Heinrich August Wilhelm Stolze

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Franz Xaver Gabelsberger (links) und Wilhelm Stolze

Heinrich August Wilhelm Stolze (* 20. Mai 1798 in Berlin ; † 8. Januar 1867 ebenda) war ein deutscher Stenograf.

Die heute in der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich amtliche Deutsche Einheitskurzschrift hat Wilhelm Stolze neben Franz Xaver Gabelsberger zum Stammvater. Noch starker wirkt seine Arbeit im Einigungssystem Stolze-Schrey nach, das die Stenografen der deutschsprachigen Schweiz als Einheitssystem gewahlt haben.

Leben und Wirken

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Heinrich August Wilhelm Stolze

Wilhelm Stolze erfand in den Jahren 1838 bis 1840 das erste streng wissenschaftliche Verfahren der Kurzschrift (Stenografie) fur die deutsche Sprache . Nach Franz Xaver Gabelsbergers Durchbruch zwischen 1817 und 1834/1849 zur selbststandigen deutschen Schnellschreibkunst oder ? kursiven Stenografie“ (gegenuber der alteren ? geometrischen “ englisch-franzosischen), mit der erstmals die zahlreichen Mitlautverbindungen und Besonderheiten der deutschen Sprache zufriedenstellend bewaltigt worden waren, und Gabelsbergers anschließendem Siegeszug durch die suddeutschen , habsburgischen und wettinischen Staaten erschloss demgegenuber Stolzes anspruchsvolleres, ja akkurates, jedoch zunehmend schwergewichtiges Verfahren zuerst Preußen , dann Norddeutschland und die Schweiz fur das neuere Kurzschriftwesen. Kraft seiner umfassenden Rucksichten auf sprachkundliche Richtigkeit und jederzeitige Verlasslichkeit der Laut-, ja rechtschreiblichen Schriftbezeichnungen (Grundsatze, die Preußen sich, in Abgrenzung gegen die suddeutschen Staaten, zu eigen machte) stoppte Stolze die Ausbreitung der leichtfußigeren Gabelsbergerschen ?Redezeichenkunst“ uber ganz Deutschland und trug damit ausschlaggebend zur jahrzehntelangen Fortsetzung des Ringens um immer neue Kurzschriftfortschritte im deutschen Sprachraum bei, wenngleich alle spateren Systeme an Einfluss und Verbreitung weit hinter dem Gabelsbergerschen bzw. Stolzeschen zuruckbleiben sollten. Stolzes Schriftgedanken sind nach denen Gabelsbergers der Hauptquell, aus dem sich die heutige Deutsche Einheitskurzschrift (amtlich 1924, vereinfacht 1936 und 1968) speist.

Als Sohn eines Schuhmachermeisters war Stolze in armlichen Verhaltnissen aufgewachsen. In der Hoffnung, Pfarrer werden zu konnen, besuchte er ab 1809 das Joachimsthalsche Gymnasium zu Berlin und schloss mit Erfolg ab; Geldnot aber versperrte ihm den Hochschulzugang, und so musste er ab 1817 seinen Lebensunterhalt als Angestellter in der Berliner Feuerversicherungsgesellschaft erarbeiten. Bereits 1819 indes begann er mit seinen eingehenden Vorarbeiten zu einer neuen deutschen Kurzschriftlehre. 1835 schied er aus seiner Anstellung und erhielt sich einige Jahre hindurch als selbstandiger Geschaftsmann, wobei er damals jedoch schon seit langerem nebenher als Hauslehrer Altgriechisch und Latein sowie neuere Sprachen ( Franzosisch , Englisch u. a.) unterrichtete. Nach eigenen Angaben 1838 endlich auf seine Losung der Schwierigkeiten der Bezeichnung inlautender Selbstlaute in deutschen Stammwortern gekommen ? von wo aus er sein Verfahren nun von Grund auf neu gestaltete ?, widmete er sich bis 1840 ausschließlich dessen Ausarbeitung. Dabei schloss er sich in Anschauung und Behandlung des Gegenstands aufs engste an die Einsichten von Karl Ferdinand Beckers idealischer deutscher Laut- und Wortbildungslehre an (im Gegensatz zu Grimms und Humboldts mehr geschichtlicher Sprachkunde). Zum Druck seines Theoretisch-practischen Lehrbuchs der deutschen Stenographie fur hohere Schulen und zum Selbstunterricht, nach einer neuen Methode, welche Kurze und Vollstandigkeit der Bezeichnungen miteinander verbindet verhalf ihm schließlich 1841 ein Sonder-Zuschuss des preußischen Unterrichtsministeriums.

Stolzes Schnell- (oder ?Eng-“) Schreib-Verfahren hatte entscheidende Anstoße aus Gabelsbergers zuerst 1834 veroffentlichter ≫Anleitung zur deutschen Redezeichenkunst≪ empfangen, im Unterschied zu jenem hatte jedoch Stolze sich vor der Festlegung seiner eigenen Grundsatze jahrelang mit allen uberhaupt geschichtlich bekannten Kurzschriftsystemen aus Altertum, Mittelalter und Neuzeit aufs eingehendste auseinandergesetzt. Sein idealischer Beckerscher Ansatz, umsichtig um Grimmsche und Humboldtsche Anschauungen und Einsichten erganzt, gewann seiner Schrift durch erschopfende wortkundliche Unterscheidungen hohen sprachwissenschaftlichen Gehalt, bewirkte indes zugleich eine großere Schwerfalligkeit als in der Schrift Gabelsbergers; letzteres machte Stolze einerseits durch eine Vermehrung seiner Kurzelzeichen fur Endungen, Vor- und Nach- und Stamm-Silben auf beinahe 1000 Stuck ? deren Einsatz ihn und seine Schuler indes bald zum Mitschreiben auch der fluchtigsten Reden und Wortwechsel befahigte ?, zum anderen aber durch deren vorschriftsmaßige Festlegung und abschließende Auflistung wett, was sein Verfahren dementsprechend nur noch schwieriger in solch ausgesprochener Bestimmtheit einhaltbar sein ließ. Wilhelm Stolze stellte auch eine Abbreviaturschrift vor (Naheres siehe dort).

Stolzes Absicht, seine Schrift breitesten Benutzerkreisen als allgemeine Geschafts- und Gelegenheitsschrift an die Hand zu geben, ja mit ihr sogar die bisher ubliche Schreibschrift allmahlich zu ersetzen, scheiterte so an der Last der Schwierigkeiten, die er, hoheren sprachkundlichen Aufschlussen sowie seiner vorbildlichen Gewissenhaftigkeit in der Genauigkeit lautlicher und rechtschreiblicher Bezeichnung zuliebe, seiner Erfindung auflud. Weder breitere Bevolkerungsschichten noch allgemeine Lehranstalten nahmen sie an; Stenografen vom Fach hingegen leistete sie tadellose Dienste. 1844 schloss sich um ihn und seine Junger Karl Gottlob Kreßler und Agathon Jaquet Berlins erster Kurzschriftverein, und 1845 begann Stolzes vereinfachte Anleitung zur deutschen Stenographie breitere Kreise anzusprechen. Ihre Auflage uberschritt noch zu Lebzeiten weit die Zehntausend, spater, nach durchgreifenden Beschneidungen des Systems durch seinen Sohn und Nachfolger Franz Stolze 1872, nahte sie der Hunderttausend. 1847 erstand das Stenographische Bureau beim Preußischen Landtag , das Stolze kurzzeitig entließ; seit 1848 war er jedoch dessen unangefochtenes Schulhaupt, und das ?Bureau“ hielt spater selbst uber die Vereinfachungen seines Sohnes 1872 hinweg mit treuer Beharrung an Wilhelm Stolzes ursprunglichen Schriftgrundsatzen fest. Stolze starb ein Jahr nach der 25-Jahr-Feier des Bestehens seiner Methode 68-jahrig als Begrunder eines der beiden Hauptstrome deutscher Schnellschreibkunst, dem schon damals Zehntausende anhingen.

Sein Grab findet sich auf dem evangelischen Dom-Friedhof I in Berlin-Mitte , Liesenstraße 8, im Feld 3, G3.

Seit 1898 tragt eine Straße im Berliner Stadtteil Friedrichshain den Namen Wilhelm Stolzes, [1] wie auch nach Gabelsberger und Heinrich Roller in Berlin Straßen benannt wurden.

Veroffentlichungen

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Außerdem Lesebucher in stenografischer Schrift, Zeitschriftenaufsatze im Blatt des Berliner Centralvereins u. v. a. m.

u. v. a. m.

Einzelnachweise

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  1. Wilhelm-Stolze-Straße. In: Straßennamenlexikon des Luisenstadtischen Bildungsvereins (beim  Kaupert )