Gunnar Myrdal

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Gunnar Myrdal (1964)

Gunnar Myrdal [ ?g?nːa? ?myː??ːl ] (* 6. Dezember 1898 in Gustafs ; † 17. Mai 1987 in Stockholm ) war ein schwedischer Okonom . Von 1947 bis 1957 war er als erster Leiter der UNO-Wirtschaftskommission fur Europa tatig. 1974 wurde er zusammen mit Friedrich August von Hayek fur Pionierarbeiten auf dem Gebiet der Geld - und Konjunkturtheorie und die Analysen des Zusammenhangs zwischen okonomischen, sozialen und institutionellen Phanomenen mit dem Alfred-Nobel-Gedachtnispreis fur Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. [1]

Alva und Gunnar Myrdal im Arbeitszimmer ihres Hauses (1945)
Myrdals Wohnhaus im Stockholmer Bezirk Bromma (2010)

Myrdal, dessen Familie finnische Wurzeln hat, war der Sohn eines Eisenbahnkonstrukteurs. Nach dem Abitur studierte Myrdal Jura. 1924 heiratete er Alva , geb. Reimer. Mit ihr hatte er zwei Tochter, die Ethik-Professorin Sissela Bok und die Sozialwissenschaftlerin Kaj Folster , sowie einen Sohn, den Schriftsteller Jan Myrdal .

Auf Wunsch seiner Ehefrau Alva schloss Gunnar Myrdal Studien der Volkswirtschaftslehre , Soziologie und Finanzwirtschaft an. Das Studium der Finanzwirtschaft beendete er 1927 mit der Promotion zum Dr. oec. In seiner Dissertation ubte er in erster Linie Kritik an der Arbeitswertlehre von Karl Marx .

Anschließend war Myrdal als Dozent tatig. In den Jahren 1933 bis 1950 war er Professor fur Wirtschaftspolitik und Finanzwissenschaften an der Handelshochschule Stockholm . 1937 baute der Architekt Sven Markelius ein Wohnhaus fur die Familie Myrdal: die ?Villa Myrdal“ im Stockholmer Bezirk Bromma mit Svenskt-Tenn -Mobeln von Uno Ahren , Nils Fougstedt und Axel Einar Hjorth. [2]

Myrdal lehnte zwar immer den Marxismus ab, war aber uberzeugter Sozialist . Als solcher war er zusammen mit seiner Ehefrau seit 1932 Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei . In den Jahren 1934 bis 1938 und 1944 bis 1947 vertrat Myrdal seine Partei in der ersten Kammer des schwedischen Reichstags .

Von 1945 bis 1947 gehorte Myrdal der schwedischen Regierung als Handelsminister an. Hier zeichnete er fur ein Handelsabkommen mit der Sowjetunion sowie ein Kohleabkommen mit Polen verantwortlich. Vor allem das Abkommen mit der Sowjetunion war in der Bevolkerung sehr umstritten. Er war ein Befurworter der sog. Baltenauslieferung [3] Im Zusammenhang mit der schwedischen Wahrungskrise trat Myrdal 1947 von seinen Amtern zuruck. [4]

Von 1947 bis 1957 war Myrdal der erste Leiter der UNO-Wirtschaftskommission fur Europa . 1958 wurde er in die American Academy of Arts and Sciences , 1974 in die British Academy und 1982 in die American Philosophical Society [5] gewahlt.

1960 ging Myrdal zuruck an die Universitat Stockholm . Dort hatte er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1967 den Lehrstuhl fur Internationale Wirtschaftspolitik inne.

Im Alter von 88 Jahren starb Myrdal am 17. Mai 1987 in Stockholm.

Gunnar Myrdal (vor 1938)

Mit seiner Frau Alva schrieb Gunnar Myrdal das Buch Die Krise in der Bevolkerungsfrage (schwedisch: Kris i befolkningsfragan , 1934), durch das der damalige schwedische Minister fur Soziale Aufgaben, Gustav Moller, angeregt wurde, die Sozialhilfe fur Familien einzufuhren. In dem Buch forderten sie auch ein Sterilisationsprogramm , damit sich ?hochgradig lebensuntaugliche“ Individuen nicht fortpflanzen und die Sozialhilfe nicht unbezahlbar werde. [6] [7]

Ab 1938 leitete Gunnar Myrdal eine von der Carnegie Corporation geforderte umfassende soziookonomische, anthropologische und juristische Studie zu den Rassenbeziehungen in den USA. Das Ergebnis war Myrdals wohl bekanntestes Werk An American Dilemma: The Negro Problem and Modern Democracy (1944, Ko-Autoren: R. M. E. Sterner und Arnold Rose). Darin beschreibt er das Problem der Rassenbeziehungen als ein Dilemma, das dem Konflikt zwischen den hohen Idealen des ?amerikanischen Traums“ einerseits und seiner unvollkommenen Verwirklichung andererseits entsprungen sei. In den Generationen seit dem Amerikanischen Burgerkrieg 1861?1865 seien die USA unfahig gewesen, ihre Menschenrechtsideale auch fur das afroamerikanische Bevolkerungszehntel umzusetzen. Das Buch wurde Grundlage der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes der USA von 1954 (? Brown v. Board of Education “), dass die Rassentrennung an offentlichen Schulen ungesetzlich sei.

Myrdal war ein scharfer Kritiker der neoklassischen Theorien und ahnlicher Theorien der Wirtschaftswissenschaft. Deren deduktiv abgeleitete Gleichgewichtsmodelle kritisierte er aufgrund ihrer Realitatsferne und ihrer Funktion zur Rechtfertigung sozialer Ungleichheit: die Vorstellung eines ?ursprunglichen Gleichgewichts“, das gestort werden kann, wodurch aber Gegenkrafte geweckt werden, die wiederum zu einem Gleichgewicht tendieren. Eine haufige Formulierung ist die der ? unsichtbaren Hand “ des Marktes , der Ungleichgewichte beseitigen konne, z. B. die zwischen Angebot und Nachfrage auf Arbeitsmarkten oder zwischen Entwicklungs- und Industrielandern . In seinem Buch Okonomische Theorie und unterentwickelte Regionen (1957) stellt Myrdal diesen Gleichgewichtsmodellen eine polarisationstheoretische Hypothese gegenuber: die der spiralformigen kumulativen Verursachung von Ungleichgewichten in der wirtschaftlichen Entwicklung. Kleinste Vorteile oder Nachteile bestimmter Regionen konnen im Lauf der Zeit zu großen Vorteilen oder Nachteilen gegenuber anderen Regionen anwachsen, solange das ?freie Spiel der Krafte“, d. h. der staatlich nicht regulierte Markt, vorherrscht. Deshalb befurwortete Myrdal Interventionen des Staates, auch auf internationaler Ebene, um offentliche Wohlfahrt zu erhalten. Er gilt als einer der Vorreiter der Entwicklungspolitik .

Myrdal bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche am 27. September 1970

Veroffentlichungen

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  • Das politische Element in der national-okonomischen Doktrinbildung. 1932.
  • Zeitschrift fur Nationalokonomie, IV. Band, 3. Heft (1933) Das Zweck-Mittel-Denken in der Nationalokonomie
  • The Political Element in the Development of Economic Theory. 1959.
  • The Cost of Living in Sweden, 1830?1930. 1933.
  • Crisis in the Population Question. 1934.
  • Fiscal Policy in the Business Cycle. The American Economic Review. vol 21, no 1, Mar 1939.
  • Population, a Problem for Democracy. Harvard University Press, 1940.
  • Contact With America. 1941.
  • An American Dilemma: The Negro Problem and Modern Democracy. Harper & Bros, 1944 ( InternetArchive BookReader ).
  • Social Trends in America and Strategic Approaches to the Negro Problem. In: Phylon. Vol. 9, No. 3, 3rd Quarter, 1948.
  • Conference of the British Sociological Association, 1953. II Opening Address: The Relation between Social Theory and Social Policy. In: The British Journal of Sociology. Vol. 4, No. 3, Sept. 1953.
  • An International Economy, Problems and Prospects. Harper & Brothers Publishers, 1956.
  • Rich Lands and Poor. 1957.
  • Economic Theory and Underdeveloped Regions , Gerald Duckworth, 1957.
  • Value in Social Theory: A Selection of Essays on Methodology. Ed. Paul Streeten, published by Harper, 1958.
  • Beyond the Welfare State. Yale University Press, 1960.
  • Challenge to Affluence. Random House, 1963.
  • America and Vietnam ? Transition. No. 3, Oct, 1967.
  • Twenty Years of the United Nations Economic Commission for Europe. In: International Organization. Vol 22, No. 3, Summer, 1968.
  • Asian Drama: An Inquiry into the Poverty of Nations.
  • Objectivity in Social Research. 1969.
  • The Challenge of World Poverty: A World Anti-Poverty Program in Outline. 1970.
  • Against the Stream.
  • Hur Styrs Landet? 1982.
  • Gunnar Myrdal on Population Policy in the Underdeveloped World. In: Population and Development Review. Vol 13, No. 3, Sept. 1987.
  • The Equality Issue in World Development. In: The American Economic Review. vol 79, no 6, Dec 1989.
  • Orjan Appelqvist: Gunnar Myrdal i svensk politik 1943?1947 ? En svensk Roosevelt och hans vantolkade nederlag. In: NORDEUROPAforum. 1, 1999, S. 33?51. ( online ).
  • Thomas Etzemuller : ?Die Romantik der Rationalitat“. Alva & Gunnar Myrdal ? Social Engineering in Schweden. Transcript Verlag, Bielefeld 2010, ISBN 978-3-8376-1270-7 .
Commons : Gunnar Myrdal  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Literatur von und uber Gunnar Myrdal im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Zeitungsartikel uber Gunnar Myrdal in den Historischen Pressearchiven der ZBW
  • Informationen der Nobelstiftung zur Preisverleihung 1974 an Gunnar Myrdal (englisch)
  • Gunnar Myrdal im Munzinger-Archiv (Artikelanfang frei abrufbar)
  • Bernhard Blohm: Gunnar Myrdal. In: Die Zeit . 22. Mai 1987, archiviert vom Original am 20. Mai 2013 ; .

Einzelnachweise

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  1. Bank of Sweden : The Sveriges Riksbank Prize in Economic Sciences in Memory of Alfred Nobel 1974. 1974, abgerufen am 6. Januar 2012 .
  2. Makarna Myrdals mobler saljs pa auktion. 12. Mai 2022, abgerufen am 16. Mai 2022 (schwedisch).
  3. ≫Das ist eine offene Wunde≪. In: Spiegel Online . 15. Dezember 1991, abgerufen am 27. Januar 2024 .
  4. Orjan Appelqvist: Gunnar Myrdal i svensk politik 1943?1947 ? En svensk Roosevelt och hans vantolkade nederlag. In: NORDEUROPA forum . 1, 1999, S. 33?51 ( online ).
  5. Member History: Gunnar Myrdal. American Philosophical Society, abgerufen am 4. Februar 2019 .
  6. Franz Walter: Sozialdemokratische Genetik. In: Die Zeit. 31. August 2010.
  7. Ann-Judith Rabenschlag: Fur eine bessere ?Bevolkerungsqualitat‘ Ein Vergleich bevolkerungspolitischer Konzepte in Schweden 1920?1940.
  8. Friedenspreis 1970: Alva und Gunnar Myrdal friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de