Henry David Thoreau
(sprich: [?θ??o?] oder [θ???o?]; *
12. Juli
1817
in
Concord
,
Massachusetts
; †
6. Mai
1862
ebenda) war ein
amerikanischer
Schriftsteller
,
Fabrikant
,
Lehrer
,
Schulleiter
,
Philosoph
und
Harvard
-Absolvent. Thoreau ist Autor des Klassikers
Walden
von 1854 und des Essays
Uber die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat
von 1849.
Thoreau wurde am 12. Juli 1817 als Sohn des Bleistiftfabrikanten John Thoreau und der Cynthia Dunbar geboren. Der Vater war ein Einwanderer mit franzosischsprachigen Vorfahren von der Insel
Guernsey
.
[1]
Sein Geburtshaus, nach fruheren Eigentumern als
Wheeler-Minot Farmhouse
bezeichnet, existiert immer noch und ist im
National Register of Historic Places in Concord
verzeichnet. Thoreau studierte von 1833 bis 1837 an der
Harvard University
und lebte die meiste Zeit seines Leben in der Region
Boston
. Nach der Hochschule stieg er mit seinem Bruder in das Familiengeschaft Bleistifte ein und grundete eine eigene Fabrik.
Er war fur kurze Zeit als Lehrer tatig, da er jedoch ?keinen Gebrauch von der unerlasslichen korperlichen Zuchtigung“ machte, uberwarf er sich mit der Leitung seiner Schule und quittierte seinen Dienst. 1838 grundete er mit seinem Bruder John eine eigene
Privatschule
. Als der Bruder 1842 an
Tetanus
[2]
starb, musste die Schule geschlossen werden.
Thoreau lernte 1841
Ralph Waldo Emerson
kennen, der als Dichter,
Unitarier
und Philosoph die unitarische Bewegung des amerikanischen
Transzendentalismus
begrundet hatte, der ein großer Kreis amerikanischer Dichter und Denker angehorte. Nach dem Tod seines Bruders lebte Thoreau zeitweilig in Emersons Haus in Concord bei Boston.
Unter Emersons Einfluss entwickelte Thoreau reformerische Ideen. Am 4. Juli 1845, dem
Unabhangigkeitstag
, bezog Thoreau eine selbsterbaute Blockhutte
(Walden Hut)
bei Concord am
Walden-See
auf einem Grundstuck Emersons. Hier lebte er etwa zwei Jahre allein und selbstandig, aber nicht abgeschieden. In seinem Werk
Walden
. Or Life in the Woods
(deutsch:
Walden. Oder das Leben in den Waldern
) beschrieb er sein
einfaches Leben
am See und dessen Natur und integrierte auch Themen wie Wirtschaft und Gesellschaft. Das Experiment ?Walden“ machte Thoreau klar, dass sechs Wochen Lohnarbeit im Jahr ausreichend sind, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Die verbleibende Zeit konnte er nutzen, um zu lesen, schreiben, nachzudenken und die Natur zu erkunden.
[3]
Ein Autor, den er besonders schatzte und oft las, war
Alexander von Humboldt
. Dessen Naturbeschreibungen hatten großen Einfluss auf Thoreau.
[4]
Den 23. Juli 1846 verbrachte Thoreau im Gefangnis, weil er sich weigerte, seine Steuerschuld gegenuber Massachusetts, die
Poll tax
oder
Kopfsteuer
, zu begleichen und mit diesen Steuergeldern die amerikanische Regierung (und damit die
Sklaverei
und den expansiven
Mexiko-Krieg
) zu unterstutzen. Der Krieg begann allerdings erst kurze Zeit vor Thoreaus Inhaftierung, die Steuerschulden waren deutlich alter. Die Schulden wurden beglichen; von wem, lasst sich nicht endgultig klaren, und Thoreau wurde schließlich aus dem Gefangnis entlassen.
Inspiriert durch die Nacht im Gefangnis hielt Thoreau spater Vortrage zu dem Grund seiner Zahlungsverweigerung. Diese Vortrage fasste er zu dem Essay
Resistance to Civil Government
(1849) zusammen, der unter dem spateren Titel
Civil Disobedience
bekannt wurde (deutsch
Uber die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat
). Die Schrift avancierte zur ?Bibel“ der ?Helden der Widersetzlichkeit“.
[5]
Sie diente unter anderem
Mahatma Gandhi
und
Martin Luther King
als Inspirationsquelle fur den gewissensgeleiteten,
gewaltfreien Widerstand
gegen die Obrigkeit und wirkt bis in die Gegenwart als Standardwerk und Namensgeber des
zivilen Ungehorsams
weiter.
Ab 1849 verdiente Thoreau seinen Lebensunterhalt als
Landvermesser
, Gelegenheitsarbeiter und Vortragsreisender. Dabei wetterte er immer wieder gegen soziale Ungerechtigkeit und Sklaverei. 1857 lernte er den militanten Sklaverei-Gegner und Guerilla-Kampfer
John Brown
kennen, der mit seinen Anhangern einen ?Privatkrieg“ gegen die Sklaverei fuhrte und zwei Jahre spater gehangt wurde. Obwohl Henry David Thoreau weiter den gewaltlosen Widerstand favorisierte, zeigte er in Essays und einem Gedicht großen Respekt vor John Brown, den er gar mit
Christus
verglich. Wie ernst es ihm mit der Ablehnung der Sklaverei war, bewies er, als er 1851 einem entflohenen Sklaven dazu verhalf, nach Kanada zu fluchten.
[3]
Thoreau hatte sich 1835 mit
Tuberkulose
infiziert, die Krankheit trat aber nur sporadisch in Erscheinung. 1859 kam eine
Bronchitis
hinzu, nachdem Thoreau nachts bei sturmischem Regen unterwegs gewesen war. Danach verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zusehends. In den letzten Jahren arbeitete er an noch unveroffentlichten Werken (vor allem
The Maine Woods and Excursions
). Er schrieb Briefe und Tagebucheintrage, bis er zu schwach dazu wurde. Seine Freunde staunten uber die Gelassenheit, mit der Thoreau seinem Ende entgegensah. Er starb 1862 im Alter von 44 Jahren.
Ralph Waldo Emerson schildert 1862 seinen Freund Thoreau:
?Er fuhrte ein Leben voller Entsagungen wie nur wenige Menschen. Er hatte keinen Beruf erlernt und lebte allein. Von einem schonen Haus, Kleidung, Sitten und Gesprachen hochst kultivierter Menschen hielt er nichts. Er traf sich lieber mit einem ?guten Indianer‘. Alles, was mit Indianern zusammenhing, war fur ihn wichtig. Zeitlebens hatte er kein einziges Laster. Wenn er mit anderen Menschen zusammen war, widersprach er ihnen fortlaufend, was fur andere wie eine Abkuhlung wirkte und ihnen die Annaherung an Thoreau erschwerte. In fruhen Schriftstucken war es auch eine rhetorische Methode von ihm, gegensatzliche Stellungnahmen einzunehmen und beide zu begrunden. Zu jungen Menschen fuhlte er sich eher hingezogen. Ebenso zu Bauern, die sein praktisches Wissen schatzten. Er sprach nichts als die Wahrheit und handelte auch entsprechend. Er durchdrang das Thema eines Gesprachs sofort und erkannte die Schranken seiner Gesprachspartner. Er kannte keinen Respekt vor den Meinungen anderer Personen oder Parteien und huldigte ausschließlich der Wahrheit selbst. Aus einer einzigen Tatsache konnte er nach Emerson wie kein anderer rasch universelle Gesetze ableiten. Sein Wissen uber die Geheimnisse der Natur und ihre Zusammenhange war umfassend. Eine große ?Waffe‘ war seine Geduld. Er konnte lange reglos dasitzen, bis die Tiere sich ihm naherten und er ihr Verhalten beobachten konnte. Er liebte die Natur so sehr, war so glucklich in ihrer Einsamkeit, dass er Stadte mit Argwohn betrachtet und glaubte, dass deren Luxus und Verlockungen den Menschen und seine Umwelt zugrunde richteten.“
[1]
Sein Verhaltnis zu Frauen gilt als distanziert, von intimen Beziehungen ist nichts bekannt. Obwohl die Debatte uber Frauenrechte auch in seinem Umfeld gefuhrt wurde, z. B. durch
Margaret Fuller
, spiegelt sich dieser Aspekt gesellschaftlicher Ungleichheit in seinem Werk in keiner Weise wider.
[6]
Zu seinen Lebzeiten hatten Thoreaus Schriften relativ wenig Einfluss auf das politische Geschehen in den USA. Ralph Waldo Emerson schrieb uber Thoreau bei seinem Tod: ?Noch nie hat ein so wahrer Amerikaner gelebt wie Thoreau.“
[1]
Der Brite
Robert Louis Stevenson
hingegen nannte 1880 Thoreau ?den eigenwilligen Mann aus Concord einen Druckeberger“. Er raumte aber auch ein, ?Es gab weniges, das Thoreau nicht beherrschte. Er konnte ein Haus bauen, ein Boot … oder ein Buch. Er war Landvermesser, Gelehrter, und er konnte fast alles mit ungewohnlicher Genauigkeit tun.“
[3]
Spatere Generationen taten sich leichter als die Zeitgenossen, in dem ?Gesellschaftsrebellen“ Positives zu entdecken. So fanden libertar eingestellte Burger bei Thoreau eine Bestatigung fur ihre Aufrufe gegen staatliche Gangelung. Naturschutzer und Okologen waren begeistert von seinen Tiraden gegen materialistisches Profitdenken. Verfechter politischer Emanzipation wie
Mahatma Gandhi
bis zu den linken Studenten von
1968
erklarten ihn zum Vorbild.
[3]
Heute ist Thoreau zu einer Art US-amerikanischer Konsensfigur geworden, die zwar meist in linken Kreisen, aber durchaus auch von als eher konservativ geltenden Denkern gern zitiert wird.
[7]
[8]
Er gilt heute als Schriftsteller auch in formaler Hinsicht als eine der markantesten Gestalten der klassischen amerikanischen Literatur. Als ?sorgfaltig feilender Stilist, als hervorragender Sprachkunstler“ hat er durch die fur ihn charakteristische Essayform ?auf Generationen amerikanischer Schriftsteller anregend gewirkt“.
[9]
Thoreau fand durch seine Beitrage Beachtung im amerikanischen
Anarchismus
,
[10]
etwa bei
Emma Goldman
.
[11]
(44597) Thoreau
, ein Asteroid des inneren Hauptgurtels, ist nach ihm benannt.
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- Denken mit Henry David Thoreau
. Diogenes, Zurich 2008,
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- Die Wildnis von Maine. Eine Sommerreise
. Jung und Jung, Salzburg und Wien 2012,
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- Wilde Fruchte
. Manesse, Munchen 2012,
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- Bradley P. Dean (Hrsg.);
Briefe an einen spirituellen Sucher
. Turia + Kant, Wien/ Berlin 2012,
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. Ubersetzt von Susanne Schaup. Verlagsbuchhandlung S. Gobel 2012,
ISBN 978-3-940203-06-9
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- Herbstfarben ? Ein Winterspaziergang
. Ubersetzt von Susanne Schaup. Verlagsbuchhandlung S. Gobel 2016,
ISBN 978-3-940203-09-0
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- Ich befuhr einen Fluss bei gunstigen Winden. Eine Bootfahrt auf dem Concord und Merrimack
. Aus dem Amerikan. ubertr., mit einer Einf. und einem Anh. von Susanne Schaup. Der andere Trommler, Berlin 2013,
ISBN 978-3-944292-00-7
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- Kap Cod
. Mit einem Essay von
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. Herausgegeben und aus dem Amerikanischen ubersetzt von Klaus Bonn. Residenz Verlag, St. Polten/ Salzburg/ Wien 2014,
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, ubersetzt von Rainer G. Schmidt, Matthes & Seitz, Berlin 2017,
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, ubersetzt von Rainer G. Schmidt, Matthes & Seitz, Berlin 2018,
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