursten die Gefolgschaft und fur Fuhrer Vertrauensmanner sein.

Es gibt hier keine Hierarchie, keine Zustandigkeitsbereiche, keine Kompetenzen und kein Gehalt oder Pfrunde , weil die Gehorchenden dem Freundschaftskreis des Fuhrers angehoren. Es gibt nur ortliche und sachliche Grenzen von Charisma. Die Legitimitat der charismatischen Herrschaft geht verloren, wenn das Charisma verschwindet. Sie verwandelt sich im Laufe der Zeit zur traditionalen Herrschaft, wenn sie nicht bis dahin verschwindet.

Staatswissenschaften

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Fast alle klassischen Theorien der Politischen Philosophie (mit Ausnahme des Anarchismus ) setzen die Herrschaft einer Person oder eines Personenkreises uber die Bevolkerung eines Staates voraus. Dabei werden in der Staatstheorie jeweils Erklarungen gegeben, wie diese Herrschaft organisiert sein solle und warum sie erforderlich wird. Daruber hinaus geben einige Klassiker jedoch auch eigene Charakterisierungen der Herrschaft an sich. Im Fokus steht dabei weniger Webers Frage, was den Bestand der Herrschaft sichere (wobei dies auch von Bedeutung ist), sondern mehr die Frage, was (moralisch) gute Herrschaft von schlechter Herrschaft unterscheide. ?Legitimitat“ bezieht sich hierbei nicht (wie bei Weber) auf die Grunde, aus denen die Beherrschten das Herrschaftsrecht der Herrschenden anerkennen, sondern auf diejenigen Grunde, aus denen die Herrschaft tatsachlich moralisch gerechtfertigt ist. Zudem wird von den Klassikern eine Einteilung der Herrschaftsformen vorgenommen, die auch haufig mit dem Konzept eines Verfassungskreislaufes verbunden war.

Platon entwirft seine politische Philosophie insbesondere im Dialog Politeia . Dort vertritt er die Ansicht, dass Staaten entstehen, wenn Gruppen von Personen beginnen sich zusammenzuschließen und dabei eine Arbeitsteilung vorzunehmen. Diese Aufgabenteilung erlaube eine Ausfuhrung der Aufgaben in hoherer Qualitat: Wenn sich eine Person nur auf einen bestimmten Beruf spezialisiert, konne sie ihre Fahigkeiten in diesem Gebiet viel eher verfeinern und so z. B. bessere (oder auch einfach mehr) Schuhe herstellen als jemand, der sich mit allen Dingen selbst versorgen mochte. Dieser Vorteil der Aufgabenteilung gilt laut Platon auch fur die Politik: Er schlagt ein System von drei Standen vor. Die großte Zahl der Menschen solle in einen Handwerker- und Bauernstand fallen, welcher der praktischen Arbeit nachgehen solle. Fur die Uberwachung dieses Standes sowie die Verteidigung der Stadt sei der Wachterstand zustandig. Aus dem Wachterstand heraus solle sich der Stand der Regenten rekrutieren; als Regenten seien idealerweise Philosophen geeignet, Platon befurwortet hier also eine Philosophenherrschaft .

Platon sieht die verschiedenen real existierenden Herrschaftsformen als Verfallsformen des idealen Staates (der ?Politeia“). In der Aristokratie herrschen nur die ?Besten“, also die Philosophen. Die Timokratie ist die Herrschaft der Ehrenhaften (nach Platon normalerweise die Wachter) immer noch an der Gerechtigkeit orientiert ist. Aus dieser kann sich jedoch eine Oligarchie entwickeln, wenn die Bevolkerung Ehre mit Reichtum verwechselt und so eine Herrschaft der Reichen entsteht. Wenn diese ungerecht herrschen, kann sich das Volk gegen sie erheben und es entsteht eine Demokratie , in der allerdings chaotische Zustande vorliegen. Dies kann wiederum dazu fuhren, dass das Volk einen Demagogen zu seinem Herrscher ernennt und eine Tyrannei entsteht. Schließlich ist auch im schlimmsten Fall noch eine Herrschaft der Ungebildeten moglich, eine Ochlokratie .

Im Gegensatz zu Platon, der ausschließlich staatliche Herrschaft beschreibt, versucht Aristoteles in seinem Werk Politik einen umfassenderen Herrschaftsbegriff zu verwenden. Dieser trifft auch auf den Oikos (den griechischen Haushalt einschließlich Sklaven) zu. Der Oikos wird zum Zweck der Erhaltung des eigenen Lebens gegrundet, da wie bei Platon hier die Vorteile der Arbeitsteilung genutzt werden konnen. Dabei fungieren die Sklaven als ?Werkzeuge“ des Hausherren, [6] da der Hausherr uber ein planerisches Vermogen verfuge, das dem Sklaven fehle, jedenfalls wenn diese ?Sklaven von Natur“ seien. [7] Andernfalls handle es sich um solche Sklaven, die dies gerechterweise nicht sein durften. Auch die Herrschaft des Mannes uber die Frau sei insofern gerechtfertigt, als ?das Mannliche […] von Natur aus mehr zur Leitung geeignet[ist], als das Weibliche (wenn nicht etwa ein Verhaltnis gegen die Natur vorhanden ist)“ [8] In allen Herrschaftsverhaltnissen im Oikos wie im Staat sei die Tugend der Besonnenheit erforderlich, sodass die Beherrschten ihre (v. a. intellektuelle) Unterlegenheit anerkennen und versuchen, als Beherrschte ein moglichst gutes Leben zu verwirklichen. [9]

Herrschaftsformenschema
nach Aristoteles
Anzahl der
Herrscher
legitime Herrschaft illegitime Herrschaft
Einzelherrschaft Basilie / Monarchie Tyrannis
Gruppenherrschaft Aristokratie Oligarchie
Mehrheitsherrschaft Politie Demokratie

Im Gegensatz zum Oikos wird der Staat gegrundet, um nicht nur das Leben zu erhalten, sondern auch ein selbstgenugsames, autarkes Leben zu erreichen. [10] Der Staat unterscheide sich vom Oikos nicht nur durch seine Große, sondern auch dadurch, dass er eine ?Gemeinschaft von Freien“ darstelle. [11] Aristoteles unterscheidet dabei nach zwei Kriterien sechs Herrschaftsformen (siehe Tabelle): Erstens anhand der Zahl der Herrschenden und zweitens anhand deren Absichten. Da es im Staat um die Herrschaft uber Freie geht, durften diese nicht despotisch und im Sinne des Eigennutzes regiert werden. [12] Legitim sind also diejenigen Herrschaftsformen, in denen die Herrschenden den Gemeinnutz im Auge haben, die ubrigen Herrschaftsformen sind illegitim. Hinzu kommt jedoch, dass ein einziger Herrscher seine Absichten effektiver durchsetzen konne als die gesamte Bevolkerung, da hier nur schwierig Einigkeit herzustellen sei. Daher sei die Monarchie besser als die Aristokratie und die Politie (bzw. auch Timokratie ). [13] Bei den illegitimen Herrschaftsformen ist es entsprechend umgekehrt: Da ein Tyrann seine schlechten Absichten besser durchsetzen kann als eine demokratische Menge, sei die Tyrannei schlimmer als die Demokratie.

Der Kirchenvater Augustinus erachtete jegliche Herrschaft als defiziente Form der menschlichen Gemeinschaft, die jedoch als Folge des Sundenfalls notwendig sei. Falls ohne Gerechtigkeit, sei der Staat nichts anderes als eine Rauberbande, wie er in seinem Werk De civitate Dei ausfuhrt, ohne positive Beispiele eines gerechten Staates anzugeben. Seine Auffassung ubte Wirkung im Mittelalter aus, oft in dem Sinne, dass Herrschaft gerechtfertigt wurde, da sie als nicht abwendbar vorgestellt wurde. Jedoch konnte seine Auffassung auch verwendet werden, um die Herrschaft weltlicher Herrscher zu delegitimieren und um sie einer besseren Herrschaft von Geistlichen entgegenzustellen.

Als fruhneuzeitlicher Klassiker der Staatsphilosophie gilt Niccolo Machiavelli , der vor allem in seiner Schrift Der Furst fur einen zum Teil autoritar gepragten Stil der Machtpolitik pladierte, welcher spater als Machiavellismus bezeichnet wurde. Dabei legt er Wert darauf, dass ein guter Herrscher auch in der Lage sein musse, die Macht zu erobern und sich an der Macht zu halten. Hierbei sei es hilfreich, die Liebe des Volkes zu gewinnen [14] und als ?huldreich und gnadig“ zu gelten. [15] Dieses Ziel durfe jedoch nicht zu sehr oben an gestellt werden, denn ?[w]enn es darauf ankommt, die Untertanen in Einigkeit und Gehorsam zu erhalten, dann muß einem Fursten der Vorwurf der Grausamkeit sehr gleichgultig sein“. [15] Jedoch musse ein Furst darauf achtgeben, sich nicht den Hass des Volkes zuzuziehen, da dies seine Macht in Gefahr bringe. [16]

Vertragstheorien

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In der politischen Philosophie der Neuzeit wurden insbesondere in Anschluss an Thomas Hobbes Vertragstheorien zunehmend popular. Solche Theorien wurden unter anderem von Locke , Rousseau und Kant , in der Moderne auch von Rawls vertreten. Dieser Idee nach schließen die Mitglieder einer Gesellschaft einen hypothetischen Vertrag, in dem sie sich auf eine staatliche Ordnung festlegen. Die Art dieser Ordnung ist je nach Theoretiker stark unterschiedlich. So soll nach Hobbes ein Machiavellis Idealen nicht unahnlicher Souveran als Leviathan die Gesellschaft regieren. Andere Theorien verfolgen als Ideal eine weit weniger autoritar gepragte Gesellschaftsordnung. Insgesamt wird in diesen Theorien die Herrschaft eine Frage der Vertragstreue , da sich die Mitglieder der Gesellschaft an den hypothetischen Vertrag insoweit gebunden sehen, als dieser durch die staatliche Ordnung erfullt wird.

Herrschaftsformen

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Herrschaft kann ungeachtet der obigen Ausfuhrung auch danach unterschieden werden, welche Personen oder Gruppen sie ausuben. Diese Interpretation findet insbesondere in der Politikwissenschaft und den Rechtswissenschaften Anwendung. Hier wird die Pluralitat des Begriffes deutlich, der sowohl positiv als Herrschaft des Volkes in der Demokratie wie auch negativ, beispielsweise als NS-Herrschaft verwendet wird. Dies ist abzugrenzen zu den Regierungssystemen , die danach unterschieden werden, wer Trager der Staatsgewalt ist, sowie den Staatsformen im engeren Sinne, die nach der Stellung des Staatsoberhauptes unterschieden werden.

Geschichtswissenschaft

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In der Geschichtswissenschaft ist Herrschaft die Ausubung der Macht uber Untergeordnete und Abhangige durch Machtmittel. Herrschaft ist nur legitim , wenn uber dem Herrscher und dem Beherrschten stehende Rechte zur Machtausubung eingehalten werden. Der Ursprung der Herrschaft ist in der Hausherrschaft ( Gewalt des Hausherrn uber die Hausgenossen ) zu suchen; aus dieser entwickelte sich die Grundherrschaft . Der Ausubende der Grundherrschaft war der Adel . Die Konigsherrschaft , die ihre Legitimitat durch symbolische Rituale (Wahlen, Salbung, Kronung) und durch Herrschaftsinsignien reprasentierte, war im Feudalismus nur eine Sonderform der Adelsherrschaft (vgl. Lehnsherrschaft ). Im Zeitalter der Stande ist die Macht des Herrschers durch erzwungene Herrschaftsvertrage beschrankt. In der Neuzeit setzte sich die einheitliche Staatsgewalt durch. Die neuen Herrschaftsformen unterliegen einem fortlaufenden Prozess der Neuorientierung ihrer Legitimitatsgrundlage. [17]

  • Hartmut Aden (Hrsg.): Herrschaftstheorien und Herrschaftsphanomene . Wiesbaden 2004.
  • Giorgio Agamben: Homo Sacer . Giulio Einaudi, Turin 1995 (dt.: Homo Sacer. Die souverane Macht und das nackte Leben. Frankfurt am Main 2002).
  • Giorgio Agamben: ( Homo Sacer II ) Quel che resta di Auschwitz . Bollati Boringhieri, Turin 1998 (dt.: Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge. Frankfurt am Main 2003).
  • Murat Ates: Philosophie des Herrschenden. Eine einfuhrende Schlussbemerkung . Wien 2015.
  • Walter Benjamin : Zur Kritik der Gewalt und andere Aufsatze . 1965.
  • Ralf Dahrendorf: Anfechtungen liberaler Demokratien. Festvortrag zum zehnjahrigen Bestehen der Stiftung Bundesprasident-Theodor-Heuss-Haus (Stiftung-Bundesprasident-Theodor-Heuss-Haus, Kleine Reihe 19), Stuttgart 2007.
  • Arnold Buhler: Herrschaft im Mittelalter. Reclam, Ditzingen 2013.
  • Richard Edwards: Herrschaft im modernen Produktionsprozeß. Campus, 1981.
  • Hans Haferkamp: Soziologie der Herrschaft. Analyse von Struktur, Entwicklung und Zustand von Herrschaftszusammenhangen . Opladen 1983, ISBN 3-531-21635-X .
  • Peter Imbusch (Hrsg.): Macht und Herrschaft. Sozialwissenschaftliche Konzeptionen und Theorien. Opladen 1998, ISBN 3-8100-1911-9 .
  • Andrea Maurer : Herrschaftssoziologie. Eine Einfuhrung. Frankfurt am Main/New York 2004, ISBN 3-593-37240-1 .
  • Hubertus Niedermaier: Das Ende der Herrschaft? Perspektiven der Herrschaftssoziologie im Zeitalter der Globalisierung. Konstanz 2006, ISBN 3-89669-602-5 .
  • Heinrich Popitz : Phanomene der Macht . 2. erw. Aufl., Mohr (Siebeck), Tubingen 1992, ISBN 3-16-145897-4 .
  • Werner Rosener : Grundherrschaft . In: Lexikon des Mittelalters , Bd. 4. Munchen 1989, Sp. 1739?1750.
  • Hans-Joachim Schmidt: Herrschaft durch Schrecken und Liebe. Vorstellungen und Begrundungen im Mittelalter. Gottingen 2019.
  • Wolfgang Schluchter: Aspekte burokratischer Herrschaft. Studien zur Interpretation der fortschreitenden Industriegesellschaft . Suhrkamp, 1985.
  • Klaus Turk, Thomas Lemke, Michael Bruch: Organisation in der modernen Gesellschaft. Eine historische Einfuhrung. VS Verlag fur Sozialwissenschaften, ²2006, ISBN 3-531-33752-1 .
  • Otto Ullrich : Technik und Herrschaft. Vom Handwerk zur verdinglichten Blockstruktur industrieller Produktion. Suhrkamp, 1979.
  • Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft . Tubingen 1985, Teil 1, Kapitel 1, § 16; Kapitel 3.
  • Heiner Minssen : Herrschaft. In: Heiner Minssen, Hartmut Hirsch-Kreinsen (Hrsg.): Lexikon der Arbeits- und Industriesoziologie. Nomos, Baden-Baden 2017, S. 160?162.
Wiktionary: Herrschaft  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft: Grundriss der verstehenden Soziologie. 3. Auflage, Zweitausendeins, 2005, S. 38.
  2. Ulrich Weiß Herrschaft. In: Dieter Nohlen (Hrsg.): Lexikon der Politik. Band 7: Politische Begriffe. Directmedia, Berlin 2004, S. 249.
  3. Studienausgabe der Max Weber Gesamtausgabe , Wirtschaft und Gesellschaft , Teilband 4: Herrschaft (Band I-22/4 der Gesamtausgabe), S. 217.
  4. Max Weber: Die drei reinen Typen der legitimen Herrschaft. [1922 posthum]. In: Derselbe: Gesammelte Aufsatze zur Wissenschaftslehre. Hrsg. von Johannes Winckelmann , 3. Auflage, Mohr Siebeck, Tubingen 1968, S. 457?488.
  5. Hans-Joachim Schmidt: Herrschaft durch Schrecken und Liebe. Vorstellungen und Begrundungen im Mittelalter. Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 2019, S. 152?164, 241?256, 293?309.
  6. Vgl. Aristoteles, Politik , 1252 b27 ? b30 .
  7. Aristoteles, Politik , 1254 b18 .
  8. Aristoteles, Politik , 1259 b1f . (Ubersetzung von Olof Gigon ).
  9. Vgl. Aristoteles, Politik , 1259 b13 .
  10. Vgl. Aristoteles, Politik , 1280 a32f .
  11. Vgl. Aristoteles, Politik , 1279 a21 .
  12. Vgl. Aristoteles, Politik , 1324 b32?b40 .
  13. Vgl. Aristoteles, Politik , 333 b26 ? b28 .
  14. Vgl. Niccolo Machiavelli, Der Furst , in: ders., Politische Schriften , hrsg. von Herfried Munkler, ubs. von Johannes Ziegler und Franz Nikolaus Baur, S. 108 (Kap. 20).
  15. a b Niccolo Machiavelli, Der Furst , in: ders., Politische Schriften , hrsg. von Herfried Munkler, ubs. von Johannes Ziegler und Franz Nikolaus Baur, S. 94 (Kap. 17).
  16. Vgl. Niccolo Machiavelli, Der Furst , in: ders., Politische Schriften , hrsg. von Herfried Munkler, ubs. von Johannes Ziegler und Franz Nikolaus Baur, S. 96 (Kap. 17).
  17. Erich Bayer (Hrsg.): Worterbuch zur Geschichte. Begriffe und Fachausdrucke (=  Kroners Taschenausgabe . Band 289). 4., uberarbeitete Auflage, Kroner, Stuttgart 1980, ISBN 3-520-28904-0 , S. 217.