Große Kreisstadt
ist ein Begriff aus dem
deutschen
Kommunalrecht
. Sie ist in einigen
Bundeslandern
ein besonderer rechtlicher Status einer in der Regel großeren kreisangehorigen
Gemeinde
, die bestimmte zusatzliche Zustandigkeiten im Vergleich zu den sonstigen kreisangehorigen Gemeinden innehat. Dieser Sonderstatus fußt auf hoheitlicher Verleihung. Einerseits konnen
kreisfreie Stadte
(in Baden-Wurttemberg:
Stadtkreise
) aus Grunden des offentlichen Wohls durch
Gesetz
oder
Rechtsverordnung
mittels Eingliederung in einen
Landkreis
zu kreisangehorigen Großen Kreisstadten herabgestuft werden, wie es im Rahmen von
Kommunalreformen
geschehen ist. Andererseits konnen kreisangehorige Gemeinden auf eigenen Antrag durch Rechtsverordnung des Landes- bzw. Staatsministeriums des Inneren den Status einer Großen Kreisstadt erlangen, der erst ab einer bestimmten Mindesteinwohnerzahl erteilt werden kann. Das Staatsministerium des Inneren hat bei der Abwagung, ob eine kreisangehorige Gemeinde zu einer Großen Kreisstadt werden soll, zu berucksichtigen, inwieweit die betreffende Gemeinde mit ihrer Leistungs- und Verwaltungskraft deren Aufgaben ordnungsgemaß erfullen kann. Große Kreisstadte mussen nicht zwingend auch
Kreisstadte
(Sitz des
Landratsamtes
) sein.
In
Baden-Wurttemberg
,
Bayern
und
Sachsen
nennt man diese Stadte mit Sonderstatus
Große Kreisstadte
. In
Thuringen
existiert die Bezeichnung
Große Kreisstadt
parallel zu den
Großen kreisangehorigen Stadten
. Allgemein gehoren Große Kreisstadte also weiterhin zum
Landkreis
, ubernehmen jedoch teilweise Aufgaben, die ansonsten der Landkreis erledigt. Die Einwohnergrenze ist unterschiedlich geregelt. In Baden-Wurttemberg liegt sie bei 20.000, in Sachsen bei 17.500 und in Bayern bei 30.000 Einwohnern. Hat eine Stadt die betreffende Einwohnerzahl erreicht, kann sie den Status
Große Kreisstadt
bei der
Landesregierung
beantragen. In aller Regel wird diesem Antrag dann auch entsprochen und die Stadt zur Großen Kreisstadt erklart. Bei Gemeinden, die noch nicht
Stadt
waren, ist diese Erklarung automatisch mit dem
Stadtrecht
verbunden. Sinkt die Einwohnerzahl wieder unter die jeweilige Zahl ab, so behalt die Stadt dennoch den Status einer Großen Kreisstadt (so z. B. zeitweise
Giengen an der Brenz
in Baden-Wurttemberg).
In Baden-Wurttemberg gibt es
95 Große Kreisstadte
(Stand: 1. Januar 2022). Hier gilt eine Einwohnerzahl von mindestens 20.000. Am 1. April 1956 wurden mit Inkrafttreten der
Gemeindeordnung
alle Stadte mit mehr als 20.000 Einwohnern zur
Großen Kreisstadt
erklart. Inzwischen haben die meisten der ehemaligen Kreisstadte den Status Große Kreisstadt, weil sie meist durch Eingemeindungen die Grenze uberschritten haben. Lediglich die heutigen Kreisstadte
Kunzelsau
,
Sigmaringen
und
Tauberbischofsheim
sowie die ehemaligen Kreisstadte
Buchen (Odenwald)
,
Hechingen
, Neustadt im Schwarzwald (heute
Titisee-Neustadt
),
Mullheim im Markgraflerland
,
Munsingen
,
Bad Sackingen
,
Bad Saulgau
,
Stockach
,
Tettnang
und
Wolfach
sind keine Großen Kreisstadte, weil sie weniger als 20.000 Einwohner haben. Der
Burgermeister
einer Großen Kreisstadt tragt wie in Bayern die Amtsbezeichnung
Oberburgermeister
.
Nach ihrer Aufgabenstellung sind Große Kreisstadte in Baden-Wurttemberg grundsatzlich ?
Untere Verwaltungsbehorden
“, d. h. sie erledigen auch die staatlichen Verwaltungsaufgaben (nicht Selbstverwaltungsangelegenheiten!) der Landkreise, denen sie weiterhin angehoren, bzw. vergleichbaren Stadtkreisen. Welche Aufgaben jedoch weiterhin vom Landkreis ubernommen werden, ist in § 19
Landesverwaltungsgesetz Baden-Wurttemberg
abschließend geregelt. Dazu gehoren z. B. das
Staatsangehorigkeitswesen
, die Aufsicht im
Personenstandswesen
sowie der
Katastrophenschutz
und die
zivile Verteidigung
.
In
Bayern
existieren
29 Große Kreisstadte
. Der Status einer Großen Kreisstadt wurde mit der
Kreisgebietsreform
am 1. Juli 1972 durch das 2. Gesetz zur Starkung der kommunalen Selbstverwaltung vom 15. Dezember 1971 eingefuhrt. Am Vortag hatte Bayern noch 48
kreisfreie Stadte
, von denen 23 ihre Kreisfreiheit verloren und in die umliegenden bzw. neu gebildeten Landkreise eingegliedert wurden. Diese 23 vormals kreisfreien Stadte hatten sich als zu schwach erwiesen, samtliche Aufgaben eines Landkreises und einer Kreisverwaltungsbehorde (Aufgaben der allgemeinen und inneren Verwaltung, der Bauverwaltung, der Sicherheitsverwaltung usw.) namens des Staates zusatzlich zu ihren normalen Gemeindeaufgaben tragen zu konnen. Andererseits hatten sie eine hohere Leistungs- und Verwaltungskraft als die bisherigen ?normalen“ kreisangehorigen Gemeinden. Daher wollte man den in die Landkreise eingegliederten Gemeinden einige Aufgaben uberlassen, die uber die einer ?normalen“ kreisangehorigen Gemeinde hinausgehen. Somit wurden diese 23 Stadte am 1. Juli 1972 zu ?Großen Kreisstadten“.
Neben diesen durch Eingliederung von kreisfreien Stadten in Landkreise veranlassten Statusanderungen sind in Bayern auch sechs kreisangehorige Gemeinden zu Großen Kreisstadten erhoben worden:
Dachau
durch Rechtsverordnung vom 4. Januar 1973,
Dinkelsbuhl
und
Donauworth
1998 durch Gesetz vom 26. November 1997,
Germering
durch Rechtsverordnung vom 19. August 2004 mit Wirkung ab 1. Oktober 2004 und
Furstenfeldbruck
durch Rechtsverordnung 2006.
Erding
wurde am 1. Januar 2013 als letzte bayerische Stadt mit mehr als 30.000 Einwohnern Große Kreisstadt.
Bei den Stadten Dinkelsbuhl und Donauworth war ein Parlamentsgesetz erforderlich, da laut der Bayerischen Gemeindeordnung die Erhebung einer Gemeinde zur Großen Kreisstadt durch Rechtsverordnung erst ab einer Einwohnerzahl von 30.000 moglich ist. Bei beiden vormaligen
Freien Reichsstadten
handelt es sich um ehemalige kreisfreie Stadte, die ihren Status jedoch bereits 1940 verloren und daher nicht bereits 1972 Große Kreisstadte wurden. Somit gibt es in Bayern derzeit 29 Große Kreisstadte. Kleinste Große Kreisstadt ist
Rothenburg ob der Tauber
mit 10.926 Einwohnern (Stand: 31. Dezember 2013).
Die Große Kreisstadt ubernimmt nach Art. 9 Abs. 2 der Bayerischen Gemeindeordnung im ubertragenen Wirkungskreis Zustandigkeiten als Gemeindeaufgaben, die sonst vom Landratsamt als der unteren staatlichen Verwaltungsbehorde wahrzunehmen sind. Der konkrete Umfang der auf die Großen Kreisstadte im Vergleich zu den anderen kreisangehorigen Gemeinden ubertragenen Zustandigkeiten ist in der Verordnung uber Aufgaben der Großen Kreisstadte (GrKrV) geregelt.
[1]
Zu den zahlreichen ubertragenen Zustandigkeiten zahlen insbesondere die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehorde, das Wasserrecht, die untere Straßenverkehrsbehorde, das Gaststattenrecht und einzelne Aufgaben nach der Gewerbeordnung. Die Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der uberortlichen Gemeinschaft, wie Krankenhauser, Kreisstraßen und Sachaufwandstragerschaft fur weiterfuhrende Schulen, verbleiben dagegen auch bei Großen Kreisstadten beim Landkreis.
In Bayern sind von den Großen Kreisstadten die
leistungsfahigen kreisangehorigen Gemeinden
zu unterscheiden, die nur auf dem Gebiet der Bauaufsicht und des Wasserrechts Aufgaben namens des Staates ubertragen bekommen haben.
Der
Burgermeister
einer Großen Kreisstadt tragt wie in Baden-Wurttemberg die Amtsbezeichnung
Oberburgermeister
, wie in Art. 34 Abs. 1 Satz 2 GO festgelegt.
Hier gilt eine Mindesteinwohnerzahl von 17.500 als Voraussetzung, dass Stadte auf ihren Antrag von der Staatsregierung zu Großen Kreisstadten erklart werden, wenn sie Gewahr fur die ordnungsgemaße Erfullung der damit verbundenen Aufgaben bieten. Daruber hinaus konnten auch Stadte mit weniger als 17.500 Einwohnern, die im Zuge der Kreisreformen der Jahre 1994/1996 und 2008 die Funktion des Kreissitzes verloren, den Status einer Großen Kreisstadt erlangen. Die Zustandigkeiten der Großen Kreisstadte sind gemaß § 3 Abs. 1 der
Sachsischen Gemeindeordnung
durch die
Verordnung der Sachsischen Staatsregierung uber die Zustandigkeit der Großen Kreisstadte
vom 30. Juni 2011 (SachsGVBl. S. 202) veroffentlicht. Ubertragen sind damit Aufgaben aus dem Gewerberecht und nach der Straßenverkehrsordnung.
In Thuringen ist keine Mindesteinwohnerzahl fur Große Kreisstadte festgelegt. Der Titel wird gemaß § 6 Abs. 3 a der
Thuringer Kommunalordnung
denjenigen Stadten verliehen, die sich als kreisfreie Stadte in einen Landkreis eingliedern lassen und nicht zum Kreissitz bestimmt werden. Ferner ist die Ubertragung von Aufgaben aus der Zustandigkeit eines Landkreises an eine Große Kreisstadt durch ein Gesetz moglich. Dies wurde anlasslich der Eingliederung
Eisenachs
in den
Wartburgkreis
zum 1. Juli 2021 in der Plenarsitzung vom 12. September 2019 gesetzlich beschlossen.
[2]
Vergleichbare Bezeichnungen aus anderen Bundeslandern sind:
- ↑
Bayerische Verordnung uber Aufgaben der Großen Kreisstadte (GrKrV)
- ↑
Thuringer Gesetz- und Verordnungsblatt Nr. 12/2019 S. 429 ff.
, aufgerufen am 29. Juni 2021