Gustavo Esteva

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Gustavo Esteva (2008).

Gustavo Esteva (* 20. August 1936 in Mexiko-Stadt ; † 17. Marz 2022 in Oaxaca ) war ein mexikanischer politischer Aktivist und Grunder der unabhangigen Universidad de la Tierra in Oaxaca sowie Mitglied der Universidad National Autonoma de Mexico . Er war einer der bekanntesten Vertreter des Post-Development . Gepragt durch eine links-zapatistische Haltung bezeichnete er sich als ?deprofessionalized intellectual“ (?deprofessionalisierten Intellektuellen“) [1] .

Gustavo Esteva begann mit 15 Jahren mit der Erwerbsarbeit , um nach seiner eigenen Aussage seine erweiterte Familie zu unterstutzen. Seinen weiteren Werdegang beschrieb er 2004 in seinem Buch: Nachdem er zunachst als Aushilfskraft gearbeitet hatte, sei er dank Trumans Entwicklungspolitik zur jungsten Fuhrungskraft bei IBM aufgestiegen. Moglich geworden sei dies durch Entwicklungsexperten, deren Bildungsprojekte den weniger privilegierten Mexikanern zuganglich gemacht wurden. So hatte er selbst zum Zentrum der Weiterentwicklung werden und dafur sorgen konnen, die Bedingungen fur die Arbeiter zu verbessern; das unter der Pramisse , dem Unternehmen und den Stakeholders profitable Umsatze zu sichern, damit sich alle etwas leisten konnten (?gaining a solid income, prestige and a sports car“).

Esteva arbeitete in verschiedenen Firmen. Schließlich ging er in die offentliche Verwaltung, arbeitete fur eine Bank fur Außenhandel und schloss sich einer revolutionar-marxistischen Gruppe an. Diese verließ er 1965. Von 1970 bis 1976 war er Regierungsbeamter in der sozialreformerischen Regierung von Luis Echeverria . Vom Entwicklungs-Paradigma desillusioniert kundigte er schließlich seinen Job.

1983 traf er Ivan Illich . Esteva war zu einem Seminar uber die soziale Konstruktion von Energie mit Wolfgang Sachs in Mexiko-Stadt eingeladen. Dort war auch Illich. Fasziniert von Illich vertiefte er in nachtelangem Studium dessen Schriften. Er begann mit Ivan Illich zusammenzuarbeiten und spater wurden Illich und Esteva Freunde.

Esteva arbeitete als Berater der Ejercito Zapatista de Liberacion Nacional (EZLN) bei deren Verhandlungen mit der Mexikanischen Regierung. Gleichzeitig arbeitete er am Centre for Intercultural Dialogues and Exchanges (CEDI) in Oaxaca und grundete dort mit Anderen die unabhangige Universidad de la Tierra . Die Universitat versteht sich als gemeinschaftlicher Lernort fur radikale Demokratie . Bis zu seinem Tod arbeitete Esteva mit verschiedenen indigenen Gruppen und NGOs zusammen und publizierte international. Er schrieb fur La Jornada und den britischen Guardian . [2]

Entwicklungs-Kritik

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?Entwicklung ist ein gesellschaftliches Experiment im Weltmaßstab, das fur die Mehrheit der Betroffenen entsetzlich fehlgeschlagen ist. Ihre ?Eingliederung“ in den Weltmarkt zu fairen und gleichen Bedingungen ist zunehmend undurchfuhrbar, wahrend sich der Abstand zwischen Zentrum und Peripherie konstant vergroßert. [...] Entwicklung ist ein heimtuckischer Mythos, dessen bloße Existenz die Mehrheit der Weltbevolkerung bedroht, da er ihre uble Lage in einen chronischen Alptraum verwandelt ? das ist die entwurdigende Modernisierung der Armut.“

? Gustavo Esteva (1995) [3]

Die Grundlagen von Estevas Kritik an der Entiwcklungsidee der westlichen Staaten entwickelte sich aus seinen privaten und beruflichen Erfahrungen: Aus einer Vorzeige-Karriere der Entwicklungspolitik entwickelte er eine kritische und schließlich ablehnende Haltung gegenuber dem Einfluss des Nordens auf die Lander des globalen Sudens . Anhand der Bedeutungsgeschichte des Wortes ?Entwicklung“ machte Esteva in seinen Arbeiten deutlich, dass dieser Begriff im 17. Jahrhundert zunachst nur fur biologisch-evolutionare Prozesse gebraucht wurde. In der 2. Halfte des 20. Jahrhunderts gab es nach Esteva eine semantische Verschiebung in Richtung eines Machtgefalles von ?Entwicklern“ und ?Entwickelten“.

Esteva war ebenfalls großer Anhanger der Commons (Allgemeinguter) und der Art und Weise wie diese Art der kollektiven Bedurfnisbefriedigung von der zapatistischen Bewegung gelebt wird. [4]

Gustavo Esteva radikale und sozialrevolutionare Haltung ? er sagte 1993, die Idee der ?Entwicklung“ sei eine verwesende Leiche, die endlich begraben werden musse ? beeinflusste auch andere Denkschulen. [5] Der wesentlich weniger politisch radikale Alberto Acosta nimmt Bezug auf Esteva in seinen Ideen zum Guten Leben (Buen Vivir) . [6]

Publikationen (Auswahl)

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  • mit Madhu Suri Prakash: Grassroots Postmodernism: Remaking the Soil of Cultures. Zed Books, London 2014, ISBN 978-1-78360-182-0 .
  • mit Salvatore Babones und Philipp Babcicky: The Future of Development. A Radical Manifesto. Policy Press, Bristol 2013, ISBN 978-1-44731-204-8 .
  • mit Catherine Marielle (Hrsg.): Sin maiz no hay pais: paginas de una exposicion. Consejo Nacional para la Cultura y las Artes, Direccion General de Culturas Populares e Indigenas, 2003.
  • The Revolution of the New Commons. In: Curtis Cook, Juan D. Lindau (Hrsg.): Aboriginal Rights and Self-Government. The Canadian and Mexican Experience in North American Perspective. McGill-Queen’s University Press, Montreal 1998, ISBN 978-0-77356-799-3 , S. 186?220.
  • Fiesta ? jenseits von Entwicklung, Hilfe und Politik. Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 1995, ISBN 978-3-86099-101-5 .
  1. Esteva versteht unter ?Deprofessionalisierung“ eine Befreiung von den Strukturen, Dunkel und Abhangigkeiten der in Institutionen arbeitenden Intellektuellen.
  2. Katalog der Deutschen Nationalbibliothek. Abgerufen am 30. Juni 2017 .
  3. Gustavo Esteva: Fiesta - jenseits von Entwicklung, Hilfe und Politik. Brandes & Apsel, Frankfurt am Main 1995, ISBN 978-3-86099-101-5 , S. 56 ff.
  4. Gustavo Esteva: Hoffnung von unten. Das besondere Prinzip des Zusammenlebens in Oaxaca . In: Silke Helfrich , Heinrich-Boll-Stiftung (Hrsg.): Commons. Fur eine neue Politik jenseits von Markt und Staat . 2. Auflage. transcript, Bielefeld 2015, ISBN 978-3-8394-2835-1 , S.   236?243 ( transcript-verlag.de ).
  5. Die heilige Kuh der ?Entwicklung“. In: Sudwind Magazin . 30. Oktober 2011, abgerufen am 21. Dezember 2023 .
  6. Alberto Costa: Buen Vivir. Vom Recht auf ein gutes Leben. oekom, Munchen 2015, ISBN 978-3-86581-705-1 .