Grenzlehrdorn fur Bohrungen
Grenzlehren
(seltener
Kaliberlehre
oder
Grenzrachenlehre
) sind
Lehren
, die die zulassigen Hochst- und Mindestmaße eines Pruflings verkorpern. Gepruft wird mit Grenzlehren, ob das
Istmaß
eines Pruflings innerhalb der
Toleranz
eines vorgegebenen
Sollmaßes
liegt. Im Gegensatz zum Messen mit beispielsweise einem
Messschieber
oder einer
Messschraube
erhalt man kein Maß in Form eines
Zahlenwertes
, sondern es lasst nur die Aussage zu, ob der Prufgegenstand
maßhaltig
und eventuell
formhaltig
ist. Der große Vorteil einer Grenzlehre ist, dass diese billiger ist als z. B. eine Dreipunkt-Innenmessschraube, aber es trotzdem sehr gut moglich ist herauszufinden, ob das bearbeitete Werkstuck ?Ausschuss“, ?Gut“ oder ?Nacharbeit“ ist.
Als Werkstoff kommt bei Grenzlehren meist
Werkzeugstahl
zum Einsatz. Als Prufflache ist
Hartmetall
der bevorzugte Werkstoff, da es eine 20-fach hohere Verschleißfestigkeit als Stahl besitzt. Griffe aus Kunststoff schutzen die Grenzlehren vor der Handwarme, welche die Lehre uber die Normtemperatur von 20 °C erwarmen wurde und damit die Maßhaltigkeit, aufgrund der
Warmedehnung
, negativ beeinflusst. Bei der Verwendung der Grenzlehren ist weiterhin darauf zu achten, dass das zu prufende Bauteil moglichst die gleiche Temperatur haben sollte wie die Grenzlehre. Beim Abschatzen der Ungenauigkeit kann grob von 11 μm je m und K ausgegangen werden.
Grenzlehren haben an einer Seite eine Gutlehre, die sich mit dem Prufling paaren lasst, und am anderen Ende eine Ausschusslehre, welche eine rote Markierung tragt und sich nicht mit dem Prufling paaren lassen darf. Die Ausschussseite kann man außerdem an einem weiteren Merkmal erkennen: Sie hat einen kurzen Zylinder, und das obere Grenzabmaß steht auf dieser Seite. Da die Gutlehre immer auf einen einwandfreien Prufgegenstand passt, stellt sie eine Maß- und Formlehre dar. Die Ausschusslehre dagegen passt nie auf einen einwandfreien Prufgegenstand, weswegen die Formhaltigkeit nicht uberpruft werden kann. Sie ist eine reine Maßlehre.
Der
Taylorsche Grundsatz
(nach
William Taylor
[1]
) bezieht sich auf die Gestaltung und Anwendung von Lehren zur Prufung von
Passteilen
.
- Die
Gutlehre
, die man mit jedem als gut zu bezeichnenden Prufgegenstand paaren kann, muss jedem Element der zu prufenden Werkstuckflache ein eigenes Flachenelement entgegenstellen. Damit werden sowohl die Form als auch die Maße gepruft. Die Gutlehre muss also so ausgebildet sein, dass sie die zu prufende Form in ihrer Gesamtheit pruft.
- Die
Ausschusslehre
, die man mit einem als gut zu bezeichnenden Prufgegenstand
nicht
paaren kann, soll dagegen so kleine Flachenelemente besitzen, dass sie durch Paarung mit sehr kleinen Elementen der zu prufenden Werkstuckflache das Nichteinhalten der Grenzmaße anzeigt. Damit werden nur einzelne Maße des Prufgegenstandes gepruft.
Gewinde-Grenzlehrdorn (oben) und Grenzlehrdorn mit austauschbarer Gut- und Ausschussseite (unten)
Um
Bohrungen
und
Nuten
zu prufen, verwendet man Grenzlehrdorne. Ist die zu prufende Flache flach, kommen auch spezielle Grenz-Flachlehren zum Einsatz. Die Messflachen konnen verschieden ausgebildet sein, z. B. als Zylinder, Kugel, Sechskant oder Vierkant oder auch als Gewinde. Die Gutseite verkorpert das Mindestmaß und muss durch leichten Druck (0,85 Nm) in die Bohrung oder Nut gleiten. Die Ausschussseite darf nur anschnabeln. Beim Gewinde-Lehrdorn hat die Ausschussseite zwei
Gewindegange
und pruft nur den
Flankendurchmesser
. Gemaß der Norm ISO 1502:1996 (Metrische ISO-Gewinde allgemeine Anwendung) Kapitel 7.2.2 Abschnitt c, darf die Ausschussseite eines Gewindegrenzlehrdorns maximal 2 Umdrehungen eingedreht werden konnen. Die Umdrehungen werden beim Herausdrehen gezahlt. Die Gutseite hat einen wesentlich langeren
Zylinder
als die Ausschussseite und ist haufig mit Hartmetallleisten bestuckt. An den Enden ist jeweils das Grenzmaß eingraviert. Handelsubliche Grenzlehrdorne weisen im Neuzustand an der Gutseite ublicherweise ein Verschleißubermaß auf, so dass der aufgedruckte Wert "0" mit dem tatsachlichen Wert nicht ubereinstimmt. Beispiel: Ein Grenzlehrdorn 6 H7 hat im Neuzustand auf der Gutseite ein Maß von 6,0027 mm, obwohl die Toleranz von 6,000 bis 6,0129 definiert ist. Dieses Verschleißubermaß ist aber nur auf der Gutseite anzutreffen.
Grenzrachenlehre fur Außenmaße
Grenzrachenlehren und Grenzlehrringe, fur Außengewinde auch Lehrmutter genannt, bilden das Gegenstuck zu Grenzlehrdornen. Mit ihnen werden Außenmaße an Wellen oder Gewinden gepruft. Im Gegensatz zu anderen Grenzlehren, die beidseitig eine Lehre besitzen, verkorpert der Lehrring nur ein Grenzmaß. Fur jede Prufung braucht man daher zwei Lehrringe. Die Gutseite verkorpert das Hochstmaß und ist dicker als die Ausschussseite. Ansonsten gilt das gleiche wie beim Grenzlehrdorn.
Gewinde-Grenzrachenlehre
Eine Gewinde-Grenzrachenlehre, sogenannte AGGRA-Lehre, der Firma Kordt, Eschweiler, in der Anwendung
Die Rollen der
Gewinde-Grenzrollenrachenlehre
sind
steigungslos
, wodurch Rechts- und Linksgewinde in gleicher Weise gepruft werden konnen. Die Einstellung des Rollenabstands wird durch einen Gewinde-Einstellmeister vorgenommen. Die Rollen sind auf Achsen drehbar gelagert, um den
Verschleiß
der Tastelemente zu verringern. Bei jeder Lehrung drehen sich die Rollen mit dem Prufling. Der Verschleiß ist entsprechend geringer als bei einem Gewinde-Lehrring. Die vorderen Rollen verkorpern das Hochstmaß, haben das volle Gewindeprofil und bilden die Gutseite. Die Rollen der Ausschussseite haben nur einen
Gang
. Passt der Prufling durch die vorderen Rollen, bleibt aber bei den dahinterliegenden Ausschussrollen hangen, erfullt er die Anforderungen. Die Gewinde-Grenzrollenrachenlehre ist unter dem Markennamen ?AGGRA“-Lehre (AußenGewindeGrenzrollenRAchenlehre) in Europa bekannt geworden und war vor allem in den 1950er und 1960er Jahren erfolgreich. Neben dem geringen Verschleiß war der wesentliche Vorteil dieser Lehre, dass Werkstucke in der Maschine gepruft werden konnten, ohne diese auszuspannen. Gewinde-Grenzrollenrachenlehren wurden ab den 1970er Jahren durch messende Drei-Rollen-Gerate abgelost.
- ↑
T. Pfeifer, R. Schmitt,
Fertigungsmesstechnik.
Oldenbourg, Munchen 2010,
ISBN 978-3-486-59202-3
, S. 304.