Guckkastenbuhne in der
Opera Garnier
in Paris
Guckkastenbuhne im engeren Sinn: Wande mit praktikablem Fenster auf der Seite:
Yelva
im
Theatre du Gymnase-Dramatique
Paris, 1828
Der Ausdruck
Guckkastenbuhne
wird (eher spottisch) fur einen Typus der
Theaterbuhne
beziehungsweise des
Buhnenbilds
gebraucht, der vor allem im 19. Jahrhundert verbreitet war und bis heute die wichtigste Bauform darstellt. Die Guckkastenbuhne markiert durch ihren Portalrahmen eine klare Trennung zwischen Buhne und Zuschauerraum.
[1]
Sie hat drei Wande, nur die
vierte Wand
zum Publikum hin ist offen. Der Name stammt von der Jahrmarktsattraktion des
Guckkastens
her.
Oft wird die Guckkastenbuhne im weiteren Sinn mit der
Rahmenbuhne
oder
Kulissenbuhne
seit dem 17. Jahrhundert gleichgesetzt, die einen feststehenden Rahmen als
Proszenium
hat (der sie oft von einer Vorbuhne im Zuschauerraum abgrenzt). Ihre seitlichen und oberen Begrenzungen waren allerdings noch mit einer Staffel von einschiebbaren
Kulissen
und
Soffitten
markiert. Gemeinsam mit perspektivischen
Buhnenprospekten
und einer Steigung des Buhnenbodens sollten sie den Eindruck unendlicher Tiefe vermitteln (
Perspektivbuhne
). Diese Buhnenform ist typisch fur das
Barocktheater
.
Die ?flachen“ Seitenwande und der klar abschließende Hintergrund der Guckkastenbuhne im engeren Sinne, wie sie gegen 1800 aufkamen (siehe auch die
Zimmerbilder
in der Malerei), waren dagegen ein moderneres Prinzip, mit dem man die Abkehr von der barocken Buhne demonstrierte. Der Raum war dadurch klar definiert: Er war nicht von illusionarer Weite, sondern von realistischer Begrenzung.
Wahrend der Zeit des
Buhnennaturalismus
waren ?geschlossene Zimmerdekorationen“ mit Mobeln, Turen und Fenstern als Guckkastenbuhnen modern, die eine Illusion von Privatheit erzeugten. Eine differenzierte
Lichttechnik
und die erst seit Ende des 19. Jahrhunderts ubliche ganzliche Verdunkelung des Zuschauerraums waren Voraussetzung fur diese Wirkung. Eine
Verwandlung
auf der Guckkastenbuhne kann sehr schnell geschehen, wenn das Theater eine aufwandige
Buhnentechnik
besitzt, mit der das gesamte Bild auf die Ober-, Unter-, Hinter- oder Seitenbuhne verschoben bzw. mit einer
Drehbuhne
gedreht wird.
Aus der Sicht modernerer Buhnenkonzepte seit den
Avantgarden
zu Beginn des 20. Jahrhunderts (z. B.
Edward Gordon Craig
oder
Wsewolod Meyerhold
) ist die Guckkastenbuhne Inbegriff des Veralteten. Modernere Typen wie die
Arenabuhne
oder Raumbuhne bzw. Rekonstruktionen alterer Buhnenformen wie der
Apron Stage
aus dem 17. Jahrhundert haben sie allerdings nicht ersetzt, und Visionen wie
Walter Gropius
’
Totaltheater
konnten sich nicht dauerhaft durchsetzen. Allerdings werden viele Guckkastenbuhnen heute je nach
Inszenierung
durch Vorbuhnen, Einbezug des
Zuschauerraums
oder des
Foyers
etc. um raumliche Moglichkeiten erweitert, und auch stadtische Theater besitzen alternative Spielorte wie Fabrikhallen. Besonders in der
Oper
ist die Guckkastenbuhne bis heute vorherrschend.
Wird eine Guckkastenbuhne als Element des Buhnenbildes konstruiert, spricht man von einer ?Buhne auf der Buhne“.
- Gunter Schone:
Die Entwicklung der Perspektivbuhne von Serlio bis Galli-Bibiena nach den Perspektivbuchern.
Voss, Leipzig 1933.
- Eberhard Werner, Hans Gußmann:
Theatergebaude. Geschichtliche Entwicklung.
VEB Verlag Technik, Berlin 1954.
- Bruno Grosel:
Buhnentechnik. Mechanische Einrichtungen.
Oldenbourg, Wien 2007,
ISBN 978-3-7029-0555-2
.
- ↑
duden.de
, abgerufen am 11. Oktober 2012