Hans Zenker, 1928
Hans Paul Volkmar Zenker
(*
10. August
1870
in
Bielitz
; †
18. August
1932
in
Osterode am Harz
) war ein deutscher
Admiral
sowie von 1924 bis 1928 Chef der
Marineleitung
im Reichswehrministerium.
Hans Zenker wurde als Sohn des Mathematik- und Physiklehrers Dr. Carl Zenker und dessen Ehefrau Emilie in
Osterreichisch-Schlesien
geboren. Nach dem Besuch der Volksschule und des
Wilhelm-Ernst-Gymnasiums in Weimar
legte er dort im Marz 1889 sein Abitur ab. Anschließend trat er am 13. April 1889 in die
Kaiserliche Marine
ein und diente in verschiedenen Dienststellen der Marine. Dazu gehorten von 1896 bis 1898 ein Auslandseinsatz als Wachoffizier der
Arcona
als Teil der ostasiatischen Kreuzerdivision unter dem Kommando von Konteradmiral
Otto von Diederichs
. Gemeinsam mit der
Irene
war die
Arcona
1897 an der Besetzung der Bucht von
Kiautschou
und der Eroberung des dort unterhaltenen Forts beteiligt. Im Folgejahr wurde er als Erster Offizier und zeitweilig als Kommandant auf den Torpedobooten
D 6
und
D 10
eingesetzt. Auf diesem Weg kam er zu der im Aufbau befindlichen Torpedoflottille. Von 1899 bis 1902 besuchte er die
Marineakademie
. Mit dieser Qualifikation fur den Admiralstab erfolgte ab 1904 seine Verwendung im
Allgemeinen Marinedepartement
des
Reichsmarineamtes
in Berlin als militarischer Dezernent fur artilleristische Angelegenheiten. In der Folgezeit ab 1907 war er als
Kommandant
mehrerer Kriegsschiffe, darunter
Torpedoboote
, die
Kleinen Kreuzer
Lubeck
(1911) und
Coln
(1912/13) eingesetzt. Dabei sammelte er umfassende strategische und taktische Erfahrungen. Seine Beforderung zum Fregattenkapitan erfolgte 1911. Am 1. Oktober 1913 wurde Zenker als Abteilungschef fur den Aufgabenbereich Taktik und Kriegfuhrung im
Admiralstab der Marine
nach Berlin versetzt und im gleichen Jahr zum Kapitan zur See befordert.
[1]
Zum Zeitpunkt des Beginns des Ersten Weltkrieges war Hans Zenker sehr offensiv eingestellt und setzte sich mehrfach fur eine die Seeschlacht suchende Kriegsfuhrung der Marine ein. Dies stand im Widerspruch zur Auffassung anderer Seeoffiziere im Admiralstab, und so wurde er wieder zur Hochseeflotte versetzt, wo er im Februar 1916 das Kommando uber den
Schlachtkreuzer
Von der Tann
ubernahm, mit dem er am 31. Mai 1916 an der
Skagerrakschlacht
teilnahm und dabei den britischen Schlachtkreuzer
Indefatigable
versenkte. Von dort zuruckgekehrt wurde Zenker 1917 Abteilungschef im
Admiralstab
und 1918
Befehlshaber der Sicherung der Nordsee
, eine Position, die er bis zum Ende des
Ersten Weltkriegs
beibehielt, worauf er Inspekteur der Marineartillerie wurde. Hier ergab sich weiteres Konfliktpotential durch die Haltung des Chefs der Marineleitung
Adolf von Trotha
wahrend des
Kapp-Putsches
1920, worauf Zenker am 9. August 1921, kurz nach seiner Beforderung zum Vizeadmiral, sein Abschiedsgesuch einreichte. Admiral
Paul Behncke
, der Nachfolger von Trotha als Chef der Marineleitung, konnte ihn jedoch zur Rucknahme des Gesuches bewegen. So blieb Zenker noch bis Herbst 1923 Chef der
Marinestation der Nordsee
. Aus dieser Position wechselte er Ende 1923 in den Fuhrungsbereich als
Oberbefehlshaber der Seestreitkrafte
.
[2]
Zenker (links) beim Stapellauf des Leichten Kreuzers
Koln
1928 in Anwesenheit von
Wilhelm Groener
(2.v.l.),
Konrad Adenauer
(Mitte) und
Gustav Noske
(3.v.r.)
Am 1. Oktober 1924 wurde Hans Zenker unter gleichzeitiger Beforderung zum Admiral Chef der
Marineleitung
in der Weimarer Republik und loste damit Admiral Paul Behncke ab. Seine Amtszeit war gekennzeichnet vom Bemuhen um eine Konsolidierung der Reichsmarine nach den Wirren der
Revolutionszeit
und den Einschrankungen, die Deutschland durch den
Versailler Vertrag
auferlegt waren. Wahrend dieser Zeit wurden wieder großere Schiffe neu gebaut, beispielsweise aus der
Konigsberg
-Klasse
, Torpedoboote der Typen
1923
und
1924
. Internationale Kooperationen auf dem Gebiet der Marineausrustungen wurden insbesondere mit Argentinien, Finnland, Japan, den Niederlanden, der Sowjetunion, Spanien, der Turkei aufgenommen und in seiner Zeit weiter ausgebaut. 1925 wurde durch Vermittlung von
Wilhelm Canaris
der Vertrag zwischen dem Marineamt und dem spanischen Unternehmer
Horacio Echevarrieta
(1870?1963) zum Bau von Torpedos in Spanien fur deutsche Torpedoschiffe abgeschlossen. Am 23. Mai 1928 nahm er an der Seite des neuen Reichswehrministers
Wilhelm Groener
und des Oberburgermeisters der Stadt Koln
Konrad Adenauer
am Stapellauf des Kreuzers
Koln
auf der Werft in Wilhelmshaven teil. Nach zahen Verhandlungen unterzeichnete Zenker 1928 mit dem Ministerialdirektor
Paul Presse
, zugleich Vorstandsmitglied der Schiffbau-Technischen Gesellschaft, die Bestatigungsunterlagen zum Bau neuer Kriegsschiffstypen mit einer Geschwindigkeit von 26 Knoten. Das war der entscheidende Schritt in Richtung des Panzerschiffes A, verbunden mit einer breiten politischen Diskussion uber die
Notwendigkeit von Panzerschiffen
. Am 19. Mai 1931 erfolgte der Stapellauf des ersten Panzerschiffes A auf der Kieler Werft, getauft auf den Namen
Deutschland
.
Neben den offiziellen Aufrustungs- und Beschaffungsprogrammen wurden umfangreiche geheime Rustungsprojekte der deutschen Marine fortgesetzt, die bereits unter seinem Vorganger Admiral Paul Behncke und dem Abteilungsleiter der Seetransportabteilung im Marineamt Kapitan zur See
Walter Lohmann
begonnen worden waren. Unter Hans Zenker wurden diese Projekte intensiviert und auf weitere Lander ausgedehnt, wobei Verletzungen der Bestimmungen des
Versailler Vertrages
von 1919 billigend in Kauf genommen wurden. Diese Projekte unterlagen der besonderen Geheimhaltung und wurden an den jeweiligen Projektstandorten durch Offiziere des
Marinenachrichtendienstes
gesondert abgesichert. Das betraf ab 1925 den fur Deutschland verbotenen Bau von U-Booten auf niederlandischen Werften
[3]
und den in Japan organisierten Wissenstransfer deutscher Rustungstechnologie sowie den Bau von U-Booten fur Deutschland durch den fruheren Marineattache Deutschlands in Japan
Wolfram von Knorr
. Diese geheime Kooperation wurde 1924 durch den Besuch von Korvettenkapitan Wilhelm Canaris auf der Werft in Osaka auf eine neue Stufe gehoben.
[4]
Es betraf auch das abgedeckte Agieren des als Marineberater in Argentinien und Finnland tatigen Korvettenkapitan a. D.
Karl Bartenbach
zum geheimen Bau von U-Booten fur Deutschland, mit deutschem Wissen auf den Werften beider Lander.
Auch in Spanien waren ahnliche Geheimprojekte platziert. Als 1926 auch hier die geheime Rustungsproduktion fur Deutschland weiter forciert werden sollte, hatte Hans Zenker entsprechende Unterlagen zur Entscheidungsfindung den zustandigen Ministerbereichen und Kabinettsmitgliedern, mit Geheimhaltungsvermerk, zur Verfugung gestellt. Das als ?Echevarrieta“-Projekt bezeichnete Rustungsvorhaben betraf den Bau deutscher U-Boote auf der spanischen Werft in
Cadiz
, die Grundung einer Torpedofabrik in Spanien und die Produktion bzw. den Aufkauf von Feuerleiteinrichtungen fur den Torpedoabschuss. Erste Schritte dazu waren schon im Vorjahr in Spanien eingeleitet worden. Nun ging es am 13. April 1926 in einer Ressortbesprechung im Reichsfinanzministerium um die Bewilligung eines Kredites in Hohe von 8 Millionen Goldpeseten. Zuvor hatte der Abteilungsleiter Walter Lohmann in einem Schreiben vom 29. Marz 1926 nochmals auf die Bedeutsamkeit dieses Projektes fur die Marine hingewiesen.
[5]
Zum anberaumten Termin lag eine gutachterliche Stellungnahme des Legationsrates im Auswartigen Amt Dr. Nord mit Datum vom 6. April 1926 vor, und in der Besprechung am 13. April 1926 im Finanzministerium kritisierte der Staatssekretar
Carl von Schubert
die durch das Projekt angezielten Verletzungen des Versailler Vertrages. Ungeachtet dessen befurwortete Admiral Zenker das Rustungsvorhaben. In der anschließenden Chefbesprechung am 1. Mai 1926 unter der Leitung
Gustav Stresemanns
mit ausgewahlten Vertretern anderer Ressorts, zu denen auch Walter Lohmann und Wilhelm Canaris gehorten, wurde das Projekt ?Echevarrieta“ abgelehnt.
[3]
Als dann 1927, angestoßen durch Artikel und weitere Veroffentlichungen mehrerer Journalisten, ein Teil der streng geheim gehaltenen illegalen Rustungsgeschafte an die Offentlichkeit kamen, brach die
Lohmann-Affare
,
[6]
die weit bis ins Jahr 1928 Regierung, Parlament, die betroffenen Ministerien und auch die Bevolkerung beschaftigte, los. Da Walter Lohmann in diesem Zusammenhang vorrangig ein Unternehmen aus der Filmbranche, die Phobus AG benutzt hatte, wurde diese Affare auch als ?Phobus-Skandal“, so der Titel mehrere Veroffentlichungen, bezeichnet.
[7]
In dessen Folge musste im Januar 1928 der
Reichswehrminister
Otto Geßler
zurucktreten. Die Enthullungen, die Tatzuordnungen bei seinem direkt unterstellten Abteilungsleiter Lohmann und die teils wissentliche Billigung durch Hans Zenker fuhrten am 30. September 1928 zu seiner Entlassung als Chef der Marineleitung durch Geßlers Amtsnachfolger
Wilhelm Groener
. Nachfolger als Chef der Marineleitung wurde Vizeadmiral
Erich Raeder
. Die Abwicklung der gesamten Affare dauerte bis 1929 und kostete 26 Millionen Reichsmark.
Hans Zenker heiratete am 23. August 1906 in Berlin Frieda Mathilde Thiele (* 1895; † 1979). Deren Sohn
Karl-Adolf Zenker
wurde 1907 in Berlin-Schoneberg geboren und war von 1961 bis 1967
Inspekteur der Bundesmarine
.
Seine letzten Jahre verbrachte Zenker in
Osterode am Harz
. Nach schwerer Krankheit verstarb er hier am 18. August 1932. Entsprechend seinem letzten Wunsch wurde die Urne mit seiner Asche von Bord des Leichten Kreuzers ?Koln“ im Gebiet der Skagerrakschlacht von 1916 durch seinen altesten Sohn der See ubergeben.
- Dermot Bradley
(Hrsg.),
Hans H. Hildebrand
, Ernest Henriot:
Deutschlands Admirale 1849?1945. Die militarischen Werdegange der See-, Ingenieur-, Sanitats-, Waffen- und Verwaltungsoffiziere im Admiralsrang.
Band 3:
P?Z.
Biblio Verlag, Osnabruck 1990,
ISBN 3-7648-1700-3
, S. 592?593.
- ↑
Jorg Hillmann
:
Admiral Zenker.
In:
Marineportal der deutschen Bundeswehr.
Deutsche Marine
, 23. Juni 2016, archiviert vom
Original
am
31. Mai 2019
;
abgerufen am 27. Marz 2019
.
- ↑
Biografische Angaben uber Hans Zenker, Akten der Reichskanzlei; in:
https://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/adr/adrsz/kap1_7/para2_21.html
- ↑
a
b
Akten der Reichskanzlei, R 43 I/147, Blatt 185 ff. in:
https://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/adr/adrsz/kap1_7/para2_21.html
- ↑
Berthold J. Sander-Nagashima, Die deutsch-japanischen Marinebeziehungen 1919 bis 1942, Dissertation der Universitat Hamburg, Hamburg 1998, S. 145ff.
- ↑
Schreiben Lohman an den Staatssekretar Kempner im Reichsfinanzministerium vom 29.3.1926, Akten der Reichskanzlei, R 43 I/147, Dok. 325 in:
https://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0000/adr/adrsz/kap1_7/para2_21.html
- ↑
Bernd Remmele, Die maritime Geheimrustung unter Kapitan zur See Lohmann, Militargeschichtliche Mitteilungen, Heft 56, 1997, S. 213ff.
- ↑
Ernst Schneller, Phobus Skandal. Korruption und Geheimrustung, Internationaler Arbeiter Verlag, Berlin 1928