Unter
Guggenmusik
(mundartlich
Guggemusig, Guuggemusig, Guggemoseg, Guggamusik, Guggumusig
) versteht man
Blasmusik
, die im
alemannischen
Raum in der
Fasnacht
gespielt wird. Es handelt sich um eine stark rhythmisch unterlegte, scheinbar ?falsch“ bzw. ?schrag“, im Idealfall aber professionell und mehrstimmig arrangiert gespielte Blasmusik. Die Musiker sind dabei oft verkleidet und teilweise maskiert.
Die Guggenmusik ist Bestandteil der
schwabisch-alemannischen Fasnacht
, der
Basler Fasnacht
,
Luzerner Fasnacht
,
Barner Fasnacht
,
Winterthurer Fasnacht
,
Solothurner Fasnacht
,
Ostschweizer
und
Walliser
Fasnacht sowie allgemein der
Zentralschweizer
Fasnacht.
Die Herkunft des Wortes ?Guggenmusik“ ist unsicher, jedoch scheint es von
Basel
ausgegangen zu sein.
[1]
In
Gustav Adolf Seilers
Baseldeutschem Worterbuch
von 1879 und im 1901 abgeschlossenen vierten Band des
Schweizerischen Idiotikons
(wo das Wort hatte behandelt werden mussen) fehlt es noch. Altere Bezeichnungen fur improvisierte Musikgruppen waren
Tschattermusik,
Katzenmusik
, Charivari
und
Tschinnerattemusik
.
[1]
Im spaten 19. Jahrhundert habe man einen unbegabten Blechblaser als
Gugger
bezeichnet ? das
Schweizerische Idiotikon
kennt hierfur allerdings
Guugger
[2]
?, womit das Wort im Zusammenhang mit Blasmusik in die Fasnacht eingeflossen ware.
[3]
In Basel bezeichnet eine
Gugge
allerdings gewohnlich eine Papiertute, und diese wiesen fruher eine konische Form auf, sodass deren Verwendung als improvisiertes Blasinstrument den Ausgangspunkt fur das Wort
Guggenmusik
darstellen konnte.
[1]
Erstmals bezeugt findet sich die Zusammensetzung
Guggenmusik
jedenfalls 1906 im
Verzeichnis der Fasnachtsumzuge neben zehn anderen Musiken
.
[1]
Seither hat sich das Wort uber die ganze
Deutschschweiz
, nach
Sudwestdeutschland
und nach
Vorarlberg
ausgebreitet.
Umzuge mit Larmgeraten vornehmlich bei Winter- und Fruhjahrsgebrauchen, die haufig mit Maskierungen einhergehen, sind in unserem Kulturkreis seit Jahrhunderten verbreitet. Das Aufkommen der heutigen Guggenmusiken lasst sich allerdings nur schwer verfolgen. Im Basel des spaten 19. Jahrhunderts sprach man von ?Musikbanden“, welche die Wurzeln der heutigen Guggenmusiken sein konnten. Als im Jahre 1874 erstmals eine
Blaskapelle
zum
Morgestraich
in Basel mitmarschierte, wurden zunachst heftige Proteste laut, zehn Jahre spater wurde es aber polizeilich erlaubt. Ab den 1870er-Jahren ist der Auftritt verschiedener ?humoristischer Musikgruppen“ uberliefert, und 1887 außerte sich ein Leserbriefschreiber dahingehend, man sollte die beste ?humoristische Musikgruppe“ pramieren.
[1]
1934 erlebten die Guggenmusiken in Basel ihren großen Aufschwung und ?rasselten“ am nicht genutzten Fasnachtdienstag ? der nun als spezieller Guggentag gilt ? ?mit ohrenbetorendem Getschatter“ am Publikum ?vorbei“. Ab 1946 nahm die Zahl der Basler Guggenmusiken standig zu, von damals 7 auf 67 im Jahr 1985.
[1]
Nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitete sich die Guggenmusik mit ihrer in Basel gepragte Bezeichnung uber die Zentralschweiz (1948 erste Guggenmusik in Luzern nach einem Gastauftritt von Basler Guggenmusiken) weiter nach Suddeutschland, Italien und Osterreich. In
Lorrach
wurde die erste deutsche Guggemusik 1953 (Gugge 53) gegrundet, 1959 folgte die zweite in
Istein
bei Efringen-Kirchen (Ischteiner Guggemusik 1959 e.V.). Insbesondere im oberschwabischen Raum gibt es allerdings schon seit Jahrzehnten sogenannte ?Lumpenkapellen“ bzw. die ?
Katzenmusik
“, die von der Intention her durchaus mit den Guggenmusiken vergleichbar sind.
Heute gibt es viele unterschiedliche Arten von Guggenmusiken. Oft werden Volks- und Kinderlieder sowie bekannte Popsongs gespielt. Seit den 1980er Jahren ist vor allem in der Zentralschweiz auch der Einfluss des brasilianischen Karnevals (
Samba
-Rhythmen) spurbar.
Es ist nicht moglich, eine einheitliche Definition der Guggenmusik zu finden, da jede Region andere Fasnachtstraditionen hat.
Neben den traditionellen
Blechblasinstrumenten
wie
Trompete
,
Tuba
und
Posaune
sowie dem unverzichtbaren
Schlagwerk
lasst sich heute auch beinahe jedes andere Instrument finden, z. B.
Steeldrum
,
Dudelsack
,
Piccoloflote
,
Klarinette
,
Saxophone
und
Sousaphon
.
Kontrovers wird diskutiert, wer sich uberhaupt
Guggenmusik
nennen kann. Grob unterscheiden lassen sich
- reine Musikvereine, die lediglich ein fur Fasnacht angepasstes Repertoire spielen,
- spezialisierte Guggenmusiken, die das Jahr uber fur die narrische Zeit Musikstucke lernen und an
Choreografien
feilen,
- Gruppen von
Laienmusikern
, die oft nicht nach Noten spielen (konnen).
Spezialisierte Guggenmusiken ? auch Guggen genannt ? lassen sich vor allem in der Schweiz finden, wo einzelne Musikgruppen regelrechte Konzertreisen veranstalten und gegen Gage auftreten. In Suddeutschland trifft man eher Zusammenschlusse aus Laien- und Vereinsmusikern an, wobei auch hier ein gewisser Wettbewerbsgedanke nicht immer abzusprechen ist. So wurde z. B. bereits funf Mal die deutsche Guggenmusik-Meisterschaft im
Europa-Park
in
Rust
ausgetragen (2003, 2004, 2007, 2008 und 2009). Ebenso wird bei dem seit 2008 jahrlich stattfindenden Guggenmusik-Festival in Merseburg unter vielen Guggenmusikgruppen aus ganz Deutschland im Wettstreit die beste Gruppe ermittelt.
In der ?Fasnetszeit“ findet jahrlich in
Schwabisch Gmund
das großte ?
Internationale Guggenmusik-Treffen
“ der Welt statt. Guggenmusik-Gruppen aus Deutschland, Osterreich, Liechtenstein, Großbritannien und der Schweiz treffen sich bei der zwei Tage dauernden Veranstaltung. Das Treffen zahlt jedes Jahr zwischen 60.000 und 100.000 Besucher.
- Dominik Wunderlin:
Die Guggenmusiken in Basel. Die Entwicklung einer fasnachtlichen Besonderheit.
In:
Schweizer Volkskunde.
Band 75, 1985, S. 81?94.
- ↑
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Dominik Wunderlin:
Die Guggenmusiken in Basel. Die Entwicklung einer fasnachtlichen Besonderheit.
In:
Schweizer Volkskunde.
Band 75, 1985, S. 81?94.
- ↑
Schweizerisches Idiotikon,
Band II, Spalte 196, Stichwort
G?gger
(
Digitalisat
).
- ↑
Basler Fasnacht ? Entstehung der Guggemusik in Basel 1906?1965.
In:
altbasel.ch.
Abgerufen am 24. Februar 2023.