Dieser Artikel behandelt eine Tradition in Westafrika, fur den Schweizer Rapper siehe
Griot (Rapper)
.
Griot
(franzosische Aussprache
??i?o
) bezeichnet in Teilen
Westafrikas
einen berufsmaßigen
Sanger
, Dichter und Instrumentalisten, der in einer bestimmten Form des Gesangs
epische
Texte als Preissanger, Geschichtenerzahler, Lehrer oder rein zur Unterhaltung vortragt. Griots tragen dazu bei, dass durch
mundliche Uberlieferung
traditionelles Wissen weitergegeben wird.
Die Herkunft des Wortes ist nicht gesichert.
Griot
taucht als
Guiriot
in einem 1637 erschienenen franzosischsprachigen Reisebericht des aus der
Normandie
stammenden
Kapuziners
Alexis de Saint-Lo († 1659) auf.
[1]
Da das Gebiet seit den
Reichen von Ghana
und
Mali
bereits islamisiert worden war und arabische Schrift und Sprache uber den
Maghreb
als Kult- und Wissenschaftssprache eingefuhrt wurden, konnte die Herkunft des hier offenbar erstmals in einer europaischen Sprache erwahnten und spater im lateinischen Lautalphabet der nachmaligen Kolonialsprache
Franzosisch
geschriebenen Wortes
Griot
von
arabisch
?????????
,
DMG
al-q?ri’u
, ?Rezitator“, ?Vortragender“, auch ?Koran-Rezitator“,
[2]
in
maghrebinischer
Aussprache, namlich
el-girio
, festzusetzen sein. Dem entsprechen die weiter unten genannten Ausdrucke
gaulo
(von
arabisch
???????
,
DMG
al-qaulu
, ?das Wort“, ?das Gesagte“) oder auch
Guewel/Gewel
(von
arabisch
????????
,
DMG
qaww?l
, ?derjenige, der das Wort ausspricht“) aus derselben Region. Es handelt sich dabei um Bezeichnungen, die in der gesamten muslimischen Welt fur die entsprechenden Musikpraktiken gebrauchlich sind.
Ferner wird dieses Wort auch mit dem
portugiesischen
Verb
gritar
, ?schreien“, in Verbindung gebracht, da Griots ihren Vortrag mit lautstarker Stimme darbieten. Doch tauchten die ersten Portugiesen nicht vor dem 15. Jahrhundert an der westafrikanischen Kuste auf.
Griots als eigene gesellschaftliche Klasse gibt es unter
schwarzafrikanischen
und
berberischen
Volksgruppen in zahlreichen regionalsprachlichen Bezeichnungen, die vererbbare Titel bedeuten: In den
Mande-Sprachen
heißen sie
Jeli (Djeli)
oder
Jali
(
Pl.
Jalolu
), auf
Maninka
ebenfalls
Jeli
, bei den
Soninke
Gesere, Diare
, bei den
Tukulor
Gaulo, Bambado
und bei den
Bidhan
in Mauretanien
Igg?w
.
[3]
Ferner heißen sie bei den
Wolof
Guewel
, bei den
Fulbe
Mado
oder
Gawlo
und bei den
Hausa
Marok'i
.
[4]
Die mannlichen Griots und die weiblichen
Griottes
sind die Bewahrer der
Geschichte
, oralen
Literatur
und
Musik
ihrer Volker. Sie singen Preislieder zum Lob ihres Auftraggebers, erzahlen Geschichten mit historischen, mythologischen oder satirischen Inhalten und unterhalten oder belehren dabei. Dazu begleiten sie sich auf Instrumenten wie der Stegharfe
kora
, der Binnenspießlaute
ngoni
oder der einsaitigen Fiedel
goge
(auch
gondze
). Andere Griots spielen
Balafon
oder tanzen, die Marok'i der Hausa singen zum wenig veranderlichen Rhythmus der Trommel
kalangu
. Bei vielen traditionellen Zeremonien ist die Anwesenheit von Griots erforderlich.
Der Berufsstand, der dem der mittelalterlichen
Troubadouren
ahnelt, ist uberwiegend den Mannern vorbehalten, die Angehorige bestimmter Sippen sind. Die beruhmteste Griot-Familie ist die Sippe der
Jobarteh
(in franzosischer Schreibweise
Diabate
). Weitere uber
Afrika
hinaus bekannte Griot-Clans sind die
Kante
, die
Koite
, die
Kouyate
und die
Cissokho
(auch
Sissoko
geschrieben). Angehorige von Griot-Familien heiraten vielfach untereinander und bilden so eine feste Kaste.
Ihre Heimat ist das Siedlungsgebiet der
Mandinke
-Volker, also die heutigen Staaten
Mali
,
Gambia
,
Guinea
und
Senegal
. In diesen
westafrikanischen Staaten
ist die Griot-Tradition bis heute lebendig. Viele gegenwartige Musiker, Buhnenschauspieler, TV- und Radio-Moderatoren in Senegal entstammen bekannten Griot-Familien.
In den Zeltlagern der
Mauren
in Sud
mauretanien
treten wandernde Griot-Familien auf, deren Sanger
Igg?wen
(m.
Sg.
Igg?w
) genannt werden und die sich auf der Laute
tidinit
begleiten. Die Frauen (f. Pl.
Tigg?w?ten
, auch
Tigg?w?ten
, Sg.
Tigg?w?t
) spielen zu ihrem Gesang die Harfe
ardin
.
[5]
Im Senegal pflegen Griot-Frauen eine
taasu
genannte, besondere Form der gesprochenen Poesie, die nur von der Bechertrommel
sabar
und der
Sanduhrtrommel
tama
begleitet wird.
[6]
Die Satze werden nicht gesungen, sondern in einem betonten, staccatoartigen Stil vorgetragen, haufig als
Call and Response
mit einem Frauenchor. Die bekannteste
taasu
-Vortragende (
taasukat
) der 1980er und 1990er Jahre war Aby Ngana Diop.
- Djabate
- Jobarteh
- Koujate
- Sissoko
- Kante
- Suso
- Tounkara
- Weitere
Fahrende Sanger, die normalerweise nicht wie die Griots einer bestimmten Kaste angehoren, gibt es weltweit in zahlreichen Kulturen. Der in Kamerun und Gabun die Stegharfe
mvet
spielende
Mbomovet
besitzt keine besondere soziale Herkunft und ist nicht fest angestellt. Im Hochland von
Athiopien
begleitet sich der professionelle Geschichtenerzahler
Azmari
meist mit der einsaitigen Kastenspießlaute
masinko
.
Entfernte Parallelen in der europaischen Vergangenheit finden sich in der Gestalt des
Trobador
. Arabische Geschichtenerzahler, die ihr Publikum in Teehausern unterhalten, halten ebenfalls eine epische Tradition aufrecht. In einigen Teilen Asiens verbreiten Volksliedsanger, die in der Turkei
A?ık
genannt werden, mythische Geschichten und aktuelle Themen.
- Hauke Dorsch:
Globale Griots. Performanz in der afrikanischen Diaspora.
Lit Verlag, Munster 2006,
ISBN 3-8258-8977-7
(
Beitrage zur Afrikaforschung
23), (Zugleich: Hamburg; Univ., Diss., 2002).
- Barbara G. Hoffman:
Griots at war. Conflict, conciliation, and caste in Mande.
Indiana University Press, Bloomington IN u. a. 2001,
ISBN 0-253-33805-0
.
- Jali Kunda. Die Griots Westafrikas und der ubrigen Welt.
Ellipsis Arts, Roslyn NY 1996 (Buch und CD-Set).
- ↑
Alexis de Saint-Lo:
Relation de voyage au Cap-Vert.
Paris, 1637,
S. 87
- ↑
H. Wehr:
Worterbuch fur die arabische Schriftsprache der Gegenwart
, Wiesbaden 1968, S. 672.
- ↑
Jurgen Elsner:
Nordafrika.
In:
Ludwig Finscher
(Hrsg.):
Die Musik in Geschichte und Gegenwart
. Sachteil 9, 1998, Sp. 225
- ↑
Thomas A. Hale, S. 251
- ↑
Wolfgang Creyaufmuller:
Nomadenkultur in der Westsahara. Die materielle Kultur der Mauren, ihre handwerklichen Techniken und ornamentalen Grundstrukturen.
Burgfried-Verlag, Hallein (Osterreich) 1983,
ISBN 3-85388-011-8
, S. 60, 736.
- ↑
Taasu (tassou) Women Ritual poets of Senegal.
ethnolyrical, Youtube-Video, (0:56), 28. Juni 2011, zuletzt abgerufen am 13. Juni 2016.