Harold Wilson

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Harold Wilson (1967)

James Harold Wilson, Baron Wilson of Rievaulx K.G. (* 11. Marz 1916 in Huddersfield , Yorkshire ; † 24. Mai 1995 in London ) war ein britischer Politiker der Labour Party . Von Oktober 1964 bis Juni 1970 sowie von Marz 1974 bis Marz 1976 war er Premierminister des Vereinigten Konigreichs.

Wilson ist der einzige Labour-Parteichef, der nach vier Unterhauswahlen eine Labour-Regierung bilden konnte. Weil die Regierung, die aus der Unterhauswahl Ende Februar 1974 hervorging, nur eine Minderheitsregierung war (Labour gewann zwar mehr Parlamentssitze als alle anderen Parteien, es reichte aber nicht fur eine absolute Mehrheit), ist er zusammen mit Tony Blair auch der einzige Labour-Parteichef, der nach drei Unterhauswahlen Labour-Mehrheitsregierungen bilden konnte.

Biografie [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Harold Wilson wurde im Jahre 1916 geboren, im gleichen Jahr wie sein Gegenspieler Edward Heath . Er studierte Wirtschaftswissenschaften in Oxford , wo er sein Interesse fur Politik entdeckte. Nachdem er wahrend des Zweiten Weltkriegs als Beamter gedient hatte, wurde er 1945 als Abgeordneter des Wahlkreises Ormskirk ins britische Unterhaus gewahlt. Nach einer Wahlkreisreform im Jahre 1950 reprasentierte er den Wahlkreis Huyton bei Liverpool .

Minister und Mitglied des Schattenkabinetts [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Gleich nach seiner Wahl wurde er ins Kabinett Clement Attlees berufen und war damit jungster Minister aller Zeiten. Er trat 1951 zuruck, aus Protest uber die Einfuhrung von Gebuhren im ansonsten kostenlosen britischen Gesundheitssystem , dem 1948 geschaffenen National Health Service .

Der Rucktritt wurde ihm nicht nachgetragen; er wurde kurz darauf als potentieller Finanzminister ins Schattenkabinett berufen, aber Churchill gewann die Unterhauswahl im Oktober 1951 und eine 13-jahrige Ara konservativer Regierungen begann. 1956 pragte Wilson den Begriff der Gnomen von Zurich und meinte damit gewisse Schweizer Bankiers , welche mit Spekulationen den Kurs des britischen Pfunds druckten ? das Vereinigte Konigreich hatte damals ein großes Zahlungsbilanzdefizit. [1]

1960 versuchte er erfolglos, den Parteivorsitz zu ubernehmen. Als Hugh Gaitskell , der Vorsitzende der Labour Party , am 18. Januar 1963 uberraschend starb, wurde Wilson zu seinem Nachfolger gewahlt, obwohl Teile der Partei ihn als Opportunisten und Trickser betrachteten und ihn daher ablehnten. Der hochrangige Labour-Politiker Anthony Crosland bezeichnet die interne Entscheidung zwischen Wilson und George Brown als Wahl ?zwischen einem Gauner und einem Saufer“ (Brown wurde ein Alkoholproblem nachgesagt). [2]

Erste Amtszeit als Premierminister [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Labour Party gewann am 16. Oktober 1964 die Parlamentswahlen mit einer Mehrheit von nur 5 Sitzen und Wilson wurde Premierminister. Nach einer kurzen, aber erfolgreichen Amtsperiode gewann Labour die Unterhauswahlen am 31. Marz 1966 mit einer komfortablen Mehrheit von 99 Sitzen (Wilson hatte vorgezogene Wahlen herbeigefuhrt; ein im politischen System des Vereinigten Konigreichs ubliches Procedere). Wilson war bald bekannt dafur, in der Offentlichkeit Pfeife zu rauchen und seine Ferien stets auf den Scilly-Inseln zu verbringen. Seine Gegner warfen ihm Verschlagenheit vor. Er stemmte sich jahrelang gegen die Abwertung des Pfunds (damals gab es das Bretton-Woods-System , ein System mit Wechselkursbandbreiten ). Als er dann schließlich gezwungen war, diese Maßnahme zu treffen, prasentierte er dies in den Medien als Erfolg.

In Wilsons erster Amtszeit grundete die Regierung eine Reihe neuer Universitaten, nach dem damals modernen Architekturstil plate-glass universities (?Flachglas-Universitaten“) genannt, darunter z. B. die University of Kent , University of Warwick und University of Bath . Wilson selbst nannte diese scherzhaft “the Baedeker universities”, weil sie uberwiegend in (bzw. in der Nahe von) historischen Stadten in vergleichsweise wohlhabenden Gegenden errichtet wurden. [3] In der University of Bradford , die 1966 von einer Technischen Hochschule zur Universitat erhoben wurde, fungierte Wilson von 1966 bis 1985 als Kanzler . Zudem grundete die Regierung Wilson 1969 die Open University , eine zulassungsfreie Fernuniversitat. Im Sekundarschulwesen trieb Wilson die Comprehensive School (Gesamtschule) voran. Der Anteil der Kinder, die diesen Schultypus besuchten, stieg zwischen 1966 und 1970 von 10 auf 30 Prozent. Allerdings wollte Wilson nach eigener Aussage die gehobenen Grammar Schools nicht abschaffen, sondern bewarb die Comprehensive Schools als ?Grammar Schools fur alle“. [4]

Ein weiteres wichtiges Thema in Wilsons erster Amtszeit war der Wohnungsbau. Von 1965 bis 1970 wurden 1,3 Millionen neue Wohnungen gebaut, der Anteil an Gemeindebauten (council housing) stieg von 42 auf 50 Prozent. 1968 fuhrte Wilsons Regierung das Option Mortgage Scheme ein, eine Subvention auf Hypothekenzinsen, um Geringverdienern den Erwerb eines Eigenheims zu ermoglichen. Zudem legte die Regierung Wilson ganze neue Stadte auf der ?grunen Wiese“ an, die New towns . Die großte darunter, Milton Keynes , hat inzwischen uber 200.000 Einwohner.

Die Außenpolitik wurde durch Krisen in zahlreichen ehemaligen britischen Kolonien gepragt, besonders in Rhodesien und Sudafrika . Wilson widersetzte sich dem Druck, zur Unterstutzung der USA Truppen nach Vietnam zu schicken. Als Großbritannien mit wirtschaftlichen Problemen zu kampfen hatte, sank die Zustimmung der Wahler.

Zweite Amtszeit als Premierminister [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Als die Umfragewerte wieder gunstiger zu sein schienen, setzte Wilson Neuwahlen an. Zur Uberraschung fast aller politischen Beobachter verlor Labour die Wahlen vom 19. Juni 1970 , und Wilson musste sein Amt an Edward Heath abgeben.

Trotz dieser Niederlage behauptete sich Wilson als Parteivorsitzender und kehrte nach den Parlamentswahlen im Februar 1974 in No. 10 Downing Street zuruck. Heath war es nicht gelungen, die Probleme zu losen, mit denen bereits Wilson zu kampfen gehabt hatte.

Weil die Wahl vom Februar 1974 keiner der beiden großen Parteien eine absolute Mehrheit im Unterhaus beschert hatte (die Konservativen errangen die meisten Stimmen, wahrend Labour die meisten Sitze im Unterhaus erreichte), bewirkte Wilson im September 1974 Neuwahlen, diese ergaben am 16. Oktober 1974 eine absolute Mehrheit der Unterhaussitze fur Labour. Einige Monate spater loste Wilson ein Wahlversprechen ein und ließ am 5. Juni 1975 eine Volksabstimmung uber die Mitgliedschaft des Landes in der Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft abhalten. Die Befurworter, zu denen auch Wilson selbst gehorte, gewannen mit 67 % der Stimmen.

Wilsons Grab auf St Mary’s

Am 16. Marz 1976 erklarte Wilson uberraschend seinen Rucktritt als Premierminister und erklarte, er wolle sich ganz aus der Politik zuruckziehen. Er gab an, er habe schon immer vorgehabt, mit 60 in Pension zu gehen und er sei korperlich und geistig erschopft, und er litt auch am Fruhstadium der Alzheimerschen Krankheit . Sein Gedachtnis und seine Konzentrationsfahigkeit zeigten immer mehr Schwachen.

Außenminister James Callaghan wurde als sein Nachfolger an der Parteispitze gewahlt und ubernahm in der Folge am 5. April 1976 von Wilson das Amt des Premierministers. Wilson blieb bis 1983 Parlamentsabgeordneter und wurde nach seinem Rucktritt als Baron Wilson of Rievaulx, of Kirklees im County of West Yorkshire zum Life Peer erhoben. Wilson war immer mehr von der Krankheit gezeichnet und wurde nach 1985 kaum mehr in der Offentlichkeit gesehen. Er starb schließlich am 24. Mai 1995 in London an Darmkrebs .

Privatleben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

1940 heiratete er die Buroangestellte Mary Baldwin ( Gladys Mary Wilson, Baroness Wilson of Rievaulx ; 12. Januar 1916 bis 6. Juni 2018). Sie veroffentlichte in den 1970er Jahren zwei Bande mit Gedichten und war 1975 in der Jury fur den Man-Booker-Preis . Politisch war sie nicht immer auf der Seite ihres Mannes; sie stimmte in der Volksabstimmung von 1975 gegen den EWG-Beitritt Großbritanniens und unterstutzte die Aktion gegen die atomare Bewaffnung des Landes. Aus der Ehe gingen die Sohne Giles, der Lehrer wurde, und der 1943 geborene Mathematiker Robin Wilson hervor.

Wirken [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Regierungszeit von Harold Wilson ist als Reform-Ara in die Geschichte Großbritanniens eingegangen. Wilsons Versuche, den Haushalt in Ordnung zu bringen und neue Arbeitsgesetze durchzusetzen, brachten ihn teilweise in starken Gegensatz zu den Gewerkschaften, die um ihren Einfluss furchteten. Außenpolitisch fallen die Unabhangigkeit ehemaliger Kolonien ( Barbados , Mauritius , Swasiland ), die Aufgabe von Stutzpunkten ostlich von Sues (Ausnahme: Hongkong ), die Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages und verschiedene Bemuhungen um die Aufnahme und die Bedingungen Großbritanniens in der Europaischen Wirtschaftsgemeinschaft in seine Amtszeit.

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Harold Wilson  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Alle sind so glucklich. In: Der Spiegel . 25. April 1956.
  2. Andrew Marr: A History of Modern Britain . Macmillan, London 2007, ISBN 978-1-4050-0538-8 , S. 236 Original: a choice between a crook and a drunk .
  3. Michael Shattock: Making Policy in British Higher Education 1945-2011. Open University Press, Maidenhead (Berks) 2012, S. 46.
  4. Jane Martin: Education Policy. In: Andrew S. Crines, Kevin Hickson: Harold Wilson. The Unprincipled Prime Minister? Biteback Publishing, London 2016, S. 131?148.