Der
Handballtorwart
(auch
Torhuter
,
Torsteher
,
Torspieler
und speziell in der Schweiz
Goalie
genannt) ist im
Handball
der
defensivste
Spieler einer Mannschaft. Seine Hauptaufgabe ist es zu verhindern, dass der Ball ins Tor der eigenen Mannschaft gelangt.
Ein Handballtorhuter muss ein Trikot mit Nummer (auf Vorder- und Ruckseite) tragen, dessen Farbe sich von den Feldspielern der eigenen Mannschaft und der gegnerischen Mannschaft (einschließlich deren Torhuter) unterscheidet.
[1]
Ist dies nicht gewahrleistet, so muss er beispielsweise ein teiltransparentes
Trainingsleibchen
zur besseren Unterscheidung uberziehen. Die meisten Torhuter tragen auch eine lange Trainingshose und mannliche Torhuter fast ausnahmslos einen
Tiefschutz
(Suspensorium). Das Tragen von
Sportschuhen
ist nach Regel 4:9 vorgeschrieben.
[1]
Im Gegensatz zu Fußballtorwarten tragen Torhuter im Handball keine
Torwarthandschuhe
. Dies ist zudem seit 2016 nach Regel 4.9 der
IHF
verboten. Gesichtsmasken wurden zwar fruher mehrfach diskutiert, sind aber (nach Regel 4:9
[1]
) ebenso verboten wie Kopfschutz, sichtbares Piercing, Halsketten, Ohrschmuck, Brillen ohne Haltebander und ahnliche, den Gegenspieler unter Umstanden gefahrdende Gegenstande.
Ein Torwart kann auch gegen einen siebten Feldspieler ausgewechselt werden. Genauso kann ein Feldspieler jederzeit die Position des Torwarts einnehmen, indem dieser durch ein Leibchen als Torwart gekennzeichnet wird. Die Regel 5
Der Torwart
, befasst sich ausschließlich mit den fur den Torwart geltenden Regeln.
[2]
Fur die Torhuter gelten eine Reihe von Sonderregeln, insbesondere innerhalb des eigenen Torraumes. So darf der Torwart, zum Zwecke der Ballabwehr, im Torraum den Ball mit allen Korperteilen beruhren.
[2]
Dabei gelten fur ihn im Torraum nicht die
Drei-Sekunden-Regel
(Regel 7:2), die
Drei-Schritte-Regel
(Regel 7:3), die
Ball-tippen Vorschrift
(?Zweimal“) (Regel 7:4) und die
mehrfache Ballberuhrung ohne Bodenkontakt des Balles
(Regel 7:7).
[3]
Verzogert er allerdings absichtlich das Abspiel des Balles, so konnen die
Schiedsrichter
auf
Passives Spiel
entscheiden.
Der Torwart kann jederzeit den Torraum ohne Ball verlassen und im Spielfeld mitspielen. Dann gelten fur ihn die gleichen Regeln wie fur jeden Feldspieler auch.
[2]
Er darf den Torraum mit dem nicht unter Kontrolle gebrachten Ball verlassen und ihn im Spielfeld weiterspielen (Regel 5:4).
Er darf jedoch nicht den Torraum mit dem unter Kontrolle gebrachten Ball verlassen, wenn ein Abwurf angepfiffen war (Regel 5:6). Wenn er sich im Torraum befindet darf er nicht einen außerhalb des Torraums am Boden liegenden oder rollenden Ball beruhren (Regel 5:7) oder hereinholen (Regel 5:8). Auch darf er nicht mit dem Ball vom Spielfeld in den Torraum zuruckgehen (Regel 5:9). Einen sich bereits in Richtung Spielfeld bewegenden oder im Torraum liegenden Ball darf er nicht mit dem Unterschenkel oder dem Fuß beruhren (Regel 5:10).
Bei einem
Siebenmeter
der gegnerischen Mannschaft darf er nicht die Torwartgrenzlinie (4-m-Linie) oder deren gedachte Verlangerung auf beiden Seiten uberschreiten, bevor der Ball die Hand des Werfers verlassen hat (Regel 5:11).
Beruhrt der Torwart den Ball zuletzt, bevor er ohne Torerfolg die Grundlinie uberquert, bekommt der Torwart den Ball zum Abwurf aus dem eigenen Torraum zugesprochen. Uberquert der Ball allerdings die Seitenauslinie, so bekommt die angreifende Mannschaft einen Einwurf.
Der Torhuter wird gelegentlich auch als 7. Feldspieler eingesetzt oder durch einen Feldspieler ersetzt. Meist geschieht dies kurz vor Ende eines Spiels, wenn die angreifende Mannschaft nach Toren knapp zuruckliegt. Damit sollen die Chancen auf einen Sieg oder ein Unentschieden erhoht werden.
Die primare Aufgabe des Handballtorwartes ist es zu verhindern, dass der Ball durch die gegnerische Mannschaft die eigene Torlinie im vollen Durchmesser uberquert, das heißt, dass die gegnerische Mannschaft ein Tor erzielt. Bei gehaltenen oder verworfenen Ballen muss der Torwart im modernen Tempohandball den Ball moglichst schnell wieder ins Spiel bringen. Dadurch kann die eigene Mannschaft uber Tempogegenstoße oder die sogenannte ?zweite Welle“ zum Torerfolg kommen. Durch die
schnelle Mitte
konnen auch gegnerische Treffer, eingeleitet durch ein schnelles Zuspiel des Torwartes, gekontert werden. Gelegentlich kommen auch Torhuter selbst zum Torerfolg, beispielsweise indem sie den Ball uber das Spielfeld hinweg ins Tor des gegnerischen Torhuters werfen, wenn sich dieser zu weit vor seinem eigenen Tor aufhalt. Der Torhuter
Johannes Bitter
konnte so in seinen 112 Landerspielen zwei Tore erzielen.
[4]
Die Korperlange ist gerade im Profibereich ein Kriterium fur einen Torhuter. Eine Grundregel lautet dabei zwar ?je langer desto besser“ (der verstorbene Bundesligatorhuter
Dieter Bartke
hatte eine Korperlange von 2,16 m), jedoch konnen korperliche Nachteile durch andere Eigenschaften wie Sprungkraft und Beweglichkeit oft mehr als nur kompensiert werden.
Wieland Schmidt
hat beispielsweise 1,85 m und
Henning Fritz
1,88 m Korperlange. Wichtiger sind schnelle
Reflexe
, eine rasche
Auffassungsgabe
und die Fahigkeit zur
Antizipation
. Torhuter mussen Spielsituationen antizipieren konnen, erleichtert wird dies durch ein uber die Jahre angeeignetes Repertoire an Standardsituationen. In der Sportwissenschaft werden diese Standardsituationen auch Aktionsmuster genannt.
[5]
Grundvoraussetzung sind eine gewisse Furchtlosigkeit vor dem geworfenen Ball und dem Zusammenprall mit den Angreifern sowie Nervenstarke in Stresssituationen.
Probleme im
Ellbogenbereich
sind bei Handballtorhutern ausgesprochen verbreitet. In einer 1992 in
Norwegen
durchgefuhrten Studie berichteten 329 von 729 Handballtorhutern (45 %) uber Schmerzen im Bereich der Ellbogen, wahrend nur 166 von 4120 Feldspielern (4,0 %) uber entsprechende Beschwerden klagten. In einer zweiten Befragung berichteten von den 729 Torhutern (41 %) von akuten Problemen im Ellbogenbereich und weitere 34 % von zuruckliegenden Problemen.
Die Beschwerden waren wiederkehrende Schmerzen und verletzungsbedingte Ausfalle unterschiedlicher Dauer. Ursache fur diese Verletzungen sind offensichtlich wiederholte extreme Uberstreckungen des Ellbogengelenkes. Die Autoren bezeichnen das Syndrom als
handball goalie's elbow
(?Handballtorwart-Ellbogen“).
[6]
[7]
[8]
[9]
Die korrekte deutsche Bezeichnung fur diese Verletzung lautet
ellenseitige Kapselbandlasion.
[10]
[11]
Das
Hyperextensionstrauma
des Ellbogens kommt auch bei Hebel- und Haltetechniken im
Judo
vor.
[12]
Die Ursache der Schmerzen liegt moglicherweise in einer Schadigung des Ellbogennerves
Nervus ulnaris
.
[13]
Die Klarung der Frage ist Gegenstand aktueller Forschungen, um geeignete Praventionen und Behandlungsmoglichkeiten zu entwickeln.
[14]
Erhalt ein Handballtorwart eine
Zeitstrafe
, so muss er diese wie jeder andere Spieler auch entsprechend ?absitzen“. In aller Regel wird er dann durch einen weiteren Torwart der Mannschaft ersetzt und die betroffene Mannschaft spielt mit einem Feldspieler weniger.
Seit mehreren Jahren wird daruber diskutiert, dass es dem Torwart bei Tempogegenstoßen verboten werden soll, den Wurfkreis zu verlassen. In der Vergangenheit fuhrte dies zu einigen schweren Sportunfallen.
[15]
Bei Mannschaften mit ahnlichem Leistungsniveau kann die Torhuterleistung sehr schnell ein spielentscheidender Faktor werden. Bei einer Quote von 25 Prozent und mehr gehaltener Balle kann man im Allgemeinen von einer sehr guten Torhuterleistung sprechen. Quoten von uber 50 Prozent uber mehr als 30 Minuten Spielzeit sind indes im Aktivenbereich sehr selten.
Eine typische Bewegung zur Abwehr eines Balles ist der sogenannte
Hampelmann
.
Wirft ein Spieler unbehindert auf den Kopf eines Torwartes, der sich nicht in der Bewegung befindet, zum Beispiel bei einem Siebenmeter, so wird der Werfer disqualifiziert (Regel 8:5).
[16]
- Mattias Andersson
(* 1978), mehrmaliger deutscher Meister, Europameister 2000 mit Schweden
- Johannes Bitter
(* 1982), EHF-Pokal-Gewinner, Weltmeister 2007, Deutscher Meister 2011
- Henning Fritz
(* 1974),
Weltmeister 2007
,
Welthandballer
2004
- Martin Galia
(* 1979), in der Saison 2005/06 mit 508 Paraden bester Torwart der Bundesliga, EHF-Pokalfinale 2006
- Peter Gentzel
(* 1968), 213 Landerspiele fur Schweden, dreimal Europameister, Weltmeister
- Stefan Hecker
(1959?2019), mehrmaliger deutscher Meister und Pokalsieger,
Handballer des Jahres
1990
- Silvio Heinevetter
(* 1984), 2004 Junioren-Europameister, EHF-Pokalsieger 2007
- Manfred Hofmann
(* 1948),
Handballer des Jahres
1979, Weltmeister 1978
- Jan Holpert
(* 1968), Rekordspieler
1. Bundesliga
? meiste Einsatze
- Kasper Hvidt
(* 1976), Europameister 2008, Bronze EM 2002, 2004, 2006 und WM 2007
- Michael Krieter
(* 1963), Deutscher Handballmeister mit THW Kiel 1994?96, 1998; Deutscher und EHF-Pokalsieger 1998
- Niklas Landin Jacobsen
(* 1988), Europameister 2012, Weltmeister 2019
- Andrei Lawrow
(* 1962), dreimal Olympiasieger, Weltmeister und Europameister
- Cecilie Leganger
(* 1975), Weltmeisterin 1999, Welthandballerin 2001
- Thierry Omeyer
(* 1976), mehrmaliger franzosischer und deutscher Meister, viermal Weltmeister, zweimal Europameister, Olympiasieger,
Welthandballer
- Christian Ramota
(* 1973),
Europameister 2004
- Sigi Roch
(* 1959), Silbermedaille Olympische Spiele 1984, einmal Europapokalsieger, zweimal Deutscher Meister, dreimal Deutscher Pokalsieger
- Wieland Schmidt
(* 1953), Olympiasieger 1980 mit der DDR
- Arpad ?terbik
(* 1979), Welthandballer 2005, mehrmals ungarischer und spanischer Meister
- Sławomir Szmal
(* 1978), Welthandballer 2009, polnischer Nationaltorhuter
- Andreas Thiel
(* 1960), Spitzname: Der Hexer, siebenmal Handballer des Jahres, funfmal Deutscher Meister
- Andreas Wolff
(* 1991), Europameister 2016 mit Deutschland
- ↑
a
b
c
Regel 4
- ↑
a
b
c
Regel 5
- ↑
Regel 7
- ↑
Johannes Bitter.
(
Memento
vom 30. Marz 2010 im
Internet Archive
) abgerufen am 27. November 2009.
- ↑
Torwart Aktionsmuster.
(
Memento
vom 11. April 2013 im
Internet Archive
) abgerufen am 9. September 2011.
- ↑
S. Tyrdal, R. Bahr:
High prevalence of elbow problems among goalkeepers in European team handball ? 'handball goalie's elbow'.
In:
Scand J Med Sci Sports.
6/1996, S. 297?302.
PMID 8960652
- ↑
S. Tyrdal, A. M. Finnanger:
Osseous manifestations of 'handball goalie's elbow'.
In:
Scand J Med Sci Sports.
9/1999, S. 92?97.
PMID 10220843
- ↑
S. Tyrdal, O. J. Pettersen:
The effect of strength training on 'handball goalie's elbow'--a prospective uncontrolled clinical trial.
In:
Scand J Med Sci Sports.
8/1998, S. 33?41.
PMID 9502308
- ↑
M. A. Ferrara u. a.:
Modifications of the elbow induced by the practice of handball on radiography, US and MRI.
In:
JBR-BTR.
82/1999, S. 222?227.
PMID 10589171
- ↑
Therapielexikon der Sportmedizin.
Springer, Berlin/ Heidelberg 2006,
ISBN 3-540-33522-6
, S. 73?84.
- ↑
H. G. Pieper, M. Muschola:
Sportverletzungen und Uberlastungsschaden im Handballsport.
In:
Sport-Orthopadie - Sport-Traumatologie.
23/2007, S. 4?10.
- ↑
T. O. Kromer:
Das Ellenbogengelenk: Grundlagen, Diagnostik, physiotherapeutische Behandlung.
Springer, 2004, S. 96?99.,
ISBN 3-540-44021-6
.
- ↑
I. R. Rise u. a.:
Is the ulnar nerve damaged in 'handball goalie's elbow'?
In:
Scand J Med Sci Sports.
11/2001, S. 247?250.
PMID 11476431
- ↑
U. Akgun u. a.:
Direction of the load on the elbow of the ball blocking handball goalie.
In:
Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc.
26. September 2007,
PMID 17899010
- ↑
J. Bierschwale:
Unfall schockt Handball-Liga: Jakobsen fordert Konsequenzen.
In:
Die Welt.
3. Dezember 2001.
- ↑
Regel 8