Das
Groteske
(von
italienisch
grottesco
zu
grotta
?Hohle‘) ist ein kunstlerisches Stilmittel, das auch als Genre- beziehungsweise Gattungsbegriff (
die
Groteske) in der Bildenden Kunst, der Literatur, der Musik und den Darstellenden Kunsten je nach Epoche in sehr unterschiedlicher Bedeutung Verwendung findet.
Kopfloser
und
Kopffußler
an einer
Miserikordie
im
Chorgestuhl
der
Kathedrale von Ripon
Umstritten waren Grotesken seit ihrem ersten Auftreten.
Vitruv
(1. Jahrhundert v. Chr.) hat schon fruh das Ausufernde der
pompejanischen Wandmalereien
(zu deren 4. Stil die Malereien im Goldenen Haus Neros
(
Domus Aurea
)
gerechnet werden) kritisiert:
?Auf dem Stuck sehen wir abenteuerliche Missgestalten, nicht klare Wiedergaben klar vorhandener Dinge. Statt Saulen wachsen Rohrstangel empor; statt Giebeln gestreifte Zierrate mit krausen Blattern und Voluten. Kandelaber stutzen Tempelchen hoch, und uber deren First wachsen Bundel von dunnen Stengeln aus Wurzeln und Ranken, mit da und dort verstreuten Figuren, oder dunne Stiele mit Menschen und Tierkopfen, die auf einem halben Korper sitzen. Solche Dinge gibt es nicht, kann es nicht geben, hat es nie gegeben. (…) Denn wie konnte ein Halm wirklich ein Dach stutzen, ein Kandelaber den Giebelschmuck oder ein weicher dunner Halm eine sitzende Figur, oder wie konnten Blumen und halbe Bildsaulen abwechselnd aus Wurzeln und Stengeln wachsen?“
[1]
Das
Zedler-Lexikon
definiert im Jahr 1735 das Groteske, in Anlehnung an die unzulassigen Freiheiten der Maler und Dichter laut
Horaz
(
Ars poetica
, ca. 15 v. Chr.), als Nichteinhalten von Ordnungen oder Gestaltungsprinzipien: ?Grotesque ist eine Freyheit derer Mahler oder Bildhauer, etwas wiedersinniges und lacherliches, oder ungeschickte Bildungen von Thieren, Vogeln, halben Menschen, Waffen, Laubwerk und dergleichen kunstlich durch einander geflochten vorzustellen.“
[2]
Der Begriff unterscheidet ursprunglich nicht, ob das Groteske den ?geschickten“ Darstellungsweisen nicht genugen kann, nicht genugen will oder deren Wertmaßstabe gar nicht kennt.
Ihren Ursprung hat die Groteske in der Kunst der
Renaissance
, als Bezeichnung fur bestimmte antike und von ihnen abgeleitete neuzeitliche Ornamentformen. Pietro Luzzi (auch als Morto da Feltre bekannt), ein Maler des ausgehenden 15. Jahrhunderts, gilt als der Entdecker der antiken Vorlagen. Er ?erhielt von seinen Zeitgenossen den Namen der Tote. Tagelang hatte er sich in den Uberresten des ehemaligen Palastes Neros aufgehalten und gearbeitet. Das Goldene Haus Neros war im Jahr 104 durch einen Brand zerstort, von Trajan zugeschuttet und mit Thermen uberbaut worden. So geriet es in Vergessenheit, bis sich etwa um 1490 Maler fur den nun unter der Erde liegenden Palast interessierten. Von ihren Exkursionen in die Unterwelt brachten sie Aufzeichnungen mit ? seltsam anmutende Malereien, die sie in den dunklen Gangen kopiert hatten. Das Grottenartige des ehemaligen Palastes gab diesen Malereien ihren Namen: Grotesken werden sie seither genannt. Dieser belanglos wirkende Vorgang hatte weit reichende Konsequenzen. Grotesken galten in der Renaissance als das Kennzeichen fur italienische Zeichnungen
all’antica
uberhaupt.“
[1]
Als Ornamente werden die
Groteske
, die
Arabeske
und die
Maureske
oft miteinander in Beziehung gesetzt oder fur synonym gehalten. Sie sind gleichermaßen Ausdruck des Exotischen und des Regellosen, nach den Maßstaben einer christlich gepragten Kultur. Dieses Bizarre und Phantasievolle faszinierte, ohne sich uber die religiosen Konventionen jener Zeit erheben zu konnen und zu wollen, die es als
Karnevaleskes
oder Damonisches verstanden.
[3]
Vom 17. Jahrhundert an umfasst das Groteske das Volkstumliche, Ungehobelte, zum Teil auch das Altertumliche im Sinn des Veralteten (?
Schwulststil
“), im Unterschied zu den formellen, stark reglementierten hofischen Kunstformen, wie sie die
franzosische Klassik
propagierte. Die ?Vertreibung Harlekins“ in Gestalt des
Tabarin
oder spater im sogenannten
Hanswurststreit
steht etwa fur die Abkehr einer neuzeitlichen
Hochkultur
vom Grotesken.
[4]
Im 20. Jahrhundert, nach dem Ende der adligen Vorherrschaft in Europa, lost sich der Begriff des Grotesken vom Volkstumlichen und von seiner Geringschatzung (im Unterschied zum umgangssprachlichen Adjektiv
grotesk
). Er dient als Stilbegriff fur drastische Komik und monstrose Ubertreibung, zum Beispiel fur den ubersteigerten Ausdruck des
Expressionismus
.
Der
Duden
versucht, das Groteske an bestimmten Eigenschaften eines Werks der Bildenden Kunst oder der Literatur festzumachen: als Darstellung ?einer verzerrten Wirklichkeit, die auf paradox erscheinende Weise Grauenvolles, Missgestaltetes mit komischen Zugen verbindet“.
[5]
Aus heutiger Sicht ist dies nur sinnvoll, wenn solche Merkmale als Regelverstoß beabsichtigt sind und nicht bloß vom Urteil ihrer Kritiker abhangen.
Nach
Michail Bachtin
ist die Groteske in Literatur und bildender Kunst jedoch nicht nur eine in satirischer Absicht benutzte
Hyperbel
, sondern signalisiert eine grundlegende
Ambivalenz
: Einerseits erkennen wir in ihr die Realitat wieder, andererseits empfinden wir moralische Befriedigung, indem wir das Dargestellte verhohnen. Zugleich ist der groteske Korper keine individuelle Einheit, sondern nur ein Durchgangsstadium in einem dauernden Prozess der Verwandlung und Erneuerung.
[6]
Die
werkimmanente Interpretation
, wie sie in der Literaturwissenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg ublich war, versuchte das Groteske als ahistorisch wertfreies Stilmittel zu bestimmen, wie etwa
Wolfgang Kayser
(?Das Groteske ist eine Struktur“).
[7]
Mit dieser Betrachtungsweise wurde die Tatsache ausgeblendet, dass mit dem
Etikett
des Grotesken das gesellschaftlich Niedere der jeweiligen Zeit festgelegt, aufgewertet, oder umgekehrt das Hochstehende zum Niederen abgewertet wird. Die Verbindung des Begriffs mit der Wertung des Betrachters war Kayser allerdings bewusst: ?Wer mit der Kultur der
Inka
nicht vertraut ist, wird manche ihrer Bildsaulen fur grotesk halten […]“.
[8]
Der Gestus der Aufwertung kann das Vorurteil stutzen, dass es sich um etwas Niederes handle. Mit der zunehmenden Einsicht in die Relativitat von
Normen
loste sich das Groteske von negativen
Konnotationen
. Zudem bezog sich das Groteske weniger auf das Fremde (mit dem Anspruch, dass der
Exotismus
das Fremde so wahrnehme, wie es sei) als auf die absichtliche Verfremdung oder
Entfremdung
eines Vertrauten. Wenn es nicht mehr notig ist, einen Unterschied zu herrschenden Normen herauszustellen, verliert das Groteske als Stilbegriff seine Bedeutung.
Peter Fuß in seiner neueren Uberblicksdarstellung bezeichnet das Groteske als ?Medium des kulturellen Wandels“.
[9]
Das Groteske im alteren,
fruhneuzeitlichen
Sinn ist Ausdruck des nicht Normalen oder nicht Normierten, im modernen Sinn stellt es Normen in Frage. ?Erst das harte Aufeinandertreffen von Vertrautem und Ungewohntem lasst das Groteske entstehen“, erklart Petra Mayer mit Bezug auf
E. T. A. Hoffmann
.
[10]
Nach Dorothea Scholl bewegt sich der Mensch seit der Renaissance ?zwischen dem Erhabenen und dem Grotesken“,
[11]
wobei
das Erhabene
zunachst noch religios gepragt war und seit dem 17. Jahrhundert von der Hofkultur definiert wurde (und die
Hoffahigkeit
zu den begehrtesten sozialen Eigenschaften gehorte).
Die Loggien Raffaels
In der
Bildenden Kunst
ist ?
die Groteske
“ ein
Ornament
, verwandt mit der weniger figurlichen
Arabeske
und der
Maureske
. Sie besteht aus einem flachenfullenden Geflecht, in dem sich Fabelwesen, Pflanzenelemente, Bander oder Gefaße erkennen lassen, und fuhrte in der
Hochrenaissance
zu charakteristischen Dekorationen wie dem
Florisstil
.
Als das bedeutendste Beispiel fur Groteskenmalereien in der Renaissance gelten die
Loggien Raffaels
. 1512 hatte
Raffael
die von Bramante begonnenen Arbeiten an der Stadtfassade des ehemaligen Palastes von Nikolaus V. fortgesetzt. Er vollendete das zweite Stockwerk, das seitdem die Loggien Raffaels genannt wird und setzte noch eine dritte Loggia darauf. 1517 wurde mit der Ausschmuckung der Loggien begonnen, dem Jahr, in dem Luther seine 95 Thesen uber den Ablass in Wittenberg anschlug. In den 13 Gewolben befinden sich die Gemalde, die als die Bibel Raffaels bezeichnet werden und die das Konkurrenzunternehmen zu Michelangelos
Sixtinischer Kapelle
darstellen sollten.
In zwolf der Gewolbe sind jeweils vier Szenen aus dem Alten Testament und in dem 13. Gewolbe vier Szenen aus dem Neuen Testament dargestellt. Allerdings sind diese biblischen Darstellungen unbedeutend gegenuber der verwirrenden Vielfalt der mythologischen Szenen, den Landschaftsmalereien und Fruchtgirlanden, den Mischungen aus Menschen, Tieren, Pflanzen und architektonischen Gebauden. In diesem Aufbau folgen die als das kleine
domus aurea
bezeichneten Loggien direkt ihrem großen Vorbild; zum Teil wurden Abbildungen aus dem Goldenen Haus direkt ubernommen. Alfred Bouß geht davon aus, dass sich am Beispiel der Loggien Raffaels in exemplarischer Weise die Verbindung von Grotesken und ihrem architektonischen und gesellschaftlichen Rahmen anschaulich machen lasst.
[12]
?Das Groteske“ wird zwar gelegentlich zum Stilmittel verallgemeinert, mit dem das Volkstumliche oder
Populare
, das Hassliche, Obszone, Komische oder Unproportionierte zu
Kunst
erhoben werde, es wird aber nicht zum
Gattungsbegriff
gemacht. Oft wird das Groteske in einen Zusammenhang mit der
Karikatur
gebracht, so von
Christoph Martin Wieland
(
Unterredungen zwischen W* und dem Pfarrer zu *
, 1775).
[13]
Von einem Grotesken ist, manchmal abwertend und manchmal wertfrei, ohne kunstgeschichtliche Verortung die Rede: von den allegorischen Gestalten
Hieronymus Boschs
uber die Fabelwesen von
Johann Heinrich Fussli
bis hin zu den ?
Kunstismen
“ des beginnenden 20. Jahrhunderts.
Das Groteske als beabsichtigter Verstoß gegen kunstlerische Normen (vor allem gegen die
bienseance
oder
Schicklichkeit
, aber auch gegen die
vraisemblance
als erwartetem Anschein eines Wirklichen oder Wahrhaftigen
[14]
) spielt fur die Aufwertung des Popularen in der
Romantik
eine besondere Rolle.
Friedrich Schlegel
(der einen Gattungsbegriff der
Arabeske
entwickelte),
Jean Paul
oder
E. T. A. Hoffmann
widmeten sich auch literaturtheoretisch dem Grotesken. Fur die etwas spater angesetzte franzosische Romantik um
Victor Hugo
(der sich in der
Schlacht um Hernani
1830 gegen das hofische Theater durchsetzte) oder
Theophile Gautier
wurde es zum Modebegriff.
Edgar Allan Poe
vereinte modernisierte
Vanitas
-Motive unter dem Motto des Grotesken zu einer popularen Literarisierung des
Grauens
(
Tales of the Grotesque and Arabesque
, 1840) und musste sich dabei gegen den Vorwurf des
germanism
verteidigen. Die derbkomischen und hintergrundigen
Humoresken
Wilhelm Buschs
entlarven das scheinbar Idyllische eines Volkstumlichen. Die absurd-existentialistischen Texte
Samuel Becketts
oder
Eugene Ionescos
versehen eine Welt des Durchschnittlichen und Banalen mit grotesken Elementen. Das Groteske reicht hier vom Wunderlich-Seltsamen uber das Ironische bis hin zum Sinnlosen und Damonischen. Beispiele von interessanten Figuren mit geringem gesellschaftlichen Ansehen, die gleichzeitig Abscheu und Mitleid erregen sollen, sind
der Glockner von Notre-Dame
,
Frankensteins Monster
,
das Phantom der Oper
sowie
Gollum
in Tolkiens Welt.
Bekannte Verfasser von Grotesken im Sinne des Gattungsbegriffs sind unter anderen
Hermann Harry Schmitz
, E. T. A. Hoffmann,
Fritz von Herzmanovsky-Orlando
,
Oskar Panizza
,
Nikolai Gogol
,
Groucho Marx
und
Lewis Carroll
(
Alice im Wunderland
, 1865). In allen Werken
Franz Kafkas
pragt das Groteske seinen Erzahlstil. Fur die Zeit nach 1945 sind
Friedrich Durrenmatt
,
Max Frisch
,
Edgar Hilsenrath
und
Ror Wolf
zu nennen. Sammlungen grotesker und surrealer Geschichten wurden unter dem Titel
Schrage Geschichten
herausgegeben.
[15]
Seit 1985 wird jahrlich der
Kasseler Literaturpreis
fur grotesken Humor vergeben.
Der Begriff Groteske tritt haufig in Verbindung mit der Musik des
Fin de Siecle
auf und wird auch als Gattungsbegriff fur
Charakterstucke
verwendet. Insbesondere im deutschsprachigen Raum lasst sich diese Tendenz beobachten, etwa bei
Erwin Schulhoff
,
Josef Matthias Hauer
,
Stefan Wolpe
oder auch
Erich Wolfgang Korngold
. Die Wiener
Universal Edition
veroffentlichte 1921 ein
Grotesken-Album
mit Klavierstucken, die
programmatisch
ein Landliches wie
Bela Bartoks
Ungarische Volkstanze
op. 20 oder ein
Subkulturelles
wie den
Wurstelprater
aus der musikalischen Sicht
Felix Petyreks
schildern.
Gustav Mahler
verwendet die Groteske nicht als Titel oder Untertitel seiner Werke, seine Musik aber wird manchmal als Musterbeispiel fur groteske Kompositionsverfahren herangezogen. Die Unterbrechung eines
Historismus
wie jenem der
Sinfonien
von
Johannes Brahms
durch musikalische Elemente, die nicht regelhaft oder maßvoll erscheinen, weil sie der Popularkultur oder exotischen Vorbildern nachempfunden sind, ist fur diese Einschatzung von Bedeutung.
[16]
Ahnliches gilt fur
Franz Schreker
. Weitere oft genannte Vertreter eines grotesken Kompositionsstils sind
Gyorgy Ligeti
,
Arnold Schonberg
und
Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch
.
Ab dem spateren 18. Jahrhundert war es Mode, Autoritaten mit grotesken Stilmitteln auszustatten, die der
Standeklausel
gemaß eigentlich den niederen Figuren vorbehalten waren (wie etwa der ?grotesken Gestalt des Mohren Monostatos“
[17]
in
Mozarts
Zauberflote
, 1791). Solche Figuren in der
Oper
sind etwa der Burgermeister von Zaandam in
Albert Lortzings
komischer Oper
Zar und Zimmermann
(1837), die Figur des Schulmeisters in dessen
Wildschutz
(1842) wie auch die Figur des
Falstaff
in der gleichnamigen Oper (1893) von
Giuseppe Verdi
. Eine groteske Opernfigur ist auch Kowaljows Nase in
Dmitri Schostakowitschs
Oper
Die Nase
(1930).
[18]
Im Theater von der
Renaissance
bis zur
Franzosischen Revolution
war das Groteske gleichbedeutend mit Darstellungen, die nicht zur Welt des
Adels
gehorten, die also etwas grober und realistischer waren als die idealen Figuren der
Tragodie
(siehe
Standeklausel
). In diesem abqualifizierenden Sinn wurden die Figuren der
Commedia dell’arte
fur grotesk gehalten. Die volkstumliche
Pantomime
(wie z. B.
Der siegende Amor
, 1814) zeigte das Groteske im Unterschied zum hofischen
Ballett
. Das Exotische und das Landliche auf der Buhne galten als grotesk, wie etwa die Turken in den Komodien
Molieres
und in den Balletten
Jean-Baptiste Lullys
.
[19]
Johann Gottfried Kiesewetter
hielt zum Beispiel den
Grotesktanz
fur eine passende Charakterisierung der ?wilden“ Indianer im Ballett von
Spontinis
Oper
Fernand Cortez
(1800).
[20]
Diese Bedeutung des Grotesken ging im 19. Jahrhundert zunehmend auf die Bezeichnung
Charakter-
uber, wie in den Zusammensetzungen
Charaktertanz
und
Charakterrolle
.
Im 20. Jahrhundert verlor das Groteske auf der Buhne mitunter seine ursprungliche Verbindung mit dem Komischen und seine Bedeutung als Zeichen fur niedere gesellschaftliche Stellung. Es konnte das Verzerrte auch im tragischen Sinn mit einschließen wie im
Melodram
(bekannt ist etwa noch
Blut und Liebe
, 1912, von
Martin Luserke
) sowie Adlige und Herrscherfiguren charakterisieren wie den Ochs von Lerchenau in
Hugo von Hofmannsthals
Der Rosenkavalier
(1911) oder, ins Extrem gesteigert,
Konig Ubu
(1896) von
Alfred Jarry
.
Arthur Schnitzler
bezeichnete sein Stuck
Der grune Kakadu
(1899) als Groteske.
Das Groteske als Stilmittel der popularen ?
Nummern
“ in
Singspielhalle
,
Variete
,
Music Hall
oder
Vaudeville
war nach dem
Ersten Weltkrieg
asthetisch aufgewertet. Ab den 1920er Jahren wurde
Valeska Gert
(1892?1978) fur ihre
Grotesktanze
beziehungsweise -pantomimen bekannt (und dafur postum 2004 mit einem Stern auf dem
Walk of Fame des Kabaretts
ausgezeichnet).
Der Dramatiker
Friedrich Durrenmatt
definierte das Groteske in seiner
Dramentheorie
im Ruckblick auf den
Zweiten Weltkrieg
als ?Gesicht einer gesichtslosen Welt“.
[21]
In einer Welt der nivellierten gesellschaftlichen Unterschiede werde das Tragische zum grotesken Element der
Komodie
. In dieser Tradition kann noch
George Taboris
Drama
Mein Kampf
(1987) gesehen werden.
In den 1920er-Jahren galten
Slapstick
-Komodien als ?Groteskfilm“, was noch das geringere Genre und die geringer bewerteten Figuren und Handlungen meinte. Im moderneren Sinn wird der Begriff des Grotesken im Tonfilm verwendet: Er kann dem
Lexikon der Filmgeschichte
nach einen ?drastischen Kontrast zwischen erzahlter Welt und den Ereignissen der Geschichte“ meinen, ?Misstone und Dissonanzen“ inszenieren oder ?Ubermaß und Uberfluss“ prasentieren.
[22]
Der Ausdruck Groteske wird oft verwendet, wenn
diegetische
Elemente des Films mit extradiegetischen konfrontiert oder akzentuiert werden wie beim akustischen Phanomen des Slapstick.
[23]
Satirisch uberspitzte oder absurde
Filmkomodien
wie die
Monty Python
-Werke oder
Adams Apfel
und
Danische Delikatessen
[24]
werden als Beispiele fur das Groteske im Film genannt. Die Mehrheit der Filme, die heute mit dem Grotesken in Verbindung gebracht werden, sind dagegen keine Komodien: Als ?Dekonstruktion des kulturellen Wertesystems“ ist Pasolinis
Die 120 Tage von Sodom
(1975) analysiert worden.
[25]
David Cronenbergs
Filme
[26]
stehen ihrerseits dem
Horror-Genre
nahe.
Vergleich einer Serifenschrift und einer Grotesken (Sans Serif)
Auch eine Schriftart heißt seit Anfang des 19. Jahrhunderts
Grotesk
; mit ihr wurden die Ursprunge der lateinischen Schrift wiederbelebt und mit ihren ohne organische Verschlingungen und serifenlosen ? also frei und ohne ?Halt‘ im Raum stehenden Buchstaben ? lasst sich eine Verbindung zu dem Ursprung in der Bildenden Kunst herstellen.
[27]
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