Ludwig Leopold Gottlieb Hermann von Boyen
(*
23. Juni
1771
in
Kreuzburg
; †
15. Februar
1848
in
Berlin
) war ein preußischer
Generalfeldmarschall
und 1814/19 sowie 1841/47
Kriegsminister
.
Hermann von Boyens Familie stammte ursprunglich aus den
Niederlanden
. Der Stammvater dieses Zweiges diente als Oberst im
schwedischen
und niederlandischen Heer, bevor er sich nach dem
Westfalischen Frieden
in
Ostpreußen
niederließ. Seine Eltern waren der
Oberstleutnant
und Regimentskommandeur Johann Friedrich von Boyen (1720?1777) und dessen Ehefrau Hedwig Sophie, geborene
von Holtzendorff
(1735?1778) aus dem Hause Gerlauken. Sein Onkel
Ernst Johann Sigismund von Boyen
(1726?1806) war preußischer
General der Kavallerie
und Ritter des
Schwarzen Adlerordens
.
Nach dem fruhen Tod seiner Eltern wurde Boyen zunachst im Hause einer unverheirateten Schwester seines Vaters in
Konigsberg
erzogen. Er trat im April 1784 als Gefreiterkorporal in das
Infanterieregiment ?von Anhalt“
der Preußischen Armee ein. Nach seiner Ernennung zum
Portepeefahnrich
wurde er im Dezember 1786 in das
Infanterieregiment ?von Wildau“
versetzt und avancierte bis Mitte April 1788 zum
Sekondeleutnant
. Boyen absolvierte die
Kriegsschule
in Konigsberg, wo er auch die Vorlesungen von
Kant
besuchte, dessen
ethische Vorstellungen
ihn stark beeindruckten.
Nachdem er 1794/95 dem
Feldzug in Polen
als Adjutant des Generals
von Gunther
beigewohnt hatte, wurde er 1799
Stabskapitan
, machte den
Krieg von 1806
, in welchem er bei
Auerstedt
verwundet wurde, im Generalstab des Herzogs
zu Braunschweig Friedrich Wilhelm
mit. Nach dem
Frieden von Tilsit
wurde er Major und Mitglied der militarischen Reorganisationskommission unter Scharnhorst und hielt 1810 als Direktor des allgemeinen Kriegsdepartements Vortrag beim Konig.
1808 wurde Boyen in Konigsberg von der Loge ?Zu den drei Kronen“ in den Bund der
Freimaurer
aufgenommen.
[1]
Seit 1803 gehorte Boyen der ?
Militarischen Gesellschaft
“ um
Gerhard von Scharnhorst
an und wurde 1807 Mitglied der Kommission fur Militarreformen. Ein Jahr spater wurde er als Major an die
Militarreorganisationskommission
kommandiert und 1810 Direktor des Allgemeinen Kriegsdepartements. Bei der Begrundung der
neuen Heeresverfassung
war er neben
August Neidhardt von Gneisenau
Scharnhorsts eifrigster Gehilfe. Konsequent trat er fur die Reformen des
Freiherrn vom Stein
ein. 1811 versuchte er gemeinsam mit Scharnhorst und Gneisenau Konig Friedrich Wilhelm III. zum Krieg gegen Frankreich zu bewegen. Als sich Preußen dagegen 1812 mit Frankreich verbundete, nahm Boyen als
Oberst
seinen Abschied und ging nach einem Besuch in
Wien
wie viele andere preußische Offiziere, die einen Kriegseintritt gegen Frankreich bevorzugt hatten, nach Russland, wo er in
Sankt Petersburg
lebte.
Als Preußen 1813 erneut die Seiten wechselte und die
Befreiungskriege
begannen, trat Boyen wieder in preußische Dienste ein. Als Oberst im Generalstab
Friedrich Wilhelm von Bulows
begleitete er die russische Armee vom Hauptquartier in
Kalisch
bis nach Sachsen. Nach der
Schlacht bei Großgorschen
wurde ihm die
Mobilmachung
in der Mark Brandenburg und falls notig die Verteidigung von Berlin ubertragen; wahrend des Waffenstillstandes ernannte ihn
Friedrich Wilhelm III.
zum Chef des Generalstabs des 3. Armeekorps. Mit diesem machte Boyen die Schlachten und Gefechte 1813/14 mit. Fur sein Verhalten in der
Schlacht bei Dennewitz
wurde er mit dem
Eisernen Kreuz
I. Klasse ausgezeichnet und am 22. Dezember 1813 zum Generalmajor befordert.
Unter Verleihung des Ordens
Pour le Merite
mit Eichenlaub loste Boyen nach dem
Ersten Pariser Frieden
im Juni 1814 Generalmajor
Karl von Hake
als Kriegsminister ab. Als wichtigste Amtshandlung erließ er am 3. September 1814 das von ihm erarbeitete
?Gesetz uber die Verpflichtung zum Kriegsdienst“
, womit er in Preußen die allgemeine
Wehrpflicht
einfuhrte, das wichtigste Element von Scharnhorsts Heeresreform. Daruber hinaus fuhrte er die im Krieg begonnene Organisation der
Landwehr
mit der Landwehrordnung von 1815 fort. Damit wurden die Ungerechtigkeiten des Kantonssystems mit seinen vielen Ausnahmen vermieden, auch wenn es fur Gebildete und Wohlhabende weiterhin moglich war, als Freiwilliger nur eins statt drei Jahre zu dienen. Der Landwehr sollte jeder preußische Burger nach seiner Dienstzeit bis zu seinem 39. Lebensjahr angehoren, so dass die Landwehr als Form der Volksbewaffnung neben dem stehenden Heer eine tragende Rolle spielen konnte. In den beiden Einrichtungen sahen die Reformer die Kluft zwischen Armee und Volk uberwunden.
Am Rande des
Wiener Kongresses
1815 sorgte Boyen fur Aufsehen, als er den offiziellen preußischen Gesandten
Wilhelm von Humboldt
zum Duell forderte, weil dieser ihn auf Bitten
Metternichs
aus dem Saal bat, als eine Geheimunterredung unter den Gesandten stattfinden sollte. Boyen bestand trotz Humboldts Erklarung, er habe nicht die Absicht gehabt, ihn zu beleidigen, auf Genugtuung, sodass schließlich ein Pistolenduell stattfand, das unblutig endete.
[2]
Fur sein Wirken wurde er mit dem
Roten Adlerorden
I. Klasse ausgezeichnet und am 30. Marz 1818 mit
Patent
vom 2. April 1818 zum
Generalleutnant
befordert. Bereits kurz nach dem Ende der Befreiungskriege formierte sich die konservative Kritik am Reformprogramm, die sich im militarischen Bereich vor allem gegen die breite Basis der Landwehr richtete. Als diese Widerstande immer starker wurden, trat Boyen im Dezember 1819 als Kriegsminister zuruck. Dieses Ereignis wird in der Geschichtsschreibung oft als endgultiges Ende der Reformphase und Beginn der Reaktion gewertet.
Danach lebte er 21 Jahre lang als Privatmann, trat 1822 in die
Gesetzlose Gesellschaft zu Berlin
ein und beschaftigte sich mit geschichtlichen Studien, bis ihn Konig
Friedrich Wilhelm IV.
unmittelbar nach seiner Thronbesteigung als
General der Infanterie
in den aktiven Dienst zuruckrief. Als Kriegsminister
Gustav von Rauch
am 28. Februar 1841 verstorben war, wurde Boyen noch taggleich wieder an die Spitze des Kriegsministeriums gestellt, ohne jedoch großeren Einfluss zu entfalten. Wahrend seines Dienstzeit wurde er mehrfach ausgezeichnet. Am 18. Juni 1841 erhielt Boyen den Schwarzen Adlerorden, im Oktober 1842 das Großkreuz des
Ordens vom Niederlandischen Lowen
und im Jahr darauf das Großkreuz des
Guelphen-Ordens
sowie den
Orden des Heiligen Andreas des Erstberufenen
. Zudem erhielt Boyen am 19. November 1842 als 19. die
Ehrenburgerschaft
der Stadt Berlin. Im November 1847 trat er zuruck und wurde zum
Generalfeldmarschall
und Gouverneur des
Invalidenhauses in Berlin
ernannt.
Boyen starb am 15. Februar 1848 in Berlin und wurde neben seiner 1845 verstorbenen Ehefrau Amalie auf dem benachbarten
Invalidenfriedhof
im Grabfeld C beigesetzt. Die Grabanlage geht auf Hofarchitekt
Friedrich August Stuler
zuruck. Spater fanden dort auch Sohn und Schwiegertochter sowie Tochter Amalie Friederike ihre letzte Ruhestatte.
[3]
Die Grabmale Scharnhorsts sowie der Boyen vorangegangenen Kriegsminister
Job von Witzleben
und Gustav von Rauch liegen in Sichtweite seines Grabes. Es ist als
Ehrengrab der Stadt Berlin
gewidmet.
Der Konig benannte nach ihm die zwischen 1847 und 1855 im
masurischen
Lotzen
errichtete
Feste
.
Boyen heiratete am 9. Dezember 1807 in
Gumbinnen
Antoinette Amalie Berent (1780?1845).
Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Der Sohn, General der Infanterie
Leopold Hermann von Boyen
(1811?1886) heiratete Prinzessin Franziska
Biron von Curland
, Tochter des Generalleutnants
Gustav Kalixt Prinz Biron von Curland
und dessen Ehefrau Franziska, geborene
Grafin von Maltzan
. Er wurde 1871
Gouverneur von Mainz
, 1875 von
Berlin
und
Generaladjutant
Wilhelms I.
Die Tochter waren Amalie Friederike (1815?1886) und Johanna Sophie Hedwig (* 1819).
Seine Vaterstadt
Creuzburg i. Ostpr.
ehrte den Generalfeldmarschall als Schopfer der allgemeinen Wehrpflicht mit einem Denkmal, welches im heutigen Slawskoje in beschadigtem Zustand noch vorhanden ist.
[4]
In Berlin sind die Boyenallee in der
Siedlung Heerstraße
im
Ortsteil
Westend
[5]
und die Boyenstraße im Ortsteil
Mitte
[6]
nach Hermann von Boyen benannt.
Von seinen Schriften sind hervorzuheben:
- Beitrage zur Kenntnis des Generals von Scharnhorst.
Berlin 1833.
- Erinnerungen aus dem Leben des Generalleutnants von Gunther.
Berlin 1834.
- Erinnerungen aus dem Leben des Generalfeldmarschalls Hermann von Boyen.
Aus seinem Nachlaß im Auftrage der Familie hrsg. von Friedrich Nipold, Bande 1?3, Leipzig 1889?1890.
Auch ist er der Dichter des Liedes
Der Preußen Losung
1838.
- General von Boyen
. In:
Illustrirte Zeitung
.
Nr.
24
. J. J. Weber, Leipzig 9. Dezember 1843,
S.
369?370
(
Digitalisat
in der Google-Buchsuche).
- Friedrich Meinecke
:
Das Leben des Generalfeldmarschalls Hermann von Boyen.
Habilitationsschrift, zwei Bande. Cotta, Stuttgart 1896 und 1899.
[7]
- Maximilian Jahns:
Boyen, Hermann von
.
In:
Allgemeine Deutsche Biographie
(ADB). Band 3, Duncker & Humblot, Leipzig 1876, S. 219?222.
- Kurt von Priesdorff
:
Soldatisches Fuhrertum
.
Band 5, Hanseatische Verlagsanstalt Hamburg, o. O. [Hamburg], o. J. [1938],
DNB
367632802
, S. 27?43, Nr. 1416.
- Hans Rothe
:
Preußische Reformer zur Polenfrage: Hermann von Boyen und Carl von Clausewitz und der polnische Novemberaufstand von 1830/31.
In:
Wurzburger medizinhistorische Mitteilungen
22, 2003, S. 331?344.
- Friedrich Nippold
(Hrsg.):
Erinnerungen aus dem Leben des General-Feldmarschalls Herrmann von Boyen
, 3 Theile, Verlag von S. Hirzel, Leipzig 1889/1890. - Nachdruck: Hansebooks, Norderstedt 2016,
ISBN 978-3-7434-5811-6
.
- Franz Schnabel:
Boyen, Hermann Ludwig Leopold Gottlieb von.
In:
Neue Deutsche Biographie
(NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955,
ISBN 3-428-00183-4
, S. 495?498 (
Digitalisat
).
- ↑
Eugen Lennhoff, Oskar Posner, Dieter A. Binder:
Internationales Freimaurerlexikon.
Munchen 2003 (uberarbeitete und erweiterte Neuauflage der Ausgabe von 1932),
ISBN 3-7766-2161-3
.
- ↑
Heinz Marzulla:
Ehrensache! Das Pistolenduell Geschichte, Regeln und Waffen
. Ares Verlag, Graz 2005,
ISBN 3-902475-12-9
,
S.
38
.
- ↑
Guido Hinterkeuser:
Der Invalidenfriedhof in Berlin und seine Wiederherstellung. Festschrift zum 30-jahrigen Bestehen des Fordervereins Invalidenfriedhof e.V.
Hrsg.: Forderverein Invalidenfriedhof e.V. Verlag Schnell & Steiner, Regensburg 2023,
ISBN 978-3-7954-3832-6
,
S.
18, 136
.
- ↑
In seinem ursprunglichen Zustand ist das Denkmal auf einer
Ansichtskarte
auf bildarchiv-ostpreussen.de abgebildet.
- ↑
Boyenallee
auf berlin.kauperts.de.
- ↑
Boyenstraße
auf berlin.kauperts.de.
- ↑
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