Henda Ayari

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Henda Ayari (* 4. Dezember 1976 in Rouen ) ist eine franzosische Frauenrechtlerin und Autorin sowie Aktivistin gegen den Islamismus in Frankreich. Sie grundete die Hilfsorganisation Liberatrices und veroffentlichte ein biografisches Buch uber ihren Ausstieg aus dem Salafismus . 2017 reichte sie eine Klage gegen den Islamwissenschaftler Tariq Ramadan ein, sie 2012 vergewaltigt zu haben.

Leben und Wirken

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Henda Ayari wuchs als Tochter der Zwangsehe einer tunesischen Mutter mit einem algerischen Vater, beide nicht praktizierende Muslime, in der Normandie auf. Ihre Kindheit war gepragt von ihrer tyrannischen Mutter, [1] als Neunjahrige erfuhr sie sexualisierte Gewalt . Nach der Trennung ihrer Eltern, dem Tod eines ihr nahestehenden Cousins und erfolgreicher Verhinderung einer Zwangsheirat begann sie zunachst ein Psychologie -Studium an der Universitat Rouen , kam in Kontakt mit Frauen aus der islamistischen Szene und radikalisierte sich. Obwohl in ihrer Familie niemand verschleiert gewesen war, entschied sie sich, einen Dschilbab zu tragen. Mit 20 Jahren lernte sie einen in Lyon lebenden tunesischen Salafisten kennen, heiratete ihn wenige Monate spater und brach auf Wunsch ihrer Familie ihr Studium wieder ab. [2] Zehn Jahre lebte sie einen Niqab tragend in Roanne vollig abgeschieden von der Gesellschaft. Nach der Trennung von ihrem Mann wegen hauslicher Gewalt begann sie in Nordfrankreich ein neues Leben als alleinerziehende Mutter dreier Kinder, lernte neu, sich in einer Welt von Unverschleierten zu bewegen, ein Bankkonto zu eroffnen und sich zunachst mit Gelegenheitsjobs von Zeitarbeitsunternehmen ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Da nur eine islamische Ehe und keine Zivilehe bestand, hatte sie keinen Anspruch auf Unterstutzung durch ihren Mann. Wahrend eines Krankenhausaufenthalts ubertrug die Justiz ihrem mit dem Dschihadismus sympathisierenden Ex-Mann das Sorgerecht ihrer Kinder: Zwei Jahre lang verbot er ihnen, ihre Mutter zu sehen oder mit ihr zu telefonieren. [3] Spater konnte sie sich das Sorgerecht zuruckerkampfen. [4] Dem Salafismus blieb sie aber dennoch zunachst treu. [5] 2010 begann sie, statt des Niqabs zeitweise nur einen Hidsch?b in der Offentlichkeit zu tragen. [1]

Im Marz 2015 grundete sie in Rouen die Hilfsorganisation ?Liberatrices“ mit dem Ziel, Manner und Frauen zu einem Netzwerk gegenseitiger Unterstutzung zur Forderung der Rechte von Frauen zu vereinen. Der Verein will durch langjahrige Verschleierung o. a. isolierten Muttern mit Schwierigkeiten, ihre Kinder allein aufzuziehen, wie auch jungen Menschen aus Ein-Eltern-Familien Hilfestellung bieten. [6] Liberatrices setzt sich dabei auch gegen Islamismus ein.

Das Erschrecken uber die Terroranschlage am 13. November 2015 in Paris zum einen, [7] zum anderen ihre Zulassung zur Gerichtsschreiberei -Schule ?ENG“ in Dijon und die damit verbundene Freude daruber, noch einmal von vorne beginnen zu konnen, losten bei Ayari den Entschluss aus, den Hidsch?b endgultig abzulegen und ihre Deradikalisierung offentlich zu machen. [8] Auf Facebook bekannte sie sich dazu, uberzeugte Salafistin gewesen zu sein, und zeigte Bilder von sich mit sowie ohne Hidsch?b. Die wochentlich erscheinende tunesische Zeitschrift Realites berichtete als erstes uber Ayari, wie sie unter dem Titel ?Meine Geschichte mit dem Schleier“ schrieb:

?Ich bin immer noch praktizierende Muslimin , obwohl ich keinen Schleier mehr trage […] Ich ware glucklich und stolz, wenn meine Geschichte anderen Frauen helfen konnte. Ich habe nichts gegen Frauen, die Schleier tragen, aber ich weigere mich zu akzeptieren, dass einige Versuchen den Schleier anderen aufzudrangen. Ich sage nicht, dass Frauen ihren Schleier entfernen sollen, […] ich rate einfach Frauen zu leben, wie sie wollen, ob mit oder ohne Schleier. […] Aber es muss ihre Entscheidung sein und auf keinen Fall die jemandes anderen.“

? Henda Ayari : Realites [9]

Wenige Tage spater griff France Televisions den Artikel, in dem von Gluckwunschen anderer Nutzer zur ?mutigen Entscheidung“, aber auch Meldungen der Fotos an Facebook wegen ? Nacktheit “ berichtet wurde, auf und schrieb, Ayari habe mit ihrem Posting ?das Internet in Brand“ gesetzt. [10] Die von Tina Brown gegrundete und bei der New York Times erscheinende ?Women in the World Foundation“ schrieb von einer ?Wiedergeburt nach Jahren als eine der lebenden Toten“. [4] Neben zahlreichen Beleidigungen und Drohungen erhielt Ayari 85.000 ? Likes “ auf Facebook. [1] [8]

Im darauf folgenden Jahr veroffentlichte sie ihre Biografie unter dem Titel ? J'ai choisi d'etre libre “ (deutsch: ?Ich habe mich entschieden frei zu sein“ ) uber ihr Leben als Salafistin und die Befreiung daraus. Le Figaro nannte das Buch ?eine Geschichte der ?Renaissance‘ der Neuzeit “, [7] die Zeitschrift Glamour schrieb: ?Wenn man das Buch liest, erkennt man, wie sehr dieser falschlicherweise spirituelle Extremismus gleichbedeutend mit Isolation ist und somit zum Schlimmsten fuhren kann.“ [11] In Interviews bekannte Ayari Morddrohungen erhalten zu haben und daher gezwungen war den Wohnort zu wechseln. [12]

Nach der Wahl Emmanuel Macrons zum franzosischen Staatsprasidenten bat Ayari ihn in einem am franzosischen Nationalfeiertag und Jahrestag des Anschlags in Nizza publizierten offenen Brief , den Kampf gegen den politischen Islam zur obersten Prioritat zu machen. [13] In einem ganzseitigen Interview im franzosischen Leitmedium Le Figaro sowie der Talkshow ?Le Grand Oral des Grandes Gueules“ des Fernsehsenders BFM TV erlauterte Ayari ihre Forderungen nach Programmen zur Hilfe fur Frauen, die in radikalen islamistischen Bewegungen gefangen sind, Schutzmaßnahmen fur Kinder aus salafistischen Beziehungen zur Radikalisierungspravention , Organisation padagogischer Treffen zu Sakularismus und Staatsburgerschaft zur Befreiung radikalisierter Frauen aus ihrer Isolation sowie Sensibilisierung von Frauen gegen politische Instrumentalisierung des islamischen Schleiers. [14] [15]

Am 24. Oktober 2017 reichte sie eine Klage gegen den Islamwissenschaftler Tariq Ramadan ein, sie 2012 vergewaltigt zu haben. [16] [17] Als im Oktober 2017 unter dem Hashtag #BalanceTonPorc (deutsch: ?Verpfeif’ dein Schwein“) innerhalb weniger Tage eine sechsstellige Anzahl von Konfrontationen mit sexualisierter Belastigung und Gewalt (in Anlehnung an die #MeToo -Debatte als Reaktion auf den Weinstein-Skandal ) in franzosischen sozialen Netzwerken geschildert wurden, habe sie sich zur Enthullung seines Namens ermutigt gefuhlt. Die Vergewaltigung hatte sie zwar zuvor bereits in ihrem Buch beschrieben, fur den Peiniger dabei allerdings noch das Pseudonym ?Zoubeyr“ ( arabisch ???? ?stark‘) verwendet. [18] Der Anwalt von Tariq Ramadan erklarte gemaß The Guardian , sein Mandant bestreite die Anschuldigung von Henda Ayari, und drohte mit Gegenklage wegen Verleumdung . [19] [20] [21] [22] [23] Ayari bekannte, den religiosen und sozialen Ratschlagen des damals funfzigjahrigen Universitatsprofessors fur zeitgenossische islamische Studien in Oxford und Enkel des Grunders der Muslimbruderschaft in den sozialen Medien gefolgt zu sein. Als er 2012 bei einer Konferenz der Foderation Islamischer Organisationen in Europa im Pariser Vorort Le Bourget einen Vortrag hielt, habe er sie eingeladen, ihn in seinem Hotel in Paris zu treffen. Nachdem sie ihn auf sein Zimmer begleitete, sich aber weigerte, sich von ihm umarmen und kussen zu lassen, sei er gewalttatig geworden. [2] Ayari erhebt gegen Ramadan auch den Vorwurf, dass er sich des Islams bediene, um ?Frauen zu unterjochen“. Wenn eine Frau keinen Schleier trage und sie vergewaltigt wurde, so sei das seiner Ansicht nach ihre Schuld. [24] Nachdem sie ihre Vorwurfe gegen Ramadan offentlich gemacht hatte, sah sich Ayari in den sozialen Netzwerken derart massiven Anfeindungen ausgesetzt, dass sie um Hilfe bitten musste. [25] Am 21. November 2017 berichteten die Medien, dass Ayari wegen anhaltender Bedrohungen unter Polizeischutz gestellt worden sei. [26] [3]

Veroffentlichungen

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. a b c Patricia Buffet: A Rouen, Henda Ayari s’est liberee du salafisme . In: Paris Normandie . 6. Januar 2017.
  2. a b Emad Blake: Who is Henda Ayari, the woman accusing Islamist Tariq Ramadan of rape? . In: al-Arabiya . 22. Oktober 2017.
  3. a b Jurg Altwegg: Die Frau, die nein sagte . In: Frankfurter Allgemeine Zeitung . 6. Dezember 2017.
  4. a b Emma-Kate Symons: Woman opens up about her resurrection after years spent as ?one of the living dead“ . In: Women in the World in Zusammenarbeit mit New York Times . 10. August 2017.
  5. Carlotta Gall: ?I Could Not Forget What Happened to Me That Night With Him“ . In: New York Times . 3. November 2017, abgerufen am 11. November 2017.
  6. Liberatrices . Vereinseintrag gemaß Gesetz vom 1. Juli 1901 .
  7. a b Baptiste Erondel: Sortie du salafisme, une femme temoigne . In: Le Figaro . 2. November 2016.
  8. a b Laure Lugon: Henda Ayari: ?J’etais salafiste, je suis une femme libre“ . In: Le Temps (Schweiz) . 8. November 2016.
  9. Hajer Ben Hassen: Une tunisienne se debarrasse de son Hijab apres 18 ans et suscite la polemique . ( Memento des Originals vom 7. November 2017 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.realites.com.tn In: Realites (Tunesien) . 29. Dezember 2015.
  10. Par Mohamed Berkani: Henda Ayari, ancienne salafiste, enleve son voile et fait le buzz . In: France Televisions . 1. Januar 2016.
  11. Sophie Rosemont: "J’ai choisi d’etre libre" : Henda Ayari, sa vie apres le salafisme . In: Glamour . 5. Dezember 2016.
  12. Caroline Laurent-Simon: Endoctrinee, aujourd’hui rescapee du salafisme, elle raconte sa liberte retrouvee . In: Elle . 1. November 2016.
  13. Henda Ayari: Offener Brief . an Emmanuel Macron, Gerard Larcher , Francois de Rugy , Edouard Philippe und Patrick Bernasconi vom 14. Juli 2017.
  14. Stephane Kovacs: Henda Ayari: ?Le salafisme m'a anesthesiee“ . In: Le Figaro . 10. Juli 2017.
  15. Le Grand Oral d'Henda Ayari, fondatrice de ?Liberatrices“ . In: BFM TV . 14. Juli 2017.
  16. Tariq Ramadan: ein Vergewaltiger? In: emma.de . 30. Oktober 2017, abgerufen am 11. November 2017.
  17. Accusations de viols : Tariq Ramadan place en garde a vue. In: www.leparisien.fr. 31. Januar 2018, abgerufen am 31. Januar 2018 (franzosisch).
  18. ?C'est la campagne #BalanceTonPorc qui m'a poussee“, raconte Henda Ayari, premiere femme a avoir porte plainte contre Ramadan . In: The Huffington Post . 30. Oktober 2017.
  19. Cecile Deffontaines: Henda Ayari, ex-salafiste franco-tunisienne, porte plainte contre Tariq Ramadan pour viol . In: L’Obs . 20. Oktober 2017.
  20. Stephane Kovacs: Henda Ayari, l'accusatrice de Tariq Ramadan, cible de cyber-harceleurs . In: Le Figaro . 8. November 2017, abgerufen am 11. November 2017.
  21. Rape claims hit Islam scholar Tariq Ramadan in France . In: BBC . 30. Oktober 2017.
  22. Angelique Chrisafis: Feminist campaigner accuses Oxford professor of rape. In: The Guardian , 22. Oktober 2017.
  23. Henda Ayari: ?Chaque femme doit trouver le courage de prendre la parole comme j’ai ose le faire“ . In: Le Monde . 30. Oktober 2017.
  24. Thomas Pany: Schwere Vorwurfe gegen Tariq Ramadan . In: telepolis . 30. Oktober 2017.
  25. Sylvie Kauffmann: A Toxic Mix: Sex, Religion and Hypocrisy . In: New York Times . 13. November 2017, abgerufen am 16. November 2017.
  26. Jean-Michel Decugis: Insultee et menacee, l’accusatrice de Tariq Ramadan porte plainte . In: Le Parisien . 21. November 2017.