Hans Zulliger

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Hans Zulliger (* 21. Februar 1893 in Mett bei Biel ; † 18. Oktober 1965 in Ittigen bei Bern) war ein Schweizer Volksschullehrer , Psychotherapeut und Schriftsteller . Er gilt als einer der einflussreichsten Kinderanalytiker und bedeutendsten Lehrer innerhalb der psychoanalytischen Padagogik .

Hans Zulliger wuchs als Sohn eines einfachen Uhrenarbeiters auf. Die Familie bewirtschaftete einen Kleinbauernhof als Nebenerwerb. Nach der Grundschule besuchte er das Progymnasium in Biel. Seinen Wunsch Musiker oder Maler zu werden, musste er aus finanziellen Grunden aufgeben. 1908 trat er ins staatliche Lehrerseminar Hofwil bei Bern ein, das von Ernst Schneider geleitet wurde, der wegen seiner Verbindungen zur Psychoanalyse stark angefeindet wurde.

Von 1912 bis 1959 ? wahrend 47 Jahren ? war Zulliger Dorfschullehrer in Ittigen. Zulliger war durch Oskar Pfister und Hermann Rorschach mit der Psychoanalyse Sigmund Freuds in Beruhrung gekommen und versuchte, die von diesem gewonnenen Erkenntnisse auf den Schulalltag zu ubertragen, indem er beispielsweise die Figur des Lehrers als Ideal-Ich zu deuten versuchte oder das Spiel des Kindes als non-verbale Interaktion mit der Moglichkeit eines therapeutischen Zugriffs zu verstehen versuchte.

Pfister, dessen Erziehungskonzept der Padanalyse auch von Adlers Lehre beeinflusst war, war Zulligers Vorbild. Die Zeit von 1917 bis 1927 diente Zulliger als ?Experimentierphase“, in der er versuchte die Freudschen Lehren fur die Volksschulpadagogik fruchtbar zu machen. In den folgenden zehn Jahren entwickelte er die psychoanalytische Padagogik fur die Schule . In den Jahren 1930 bis 1935 entstand seine Spieltherapie.

Das schriftstellerische Anliegen Zulligers galt dem Erhalt der Berner Mundart . Als Volkserzieher schrieb er zahlreiche Jugendbucher und war 22 Jahre lang Redaktor der Eltern-Zeitschrift . Zulligers zahlreiche jugendpsychologische und padagogische Publikationen wurden in 13 Sprachen ubersetzt und machten ihn weit uber die Schweiz hinaus bekannt.

Die Beschaftigung mit der psychischen Entwicklung und den Storungen beim einzelnen Kind war nur ein Teilbereich von Zulligers Wirken. Er war der Ansicht, dass seine Gruppenerziehung neben der Einzelfallhilfe fur das gestorte Kind eine grosse Bedeutung hatte. Die Technik der Einzelbehandlung anderte er in die von ihm entwickelte deutungsfreie Spieltherapie ab, die in seinem Werk Heilende Krafte im kindlichen Spiel (1952) beschrieben ist. In der deutungsfreien Spieltherapie wird das spontane Spiel verstanden als vom Kind in Szene gesetzte Rollenhandlungen. Diese werden von der Therapeutin/vom Therapeuten in ihrer symbolischen Bedeutung verstanden und ihrerseits bestenfalls durch Handlung, nicht aber durch klassische Deutung beantwortet. [1]

Von Freuds Werk Massenpsychologie und Ich-Analyse ausgehend, beobachtete und analysierte er die gruppendynamischen Prozesse zwischen Lehrer und Schulergruppe und entwickelte daraus seine Gemeinschaftserziehung , die 1961 in seinem Buch Horde, Bande, Gemeinschaft ihren Niederschlag fand.

?Wenn wir uns praktisch mit Kindern beschaftigen wollen, sei es als Psychologen, als Kinder-Psychotherapeuten, Psychagogen, Facherzieher, Heilpadagogen oder Eltern, dann setzen wir voraus, dass wir diese Kinder verstehen . Wir nehmen dies ohne weiteres an ? und wir sind davon zum vorneherein dermassen uberzeugt, dass wir keinen Augenblick daran denken, wir konnten sie ? vielleicht ? doch nicht verstehen oder missverstehen. (…) Der Mann, der sich anschickt, nachweisen zu wollen, dass wir die Kinder nur ungenugend oder gar nicht verstehen, bin ich. Ich bin froh daruber, wenn Sie mich nicht einfach zum vorneherein ablehnen und mir Ihr kritisches Wohlwollen entgegenbringen wollen. Um Ihnen zu erleichtern, dies zu tun, verspreche ich Ihnen, im Verlaufe meiner Vorlesungen auch die Wege aufzuzeigen, welche zum Verstandnis der Kinder fuhren. Dies ist mein Anliegen.“

(…) ?Es genugt nicht, dass wir, wenn wir Kinder verstehen wollen, einzelne isolierte psychologische Daten an ihnen feststellen. (…) Wir mussen den dynamischen Ablauf erkennen konnen. Dynamische Psychologie ist notig, nicht statistische, wenn wir Kinder verstehen wollen. Entwicklungspsychologie ist dynamische Psychologie.“ (Hans Zulliger Einfuhrung in die Kinderseelenkunde )

Zulliger modifizierte den Rorschach-Test fur Untersuchungen von Gruppen ( Diapositiv-Z-Test , 1948) und von Einzelpersonen ( Zulliger-Tafeln-Test , 1954).

  • Preise von Kanton und Stadt Bern fur sein umfangreiches literarisches Werk
  • 1949 Preis der Schweizerischen Schillerstiftung
  • 1952 Ehrendoktor der historisch-philosophischen Fakultat der Universitat Bern
  • 1958 Ehrendoktor der medizinischen Fakultat der Universitat Heidelberg
  • Ehrenprasident der Deutschen Gesellschaft fur Tiefenpsychologie und Psychotherapie
  • Ehrenprasident der Schweizerischen Gesellschaft fur Psychotherapie der Kinder- und Jugendlichen
  • Ehrenmitglied der Societe Francaise d’Assistance et d’Education de l’Enfance defiante

Mehrere Schulen sind nach Hans Zulliger benannt, so in Mannheim, Ulm und Grunstadt. [2] [3] [4]

Christine Schilt: Bibliographie der Veroffentlichungen von Hans Zulliger (1893?1965). 2 Bande. Bern 1983.

Psychologische Schriften

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  • Psychoanalytische Erfahrungen aus der Volksschulpraxis , 1921
  • Aus dem unbewussten Seelenleben unserer Schuljugend , 1927
  • Geloste Fesseln , 1927
  • Adler, Freud und der Schullehrer , 1931
  • Schwierige Schuler , 1935
  • Heilende Krafte im kindlichen Spiel , 1952, 8. unveranderte Auflage, Eschborn: Verlag Dietmar Klotz, 2007, ISBN 3-88074-497-1
  • Umgang mit dem kindlichen Gewissen , 1953
  • Der Diapositiv-Z-Test , 1955
  • Helfen statt Strafen , 1956
  • Bausteine der Kinderpsychotherapie und Kinder-Tiefenpsychologie , 1957
  • Schwierige Kinder , 1958
  • Jugendliche und Halbstarke , 1958
  • Das Kind denkt anders als der Erwachsene , 1960
  • Gesprache uber Erziehung , 1960
  • Kind und Feuer ? uber jugendliche Brandstifter und Brandverhutung , 1960
  • Horde ? Bande ? Gemeinschaft , 1961
  • Elternschulung und Elterngeist , 1961
  • Kinderfehler im Fruhalter , 1961
  • Sexualerziehung, Sexualentwicklung und geschlechtliche Aufklarung der Kinder , 1961
  • Der Zulliger-Tafeln-Test , 1962
  • Uber Betriebspsychologie , 1962
  • Das Flegelalter , 1964
  • Das Strafen in der Erziehung , 1966
  • Die Angst unserer Kinder , 1966
  • Einfuhrung in die Kinderseelenkunde , 1967
  • Das Kind in der Entwicklung , 1969
  • Aus der Werkstatt eines Lehrers , 1977

Erzahlungen fur Kinder und Jugendliche

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  • Die Pfahlbauer am Moossee , ab 10 J., Schweizerisches Jugendschriftenwerk (SJW), Heft 18
  • Turlu und die Kameraden , ab 10 J., SJW-Heft 19
  • Cecile und die Indianer , ab 10 J., SJW-Heft 59
  • Die Wohnhohlen am Weissenbach , ab 12 J., SJW-Heft 248
  • Die Verschworung der Scherbenfischer , ab 11 J., SJW-Heft 316

Literarische Werke (in Mundart)

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  • Unghuurig. Alti Gschichte us em Bantigerbiet. Bern 1924 [Neuauflage 1976].
  • Fur all Fall! Mundartlustspiel in 4 Aufzugen. Bern 1925
  • Het en Yscher! E Seebutzekumedi i 3 Ufzug. Bern 1932.
  • Barner Marsch [Gedichte]. Bern 1932.
  • Wiehnechtsvarsli. Bern 1937 [Neuauflage 1958].
  • Fluehlikofer Hard. Barndutschi Gschichte. Bern 1939.
  • Z’ mitts ir Waldt. Zurich 1954.

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. Beat Manz: Spiel, Symbol und Deutung . In: Kinderanalyse . Band   31 , Nr.   3 , Juli 2023, S.   214–245 , doi : 10.21706/ka-31-3-214 .
  2. Hans-Zulliger-Schule
  3. hzs-ulm
  4. hans-zulliger-schule.de