Hardt-Waltherr Hamer

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Hardt-Waltherr Hamer (2006)
Landwirtschaftskammer Munster, 1951?1952 mit Werner Ruhnau, Schorlemerstraße (Baudenkmal, heute: Buro- und Geschaftshaus)

Hardt-Waltherr ?Gustav“ Hamer [1] (* 13. April 1922 in Hagen bei Luneburg ; † 27. September 2012 in Ahrenshoop [2] ) war ein deutscher Architekt ? insbesondere im Theaterbau ? und Hochschullehrer. Er gilt als ?Vater der behutsamen Stadterneuerung “.

Stadttheater Ingolstadt
PaderHalle Paderborn

Hamer war eins von sechs Kindern des Architekten Walter Hamer und der Dorothea geb. Schomann (1900?1994). Er studierte an der Hochschule fur bildende Kunste (HfbK), heute Universitat der Kunste Berlin (UdK) Berlin und an der staatlichen Schule fur Baukunst (heute Bauhaus-Universitat ) in Weimar . Noch vor Abschluss seines Architekturstudiums an der HfbK (1952) entwarf er im Ostseebad Ahrenshoop die Schifferkirche (1949 bis 1951), an deren Bau er zusammen mit Mitgliedern der Kirchengemeinde aktiv beteiligt war.

Der Mitarbeit im Buro von Hans und Wassili Luckhardt , ( Berlin ) von 1949 bis 1953 folgte von 1953 bis 1957 die Zusammenarbeit mit Gerhard Weber ( Frankfurt am Main ) u. a. als Planungsleiter beim Neubau des Nationaltheaters Mannheim . Ab 1956 plante er zusammen mit seinem Vater mehrere Bauvorhaben und beteiligte sich in Zusammenarbeit mit ihm an Wettbewerben (u. a. fur das Opernhaus Sydney ).

Von 1959 bis 1985 fuhrte er mit seiner Ehefrau, der Architektin Marie-Brigitte Hamer-Buro ein gemeinsames Buro. Wichtige Auftrage waren hier die Planung und Ausfuhrung des Stadttheaters Ingolstadt (1961?1966) und des dortigen Katharinen-Gymnasiums (1967?1970). Zwischen 1967 und 1972 war Hamer erster Vorsitzender des Kunstvereins Ingolstadt .

Fur seine Arbeit wurde Hardt-Waltherr Hamer neben zahlreichen Ehrungen 1986 die Ehrendoktorwurde der Technischen Universitat Munchen verliehen.

Hochschullehrer

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Am 2. Juni 1967 wurde Hamer auf die Professur fur Entwerfen an die HfBK Berlin (heute Universitat der Kunste Berlin ) berufen, die er bis 1987 innehatte.

?Ende der sechziger Jahre lehrten Julius Posener , Hardt-Waltherr Hamer und Thomas Sieverts an der Hochschule fur die bildenden Kunste (HfbK), der heutigen UDK. Sie vermittelten den Studierenden ein neues Verstandnis von Stadtebau, das sich auf die Bezugnahme von Stadtgeschichte, die Maßstablichkeit der Architektur und der stadtischen Raume sowie das wahrnehmungsorientierte Lesen der Stadt auszeichnet.“ [3]

1977 grundete er dort den Forschungsschwerpunkt Stadterneuerung , dem wesentlicher Einfluss auf die Sanierungspraxis in Berlin zu verdanken ist. Von ihm gingen auch wichtige Impulse unter anderem auf die Internationale Bauausstellung Berlin (IBA) 1984/87 aus. Von 1971 bis 1973 war er außerdem Grundungsdirektor des Instituts Wohnen und Umwelt (IWU) in Darmstadt.

Seit 1970 war Hamer Mitglied der Sektion Baukunst der Akademie der Kunste in Berlin und von 1989 bis 1997 deren Vizeprasident.

Stadterneuerung

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Ab 1968 engagierte sich Hamer zunachst im Rahmen eines Modellprojekts im Berliner Sanierungsgebiet Brunnenstraße im Ortsteil Gesundbrunnen ( Modellsanierung Putbusser Straße ) streitbar und wenig konfliktscheu gegen die damals vorherrschende Berliner Kahlschlagsanierung . Gegen den Widerstand von Bautragern und Planungsbehorden konnte er zusammen mit der von ihm geleiteten Arbeitsgruppe Stadterneuerung den Nachweis erbringen, dass bei einer Altbausanierung nicht nur wertvolle Bausubstanz und das stadtebauliche Bild erhalten und wiederhergestellt, sondern zugleich auch die Kosten von Abriss und Neubebauung unterschritten werden konnen.

Von 1972 bis 1980 begleitete Hamer die Stadterneuerung im Sanierungsgebiet der Stadtebaulichen Sanierungsmaßnahme Klausenerplatz (SCK) in Berlin-Charlottenburg ; zunachst als Gutachter. Sein Buro wurde anschließend mit der Planung und Durchfuhrung der Sanierung von 450 Wohneinheiten im Block 118 beauftragt (seitdem Hamer-Block genannt). Auf seine Initiative hin wurde gemeinsam mit Bewohnern und Mieterinitiativen ein Sanierungs- und Beteiligungsverfahren installiert, das einem großen Teil der Mieter bei ertraglichen Mieten den Verbleib im Gebiet bzw. die Ruckkehr in die zuvor genutzte Wohnung garantierte.

1979 bis 1985 war Hamer als Planungsdirektor der Internationalen Bauausstellung Berlin verantwortlich fur den Bereich der sogenannten IBA-Alt mit dem Schwerpunkt? Behutsame Stadterneuerung Kreuzberg. In Kreuzberg hatten sich zu diesem Zeitpunkt die Widerspruche der uberkommenen Sanierungs- und Wohnungspolitik am heftigsten offenbart, mit Leerstand, Abriss, Wohnungsnot und Hausbesetzungen einerseits, Spekulation, Bewohnerverdrangung und arroganter Machtpolitik andererseits. Die 1982 formulierten und im Marz 1983 vom Berliner Abgeordnetenhaus bestatigten ? 12 Grundsatze der Behutsamen Stadterneuerung “ dokumentierten den Abschied der Berliner Sanierungspolitik von der Flachen- und Kahlschlagsanierung und eine Hinwendung zu einer demokratisch organisierten kleinteiligen Stadterneuerung unter Berucksichtigung gewachsener baulicher und sozialer Strukturen. Die ?Zwolf Grundsatze‘ wurden 1983 vom Abgeordnetenhaus Berlin zustimmend zur Kenntnis genommen und von Kreuzberg auch auf die ubrigen Sanierungsgebiete West-Berlins ubertragen. Sie bildeten die Grundlage der 2003 vom Berliner Senat am 31. August 1993 beschlossenen ?Leitsatze zur Stadterneuerung in Berlin“. [4]

Die Stadterneuerung in Berlin wurde durch Hardt-Waltherr Hamer uber die Deutsche Wiedervereinigung hinaus grundlegend beeinflusst.

Hamer war eines der engagierten Mitglieder in dem 1991 gegrundeten Stadtforum Berlin . Zusammen mit vier anderen internationalen Planungsburos wurde Hardt-Waltherr Hamer 1992 im Rahmen des Stadtforums damit beauftragt, Stadtideen fur Berlin zu entwickeln. Unter seiner Leitung erarbeitete eine interdisziplinare Arbeitsgruppe ( Bruno Flierl , Hardt-Waltherr Hamer, Erhart Pfotenhauer, Krista Tebbe, Peter Zlonicky ) das Konzept eines ?Stadtvertrags‘. Gemeint war damit ein mit Rousseaus contrat social verwandter Stadt- und Gesellschaftsvertrag fur eine auf Konsens bauende Entwicklung der zusammenwachsenden und nach damaligen Prognosen uber Jahre hinweg boomenden Metropole Berlin.

In Fortfuhrung der Arbeit fur die IBA grundete Hamer 1986 die S.T.E.R.N. Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung mbH. Er war von 1986 bis 1997 deren Gesellschafter und Geschaftsfuhrer. Die S.T.E.R.N. ist heute in erster Linie Sanierungsbeauftragte in mehreren Bezirken Berlins, jedoch auch bundesweit als Sanierungstrager tatig. S.T.E.R.N. war u. a. 1996 mit einer Machbarkeitsstudie zur Untersuchung der weiteren Nutzbarkeit des ehemaligen KdF -Seebads Prora auf Rugen beauftragt.

Von 1995 bis 2003 war Hardt-Waltherr Hamer Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung Bauhaus Dessau sowie 1998 deren kommissarischer Direktor.

Auch nach seiner Emeritierung und der Reduzierung seiner beruflichen Aktivitaten machte sich Hamer als streitbarer Verfechter der Stadtbewahrung verdient. So ubernahm er im Konflikt um die Rettung des Studentendorfes Schlachtensee in Berlin seit 1998 eine maßgebliche Rolle im Zusammenhang mit dessen Erhalt und denkmalgerechter Erneuerung. Mit dem im Marz 2003 gefassten Beschluss des Berliner Senats, das Studentendorf an die Genossenschaft Studentendorf Berlin-Schlachtensee e. G. zu verkaufen, entfiel der Abriss des Baudenkmals zugunsten der 2006 begonnenen Sanierung. Zu Ehren Hamers wurde der zentrale Weg im Studentendorf ?Gustav-Hamer-Weg“ benannt.

Schifferkirche Ahrenshoop

Seit 2003 lebte Hamer in Ahrenshoop , wo die Erneuerung sowie Erweiterung der Schifferkirche [5] um einen Glockenturm zu einer seiner letzten Lebensaufgaben wurde.

Bauten und Entwurfe

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  • Wilhelm Reissmuller und Rudolf Koller: Stadttheater Ingolstadt. Festschrift zur Eroffnung des Stadttheaters am 21. Januar 1966. Ingolstadt 1966.
  • Hardt-Waltherr Hamer, Marie Brigitte Hamer-Buro; Bearbeiter: Hardt-Waltherr Hamer, Jurgen Rosemann, Alfred Grazioli, Urs Kohlbrenner: Kostenanalyse der Modellmodernisierung von Altbauten. (= Schriftenreihe ?Stadtebauliche Forschung“ des Bundesministers fur Raumordnung, Bauwesen und Stadtebau, 03.041) Bonn-Bad Godesberg 1976.
  • Hardt-Waltherr Hamer: Behutsame Stadterneuerung ; in: Senatsverwaltung fur Bau- und Wohnungswesen (Hrsg.): Stadterneuerung Berlin . Berlin 1990
  • Manfred Sack (Hrsg.): Stadt im Kopf ? Hardt-Waltherr Hamer. Jovis Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-931321-47-9 .
  • Marianne Mang, Frida Zellner, Paul Melia: DENK MAL THEATER INGOLSTADT. Die Stadt, das Theater, der Architekt Hardt-Waltherr Hamer. Ingolstadt 2003.
  • Andreas Molitor: Stadtplanung als soziale Innovation. In: brand eins, Ausgabe 09/2006. https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2006/ortsbestimmung/stadtplanung
  • Michael Bolle (Hrsg.), Karl-Robert Schutze (Bearb.): Hardt-Waltherr Hamer. Architekt HBK. Theaterbau. Berlin 2006, ISBN 3-89462-132-X .
  • Michael Bolle (Hrsg.), Karl-Robert Schutze (Bearb.): Hardt-Waltherr Hamer. Architekt HBK. Behutsame Stadterneuerung. Berlin 2007, ISBN 978-3-89462-144-5 .
  • Michael Bolle (Hrsg.), Karl-Robert Schutze (Bearb.): Hardt-Waltherr Hamer. Architekt HBK. Berlin 2009, ISBN 978-3-89462-169-8 .
  • Klaus Betz, Harald Marpe, Andreas Schmidt (Bearb.): "Alles in Allem eine Erfolgsgeschichte". Die Kiezsanierung in personlichen Erinnerungen. Hardt-Waltherr Hamer zum 90sten Geburtstag. Kiezbundnis Klausenerplatz e.V., Berlin 2012.
  • Karl-Robert Schutze: Zwei Tankstellen ? ein Architekt? Der Bau von Typentankstellen am Ende der funfziger Jahre und ihre vergessenen Architekten Willy H. Weisensee und Walter Hamer , in: Mannheimer Geschichtsblatter 30, 2015, S. 10?20.

Einzelnachweise

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  1. BDA Bund Deutscher Architekten: Stadtgestalten - Hardt-Waltherr Hamer. In: Interview - Video. Bauwelt, 27. Oktober 2015, abgerufen am 9. Oktober 2019 .
  2. Zum Tod von Hardt-Waltherr Hamer. Der Retter von Kreuzberg. Artikel auf tagesspiegel.de , abgerufen am 9. Oktober 2019.
  3. Ursula Flecken: Der offentliche Raum im Aufbruch: Ein Blick zuruck auf 1970 , in: Ursula Flecken, Laura Calbeti Elias (Hg.): Der offentliche Raum. Sichten, Reflexionen, Beispiele. (Denkschrift fur Urs Kohlbrenner) , Sonderpublikation Forum Stadt- und Regionalplanung e.V., Universitatsverlag der Technischen Universitat Berlin, 2011, S. 13. ISBN 978-3-7983-2318-6 .
  4. Leitsatze zur Stadterneuerung in Berlin (PDF; 474 kB)
  5. Karin Berkemann: Ahrenshoop ? Schifferkirche. In: Strasse der Moderne ? Kirchenbauten in Deutschland. Deutsches Liturgisches Institut, abgerufen am 18. Mai 2019 .
  6. germanpostwarmodern: German Postwar Modern. In: Tumblr. September 2020, abgerufen am 12. August 2023 .