Hattie-Studie

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Die sogenannte Hattie-Studie bezeichnet eine vom neuseelandischen Bildungsforscher John Hattie erstellte Studie zum Themenfeld ? Schulunterricht “, die international Beachtung gefunden hat. Die besagte Studie beinhaltet eine Zusammenfuhrung der Ergebnisse von uber 800 Metaanalysen , welche in der Zeit vor ihrer Veroffentlichung aus schulischen Lernstandserhebungen gewonnen wurden, die Hattie im Jahre 2009 in seinem Buch Visible Learning der Fachwelt schließlich prasentierte. Er stellte Einflussfaktoren auf Schulerleistungen zusammen und legte dar, dass es weiterhin stark auf die Lehrperson ankomme, ob Schuler in der Schule erfolgreich sind.

Rezeption im deutschsprachigen Raum und Ubersetzung ins Deutsche

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Die Erkenntnisse werden bundesweit in den Fortbildungseinrichtungen der Bildungsministerien rezipiert, so z. B. im hessischen Amt fur Lehrerbildung . [1] Bildungsminister Mathias Brodkorb kundigte im Oktober 2014 an, allen Lehrern in Mecklenburg-Vorpommern eine von Klaus Zierer im Auftrag des Schweriner Bildungsministeriums [2] verfasste Kurzfassung der Hattie-Studie zukommen zu lassen. [3] Diese erschien unter dem Titel Hattie fur gestresste Lehrer und ist mittlerweile auch als eigenstandige Publikation erhaltlich. [4]

Intensiver haben sich mit der Hattie-Studie Inez De Florio-Hansen [5] und Olaf Koller [6] auseinandergesetzt. Auch der Padagoge Ewald Terhart hat sich damit befasst. [7] Die Studie wurde auch von fuhrenden deutschen Padagogen der empirischen Richtung wie Eckhard Klieme und Andreas Helmke zur Kenntnis genommen. [8] [9] [10]

Im April 2013 erschien die deutschsprachige Ausgabe von Visible Learning unter dem Titel Lernen sichtbar machen und im Januar 2014 erschien die deutschsprachige Ausgabe von Visible Learning for Teachers unter dem Titel Lernen sichtbar machen fur Lehrpersonen . Die Ubersetzung besorgte Klaus Zierer zusammen mit Wolfgang Beywl .

In seinen jungsten Arbeiten widmet Hattie sich verstarkt der Frage, wie das Denken von Lehrpersonen Einfluss auf das Lernen von Schulerinnen und Schulern hat. So setzte sich die jahrlich stattfindende Visible Learning Conference [11] mit diesem Thema auseinander und 2017 erschien dazu in Zusammenarbeit mit Klaus Zierer Ten Mindframes for Visible Learning: Teaching for success , [12] das bereits 2016 auf Deutsch unter dem Titel Kenne deinen Einfluss! ?Visible Learning“ fur die Unterrichtspraxis [13] erschienen ist.

Inez De Florio-Hansen kritisiert, dass Hattie sich bewusst auf messbare kognitive Faktoren beschrankt, d. h. nicht messbare affektive sowie soziale Aspekte unberucksichtigt lasst und keine Gewichtung der ermittelten 138 Faktoren vornimmt. [14] So geht der Faktor ?Geburtsgewicht“ in gleicher Weise in die Auflistung ein wie ?herausfordernde Ziele“ oder ?kooperatives Lernen“. Hattie weist darauf hin, dass affektive und soziale Aspekte sogar wichtiger sein konnen als die von ihm angefuhrten Faktoren, erstere jedoch nicht in seinem Blickfeld liegen (so in Visible learning . London, New York 2009). [15] Andreas Helmke steht dem geaußerten Vorwurf ablehnend gegenuber und gibt zu bedenken, dass eine Hinzuziehung schwer messbarer weiterer Bildungsziele (bspw. ?Hilfsbereitschaft, Empathie, Mitleid, Teamfahigkeit“ usf.) zwar fur kunftige Unterrichtsforschungen zu begrußen ware, dies allerdings mit einem betrachtlichen Mehraufwand einhergehe. Hattie selbst habe sich mit jener Problematik zudem wiederholt in seinem Werk auseinandergesetzt. [16] Im Jahre 2014 machten Rolf Schulmeister und Jorn Loviscach anhand von Stichproben auf sachliche, methodische und statistische Fehler in der Hattie-Studie aufmerksam. [17]

Benedikt Wisniewski bemangelte bis zur 2. Auflage seines Buches ?Psychologie fur die Lehrerbildung“, dass die Rezeption der Hattie-Metaanalyse derzeit durch starke Vereinfachungen sowie unzureichende forschungsmethodische Kenntnisse konkurrierender Bildungsforscher gepragt sei. [18] In der 3. Auflage ist dieser Kritikpunkt jedoch nicht mehr enthalten.

Olaf Koller weist darauf hin, dass Hatties Buch ?Visible Learning“ ein vielgestaltiges Echo hervorrief; so habe man es von Seiten der Bildungsforschung einerseits zur Bestatigung eigener Ansichten herangezogen, andererseits aber auch auf Grund vorgefundener Defizite als unbrauchbar abgelehnt. Demgegenuber gibt Koller zu bedenken, dass Hatties Aussagen zur Unterrichtswirksamkeit von unabhangigen ?Primarstudien“ und ?uberblicksartigen Sammlungen von Forschungsergebnissen“ in der Regel geteilt werden. [19] Hattie merkt selbstkritisch an, dass im Falle von Meta-Analysen die Gefahr bestehe, Wirkungszusammenhange abzuleiten und diese nicht ausreichend zu erklaren, weshalb er in seinem Buch verstarkt die Entwicklung einer evidenzbasierten Erklarung beabsichtige: ?Meine Aufgabe sehe ich darin, eine Folge von Thesen mit hohem Erklarungswert vorzustellen, die viele (anfechtbare) Vermutungen enthalten.“ [20]

Primarliteratur :

  • John Hattie: Visible learning . Routledge, London, New York 2009, ISBN 978-0-415-47618-8 .
  • John Hattie: Visible learning for teachers . Routledge, London / New York 2012, ISBN 978-0-415-69015-7 .
  • John Hattie: Lernen sichtbar machen . Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2013, ISBN 978-3-8340-1190-9 .
  • John Hattie: Lernen sichtbar machen . Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2015, ISBN 978-3-8340-1450-4 .
  • John Hattie: Lernen sichtbar machen fur Lehrpersonen . Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2014, ISBN 978-3-8340-1300-2 .
  • John Hattie: Visible learning into Action: : International Case Studies of Impact . Routledge, London / New York 2015, ISBN 978-1-138-64229-4 .
  • John Hattie, Klaus Zierer: Kenne deinen Einfluss! ?Visible Learning“ fur die Unterrichtspraxis. Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2016, ISBN 978-3-8340-1650-8 .

Sekundarliteratur :

  • Ewald Terhart (Hrsg.): Die Hattie-Studie in der Diskussion: Probleme sichtbar machen. (= Bildung kontrovers) 2. Aufl., Klett/Kallmeyer, Seelze 2014, ISBN 978-3-7800-4804-2 .

Einzelnachweise

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  1. Amt fur Lehrerbildung (Hrsg.): Bildung bewegt. Nr. 13, Juni 2011 ( lehrkraefteakademie.hessen.de ( Memento vom 8. August 2021 im Internet Archive ) PDF; 3,23 MB)
  2. svz.de
  3. welt.de
  4. Vergleiche den Nachweis im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  5. Inez De Florio-Hansen: Lernwirksamer Unterricht. Eine praxisorientierte Anleitung . Wissenschaftliche Buchgesellschaft (BG), Darmstadt 2014, ISBN 978-3-534-26379-0 , S. 28?37.
  6. Vgl. Olaf Koller: ?What works best in school? Hatties Befunde zu Effekten von Schul- und Unterrichtsvariablen auf Schulleistungen“. In: Ewald Terhart (Hrsg.): Die Hattie-Studie in der Diskussion. Klett/Kallmeyer, Seelze 2. Auflage 2014, ISBN 978-3-7800-4804-2 , S. 24?37.
  7. Ewald Terhart: Der Heilige Gral der Schul- und Unterrichtsforschung ? Gefunden? : Eine Auseinandersetzung mit ?Visible Learning‘. In: ders. (Hrsg.): Die Hattie-Studie in der Diskussion: Probleme sichtbar machen. (= Bildung kontrovers) 2. Aufl., Klett/Kallmeyer, Seelze 2014, ISBN 978-3-7800-4804-2 , S. 10?23.
  8. Martin Spiewak : Hattie-Studie: Ich bin superwichtig! In: DIE ZEIT . Nr.   2 , 3. Januar 2013 ( zeit.de ).
  9. Birgit Schutze, Katrin Rakoczy, Eckhard Klieme, Michael Besser, Dominik Leiss: Training effects on teachers' feedback practice: The mediating function of feedback knowledge and the moderating role of self-efficacy. In: ZDM ? Zentralblatt fur Didaktik der Mathematik: the international journal on mathematics education. ( ISSN   1863-9704 ) Bd. 49, H. 3 (2017), S. 475?489.
  10. Andreas Helmke: Unterrichtsqualitat und Lehrerprofessionalitat: Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. 6. aktualis. Aufl., Klett/Kallmeyer, Seelze-Verlber 2015, ISBN 978-3-7800-1009-4 , S. 282 f.
  11. 2016 Annual Visible Learning Conference ? Cvent | Online Registration by Cvent. Abgerufen am 30. Januar 2017 .
  12. John Hattie, Klaus Zierer: Ten Mindframes For Visible Learning: Teaching for success . Routledge, Abingdon, Oxon; New York 2017, ISBN 978-1-138-63552-4 .
  13. John Hattie, Klaus Zierer: Kenne deinen Einfluss!: Visible Learning fur die Unterrichtspraxis . 1. Auflage. Schneider Hohengehren, 2016, ISBN 978-3-8340-1650-8 .
  14. Inez De Florio-Hansen: Lernwirksamer Unterricht. Eine praxisorientierte Anleitung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft (BG), Darmstadt 2014, ISBN 978-3-534-26379-0 , S. 28.
  15. Inez De Florio-Hansen: Lernwirksamer Unterricht. Eine praxisorientierte Anleitung . Wissenschaftliche Buchgesellschaft (BG), Darmstadt 2014, ISBN 978-3-534-26379-0 , S. 29?37.
  16. Vgl. Andreas Helmke: Interview mit Prof. Dr. Andreas Helmke zur Hattie-Studie (16. Oktober 2017). In: Lehren und Lernen. Zeitschrift fur Schule und Innovation aus Baden-Wurttemberg. Hattie-Studie. Vorabdruck der Ausgabe 7/2013, 39. Jahrgang. S. 13.
  17. Rolf Schulmeister, Jorn Loviscach: Fehler in John Hatties ?sichtbarem Lernen“ , abgerufen am 23. Marz 2019.
  18. Vgl. Benedikt Wisniewski: Psychologie fur die Lehrerbildung. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2. Auflage 2016, S. 256
  19. Vgl. Olaf Koller: ?What works best in school? Hatties Befunde zu Effekten von Schul- und Unterrichtsvariablen auf Schulleistungen“. In: Die Hattie-Studie in der Diskussion. Klett/Kallmeyer, Seelze 2. Auflage 2014, ISBN 978-3-7800-4804-2 . S. 24 f.
  20. John Hattie: Lernen sichtbar machen. Schneider Verlag Hohengehren, Baltmannsweiler 2015, ISBN 978-3-8340-1450-4 . S. 279 f.