Harpedonapten

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Harpedonapten (griechisch: ?Seilspanner“; Zusammensetzung aus harpedona = Seil und hapto = anfassen, anknupfen) waren die Feldvermesser im alten Agypten . Sie allein waren zustandig fur die Bestimmung von Winkeln und vermaßen Bauwerke und Grundstucke im Auftrag des Pharaos . [1]

Ihr Hauptmessinstrument war die Zwolfknotenschnur . Mit ihr wurde die Bestimmung von Langen und Winkeln vorgenommen. Die Winkelmessung erfolgte durch Ruckfuhrung auf eine Langenmessung.

Ursache fur die Tatigkeit

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Darstellung der regelmaßigen Feldvermessung (Luxor, etwa 1400?1352 v. Chr.)

?In Agypten war das Meßwesen stark vom Nil beeinflußt, da nach den jahrlichen Uberschwemmungen alles Ackerland neu vermessen werden mußte. Die Feldmeßkunst war daher hoch entwickelt und ebenso wie die Wasserstandsmessung des Nils außerst wichtig.“ [2] Die Vermessungen waren die Grundlage fur die Erhebung der Grundsteuer.

Die Schnure der Harpedonapten

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Fur die Bestimmung von Winkeln verwendeten die Harpedonapten geschlossene (Ring-)Schnure verschiedener Lange. [3] [4] Die drei grundlegenden Schnure hatten die Langen 12 Meh (lange Schnur) gleich 84 Shep, 72 Shep oder Schesep (mittlere Schnur), und 60 Shep (kurze Schnur). Die mittlere Schnur hat die Lange von 12 kleinen Ellen (12 × 6/7 Meh). Entsprechend der Teilung einer Shep (Handbreite) in 4 Djeba (Finger) wurden die drei grundlegenden Schnure bei Bedarf noch proportional verkleinert. Die lange Schnur ist in Abschnitte zu 7 Shep aufgeteilt. Die mittlere Schnur ist in Abschnitte zu 6 Shep und die kurze Schnur zu 5 Shep aufgeteilt. Der Abschnitt von 5 Shep bei der kurzen Schnur ist die Lange des Remen . Mit diesen Schnuren bestimmten die Harpedonapten alle Winkel der agyptischen Welt. Die Schnure basieren auf dem pythagoreischen Tripel 3 : 4 : 5. Durch Verlangerung der kurzen Schnur auf eine Lange von 70 Shep (10 Meh) erhielten sie die weitere Moglichkeit der Aufspannung des pythagoreischen Tripels 20 : 21 : 29. Wie bei der kurzen Schnur wird die Kathete mit 20 Schep dabei senkrecht aufgespannt. Diese Aufspannung ist der direkte Ubergang zwischen diesen beiden pythagoreischen Tripeln.

Fur die Bestimmung von rechten Winkeln in horizontaler Lage vermutet Mark Lehner die Verwendung einer dreieckigen Abmessung mit einer Lange von 84 Konigsellen (43,9824 m). [5] Er begrundet dies mit dem Fund von Pfostenlochern mit dem Durchschnittsabstand von 7 Konigsellen entlang der Seiten der Cheops-Pyramide. Lehner vergleicht dabei die Methoden zur Feldmessung des rechten Winkels. Die vermutete Konstruktion mit dem 3:4:5-Dreieck erreicht dabei die notwendige Prazision. Bei einer Konstruktion durch Kreisbogen werden Zweifel angemeldet. Weder der Abstand und die Lage der Pfostenlocher noch die erzielbare Prazision bestatigen eine Konstruktion des rechten Winkels durch Kreisbogen.

Die Seilprufung

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Zu Beginn der Messung wurde das Messseil auf Korrektheit gepruft. Das ist gleichzeitig das Symbol fur den Baubeginn. Diese Prufung wird in vielen Darstellungen als gemeinsame Handlung des Pharaos und der Weisheitsgottin Seschat dargestellt. Dabei wird das Messseil als Schleife zwischen zwei Schlagstocken ( Dreschflegel ) gespannt. Bei der langen Schnur muss der Abstand zwischen den Schlagstocken daher genau 6 Meh betragen. An den Stellen der Schlagstocke werden auf der Schnur Markierungen angebracht. Der Abstand dieser Markierungen wird zur Basislange (3 Meh) halbiert. Eine der Markierungen bildet den Eckpunkt des rechten Winkels bei der Aufspannung als pythagoreische Tripel. Auf den Darstellungen der Seilprufung wurden leider bisher diese Markierungen am Seil noch nicht erkannt, daher ist die Spannung des Seiles als Schleife nur ein Indiz fur die Existenz der Zwolfknotenschnure im alten Reich. [6] Am Messseil der Seilprufung sind keine physischen Knoten dargestellt. Knoten zur Einteilung des Seils sind auch nicht notwendig. Die Bezeichnung der Markierungen als Knoten entstand erst spater.

Die ?Schleifenprufung“ ist eine Prufung der Zwolfknotenschnur (zur Bestimmung des rechten Winkels) auf korrekte Lange und keine Messung am Bauwerk. Die Seilprufung ist die Eichung der Zwolfknotenschnur.

Die Erfindung des Merchet

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Das Merchet ( mr?.t ) ist ein Messgerat zur Messung von alt-agyptischen Boschungswinkeln. Seine Existenz ist durch eine entsprechende Hieroglyphe bekannt. Beim Merchet wird die kurze Kathete der Messschnur durch eine horizontale Holzleiste und die lange Kathete durch ein senkrecht herunterhangendes Lot ersetzt. Das Schnurteil der Hypotenuse entfallt. Ein Merchet auf Grundlage der kurzen Schnur hat eine Holzleiste von 42 Shep. Die Halfte der Leiste ist mit der Maßeinteilung in Shep versehen. An dem Ende der Leiste mit Einteilung ist das Lot mit einer genauen Lange von 20 Shep befestigt. Die Halfte der Leiste ohne Einteilung dient zur Auflage auf der oberen Ebene der Boschung. Zur sauberen Messung ist die horizontale Lage der Leiste einzuhalten. Durch Verschiebung der Leiste wird nun der agyptische Boschungswinkel mit Ablesung an der oberen Boschungskante ermittelt. Das Merchet ist eine Weiterentwicklung der Erkenntnisse aus der Praxis mit den Schnuren der Harpedonapten. [7]

Die Arbeitsweise der Harpedonapten

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Fur die Festlegung von Winkeln gab es im alten Agypten zwei Methoden. Die erste Methode war die Messung des Rucksprunges auf eine rechtwinklige (Gegenkathete) Konigselle. Die Maßeinheit dieser Winkel wurde Seked genannt. Diese Methode ist die Normierung der Winkel und wurde mehr von hoheren Priestern verwendet. Die zweite Methode verwendeten die Praktiker. Sie hielten sich an ihre Messschnure (oder das Merchet) und benutzten die Methode des Zuschlages oder Abzuges zur Grundlinie der als rechtwinkliges Dreieck aufgespannten Messschnur. [8] Fur die Bestimmung von Winkeln kleiner 45° wurde die Messschnur mit der langen Kathete und fur Winkel ab 45° mit der kurzen Kathete als Grundlinie aufgespannt. Es gibt aber auch Falle mit inverser Aufspannung der Messschnur. Beide Methoden verwenden die Gegenkathete (Hohe) als Bezugsstrecke. Heute wird in der Mathematik ublicherweise auf die Ankathete normiert z. B. Steigungsangaben auf Verkehrszeichen. [9]

Beispiel Boschungswinkel der Cheops-Pyramide : Verwendung der langen Schnur. Die Kathete mit 21 Shep (kurze Kathete) wird als Grundlinie aufgespannt. Es erfolgt der Zuschlag von einer Hand (1 Shep) zur Grundlinie. Der Winkel betragt 21 plus 1 Shep. In normierter Schreibweise in Agyptischer Zahlschrift sind es Seked.

Beispiel Boschungswinkel der Mykerinos-Pyramide : Verwendung der kurzen Schnur. Die Kathete mit 15 Shep (kurze Kathete) wird als Grundlinie aufgespannt. Es erfolgt der Zuschlag von einer Hand (1 Shep) zur Grundlinie. Der Winkel betragt 15 plus 1 Shep. In normierter Schreibweise sind es Seked.

Beispiel Boschungswinkel der Chephren-Pyramide : Alle Schnure sind moglich. Es erfolgt kein Zuschlag oder Abzug. Der Winkel betragt 21 Shep bei langer Schnur. In normierter Schreibweise sind es Seked.

Beispiel Boschungswinkel der Roten Pyramide : Verwendung der kurzen Schnur. Die Kathete mit 15 Shep (kurze Kathete) wird als Grundlinie aufgespannt. Es erfolgt der Zuschlag von 6 Handen (6 Shep) zur Grundlinie. Der Winkel betragt 15 plus 6 Shep. Oder man verwendet die 10 Meh Schnur. Die Kathete mit 21 Shep (lange Kathete) wird als Grundlinie aufgespannt. Es erfolgt kein Zuschlag oder Abzug. Der Winkel betragt 21 Shep. Die Verlangerung der kurzen Schnur zur 10 Meh-Schnur ist der direkte Ubergang zum pythagoreischen Tripel 20 : 21 : 29. In normierter Schreibweise sind es Seked. Der Winkel der Roten Pyramide hat mehr als 7 Seked und damit weniger als 45°.

Abweichungen zur Bauausfuhrung der Pyramiden:

  • Cheops: Abweichung (heute) nicht mehr feststellbar; Abweichung kleiner 0,001° zur angegebenen Neigung der Pyramide.
  • Mykerinos: Abweichung (heute) nicht mehr feststellbar; Abweichung kleiner 0,001° zur angegebenen Neigung der Pyramide.
  • Chephren: 0,037°
  • Snofru, Rote Pyramide in Dahschur Nord: Abweichung kleiner 0,0003°. Durch den weichen Untergrund kam es bei der Roten Pyramide schon wahrend der Bauzeit zu Setzungen im Bauwerk. Das fuhrte auch zu einer Veranderung des gebauten Boschungswinkels. Zum Ausgleich baute man etwas steiler weiter. Der Boschungswinkel ist daher nicht konstant. ?Die Schichten der Pyramidenseiten sind konkav ausgefuhrt.“ [10] .
  • Solomon Gandz: Die Harpedonapten oder Seilspanner und Seilknupfer. In: O. Neugebauer, Julius Stenzel, Otto Toeplitz (Hrsg.): Quellen und Studien zur Geschichte der Mathematik. Band 1, Heft 3, Springer-Verlag, 1930, S. 255?277.
  • Moritz Cantor : Vorlesungen uber die Geschichte der Mathematik. Erster Band. Von den altesten Zeiten bis zum Jahre 1200 n. Chr. 2. Auflage. B.G. Teubner, Leipzig 1894, S. 64.
  • Moritz Cantor: Uber die alteste indische Mathematik. Archiv der Mathematik und Physik. 3. Reihe, Band 8 (1905) S. 63?72

Einzelnachweise

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  1. Seile spannen fur rechte Winkel. In: FOCUS-SCHULE Nr. 3 (2008). Abgerufen am 25. November 2016 .
  2. Wolfgang Trapp : Kleines Handbuch der Maße, Zahlen, Gewichte und der Zeitrechnung. Komet, Frechen 1998, ISBN 3-89836-198-5 , S. 18.
  3. Robillard, Walter G.; Wilson, Donald A.; Brown, Curtis M.; Eldridge, Winfield: Evidence and Procedures for Boundary Location . John Wiley & Sons, 2011, ISBN 978-0-470-90160-1 , S.   282 .
  4. Frank Muller-Romer: Der Bau der Pyramiden im Alten Agypten . Utz, Munchen 2011, ISBN 978-3-8316-4069-0 , Einhalten der festgelegten Neigung der Seitenflachen der Pyramide, S.   133 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  5. Mark Lehner: Geheimnis der Pyramiden. Bassermann, Munchen 2004, ISBN 3-8094-1722-X , S. 213.
  6. Helmut Minow : Messwerkzeuge und Langenmaße im Alten Agypten (=  Vermessung, Photogrammetrie, Kulturtechnik : VPK = Mensuration, photogrammetrie, genie rural . Band   99 ). 2001, S.   242?247 ( [1] [PDF; 5,2   MB ; abgerufen am 24. November 2021]).
  7. Egyptian merkhet | Science Museum Group Collection. Abgerufen am 8. Marz 2023 (englisch).
  8. Hermann Alois Baum: Schlusselfragen großer Philosophen. Band 2: In 25 neuen Geschichten entschlusselt. LIT, Berlin/Munster 2018, ISBN 978-3-643-13999-3 , S. 12 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Anne Rooney: Geschichte der Mathematik, Seite 83
  10. Frank Muller-Romer: Der Bau der Pyramiden im Alten Agypten Utz, Munchen 2011, ISBN 978-3-8316-4069-0 , S. 165.