Groteske

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Das Groteske (von italienisch grottesco zu grotta ?Hohle‘) ist ein kunstlerisches Stilmittel, das auch als Genre- beziehungsweise Gattungsbegriff ( die Groteske) in der Bildenden Kunst, der Literatur, der Musik und den Darstellenden Kunsten je nach Epoche in sehr unterschiedlicher Bedeutung Verwendung findet.

Kopfloser und Kopffußler an einer Miserikordie im Chorgestuhl der Kathedrale von Ripon

Umstritten waren Grotesken seit ihrem ersten Auftreten. Vitruv (1. Jahrhundert v. Chr.) hat schon fruh das Ausufernde der pompejanischen Wandmalereien (zu deren 4. Stil die Malereien im Goldenen Haus Neros ( Domus Aurea ) gerechnet werden) kritisiert:

?Auf dem Stuck sehen wir abenteuerliche Missgestalten, nicht klare Wiedergaben klar vorhandener Dinge. Statt Saulen wachsen Rohrstangel empor; statt Giebeln gestreifte Zierrate mit krausen Blattern und Voluten. Kandelaber stutzen Tempelchen hoch, und uber deren First wachsen Bundel von dunnen Stengeln aus Wurzeln und Ranken, mit da und dort verstreuten Figuren, oder dunne Stiele mit Menschen und Tierkopfen, die auf einem halben Korper sitzen. Solche Dinge gibt es nicht, kann es nicht geben, hat es nie gegeben. (…) Denn wie konnte ein Halm wirklich ein Dach stutzen, ein Kandelaber den Giebelschmuck oder ein weicher dunner Halm eine sitzende Figur, oder wie konnten Blumen und halbe Bildsaulen abwechselnd aus Wurzeln und Stengeln wachsen?“ [1]

Das Zedler-Lexikon definiert im Jahr 1735 das Groteske, in Anlehnung an die unzulassigen Freiheiten der Maler und Dichter laut Horaz ( Ars poetica , ca. 15 v. Chr.), als Nichteinhalten von Ordnungen oder Gestaltungsprinzipien: ?Grotesque ist eine Freyheit derer Mahler oder Bildhauer, etwas wiedersinniges und lacherliches, oder ungeschickte Bildungen von Thieren, Vogeln, halben Menschen, Waffen, Laubwerk und dergleichen kunstlich durch einander geflochten vorzustellen.“ [2] Der Begriff unterscheidet ursprunglich nicht, ob das Groteske den ?geschickten“ Darstellungsweisen nicht genugen kann, nicht genugen will oder deren Wertmaßstabe gar nicht kennt.

Ihren Ursprung hat die Groteske in der Kunst der Renaissance , als Bezeichnung fur bestimmte antike und von ihnen abgeleitete neuzeitliche Ornamentformen. Pietro Luzzi (auch als Morto da Feltre bekannt), ein Maler des ausgehenden 15. Jahrhunderts, gilt als der Entdecker der antiken Vorlagen. Er ?erhielt von seinen Zeitgenossen den Namen der Tote. Tagelang hatte er sich in den Uberresten des ehemaligen Palastes Neros aufgehalten und gearbeitet. Das Goldene Haus Neros war im Jahr 104 durch einen Brand zerstort, von Trajan zugeschuttet und mit Thermen uberbaut worden. So geriet es in Vergessenheit, bis sich etwa um 1490 Maler fur den nun unter der Erde liegenden Palast interessierten. Von ihren Exkursionen in die Unterwelt brachten sie Aufzeichnungen mit ? seltsam anmutende Malereien, die sie in den dunklen Gangen kopiert hatten. Das Grottenartige des ehemaligen Palastes gab diesen Malereien ihren Namen: Grotesken werden sie seither genannt. Dieser belanglos wirkende Vorgang hatte weit reichende Konsequenzen. Grotesken galten in der Renaissance als das Kennzeichen fur italienische Zeichnungen all’antica uberhaupt.“ [1]

Als Ornamente werden die Groteske , die Arabeske und die Maureske oft miteinander in Beziehung gesetzt oder fur synonym gehalten. Sie sind gleichermaßen Ausdruck des Exotischen und des Regellosen, nach den Maßstaben einer christlich gepragten Kultur. Dieses Bizarre und Phantasievolle faszinierte, ohne sich uber die religiosen Konventionen jener Zeit erheben zu konnen und zu wollen, die es als Karnevaleskes oder Damonisches verstanden. [3]

Vom 17. Jahrhundert an umfasst das Groteske das Volkstumliche, Ungehobelte, zum Teil auch das Altertumliche im Sinn des Veralteten (? Schwulststil “), im Unterschied zu den formellen, stark reglementierten hofischen Kunstformen, wie sie die franzosische Klassik propagierte. Die ?Vertreibung Harlekins“ in Gestalt des Tabarin oder spater im sogenannten Hanswurststreit steht etwa fur die Abkehr einer neuzeitlichen Hochkultur vom Grotesken. [4] Im 20. Jahrhundert, nach dem Ende der adligen Vorherrschaft in Europa, lost sich der Begriff des Grotesken vom Volkstumlichen und von seiner Geringschatzung (im Unterschied zum umgangssprachlichen Adjektiv grotesk ). Er dient als Stilbegriff fur drastische Komik und monstrose Ubertreibung, zum Beispiel fur den ubersteigerten Ausdruck des Expressionismus .

Der Duden versucht, das Groteske an bestimmten Eigenschaften eines Werks der Bildenden Kunst oder der Literatur festzumachen: als Darstellung ?einer verzerrten Wirklichkeit, die auf paradox erscheinende Weise Grauenvolles, Missgestaltetes mit komischen Zugen verbindet“. [5] Aus heutiger Sicht ist dies nur sinnvoll, wenn solche Merkmale als Regelverstoß beabsichtigt sind und nicht bloß vom Urteil ihrer Kritiker abhangen.

Nach Michail Bachtin ist die Groteske in Literatur und bildender Kunst jedoch nicht nur eine in satirischer Absicht benutzte Hyperbel , sondern signalisiert eine grundlegende Ambivalenz : Einerseits erkennen wir in ihr die Realitat wieder, andererseits empfinden wir moralische Befriedigung, indem wir das Dargestellte verhohnen. Zugleich ist der groteske Korper keine individuelle Einheit, sondern nur ein Durchgangsstadium in einem dauernden Prozess der Verwandlung und Erneuerung. [6]

Die werkimmanente Interpretation , wie sie in der Literaturwissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg ublich war, versuchte das Groteske als ahistorisch wertfreies Stilmittel zu bestimmen, wie etwa Wolfgang Kayser (?Das Groteske ist eine Struktur“). [7] Mit dieser Betrachtungsweise wurde die Tatsache ausgeblendet, dass mit dem Etikett des Grotesken das gesellschaftlich Niedere der jeweiligen Zeit festgelegt, aufgewertet, oder umgekehrt das Hochstehende zum Niederen abgewertet wird. Die Verbindung des Begriffs mit der Wertung des Betrachters war Kayser allerdings bewusst: ?Wer mit der Kultur der Inka nicht vertraut ist, wird manche ihrer Bildsaulen fur grotesk halten […]“. [8] Der Gestus der Aufwertung kann das Vorurteil stutzen, dass es sich um etwas Niederes handle. Mit der zunehmenden Einsicht in die Relativitat von Normen loste sich das Groteske von negativen Konnotationen . Zudem bezog sich das Groteske weniger auf das Fremde (mit dem Anspruch, dass der Exotismus das Fremde so wahrnehme, wie es sei) als auf die absichtliche Verfremdung oder Entfremdung eines Vertrauten. Wenn es nicht mehr notig ist, einen Unterschied zu herrschenden Normen herauszustellen, verliert das Groteske als Stilbegriff seine Bedeutung.

Peter Fuß in seiner neueren Uberblicksdarstellung bezeichnet das Groteske als ?Medium des kulturellen Wandels“. [9] Das Groteske im alteren, fruhneuzeitlichen Sinn ist Ausdruck des nicht Normalen oder nicht Normierten, im modernen Sinn stellt es Normen in Frage. ?Erst das harte Aufeinandertreffen von Vertrautem und Ungewohntem lasst das Groteske entstehen“, erklart Petra Mayer mit Bezug auf E. T. A. Hoffmann . [10] Nach Dorothea Scholl bewegt sich der Mensch seit der Renaissance ?zwischen dem Erhabenen und dem Grotesken“, [11] wobei das Erhabene zunachst noch religios gepragt war und seit dem 17. Jahrhundert von der Hofkultur definiert wurde (und die Hoffahigkeit zu den begehrtesten sozialen Eigenschaften gehorte).

Die Loggien Raffaels

In der Bildenden Kunst ist ? die Groteske “ ein Ornament , verwandt mit der weniger figurlichen Arabeske und der Maureske . Sie besteht aus einem flachenfullenden Geflecht, in dem sich Fabelwesen, Pflanzenelemente, Bander oder Gefaße erkennen lassen, und fuhrte in der Hochrenaissance zu charakteristischen Dekorationen wie dem Florisstil .

Als das bedeutendste Beispiel fur Groteskenmalereien in der Renaissance gelten die Loggien Raffaels . 1512 hatte Raffael die von Bramante begonnenen Arbeiten an der Stadtfassade des ehemaligen Palastes von Nikolaus V. fortgesetzt. Er vollendete das zweite Stockwerk, das seitdem die Loggien Raffaels genannt wird und setzte noch eine dritte Loggia darauf. 1517 wurde mit der Ausschmuckung der Loggien begonnen, dem Jahr, in dem Luther seine 95 Thesen uber den Ablass in Wittenberg anschlug. In den 13 Gewolben befinden sich die Gemalde, die als die Bibel Raffaels bezeichnet werden und die das Konkurrenzunternehmen zu Michelangelos Sixtinischer Kapelle darstellen sollten.

In zwolf der Gewolbe sind jeweils vier Szenen aus dem Alten Testament und in dem 13. Gewolbe vier Szenen aus dem Neuen Testament dargestellt. Allerdings sind diese biblischen Darstellungen unbedeutend gegenuber der verwirrenden Vielfalt der mythologischen Szenen, den Landschaftsmalereien und Fruchtgirlanden, den Mischungen aus Menschen, Tieren, Pflanzen und architektonischen Gebauden. In diesem Aufbau folgen die als das kleine domus aurea bezeichneten Loggien direkt ihrem großen Vorbild; zum Teil wurden Abbildungen aus dem Goldenen Haus direkt ubernommen. Alfred Bouß geht davon aus, dass sich am Beispiel der Loggien Raffaels in exemplarischer Weise die Verbindung von Grotesken und ihrem architektonischen und gesellschaftlichen Rahmen anschaulich machen lasst. [12]

?Das Groteske“ wird zwar gelegentlich zum Stilmittel verallgemeinert, mit dem das Volkstumliche oder Populare , das Hassliche, Obszone, Komische oder Unproportionierte zu Kunst erhoben werde, es wird aber nicht zum Gattungsbegriff gemacht. Oft wird das Groteske in einen Zusammenhang mit der Karikatur gebracht, so von Christoph Martin Wieland ( Unterredungen zwischen W* und dem Pfarrer zu * , 1775). [13] Von einem Grotesken ist, manchmal abwertend und manchmal wertfrei, ohne kunstgeschichtliche Verortung die Rede: von den allegorischen Gestalten Hieronymus Boschs uber die Fabelwesen von Johann Heinrich Fussli bis hin zu den ? Kunstismen “ des beginnenden 20. Jahrhunderts.

Das Groteske als beabsichtigter Verstoß gegen kunstlerische Normen (vor allem gegen die bienseance oder Schicklichkeit , aber auch gegen die vraisemblance als erwartetem Anschein eines Wirklichen oder Wahrhaftigen [14] ) spielt fur die Aufwertung des Popularen in der Romantik eine besondere Rolle. Friedrich Schlegel (der einen Gattungsbegriff der Arabeske entwickelte), Jean Paul oder E. T. A. Hoffmann widmeten sich auch literaturtheoretisch dem Grotesken. Fur die etwas spater angesetzte franzosische Romantik um Victor Hugo (der sich in der Schlacht um Hernani 1830 gegen das hofische Theater durchsetzte) oder Theophile Gautier wurde es zum Modebegriff. Edgar Allan Poe vereinte modernisierte Vanitas -Motive unter dem Motto des Grotesken zu einer popularen Literarisierung des Grauens ( Tales of the Grotesque and Arabesque , 1840) und musste sich dabei gegen den Vorwurf des germanism verteidigen. Die derbkomischen und hintergrundigen Humoresken Wilhelm Buschs entlarven das scheinbar Idyllische eines Volkstumlichen. Die absurd-existentialistischen Texte Samuel Becketts oder Eugene Ionescos versehen eine Welt des Durchschnittlichen und Banalen mit grotesken Elementen. Das Groteske reicht hier vom Wunderlich-Seltsamen uber das Ironische bis hin zum Sinnlosen und Damonischen. Beispiele von interessanten Figuren mit geringem gesellschaftlichen Ansehen, die gleichzeitig Abscheu und Mitleid erregen sollen, sind der Glockner von Notre-Dame , Frankensteins Monster , das Phantom der Oper sowie Gollum in Tolkiens Welt.

Bekannte Verfasser von Grotesken im Sinne des Gattungsbegriffs sind unter anderen Hermann Harry Schmitz , E. T. A. Hoffmann, Fritz von Herzmanovsky-Orlando , Oskar Panizza , Nikolai Gogol , Groucho Marx und Lewis Carroll ( Alice im Wunderland , 1865). In allen Werken Franz Kafkas pragt das Groteske seinen Erzahlstil. Fur die Zeit nach 1945 sind Friedrich Durrenmatt , Max Frisch , Edgar Hilsenrath und Ror Wolf zu nennen. Sammlungen grotesker und surrealer Geschichten wurden unter dem Titel Schrage Geschichten herausgegeben. [15]

Seit 1985 wird jahrlich der Kasseler Literaturpreis fur grotesken Humor vergeben.

Der Begriff Groteske tritt haufig in Verbindung mit der Musik des Fin de Siecle auf und wird auch als Gattungsbegriff fur Charakterstucke verwendet. Insbesondere im deutschsprachigen Raum lasst sich diese Tendenz beobachten, etwa bei Erwin Schulhoff , Josef Matthias Hauer , Stefan Wolpe oder auch Erich Wolfgang Korngold . Die Wiener Universal Edition veroffentlichte 1921 ein Grotesken-Album mit Klavierstucken, die programmatisch ein Landliches wie Bela Bartoks Ungarische Volkstanze op. 20 oder ein Subkulturelles wie den Wurstelprater aus der musikalischen Sicht Felix Petyreks schildern. Gustav Mahler verwendet die Groteske nicht als Titel oder Untertitel seiner Werke, seine Musik aber wird manchmal als Musterbeispiel fur groteske Kompositionsverfahren herangezogen. Die Unterbrechung eines Historismus wie jenem der Sinfonien von Johannes Brahms durch musikalische Elemente, die nicht regelhaft oder maßvoll erscheinen, weil sie der Popularkultur oder exotischen Vorbildern nachempfunden sind, ist fur diese Einschatzung von Bedeutung. [16] Ahnliches gilt fur Franz Schreker . Weitere oft genannte Vertreter eines grotesken Kompositionsstils sind Gyorgy Ligeti , Arnold Schonberg und Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch .

Ab dem spateren 18. Jahrhundert war es Mode, Autoritaten mit grotesken Stilmitteln auszustatten, die der Standeklausel gemaß eigentlich den niederen Figuren vorbehalten waren (wie etwa der ?grotesken Gestalt des Mohren Monostatos“ [17] in Mozarts Zauberflote , 1791). Solche Figuren in der Oper sind etwa der Burgermeister von Zaandam in Albert Lortzings komischer Oper Zar und Zimmermann (1837), die Figur des Schulmeisters in dessen Wildschutz (1842) wie auch die Figur des Falstaff in der gleichnamigen Oper (1893) von Giuseppe Verdi . Eine groteske Opernfigur ist auch Kowaljows Nase in Dmitri Schostakowitschs Oper Die Nase (1930). [18]

Theater und Tanz

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im Theater von der Renaissance bis zur Franzosischen Revolution war das Groteske gleichbedeutend mit Darstellungen, die nicht zur Welt des Adels gehorten, die also etwas grober und realistischer waren als die idealen Figuren der Tragodie (siehe Standeklausel ). In diesem abqualifizierenden Sinn wurden die Figuren der Commedia dell’arte fur grotesk gehalten. Die volkstumliche Pantomime (wie z. B. Der siegende Amor , 1814) zeigte das Groteske im Unterschied zum hofischen Ballett . Das Exotische und das Landliche auf der Buhne galten als grotesk, wie etwa die Turken in den Komodien Molieres und in den Balletten Jean-Baptiste Lullys . [19] Johann Gottfried Kiesewetter hielt zum Beispiel den Grotesktanz fur eine passende Charakterisierung der ?wilden“ Indianer im Ballett von Spontinis Oper Fernand Cortez (1800). [20] Diese Bedeutung des Grotesken ging im 19. Jahrhundert zunehmend auf die Bezeichnung Charakter- uber, wie in den Zusammensetzungen Charaktertanz und Charakterrolle .

Im 20. Jahrhundert verlor das Groteske auf der Buhne mitunter seine ursprungliche Verbindung mit dem Komischen und seine Bedeutung als Zeichen fur niedere gesellschaftliche Stellung. Es konnte das Verzerrte auch im tragischen Sinn mit einschließen wie im Melodram (bekannt ist etwa noch Blut und Liebe , 1912, von Martin Luserke ) sowie Adlige und Herrscherfiguren charakterisieren wie den Ochs von Lerchenau in Hugo von Hofmannsthals Der Rosenkavalier (1911) oder, ins Extrem gesteigert, Konig Ubu (1896) von Alfred Jarry . Arthur Schnitzler bezeichnete sein Stuck Der grune Kakadu (1899) als Groteske.

Das Groteske als Stilmittel der popularen ? Nummern “ in Singspielhalle , Variete , Music Hall oder Vaudeville war nach dem Ersten Weltkrieg asthetisch aufgewertet. Ab den 1920er Jahren wurde Valeska Gert (1892?1978) fur ihre Grotesktanze beziehungsweise -pantomimen bekannt (und dafur postum 2004 mit einem Stern auf dem Walk of Fame des Kabaretts ausgezeichnet).

Der Dramatiker Friedrich Durrenmatt definierte das Groteske in seiner Dramentheorie im Ruckblick auf den Zweiten Weltkrieg als ?Gesicht einer gesichtslosen Welt“. [21] In einer Welt der nivellierten gesellschaftlichen Unterschiede werde das Tragische zum grotesken Element der Komodie . In dieser Tradition kann noch George Taboris Drama Mein Kampf (1987) gesehen werden.

In den 1920er-Jahren galten Slapstick -Komodien als ?Groteskfilm“, was noch das geringere Genre und die geringer bewerteten Figuren und Handlungen meinte. Im moderneren Sinn wird der Begriff des Grotesken im Tonfilm verwendet: Er kann dem Lexikon der Filmgeschichte nach einen ?drastischen Kontrast zwischen erzahlter Welt und den Ereignissen der Geschichte“ meinen, ?Misstone und Dissonanzen“ inszenieren oder ?Ubermaß und Uberfluss“ prasentieren. [22] Der Ausdruck Groteske wird oft verwendet, wenn diegetische Elemente des Films mit extradiegetischen konfrontiert oder akzentuiert werden wie beim akustischen Phanomen des Slapstick. [23]

Satirisch uberspitzte oder absurde Filmkomodien wie die Monty Python -Werke oder Adams Apfel und Danische Delikatessen [24] werden als Beispiele fur das Groteske im Film genannt. Die Mehrheit der Filme, die heute mit dem Grotesken in Verbindung gebracht werden, sind dagegen keine Komodien: Als ?Dekonstruktion des kulturellen Wertesystems“ ist Pasolinis Die 120 Tage von Sodom (1975) analysiert worden. [25] David Cronenbergs Filme [26] stehen ihrerseits dem Horror-Genre nahe.

Vergleich einer Serifenschrift und einer Grotesken (Sans Serif)

Auch eine Schriftart heißt seit Anfang des 19. Jahrhunderts Grotesk ; mit ihr wurden die Ursprunge der lateinischen Schrift wiederbelebt und mit ihren ohne organische Verschlingungen und serifenlosen ? also frei und ohne ?Halt‘ im Raum stehenden Buchstaben ? lasst sich eine Verbindung zu dem Ursprung in der Bildenden Kunst herstellen. [27]

Darstellende Kunst
  • Stefan Hulfeld, Rudi Risatti, Andrea Sommer-Mathis (Hg.): Grotesk! Ungeheuerliche Kunste und ihre Wiederkehr. Hollitzer, Wien 2022, ISBN 978-3-99012-936-4 .
Bildende Kunst
Anthologien
  • Heiko Arntz (Hrsg.): Schrage Geschichten ? Grotesken aus zwei Jahrhunderten , Philipp Reclam jun., Stuttgart 1997, ISBN 3-15-009643-X .
Dichtung
  • Reinhard Berron: Elemente grotesken Erzahlens in der europaischen Versnovellistik. Koln 2021, ISBN 978-3-412-52168-4 .
  • Otto F. Best : Das Groteske in der Dichtung . WBG , Darmstadt 1980, ISBN 3-534-06187-X .
  • Dorothea Scholl: Von den ?Grottesken“ zum Grotesken: Die Konstituierung einer Poetik des Grotesken in der italienischen Renaissance . LIT, Munster 2004, ISBN 3-8258-5445-0 .
  • Harald Fricke , Klaus Weimar , Klaus Grubmuller , Jan-Dirk Muller : Reallexikon der Deutschen Literaturwissenschaft: Neubearbeitung des Reallexikons der deutschen Literaturgeschichte . Walter de Gruyter, Berlin 1997, ISBN 3-11-010896-8 .
  • Wolfgang Kayser : Das Groteske. Seine Gestaltung in Malerei und Dichtung . Nachdruck der Erstausgabe von 1957. Stauffenberg, Tubingen 2004.
  • Michail M. Bachtin : Literatur und Karneval. Zur Romantheorie und Lachkultur . Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 1996.
  • Christian W. Thomsen: Das Groteske im englischen Roman des 18. Jahrhunderts . Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1974, ISBN 3-534-06860-2 (mit einer Ubersicht uber die nach Kayser, 1957 erschienene Sekundarliteratur).
Musik
Religionswissenschaft

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. a b Alfred Bouß: Die Bewegung der Erstarrung, Von Grotesken und Groteskem , in: Foedera naturai: Klaus Heinrich zum 60. Geburtstag , hrsg. von Hartmut Zinser, Karl-Heinz Kohl, Friedrich Stentzler, Konigshausen & Neumann, Wurzburg 1989, S. 59?69, hier S. 59. ISBN 3-88479-440-X
  2. Johann Heinrich Zedler (Hg.): Grosses vollstandiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Kunste , Zedler, Halle und Leipzig 1735, Bd. 11, Sp. 1083.
  3. Vgl. James Luther Adams, Wilson Yates (Hg.): The Grotesque in Art & Literature. Theological Reflections , Eerdmans, Cambridge 1997, ISBN 0-8028-4267-4
  4. Christian Kirchmeier: Moral und Literatur. Eine historische Typologie . Fink, Munchen 2014, ISBN 978-3-8467-5572-3 , S.   237 .
  5. Duden: Die Groteske , online unter duden.de , abgerufen am 19. Sep. 2018.
  6. Michail Bachtin: Die groteske Korperkonzeption und ihre Quellen , in: Ders.: Rabelais und seine Welt: Volkskultur und Gegenkultur. Frankfurt 1995, S. 345 ff.
  7. Wolfgang Kayser: Das Groteske. Seine Gestaltung in Malerei und Dichtung . Mit einem Vorwort von Gunter Oesterle. Stauffenberg, Tubingen 2004, ISBN 3-86057-801-4 , S.   198 (Erstausgabe: Stalling Verlag, Oldenburg 1957, Nachdruck der Erstausgabe von 1957).
  8. Wolfgang Kayser: Versuch einer Wesensbestimmung des Grotesken , in: Ulrich Weisstein: Literatur und bildende Kunst , Schmidt, Berlin 1992, S. 173?179, hier S. 174. ISBN 3-503-03012-3 .
  9. Peter Fuß: Das Groteske. Ein Medium des kulturellen Wandels , Bohlau, Koln 2001, ISBN 3-412-07901-4 .
  10. Petra Mayer: Hoffmanns poetischer Bullenbeißer ? eine Ausgeburt des Grotesken , in: E.t.A. Hoffmann Jahrbuch , Bd. 15, Schmidt, Berlin 2007, S. 7?24, hier S. 8. ISBN 978-3-503-09834-7 .
  11. Dorothea Scholl: Von den ?Grottesken“ zum Grotesken: die Konstituierung einer Poetik des Grotesken in der italienischen Renaissance , Lit, Berlin 2004, ISBN 3-8258-5445-0 , S. 579.
  12. Siehe Alfred Bouß 1989, S. 60.
  13. Uwe Wirth (Hg.): Komik. Ein interdisziplinares Handbuch , Metzler, Stuttgart 2017, S. 313. ISBN 978-3-476-02349-0 .
  14. Jorg Brincken: Tours de force ? Die Asthetik des Grotesken in der franzosischen Pantomiome des 19. Jahrhunderts , Niemeyer, Tubingen 2006, S. 78. ISBN 978-3-484-66051-9 .
  15. Heiko Arntz (Hrsg.): Schrage Geschichten ? Grotesken aus zwei Jahrhunderten , Philipp Reclam jun., Stuttgart 1997, ISBN 3-15-009643-X .
  16. Frederico Celestini: Die Unordnung der Dinge. Das musikalische Groteske in der Wiener Moderne (1885?1914) . Beihefte zum Archiv fur Musikwissenschaft . Franz Steiner Verlag, Munchen 2006, ISBN 3-515-08712-5 , S. 27 ff.
  17. Adolf Prosniz: Kompendium der Musikgeschichte 1750?1830 , Universal-Edition, Wien 1915, S. 143.
  18. Bettina Wagner: Dmitri Schostakowitschs Oper ?Die Nase“. Zur Problematik der Kategorie des Grotesken in der Musik , Lang, Frankfurt am Main 2003. ISBN 3-631-50154-4 .
  19. Friedrich Bottger: Die Comedie-Ballet von Moliere-Lully , Olms, Hildesheim 1979, ISBN 978-3-487-41053-1 , S. 218.
  20. Johann Gottfried Kiesewetter: Reise durch einen Theil Deutschlands, der Schweiz, Italiens, des sudlichen Frankreichs nach Paris , 2. Teil, Duncker & Humblot, Berlin 1816, S. 14.
  21. Friedrich Durrenmatt: Theaterprobleme , in: Ders., Werkausgabe , Bd. 30, Diogenes, Zurich 1998, S. 62.
  22. Groteske. In: Lexikon der Filmbegriffe . 1. August 2011, abgerufen am 4. September 2020 .
  23. Slapstick. In: Swiss Film Music Encyclopædia. 10. Juni 2020, abgerufen am 4. September 2020 .
  24. Liste der besten Grotesken
  25. Bojan Sarenac: Die Macht des Grotesken. Dekonstruktion des kulturellen Wertesystems im Film Salo oder die 120 Tage von Sodom , Master Publishing, Hamburg 2013, ISBN 978-3-95549-818-4 .
  26. Bettina Papenburg: Das neue Fleisch. Der groteske Korper im Kino David Cronenbergs , transcript, Bielefeld 2014. ISBN 978-3-8376-1740-5 .
  27. Siehe Alfred Bouß 1989, S. 59
Wiktionary: Groteske  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen