Hans Geiger (1928)
Johannes Wilhelm ?Hans“ Geiger
(*
30. September
1882
in
Neustadt an der Haardt
; †
24. September
1945
in
Potsdam
) war ein deutscher
Physiker
. Bekannt wurde er durch den nach ihm benannten und von ihm zusammen mit seinem
Doktoranden
Walther Muller
entwickelten
Geigerzahler
(auch
Geiger-Muller-Zahlrohr
genannt).
Geigerzahler, 1932.
Science Museum London
.
Hans Geiger studierte ab 1902
Physik
und
Mathematik
in
Erlangen
, wo er Mitglied der
Burschenschaft der Bubenreuther
war
[1]
und in den ersten beiden Semestern nebenbei seinen einjahrigen Militardienst ableistete. 1904 verbrachte er auch ein Semester an der
Ludwig-Maximilians-Universitat Munchen
. 1906 legte er sein zweites Staatsexamen ab und wurde promoviert in Erlangen bei
Eilhard Wiedemann
mit der Arbeit
Strahlungs-, Temperatur- und Potentialmessungen in Entladungsrohren mit starken Stromen
.
[2]
Nach dem Studium wechselte er als Assistent zu
Arthur Schuster
nach
Manchester
und blieb dies auch ab 1907 unter dessen Nachfolger
Ernest Rutherford
, dessen 1911 aufgestelltes
Atommodell
zum Teil auf Geigers Entdeckungen beruhte (siehe
Rutherfordstreuung
). Er arbeitete dabei neben Rutherford unter anderem auch mit
Ernest Marsden
. Am Ende seiner Zeit in Manchester 1912 galt Geiger als internationale Autoritat fur Messungen der Radioaktivitat, was sich auch in einem Buch mit Wilhelm Makower niederschlug.
1912 ging Geiger zuruck nach Deutschland zur
Physikalisch-Technischen Reichsanstalt
in
Berlin
-Charlottenburg, wo er ein Labor fur Radioaktivitat aufbaute und mit
James Chadwick
zusammenarbeitete, der ihm aus Manchester gefolgt war und den er auch in der Zeit seiner Internierung wahrend des
Ersten Weltkriegs
unterstutzte, sowie mit
Walther Bothe
. Wahrend des Ersten Weltkriegs diente er als Artillerie-Offizier und arbeitete in
Fritz Habers
Gastruppe (dem
Pionierregiment 35
) fur den Gaskrieg mit.
[3]
Nachdem er sich 1924 in Berlin habilitiert hatte, wechselte Geiger 1925 als
Professor
an die
Christian-Albrechts-Universitat zu Kiel
. 1924 bis 1925 fuhrte er mit Bothe die Methode der
Koinzidenzmessung
ein, die sie bei Untersuchung des
Comptoneffekts
benutzten. Fur dieses Experiment erhielt Bothe spater ? nach dem Tod von Geiger ? den Nobelpreis. Unter anderem zeigten sie mit ihrem Experiment auch die Gultigkeit der Erhaltungssatze von Energie und Impuls auf atomarer Ebene, was damals zeitweise (unter anderem von
Niels Bohr
) bezweifelt wurde. Zusammen mit seinem Doktoranden Walther Muller entwickelte er in Kiel 1928 das Geiger-Mullersche-Zahlrohr (landlaufig als ?Geigerzahler“ bekannt), welches 1929 der Offentlichkeit vorgestellt wurde.
1929 wechselte Geiger an die
Eberhard Karls Universitat Tubingen
und wurde schließlich 1936 Direktor des Physikalischen Instituts der
Technischen Hochschule Berlin
als Nachfolger des von den Nationalsozialisten aus dem Amt gedrangten
Gustav Hertz
.
[4]
Dort befasste er sich insbesondere mit
Kosmischer Strahlung
.
Karl Scheel
und Hans Geiger (1928)
Geiger war 1920 mit
Karl Scheel
Grundungs-Herausgeber der
Zeitschrift fur Physik
und bis 1945 einer der Herausgeber. Nach dem Tod von Scheel hatte er ab 1936 die Schriftleitung. 1926 war er Herausgeber des
Handbuchs der Physik
im Springer Verlag.
1939 nahm er an den Grundungssitzungen des
Uranvereins
teil und sein Rat, die Forschungen zur Kernenergie zu intensivieren, hatte mit ausschlaggebendes Gewicht bei deren Sitzung im September.
[5]
Auf der Sitzung des Reichsforschungsrats 1942 uber die weitere Unterstutzung der Kernenergieforschung sprach er sich gegen eine weitere Fortfuhrung der Arbeiten aus.
[6]
Hans Geiger starb am 24. September 1945, kurz nach der Raumung seines Hauses in Potsdam (es lag im Sperrkreis der Konferenz der alliierten Siegermachte in Potsdam) in einem Krankenhaus. Schon seit 1942 hatte er sich aus seinen wissenschaftlichen Amtern zuruckgezogen aufgrund einer schweren rheumatischen Erkrankung.
Hans Geiger wurde auf dem
Neuen Friedhof Potsdam
beigesetzt. Sein Grab hat sich erhalten. Die nach
West-Berlin
ubergesiedelte Familie ließ auf dem
Friedhof Grunewald
einen zweiten Grabstein aufstellen, der sich ebenfalls erhalten hat.
1929 erhielt er die Hughes-Medaille der
Royal Society
, 1937 die Duddell-Medaille der London Physical Society und 1934 den
Arrhenius-Preis
der Akademischen Verlagsgemeinschaft Leipzig. Seit 1932 war er korrespondierendes Mitglied der
Sachsischen Akademie der Wissenschaften
und seit 1936 Mitglied der
Preußischen Akademie der Wissenschaften
. Seit 1936 war er Beisitzer im Vorstand der
Deutschen Physikalischen Gesellschaft
. Im Jahr 1935 wurde er zum Mitglied der
Leopoldina
und 1937 zum korrespondierenden Mitglied der Gottinger
Akademie der Wissenschaften
gewahlt.
[7]
Zu seinen Doktoranden zahlt
Otto Haxel
, der auch Assistent bei ihm an der TH Berlin war.
1970 wurde ein Mondkrater
[8]
und 2000 der
Asteroid
(14413) Geiger
nach ihm benannt.
[9]
Das
Hans-Geiger-Gymnasium
in Kiel
[10]
und ein Horsaal des Physikzentrums der Christian Albrechts-Universitat zu Kiel sind ebenfalls nach ihm benannt, ebenso eine Grundschule und eine Straße in seinem Geburtsort Neustadt; in weiteren Stadten sind Neubaustraßen nach ihm benannt.
Hans Geiger war der Sohn des Gymnasiallehrers und spateren Professors fur Indologie und Iranistik
Wilhelm Geiger
und der Bruder des Klimatologen
Rudolf Geiger
. Geiger war mit Elisabeth Heffter, Tochter des Berliner
Pharmakologen
Arthur Heffter
, verheiratet und hinterließ drei Sohne: Jurgen,
Klaus
und Roland.
Geiger hat sich bis zu seinem Tod 1945 nie offentlich fur oder gegen die Nazis geaußert. Er war kein Freund der
Deutschen Physik
und wurde 1927 von
Philipp Lenard
als ?Anglophiler“ als Nachfolger auf seinem Lehrstuhl abgelehnt.
[11]
Wolff
[12]
schreibt, dass Geiger gemeinsam mit
Max Wien
und
Werner Heisenberg
mit einem Memorandum, Zitat: ?[…] der deutschen Physik entgegentrat […]“.
Es gibt auch Hinweise, dass Hans Geiger sich fur Kollegen und Studierende, die wegen der
Nurnberger Gesetze
Probleme bekamen, einsetzte.
Lieselott Herforth
, eine Studentin, die bei Hans Geiger die Diplomprufung ablegte, merkt an:
[13]
?… er nahm auch meine Studienfreundin, die als ?
Halbjudin
‘ lediglich als Horer eingetragen werden durfte (dies auch nur, weil ihr Vater Arzt im Ersten Weltkrieg war), als Diplomandin an. Und das 1939/40! Sie konnte als Externe 1940 mit mir zusammen die Diplomprufung ablegen.“.
Ernst Stuhlinger
[14]
bemerkt: ?Erst viel spater wurde bekannt, daß Professor Geiger damals manchen seiner unglucklichen Kollegen, die sich zum Auswandern gezwungen sahen, durch seine nahen und sehr freundlichen Beziehungen zu Lord Rutherford und zu anderen einflussreichen Englandern zum Aufbau einer neuen Existenz im Ausland verholfen hat“.
Nach Kriegsende beschlagnahmten sowjetische Soldaten Geigers Haus in
Potsdam
. Swinne
[15]
merkt zu diesem Sachverhalt an: ?Im Juni 1945 wurde Geigers Haus beschlagnahmt und abgeriegelt, da in der Nahe die Potsdamer Konferenz durchgefuhrt wurde.“
Geiger hat sich aber auch nicht immer fur die Interessen von Kollegen eingesetzt.
Hans Bethe
, der aufgrund der
Nurnberger Gesetze
aus dem Staatsdienst entlassen wurde (seine Mutter war judisch) und der sich gerade fur eine Lehrstuhlvertretung in theoretischer Physik in Tubingen aufhielt, bat Geiger um seine Hilfe, die dieser verweigerte. Bethe schrieb dazu an Sommerfeld
[12]
[16]
?[…] jedenfalls bekam ich auf Anfrage, was geschehen wurde, den inliegenden Brief von Geiger, dessen Kurze ich eigentlich als fast beleidigend empfinde und nach dessen Wortlaut ich nicht mehr glaube, dass ich in Tubingen noch viele Worte zu reden habe.“ Der genaue Inhalt des Briefes ist nicht bekannt. Auch in einem
Oral-History
-Interview mit Charles Weiner 1967 außert sich Bethe enttauscht uber Geigers Reaktion, ohne diesen aber namentlich zu erwahnen.
[17]
Bunsentagung Munster 1932, Hans Geiger sitzend 2. von links, dahinter seine Frau
- mit Walter Makower:
Practical measurements in radioactivity.
Longmans, Green and Co., 1912 (franzosische Ausgabe Gauthier-Villars 1919), deutsche Ausgabe:
Messmethoden auf dem Gebiet der Radioaktivitat.
Vieweg 1920.
- Negative und Positive Strahlen.
Springer, 1927.
- Herausgeber des
Handbuchs der Physik.
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a
b
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Vertreibung und Emigration in der Physik
zu finden.
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Lieselott Herforth:
Erinnerungen an meinen ?Diplom-Vater“ ? Hans Geiger ware am 30. September 100 Jahre alt geworden.
In:
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In:
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Edgar Swinne:
Hans Geiger ? Spuren aus einem Leben fur die Physik.
Berliner Beitrage zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik, 2. Auflage, 1991.
- ↑
Bethe an Sommerfeld vom 11. April 1933, SOM, abgedruckt in: M. Eckert et al., Geheimrat Sommerfeld, Ausstellungskatalog Deutsches Museum, S. 141?144, Munchen 1984; Transkription eines Interviews mit Bethe vom 28. Oktober 1966, S. 92, AIP.
- ↑
Bethe Oral History Interview, Niels Bohr Institute
, wortlich sagte Bethe:
Then I wrote a letter to the professor of experimental physics who had been very friendly to me and really had indicated that he liked my work and liked me to be there and so on, and I got back a very stiff letter that presumably the lectures in theoretical physics would have to be arranged differently the next term.