Henry David Thoreau

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Henry David Thoreau, Fotografie von Benjamin D. Maxham, 1856
Die Original-Daguerreotypie mit Deckel
Seitenrichtige Zeichnung nach der Daguerreotypie des Portrats von Henry David Thoreau, Autor unbekannt, 1889

Henry David Thoreau (sprich: [?θ??o?] oder [θ???o?]; * 12. Juli 1817 in Concord , Massachusetts ; † 6. Mai 1862 ebenda) war ein amerikanischer Schriftsteller , Fabrikant , Lehrer , Schulleiter , Philosoph und Harvard -Absolvent. Thoreau ist Autor des Klassikers Walden von 1854 und des Essays Uber die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat von 1849.

Leben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Fruhe Jahre [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Thoreaus Geburtshaus in Concord

Thoreau wurde am 12. Juli 1817 als Sohn des Bleistiftfabrikanten John Thoreau und der Cynthia Dunbar geboren. Der Vater war ein Einwanderer mit franzosischsprachigen Vorfahren von der Insel Guernsey . [1] Sein Geburtshaus, nach fruheren Eigentumern als Wheeler-Minot Farmhouse bezeichnet, existiert immer noch und ist im National Register of Historic Places in Concord verzeichnet. Thoreau studierte von 1833 bis 1837 an der Harvard University und lebte die meiste Zeit seines Leben in der Region Boston . Nach der Hochschule stieg er mit seinem Bruder in das Familiengeschaft Bleistifte ein und grundete eine eigene Fabrik.

Tatigkeit als Lehrer [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Er war fur kurze Zeit als Lehrer tatig, da er jedoch ?keinen Gebrauch von der unerlasslichen korperlichen Zuchtigung“ machte, uberwarf er sich mit der Leitung seiner Schule und quittierte seinen Dienst. 1838 grundete er mit seinem Bruder John eine eigene Privatschule . Als der Bruder 1842 an Tetanus [2] starb, musste die Schule geschlossen werden.

Thoreau lernte 1841 Ralph Waldo Emerson kennen, der als Dichter, Unitarier und Philosoph die unitarische Bewegung des amerikanischen Transzendentalismus begrundet hatte, der ein großer Kreis amerikanischer Dichter und Denker angehorte. Nach dem Tod seines Bruders lebte Thoreau zeitweilig in Emersons Haus in Concord bei Boston.

Ruckzug in die ?Walder“ [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Unter Emersons Einfluss entwickelte Thoreau reformerische Ideen. Am 4. Juli 1845, dem Unabhangigkeitstag , bezog Thoreau eine selbsterbaute Blockhutte (Walden Hut) bei Concord am Walden-See auf einem Grundstuck Emersons. Hier lebte er etwa zwei Jahre allein und selbstandig, aber nicht abgeschieden. In seinem Werk Walden . Or Life in the Woods (deutsch: Walden. Oder das Leben in den Waldern ) beschrieb er sein einfaches Leben am See und dessen Natur und integrierte auch Themen wie Wirtschaft und Gesellschaft. Das Experiment ?Walden“ machte Thoreau klar, dass sechs Wochen Lohnarbeit im Jahr ausreichend sind, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Die verbleibende Zeit konnte er nutzen, um zu lesen, schreiben, nachzudenken und die Natur zu erkunden. [3] Ein Autor, den er besonders schatzte und oft las, war Alexander von Humboldt . Dessen Naturbeschreibungen hatten großen Einfluss auf Thoreau. [4]

Erste Seite der ersten Druckausgabe von Resistance to Civil Government , 1849

Thoreau als Prophet des zivilen Ungehorsams [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Den 23. Juli 1846 verbrachte Thoreau im Gefangnis, weil er sich weigerte, seine Steuerschuld gegenuber Massachusetts, die Poll tax oder Kopfsteuer , zu begleichen und mit diesen Steuergeldern die amerikanische Regierung (und damit die Sklaverei und den expansiven Mexiko-Krieg ) zu unterstutzen. Der Krieg begann allerdings erst kurze Zeit vor Thoreaus Inhaftierung, die Steuerschulden waren deutlich alter. Die Schulden wurden beglichen; von wem, lasst sich nicht endgultig klaren, und Thoreau wurde schließlich aus dem Gefangnis entlassen.

Inspiriert durch die Nacht im Gefangnis hielt Thoreau spater Vortrage zu dem Grund seiner Zahlungsverweigerung. Diese Vortrage fasste er zu dem Essay Resistance to Civil Government (1849) zusammen, der unter dem spateren Titel Civil Disobedience bekannt wurde (deutsch Uber die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat ). Die Schrift avancierte zur ?Bibel“ der ?Helden der Widersetzlichkeit“. [5] Sie diente unter anderem Mahatma Gandhi und Martin Luther King als Inspirationsquelle fur den gewissensgeleiteten, gewaltfreien Widerstand gegen die Obrigkeit und wirkt bis in die Gegenwart als Standardwerk und Namensgeber des zivilen Ungehorsams weiter.

Ab 1849 verdiente Thoreau seinen Lebensunterhalt als Landvermesser , Gelegenheitsarbeiter und Vortragsreisender. Dabei wetterte er immer wieder gegen soziale Ungerechtigkeit und Sklaverei. 1857 lernte er den militanten Sklaverei-Gegner und Guerilla-Kampfer John Brown kennen, der mit seinen Anhangern einen ?Privatkrieg“ gegen die Sklaverei fuhrte und zwei Jahre spater gehangt wurde. Obwohl Henry David Thoreau weiter den gewaltlosen Widerstand favorisierte, zeigte er in Essays und einem Gedicht großen Respekt vor John Brown, den er gar mit Christus verglich. Wie ernst es ihm mit der Ablehnung der Sklaverei war, bewies er, als er 1851 einem entflohenen Sklaven dazu verhalf, nach Kanada zu fluchten. [3]

Die letzten Jahre [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Thoreaus Grab auf dem Sleepy Hollow Cemetery in Concord , Massachusetts

Thoreau hatte sich 1835 mit Tuberkulose infiziert, die Krankheit trat aber nur sporadisch in Erscheinung. 1859 kam eine Bronchitis hinzu, nachdem Thoreau nachts bei sturmischem Regen unterwegs gewesen war. Danach verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zusehends. In den letzten Jahren arbeitete er an noch unveroffentlichten Werken (vor allem The Maine Woods and Excursions ). Er schrieb Briefe und Tagebucheintrage, bis er zu schwach dazu wurde. Seine Freunde staunten uber die Gelassenheit, mit der Thoreau seinem Ende entgegensah. Er starb 1862 im Alter von 44 Jahren.

Der Mensch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Ralph Waldo Emerson schildert 1862 seinen Freund Thoreau:

?Er fuhrte ein Leben voller Entsagungen wie nur wenige Menschen. Er hatte keinen Beruf erlernt und lebte allein. Von einem schonen Haus, Kleidung, Sitten und Gesprachen hochst kultivierter Menschen hielt er nichts. Er traf sich lieber mit einem ?guten Indianer‘. Alles, was mit Indianern zusammenhing, war fur ihn wichtig. Zeitlebens hatte er kein einziges Laster. Wenn er mit anderen Menschen zusammen war, widersprach er ihnen fortlaufend, was fur andere wie eine Abkuhlung wirkte und ihnen die Annaherung an Thoreau erschwerte. In fruhen Schriftstucken war es auch eine rhetorische Methode von ihm, gegensatzliche Stellungnahmen einzunehmen und beide zu begrunden. Zu jungen Menschen fuhlte er sich eher hingezogen. Ebenso zu Bauern, die sein praktisches Wissen schatzten. Er sprach nichts als die Wahrheit und handelte auch entsprechend. Er durchdrang das Thema eines Gesprachs sofort und erkannte die Schranken seiner Gesprachspartner. Er kannte keinen Respekt vor den Meinungen anderer Personen oder Parteien und huldigte ausschließlich der Wahrheit selbst. Aus einer einzigen Tatsache konnte er nach Emerson wie kein anderer rasch universelle Gesetze ableiten. Sein Wissen uber die Geheimnisse der Natur und ihre Zusammenhange war umfassend. Eine große ?Waffe‘ war seine Geduld. Er konnte lange reglos dasitzen, bis die Tiere sich ihm naherten und er ihr Verhalten beobachten konnte. Er liebte die Natur so sehr, war so glucklich in ihrer Einsamkeit, dass er Stadte mit Argwohn betrachtet und glaubte, dass deren Luxus und Verlockungen den Menschen und seine Umwelt zugrunde richteten.“ [1]

Sein Verhaltnis zu Frauen gilt als distanziert, von intimen Beziehungen ist nichts bekannt. Obwohl die Debatte uber Frauenrechte auch in seinem Umfeld gefuhrt wurde, z. B. durch Margaret Fuller , spiegelt sich dieser Aspekt gesellschaftlicher Ungleichheit in seinem Werk in keiner Weise wider. [6]

Rezeption [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Zu seinen Lebzeiten hatten Thoreaus Schriften relativ wenig Einfluss auf das politische Geschehen in den USA. Ralph Waldo Emerson schrieb uber Thoreau bei seinem Tod: ?Noch nie hat ein so wahrer Amerikaner gelebt wie Thoreau.“ [1] Der Brite Robert Louis Stevenson hingegen nannte 1880 Thoreau ?den eigenwilligen Mann aus Concord einen Druckeberger“. Er raumte aber auch ein, ?Es gab weniges, das Thoreau nicht beherrschte. Er konnte ein Haus bauen, ein Boot … oder ein Buch. Er war Landvermesser, Gelehrter, und er konnte fast alles mit ungewohnlicher Genauigkeit tun.“ [3]

Spatere Generationen taten sich leichter als die Zeitgenossen, in dem ?Gesellschaftsrebellen“ Positives zu entdecken. So fanden libertar eingestellte Burger bei Thoreau eine Bestatigung fur ihre Aufrufe gegen staatliche Gangelung. Naturschutzer und Okologen waren begeistert von seinen Tiraden gegen materialistisches Profitdenken. Verfechter politischer Emanzipation wie Mahatma Gandhi bis zu den linken Studenten von 1968 erklarten ihn zum Vorbild. [3]

Heute ist Thoreau zu einer Art US-amerikanischer Konsensfigur geworden, die zwar meist in linken Kreisen, aber durchaus auch von als eher konservativ geltenden Denkern gern zitiert wird. [7] [8] Er gilt heute als Schriftsteller auch in formaler Hinsicht als eine der markantesten Gestalten der klassischen amerikanischen Literatur. Als ?sorgfaltig feilender Stilist, als hervorragender Sprachkunstler“ hat er durch die fur ihn charakteristische Essayform ?auf Generationen amerikanischer Schriftsteller anregend gewirkt“. [9]

Thoreau fand durch seine Beitrage Beachtung im amerikanischen Anarchismus , [10] etwa bei Emma Goldman . [11]

(44597) Thoreau , ein Asteroid des inneren Hauptgurtels, ist nach ihm benannt.

Werke (auf Deutsch) [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Karl Knortz : Ein amerikanischer Diogenes. Henry D. Thoreau . Hamburg 1899 ( online  ? Internet Archive ).
  • Helmut Klumpjan: Die Politik der Provokation. Henry David Thoreau: Literat ? Gesellschaftskritiker ? Nonkonformist . Lang, Frankfurt 1984, ISBN 3-8204-8066-8 .
  • Hans Dieter und Helmut Klumpjan: Henry David Thoreau . Rowohlt (rm 356), Reinbek 1986; 3. Auflage 2000, ISBN 3-499-50356-5 .
  • Heiner Feldhoff : Vom Gluck des Ungehorsams. Die Lebensgeschichte des Henry David Thoreau . Beltz & Gelberg, Weinheim 1989, ISBN 3-407-80683-3 .
  • Dieter Schulz : Amerikanischer Transzendentalismus. Ralph Waldo Emerson, Henry David Thoreau, Margaret Fuller . Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1997, ISBN 3-534-09407-7 .
  • Andreas Streim: Civil Disobedience. Henry David Thoreau und die amerikanische Burgerrechtsbewegung . Grin, Munchen 2007, ISBN 978-3-638-64011-4 .
  • Gerhard Casper : Henry Thoreau und Civil Disobedience. In: Uber die Pflicht zum Ungehorsam gegenuber dem Staat. Wallstein, Gottingen 2007, ISBN 978-3-8353-0299-0 .
  • Jack Turner: A Political Companion to Henry David Thoreau. Univ. Press of Kentucky, Lexington KY 2009, ISBN 978-0-8131-2478-0 .
  • Mark Van Doren : Henry David Thoreau: A Critical Study. Houghton Mifflin, New York / Boston 1916, Textarchiv ? Internet Archive
  • Walter Fischer: Henry David Thoreau (1817?1862), der Dichter des Walden-Sees (1854). In: Franz H. Link (Hrsg.): Amerika. Vision und Wirklichkeit, Beitrage deutscher Forschung zur amerikanischen Literaturgeschichte . Athenaum, Frankfurt 1968, S. 97?113.
  • Alain Refalo: Henri David Thoreau, precurseur de la desobeissance civile . Reihe: Culture de non-violence, n° 3. Centre de ressources sur la non-violence du Midi-Pyrenees, Colomiers 2006.
  • Frank Schafer : Henry David Thoreau ? Waldganger und Rebell. Eine Biographie . suhrkamp, Berlin 2017, ISBN 978-3-518-46769-5 [12]
  • Ralph Waldo Emerson : Thoreau (1862). In: Drei Ansprachen. Uber Bildung, Religion und Henry David Thoreau , mit einer Einleitung von Dieter Schulz. Derk Janßen Verlag, Freiburg 2007, ISBN 978-3-938871-01-0
  • Laura Dassow Walls: Henry David Thoreau: a life . The University of Chicago Press, Chicago / London 2017, ISBN 978-0-226-34469-0
  • Kevin Dann: Expect great things: the life and search of Henry David Thoreau . TarcherPerigee, New York N> [2017], ISBN 978-0-399-18466-6
  • Dieter Schulz: Henry David Thoreau ? Wege eines amerikanischen Schriftstellers . Mattes Verlag, Heidelberg 2017, ISBN 978-3-86809-120-5
  • Susanne Schaup: Henry David Thoreau ? Realist und Mystiker . Verlagsbuchhandlung S.Gobel, Leipzig 2021, ISBN 978-3-940203-11-3
  • Sebastian Guhr : Mr. Lincoln & Mr. Thoreau . S. Marix Verlag, Wiesbaden 2021, ISBN 978-3-7374-1173-8 .

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Henry David Thoreau  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Henry David Thoreau  ? Quellen und Volltexte

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. a b c Ralf Waldo Emerson: Thoreau in: Henry David Thoreau. Ktaadn . 2017. ISBN 978-3-99027-092-9 . S107
  2. Joel Myerson: Barzillai Frost’s Funeral Sermon on the Death of John Thoreau Jr.. In: Huntington Library Quarterly , 57, 1994, S. 367, doi:10.2307/3817844 , JSTOR : 3817844 .
  3. a b c d Amerika. Land der Pioniere . Der Spiegel Geschichte , 5/2016:
  4. Andrea Wulf : Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur . C. Bertelsmann, 2016, ISBN 978-3-570-10206-0 , S.   314?331 .
  5. Andreas Dorschel : Ein Staat, der solche Fruchte truge. In: Suddeutsche Zeitung . Nr. 19 (25. Januar 2005), S. 16.
  6. Maximilien Le Roy: Thoreau - ein Philosoph fur unsere Zeit. Interview mit Michael Granger, em. Professor fur Amerikanische Literatur des 19. Jh. an der Universitat Lyon. In: Henry David Thoreau - Das reine Leben. Knesebeck, Munchen 2012.
  7. Henry David Thoreaus "Walden" - Pladoyer fur den Teilzeit-Ausstieg. Abgerufen am 3. Marz 2020 (deutsch).
  8. Analysis and Notes on Walden: Henry Thoreau’s Text with Adjacent Thoreauvian Commentary by Ken Kifer, 2002
  9. Walter Fischer: Henry David Thoreau (1817?1862), der Dichter des Walden-Sees (1854). In: Franz H. Link (Hrsg.): Amerika · Vision und Wirklichkeit, Beitrage deutscher Forschung zur amerikanischen Literaturgeschichte . Athenaum Verlag, Frankfurt am Main u. a. 1968, S. 111.
  10. Siehe z. B. George Woodcock: Anarchism: A History of Libertarian Ideas and Movements .
  11. Emma Goldman: Anarchism and Other Essays. , S. 62, bezeichnet ihn als ?the greatest American anarchist“. Google Books . Siehe auch Google Books
  12. Gegen die stille Verzweiflung . Spiegel Online , (Rezension)