Hohenforschungsrakete

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Start einer kanadischen Black Brant-12 Forschungsrakete

Eine Hohenforschungsrakete (auch Forschungsrakete oder Hohenrakete genannt) ist eine unbemannte Rakete , mit deren Hilfe physikalische Messungen in der Atmosphare durchgefuhrt werden. Dies sind meist meteorologische Messungen, wie solche des Luftdrucks , der Temperatur oder der Windgeschwindigkeit , aber auch andere Messungen, wie die Untersuchung der elektrischen Eigenschaften der Ionosphare .

Daneben werden mit Hilfe von Hohenforschungsraketen auch astronomische Beobachtungen oder materialwissenschaftliche Untersuchungen durchgefuhrt.

Eine Hohenforschungsrakete ist in der Regel ein ballistischer Flugkorper, der aus einer antreibenden Feststoffrakete und einem aufgesetzten Nutzlast behalter besteht. Die Vorbereitungen zum Start sind wesentlich einfacher als z. B. in der Raumfahrt .

Als Nutzlast werden Messinstrumente fur wissenschaftliche Forschungen in Hohen zwischen 45 km und uber 1.200 km befordert. Je nach Zielsetzung konnen folgende Instrumente eingesetzt werden:

In vielen Fallen fallen die Messinstrumente nach ihrem Hoheneinsatz an Fallschirmen zuruck zur Erde, um dort geborgen und deren Messungen ausgewertet zu werden, andererseits konnen die Messdaten auch per Funk ubermittelt werden.

Als Raketen konnen prinzipiell gelenkte oder ungelenkte Flussigkeits- , Hybrid- oder Feststoffraketen eingesetzt werden. Aus Kostengrunden werden heute als Hohenforschungsraketen ? sofern das Experiment keine besondere Ausrichtung erfordert ? meist ungelenkte Feststoffraketen verwendet; gelenkte Feststoffraketen werden nur verwendet fur Experimente, die eine exakte Flugbahn benotigen. Flussigkeits- und Hybridraketen werden gelegentlich fur schwerere Nutzlasten verwendet.

Hohenforschungsraketen werden oft von mobilen Abschusseinrichtungen aus gestartet, um ihren Einsatzradius deutlich erweitern zu konnen.

Besondere Experimente

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Zur Messung von Windgeschwindigkeiten wird entweder die Position einer Messkapsel bestimmt, die an einem Fallschirm zur Erde zuruckkehrt und auch andere Messgerate (z. B. zur Bestimmung der Temperatur) besitzen kann, oder es werden metallbeschichtete Kunststoffstreifen abgeworfen, deren Flugbahn mit einem Radargerat verfolgt werden kann. Auch die Erzeugung kunstlicher Wolken, z. B. aus Titandioxid ist hierfur moglich.

Um das Magnetfeld der Erde zu vermessen, werden Kanister mit Alkali- oder Erdalkalimetallen mitgefuhrt, die am Gipfelpunkt der Bahn zur Explosion gebracht werden. Durch die Sonnenstrahlung werden diese leicht ionisierbaren Elemente ionisiert , und die geladenen Ionen verteilen sich in Abhangigkeit von den Feldlinien .

Aufgrund der großen militarischen Bedeutung ballistischer Raketentechnologie gab es schon immer eine enge Beziehung zwischen Hohenforschungs- und militarischen Raketen. Es handelt sich um eine typische Dual-Use -Technologie, die sowohl fur zivile als auch fur militarische Zwecke genutzt werden kann. Wahrend des Kalten Krieges kooperierte die Bundesrepublik Deutschland auf diesem Gebiet mit Landern, die den Atomwaffensperrvertrag damals noch nicht unterzeichnet hatten, wie Brasilien, [1] Argentinien und Indien. Im Zuge von Recherchen der deutschen Friedensbewegung wurde diese Zusammenarbeit 1983 von einer Gruppe von Physikern aufgedeckt. [2] [3] [4] Die dadurch in Gang gesetzte internationale Diskussion fuhrte zur Entwicklung des Raketentechnologie-Kontrollregimes ( Missile Technology Control Regime MTCR) auf Ebene der G7-Staaten. [5] Seitdem werden im Rahmen des MTCR Listen von technologischen Gutern erstellt, deren Ausfuhr strengen Kontrollen unterworfen ist.

Beispiele von Hohenforschungsraketen

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Name Lange Durchmesser Startmasse (davon Nutzlast) Schub Flughohe Fluge Erstflug Letzter Flug Organisation Land
AwiaWNITO 3,22 m 30 cm 97 kg (10 kg) 2942 N 2,4 bis 3 km Unbekannt 0 6. April 1935 Unbekannt / Sowjetunion
Deacon 3,28 m 16 cm 93 kg (17 kg) 27 kN 20 km 95 0 1. April 1947 26. August 1958 Unbekannt Vereinigte Staaten
Aerobee (ursprunglich Aerojet General X-8) 7,8 m 38 cm 727 kg (68 kg) 18 kN 117,5 km circa 165 24. April 1947 1958 Aerojet Vereinigte Staaten
Arcas 2,3 m 11 cm 34 kg (4,5 kg) 1500 N 64 km > 6000 0 4. November 1958 26. September 1975 Atlantic Research Corporation Vereinigte Staaten
Asp 3,68 m 17 cm 111 kg (11 kg) 42 kN 110 km 30 0 1. Dezember 1955 14. Juni 1962 Cooper Development Corporation Vereinigte Staaten
Nike Cajun 7,7 m 42 cm 698 kg (23 kg) 246 kN 120 km 714 0 6. Juli 1956 0 6. Oktober 1976 University of Michigan , NACA Vereinigte Staaten
M-100 8,34 m 25 cm 475 kg (15 kg) Unbekannt 90 km > 6640 11. Juli 1957 0 1. Dezember 1986 GMS Sowjetunion
Nike Apache 8,31 m 42 cm 728 kg (36 kg) 217 kN 200 km 893 18. Marz 1958 28. November 1980 Sandia Vereinigte Staaten
Argo E-5 (auch "Jason") 17,5 m 58 cm 3330 kg (57 kg) 365 kN 800 km 22 11. Juli 1958 0 2. September 1958 Aerolab Vereinigte Staaten
Argo D-4 (auch "Javelin") 14,8 m 58 cm 3385 kg (60 kg) 365 kN > 1100 km 85 7. Juli 1959 18. Juli 1976 Aerolab Vereinigte Staaten
Loki 2,63 m 7,6 cm 13 kg (3 kg) 9030 N 75 km > 3544 13. Oktober 1959 25. August 1960 Aerojet , GCR Vereinigte Staaten
Argo D-8 (auch "Journeyman") 18,9 m 79 cm 6300 kg (Unbekannt) Unbekannt 3000 km > 8 19. September 1960 30. Juni 1965 Aerolab Vereinigte Staaten
Meteor 2,47 m 12 cm 32,5 kg (Unbekannt) 14 kN 36,5 km 177 0 1. Januar 1963 15. September 1973 Poland Aviation Institute Polen
MMR06 3,48 m 20 cm 130 kg (5 kg) Unbekannt 60 km > 62 13. Oktober 1969 10. April 1992 GMS Sowjetunion

Weitere Modelle:

Einzelnachweise

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  1. Bundesministerium fur Forschung und Technologie der Bundesrepublik Deutschland / Ministerium fur Auslandische Angelegenheiten der Foderativen Republik Brasilien (Hrsg.): 10 Jahre wissenschaftlich-technologische Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Foderativen Republik Brasilien. 1979, 84 Seiten.
  2. Mario Birkholz: Die Bundesrepublik als heimlicher Waffenexporteur. Arbeitskreis Physik und Rustung (Hrsg.), Berlin 1983, DNB 996624457 .
  3. Duncan Campbell: Germany helps Brazil to nuclear supremacy , New Statesman , 5. August 1983.
  4. Rainer Rudert, Klaus Schichl, Stefan Seeger: Atomraketen als Entwicklungshilfe - Rustungstechnologie aus der Bundesrepublik fur Brasilien, Indien und Argentinien. Forum Naturwissenschaftler fur Frieden und Abrustung (Hrsg.), Verlag des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Marburg 1985, DNB 870757830 .
  5. Jurgen Scheffran : Deutsche Beitrage zur Entwicklung und Ausbreitung der Raketentechnik - Die heimliche Raketenmacht. Wissenschaft und Frieden , 1991. ( wissenschaft-und-frieden.de ( Memento vom 2. Marz 2018 im Internet Archive ))