Graphentheorie

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Ungerichteter Graph mit sechs Knoten

Die Graphentheorie (seltener auch Grafentheorie ) ist ein Teilgebiet der diskreten Mathematik und der theoretischen Informatik . Betrachtungsgegenstand der Graphentheorie sind Graphen ( Mengen von Knoten und Kanten ), deren Eigenschaften und ihre Beziehungen zueinander.

Graphen sind mathematische Modelle fur netzartige Strukturen in Natur und Technik (wie soziale Strukturen , Straßennetze , Verwandtschaftsbeziehungen , Computernetze , elektrische Schaltungen , Versorgungsnetze oder chemische Molekule ). In der Graphentheorie untersucht man lediglich die abstrakte Netzstruktur an sich. Die Art, Lage und Beschaffenheit der Knoten und Kanten bleibt unberucksichtigt. Es verbleiben jedoch viele allgemeingultige Graphen-Eigenschaften , die bereits auf dieser Abstraktionsstufe untersucht werden konnen und sich in allgemeingultigen Aussagen ( Satze der Graphentheorie ) wiederfinden. [1] Ein Beispiel hierfur ist das Handschlaglemma , wonach die Summe der Knotengrade in einem Graphen stets gerade ist (in der nebenstehenden Abbildung: 14).

Dadurch, dass einerseits viele algorithmische Probleme auf Graphen zuruckgefuhrt werden konnen und andererseits die Losung graphentheoretischer Probleme oft auf Algorithmen basiert, ist die Graphentheorie auch in der Informatik , insbesondere der Komplexitatstheorie , von großer Bedeutung. Insbesondere lassen sich viele Aufgaben der kombinatorischen Optimierung in der Sprache der Graphentheorie formulieren und umgekehrt graphentheoretische Probleme als lineare ganzzahlige Optimierungsprobleme modellieren . [2] Die Untersuchung von Graphen ist auch Inhalt der Netzwerktheorie . Graphen werden insbesondere durch die Datenstrukturen Adjazenzmatrix , Inzidenzmatrix oder Adjazenzliste reprasentiert.

Das Konigsberger Bruckenproblem im Stadtplan …
… und abstrakt als Graph (Orte durch Knoten, Brucken durch Kanten reprasentiert)

Ein von der Graphentheorie unabhangiger Vorlaufer in der Antike war die Methode Dihairesis , mit deren Hilfe man (nur teilweise grafisch) zoologische, musikwissenschaftliche und andere Begriffe hierarchisierte. Es entstanden so fruhe Systematiken innerhalb verschiedener Wissensgebiete.

Die Anfange der Graphentheorie gehen bis in das Jahr 1736 zuruck. Damals publizierte Leonhard Euler eine Losung fur das Konigsberger Bruckenproblem . Die Frage war, ob es einen Rundgang durch die Stadt Konigsberg (Preußen) gibt, der jede der sieben Brucken uber den Fluss Pregel genau einmal benutzt. Euler konnte eine fur dieses Problem nicht erfullbare notwendige Bedingung angeben und so die Existenz eines solchen Rundganges verneinen.

1852 bemerkte der Mathematiker und Botaniker Francis Gutherie , dass vier Farben reichen, um eine Landkarte so zu farben, dass zwei aneinander grenzende Lander stets unterschiedlich gefarbt sind. Viele Mathematiker beschaftigten sich mit diesem Farbungsproblem . Es dauerte jedoch bis 1976, bis der Vier-Farben-Satz mittels Computer bewiesen werden konnte. [3] Erst 1997 stellten Neil Robertson , Daniel Sanders, Paul Seymour , Robin Thomas einen neuen Beweis vor. [4]

Der Begriff Graph wurde in Anlehnung an graphischen Notationen chemischer Strukturen erstmals 1878 von dem Mathematiker James Joseph Sylvester verwendet. [5] Als weiterer Begrunder der fruhen Graphentheorie gilt Arthur Cayley . Eine der ersten Anwendungen waren chemische Konstitutionsformeln . [6] [7] (Siehe auch Chemische Graphentheorie und Literatur : Bonchev/Rouvray, 1990). Das erste Lehrbuch zur Graphentheorie erschien 1936 von Denes K?nig . [8]

In der zweiten Halfte des 20. Jahrhunderts hat William Thomas Tutte maßgeblich an der Weiterentwicklung der Graphentheorie gearbeitet und dieses Teilgebiet der Mathematik stark gepragt.

Teilgebiete der Graphentheorie

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Teilgebiete der Graphentheorie sind:

Betrachteter Gegenstand

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Graph mit Artikulation und Brucke

In der Graphentheorie bezeichnet ein Graph eine Menge von Knoten (auch Ecken oder Punkte genannt) zusammen mit einer Menge von Kanten. Eine Kante ist hierbei eine Menge von genau zwei Knoten. Sie gibt an, ob zwei Knoten miteinander in Beziehung stehen, bzw. ob sie in der bildlichen Darstellung des Graphen verbunden sind. Zwei Knoten, die durch eine Kante verbunden sind, heißen benachbart oder adjazent . Wenn die Kanten statt durch Mengen durch geordnete Paare von Knoten angegeben sind, spricht man von gerichteten Graphen . In diesem Falle unterscheidet man zwischen der Kante ( a , b ) ? als Kante von Knoten a zu Knoten b ? und der Kante ( b , a ) ? als Kante von Knoten b zu Knoten a . Knoten und Kanten konnen auch mit Farben (formal mit naturlichen Zahlen ) oder Gewichten (d. h. rationalen oder reellen Zahlen ) versehen werden. Man spricht dann von knoten- bzw. kanten gefarbten oder - gewichteten Graphen.

Komplexere Graphentypen sind:

  • Multigraphen , bei denen die Kantenmenge eine Multimenge ist
  • Hypergraphen , bei denen eine Kante eine beliebig große Menge von Knoten darstellt (man spricht in diesem Falle auch von Hyperkanten )
  • Petri-Netze mit zwei Arten von Knoten

Ist die Menge der Knoten endlich, spricht man von endlichen Graphen , ansonsten von unendlichen Graphen .

Grapheigenschaften

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Zusammenhangskomponenten

Graphen konnen verschiedene Eigenschaften haben. So kann ein Graph

Es kann nach der Existenz spezieller Teilgraphen oder Minoren gefragt werden oder bestimmte Parameter untersucht werden, wie zum Beispiel Knotenzahl , Kantenzahl , Minimalgrad , Maximalgrad , Taillenweite , Durchmesser , Knotenzusammenhangszahl , Kantenzusammenhangszahl , Bogenzusammenhangszahl , chromatische Zahl , Knotenuberdeckungszahl ( Faktor ), Unabhangigkeitszahl ( Stabilitatszahl ) oder Cliquenzahl . Zwei Graphen konnen isomorph (strukturell gleich) oder automorph zueinander sein.

Die verschiedenen Eigenschaften konnen zueinander in Beziehung stehen. Die Beziehungen zu untersuchen ist eine Aufgabe der Graphentheorie. Beispielsweise ist die Knotenzusammenhangszahl nie großer als die Kantenzusammenhangszahl, welche wiederum nie großer als der Minimalgrad des betrachteten Graphen ist. In ebenen Graphen ist die Farbungszahl immer kleiner als funf. Diese Aussage ist auch als der Vier-Farben-Satz bekannt.

gerichteter zyklischer Graph

Einige der aufgezahlten Grapheneigenschaften sind relativ schnell algorithmisch bestimmbar, etwa wenn der Aufwand hochstens mit dem Quadrat der Große der Graphen wachst. Andere Eigenschaften praktisch angewandter Graphen sind innerhalb der Lebensdauer heutiger Computer nicht exakt zu bestimmen. Allerdings kann in diesen Fallen der Einsatz von heuristischen Verfahren zu sinnvollen Naherungslosungen fuhren.

Bipartiter Graph

Grundsatzlich werden Graphen in gerichtete und ungerichtete Graphen unterteilt.

Aufgrund des Zusammenhangs unterscheidet man:

Aufgrund des Vorhandenseins bestimmter Eigenschaften lassen sich weitere Graphenklassen unterscheiden wie

Wenn ein Knoten besonders ausgezeichnet ist, spricht man von einer Wurzel bzw. einem gewurzeltem Graphen . Besondere Bedeutung haben gewurzelte Baume unter anderem auch als Baumstruktur .

Die wichtigsten Probleme und Ergebnisse der Graphentheorie werden im Folgenden dargestellt:

Graphfarbung

Ein bekanntes Problem fragt, wie viele Farben man braucht, um die Lander einer Landkarte einzufarben, sodass keine zwei benachbarten Lander die gleiche Farbe zugewiesen bekommen. Die Nachbarschaftsbeziehung der Lander kann man als planaren Graph reprasentieren. Das Problem kann nun als Knoten-Farbungsproblem modelliert werden. Nach dem Vier-Farben-Satz braucht man maximal vier verschiedene Farben. Ob sich im Allgemeinen ein Graph mit weniger Farben einfarben lasst, kann man nach heutigem Wissensstand nicht effizient entscheiden. Das Problem gilt als eines der schwierigsten Probleme in der Klasse der NP -vollstandigen Probleme. Unter der Voraussetzung, dass P NP , ist selbst eine bis auf einen konstanten Faktor angenaherte Losung nicht effizient moglich.

Eine wichtige Anwendung der algorithmischen Graphentheorie ist die Suche nach einer kurzesten Route zwischen zwei Orten in einem Straßennetz. Dieses Problem kann man als Graphenproblem modellieren. Hierzu abstrahiert man das Straßennetz, in dem man alle Orte als Knoten aufnimmt, und eine Kante hinzufugt, wenn es eine Verbindung zwischen diesen Orten gibt. Die Kanten dieses Graphen werden je nach Anwendung gewichtet , zum Beispiel mit der Lange der assoziierten Verbindung. Mit Hilfe eines Algorithmus zum Finden von kurzesten Pfaden (beispielsweise mit dem Algorithmus von Dijkstra ) kann eine kurzeste Verbindung effizient gefunden werden (siehe auch: Kategorie:Graphsuchalgorithmen ).

Handlungsreisendenproblem

Durchlaufbarkeit von Graphen

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Algorithmisch deutlich schwieriger ist die Bestimmung einer kurzesten Rundreise (siehe Problem des Handlungsreisenden ), bei der alle Orte eines Straßennetzes genau einmal besucht werden mussen. Da die Zahl der moglichen Rundreisen faktoriell mit der Zahl der Orte wachst, ist der naive Algorithmus, alle Rundreisen auszuprobieren und die kurzeste auszuwahlen, fur praktische Anwendungen nur fur sehr kleine Netzwerke praktikabel. Es existieren fur dieses Problem eine Reihe von Approximationsalgorithmen , die eine gute aber nicht eine optimale Rundreise finden. So liefert die Christofides-Heuristik eine Rundreise die maximal 1,5-mal so lang ist wie die bestmogliche. Unter der Annahme, dass P NP ( siehe P-NP-Problem ), existiert kein effizienter Algorithmus fur die Bestimmung einer optimalen Losung, da dieses Problem NP -schwer ist.

Das Konigsberger Bruckenproblem fragt nach der Existenz eines Eulerkreises . Wahrend sich das Eulerkreisproblem mittels Hierholzer-Verfahren in linearer Zeit losen lasst, ist das Finden eines Hamiltonkreises (ein geschlossener Pfad in einem Graphen, der jeden Knoten genau einmal enthalt) NP-schwierig. Beim Brieftragerproblem wird nach einem kurzesten Zyklus gefragt, der alle Kanten mindestens einmal durchlauft.

Beim Zusammenhang wird gefragt, ob bzw. uber wie viele Wege zwei Knoten untereinander erreichbar sind. Dies spielt beispielsweise bei der Beurteilung der Versorgungsnetze hinsichtlich der kritischen (ausfallbedrohten Teile) eine Rolle.

Graph mit Cliquen

Die Frage nach dem Vorhandensein (ggf. maximaler) Cliquen sucht die Teile eines Graphen, die untereinander vollstandig mit Kanten verbunden sind.

Knotenuberdeckung

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Das Knotenuberdeckungsproblem sucht nach einer Teilmenge von Knoten eines Graphen, die von jeder Kante mindestens einen Endknoten enthalt.

Flusse und Schnitte in Netzwerken

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Mit der Frage nach dem maximalen Fluss lassen sich Versorgungsnetze hinsichtlich ihrer Kapazitat beurteilen.

Matching im bipartiten Graphen

Matchingprobleme, die sich auf Flussprobleme zuruckfuhren lassen, fragen nach der optimalen Auswahl von Kanten, so dass keine zwei Kanten inzident zu einem Knoten sind. Damit lassen sich Zuordnungsprobleme , beispielsweise der Ressourcennutzung wie Raum- oder Maschinenbelegung losen.

Weitere Graphenprobleme

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Zu den weiteren Graphenproblemen zahlen

Portal: Graphentheorie  ? Ubersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Graphentheorie
  • Martin Aigner: Graphentheorie: eine Entwicklung aus dem 4-Farben-Problem. 1984 (269 Seiten).
  • Daniel Bonchev, D. H. Rouvray: Chemical Graph Theory: Introduction and Fundamentals. Abacus, New York NY 1990/1991, ISBN 0-85626-454-7 .
  • J. Sedlacek: Einfuhrung in die Graphentheorie. B. G. Teubner, Leipzig 1968, 1972.
  • M. Nitzsche: Graphen fur Einsteiger (Rund um das Haus vom Nikolaus). Vieweg, Wiesbaden 2004, ISBN 3-528-03215-4 .
  • R. Diestel: Graphentheorie. 3. Auflage. Springer, Heidelberg 2005, ISBN 3-540-67656-2 ( online-download ).
  • Peter Gritzmann, Rene Brandenberg: Das Geheimnis des kurzesten Weges. Ein mathematisches Abenteuer . 2. Auflage. Springer, Berlin/Heidelberg 2003, ISBN 3-540-00045-3 .
  • Peter Tittmann: Graphentheorie. Eine anwendungsorientierte Einfuhrung. 3. Auflage. Hanser, Munchen 2019, ISBN 978-3-446-46052-2 .
Wiktionary: Graphentheorie  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Einzelnachweise

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  1. Peter Tittmann: Graphentheorie. Eine anwendungsorientierte Einfuhrung . 3., aktualisierte Auflage. Munchen, ISBN 978-3-446-46052-2 , S.   1 .
  2. Bernhard Korte, Jens Vygen: Combinatorial Optimization . In: Algorithms and Combinatorics . 2002, ISSN   0937-5511 , doi : 10.1007/978-3-662-21711-5 ( uni-muenchen.de [PDF; abgerufen am 16. Januar 2024]).
  3. Peter Tittmann: Graphentheorie. Eine anwendungsorientierte Einfuhrung . 3., aktualisierte Auflage. Munchen, ISBN 978-3-446-46052-2 , S.   76 .
  4. Neil Robertson, Daniel Sanders, Paul Seymour, Robin Thomas: The Four-Colour Theorem . In: Journal of Combinatorial Theory, Series B . Band   70 , Nr.   1 , 1997, ISSN   0095-8956 , S.   2?44 .
  5. James Joseph Sylvester: Chemistry and Algebra. In: Nature. Band 17, 1878, S. 284.
  6. Norman L. Biggs, E. Keith Lloyd, Robin J. Wilson: Graph Theory 1736?1936 . Oxford University Press, 1999, ISBN 0-19-853916-9 .
  7. Arthur Cayley: Chemical Graphs . In: Philosophical Magazine . Band 47, 1874, S. 444?446.
  8. Denes K?nig: Theorie der Endlichen und Unendlichen Graphen: Kombinatorische Topologie der Streckenkomplexe. Akademische Verlagsgesellschaft, Leipzig 1936.