In der
Formel-1-Saison 1949
wurden mit den Großen Preisen von
Großbritannien
[1]
,
Belgien
, der
Schweiz
und von
Italien
, letzterer gleichzeitig auch unter dem Ehrentitel
Großer Preis von Europa
, vier sogenannte
Grandes Epreuves
ausgerichtet. Fur diese Rennen kamen dabei weiterhin die Bestimmungen der vom internationalen Automobilverband
FIA
ursprunglich bereits fur 1947 verabschiedeten
Internationalen Grand-Prix-Formel
bzw.
Formel 1
(Rennwagen bis 1,5 Liter Hubraum mit Kompressor oder bis 4,5 Liter Hubraum ohne Kompressor; Renndistanz mindestens 300 km bzw. mindestens drei Stunden Renndauer) zur Anwendung.
Nachdem der bislang dominierende Rennstall von
Alfa Romeo
fur diese Saison eine Rennpause eingelegt hatte, konnten mit
Maserati
,
Lago-Talbot
und
Ferrari
gleich drei Teams die Gelegenheit nutzen, zu Grand-Prix-Erfolgen zu kommen. Erfolgreichster Fahrer der Saison war
Alberto Ascari
mit zwei Siegen auf einem
Ferrari 125
bei den Großen Preisen der Schweiz und von Italien, der damit endgultig seinen Durchbruch als internationaler Spitzenfahrer erreichte.
Nachdem der fur den Grand-Prix-Sport betriebene Aufwand aus finanziellen Grunden firmenintern schon eine Weile zur Diskussion gestanden hatte, fallte Alfa Romeo zu Beginn der Saison 1949 endgultig die Entscheidung, sich fur ein Jahr zuruckzuziehen, um sich in Ruhe auf die ab
1950
eingefuhrte
Automobil-Weltmeisterschaft
vorzubereiten. Dies war vor allem auch deswegen notig, weil die Mannschaft nach dem Ausfall ihrer drei Top-Piloten ?
Achille Varzi
war im Vorjahr im Training zum
Großen Preis der Schweiz
todlich verungluckt,
Jean-Pierre Wimille
Anfang 1949 mit einem
Simca-Gordini
der
Formel 2
bei einem Lauf zur argentinischen
Temporada
, und
Carlo Felice Trossi
war von seinem Krebsleiden bereits schwer gezeichnet und verstarb schließlich noch kurz vor Saisonbeginn ? erst wieder vollig neu aufgebaut werden musste. Zudem hatte das Team, das mit seinen uberragenden
Alfa Romeo Tipo 158 ?Alfetta“
bis dahin in zwolf Rennen in Folge unbesiegt geblieben war, nichts mehr zu beweisen und im Gegenteil angesichts der Umstande durch eine Fortsetzung des Rennbetriebs mehr zu verlieren als zu gewinnen.
Als Folge davon konnten sich fur 1949 mit Maserati, Ferrari und Lago-Talbot gleich drei Rennstalle Hoffnung auf einen erfolgreichen Saisonverlauf machen. Maserati hatte
1948
mit dem
Maserati 4CLT/48
[2]
ein neues Grand-Prix-Modell auf die Rader gestellt, das in den Rennen ohne Beteiligung der
Alfettas
zunachst das Maß aller Dinge dargestellt und sich durch einen bemerkenswerten Doppelsieg durch Alberto Ascari und
Luigi Villoresi
gleich beim ersten Auftritt im Rennen von
San Remo
den ehrenvollen Beinamen
Maserati San Remo
verdient hatte. Das Werk beteiligte sich angesichts seiner angespannten Finanzlage jedoch normalerweise nicht direkt auf eigene Rechnung an den Rennen. Die Einsatze wurden stattdessen offiziell durch Privatrennstalle, wie die
Scuderia Ambrosiana
, die
Scuderia Enrico Plate
oder die
Scuderia Milan
, jedoch zumeist mit
Werksunterstutzung
durch Mechaniker vor Ort, wahrgenommen, die zum Teil notorisch unorganisiert auftraten. Mehr als nur einmal trafen die Maserati-Rennwagen erst nach Trainingsende verspatet bei den Rennveranstaltungen ein, so dass die Fahrer von ganz hinten in der Startaufstellung ins Rennen gehen und sich erst durchs gesamte Feld nach vorne arbeiten mussten. Ebenso zeichneten sich die Autos aufgrund von Verschleiß und mangelnder Wartung haufig auch durch eine chronische Unzuverlassigkeit aus und obendrein wurde das jetzt allein unter Leitung der Industriellenfamilie
Orsi
stehende neue Stammwerk der Firma in
Modena
durch einen Streik der Arbeiterschaft zu Jahresbeginn fur langere Zeit lahmgelegt, was entsprechende Auswirkungen auch auf den Rennbetrieb zur Folge hatte.
Zu Beginn der Saison schienen die Aussichten jedoch noch positiv, denn mit Luigi Villoresi und Alberto Ascari (beide
Scuderia Ambrosiana
), sowie
Giuseppe Farina
(nominell als Privatfahrer) standen nicht nur die drei praktisch einzigen verbliebenen internationalen Top-Piloten zur Verfugung, der argentinische Automobilclub
ACA
finanzierte mit staatlicher Forderung durch das
Peron-Regime
auch den Einsatz zweier weiterer
San-Remo-Maseratis
unter der Teambezeichnung
Scuderia Achille Varzi
(in ehrenvoller Erinnerung an den verstorbenen Starpiloten) unter anderem fur den in Europa bislang noch weitgehend unbekannten
Juan Manuel Fangio
, der jedoch gleich zu Saisonbeginn mit drei Siegen in unmittelbarer Folge bei den gut besetzten Rennen von
San Remo
,
Pau
und
Perpignan
zur allgemeinen Aufmerksamkeit umgehend klarstellte, dass noch wesentlich hohere Aufgaben auf ihn warteten.
Ebenfalls auf einem
Maserati 4CLT/48
erfolgreich war
Emmanuel de Graffenried
, der zum einzigen Mal in seiner Karriere ? und als erster Schweizer uberhaupt ? mit dem Britischen Grand Prix ein
Grande Epreuve
gewinnen konnte. Das Rennen, fur das nach dem Abriss der
Brooklands
-Bahn und der Beschlagnahme der Rennstrecke von
Donington Park
durch die Militarbehorden nach langer Suche schließlich der ausrangierte Militarflugplatz von
Silverstone
als neue
Heimat des britischen Motorsports
(?Home of British Motorracing“) gefunden wurde ? bald darauf setzte ein wahrer Trend von Rennveranstaltungen auf und rundum von Flugfeldern in aller Welt ein ? war bei seiner ersten Ausgabe allerdings auch noch hauptsachlich mit einheimischen Teilnehmern besetzt.
Im weiteren Verlauf der Saison konnte dann schließlich Farina auch den
Grand Prix de Lausanne
noch fur Maserati gewinnen, in der Zwischenzeit hatte jedoch mehr und mehr Ferrari bereits die Oberhand gewonnen. Wegen der schon Ende 1948 zu Augenschein getretenen Unzulanglichkeiten des von
Gioacchino Colombo
gezeichneten
Ferrari 125 GPC
[3]
, dem es mit seinem relativ einfach konstruierten 1,5-Liter-V12-Motor mit Einzelaufladung und nur einer
obenliegenden Nockenwelle
pro Zylinderbank nicht nur gegenuber den
Alfettas
deutlich an Motorleistung gemangelt hatte, sondern das mit seiner, nicht zuletzt aus Gewichtsgrunden gewahlten schmalen Spurweite und extrem kurzen Radstand auch unter einer schlechten Gewichtsverteilung und mangelnder Straßenlage litt, hatte das Werk neben der anhaltenden Sportwagenproduktion bereits mit der Entwicklung eines verbesserten Nachfolgemodells
Ferrari 125 F1
mit deutlich langerem Radstand begonnen. Vorlaufig musste sich das Team jedoch mit dem Vorjahresmodell noch weiter begnugen, das immerhin durch eine uberarbeitete Hinterachskonstruktion nun schon eine deutlich verbesserte Straßenlage aufwies. In die Wagen konnten wahlweise auch Austauschmotoren gleicher Grundkonstruktion mit 2 Liter Hubraum und ohne Kompressor fur Einsatze in der
Formel 2
eingesetzt werden, wo das in dieser Konfiguration dann
Ferrari 166
genannte Modell in kurzer Zeit das Geschehen auf den Rennstrecken dominierte.
Einen regelrechten
Coup
landete Ferrari schließlich im Vorfeld des
belgischen Grand Prix
durch die Verpflichtung des eng befreundeten Fahrerduos Ascari und Villoresi, von denen vor allem der im Aufstieg begriffene Ascari bei Maserati keine langerfristige Perspektive mehr fur sich gesehen hatte. Das Rennen, bei dem zum letzten Mal im Grand-Prix-Sport die Startaufstellung nicht anhand der im Training erzielten Rundenzeiten ermittelt, sondern durch nicht mehr nachvollziehbare Kriterien des Veranstalters vorgegeben wurde, nahm dann jedoch einen uberraschenden Verlauf. Nachdem die beiden Ferrari zu Beginn noch klar in Fuhrung gelegen hatten, erwiesen sich die verwendeten Reifen der belgischen Marke
Englebert
den Belastungen des Rennens als nicht gewachsen, so dass Villoresi und Ascari im weiteren Verlauf durch zusatzliche Boxenstopps hinter den Lago-Talbot des Franzosen
Louis Rosier
zuruckfielen. Dessen behabiger Grand-Prix-Typ
Talbot T26C
mit seinem genugsamen 4,5-Liter-Saugmotor konnte im Gegensatz dazu das Rennen sogar auch ganz ohne Tank- oder Reifenstopp durchstehen und so, in ahnlicher Weise wie zuvor
Louis Chiron
beim
franzosischen Grand Prix von 1947
, erneut einen aufsehenerregenden Uberraschungserfolg fur die franzosische Rennwagenmarke landen. Der
Talbot T26C
, von dem in der Zwischenzeit acht Exemplare an die zahlende Kundschaft ausgeliefert worden waren, stellte dabei den genauen Gegenpol zu Maserati dar. Die Autos wirkten langsam und behabig, waren jedoch sehr zuverlassig und vergleichsweise auch sehr sparsam im Verbrauch, ideale Eigenschaften fur die anvisierte Zielgruppe der zahlreichen Privatfahrer.
Beim nachfolgenden
Großen Preis der Schweiz
kam es dann auch endlich zum bereits erwarteten ersten Grand-Prix-Erfolg der noch jungen Marke Ferrari, der gleichzeitig auch der erste in einer langen Reihe von Siegen fur Ascari war. Villoresi, der das Rennen lange Zeit gefuhrt hatte, bis er wegen einer falsch kalkulierten Treibstoffmenge kurz vor Schluss noch einmal tanken musste, konnte aber dieses Mal dennoch die beiden Lago-Talbots der Grand-Prix-Veteranen
Raymond Sommer
und
Philippe Etancelin
in Schach halten. Im Rennen von
Reims-Gueux
, das in diesem Jahr unter dem etwas irrefuhrenden Titel als
Grand Prix de France
ausgetragen wurde ? der eigentliche Große Preis von Frankreich, der
Grand Prix de l’ACF
war in diesem Jahr vorsichtshalber wieder einmal als
Sportwagenrennen
ausgeschrieben, um nach dem Alfa-Romeo-Erfolg im Vorjahr dieses Mal den Sieg einer franzosischen Automobilmarke auch wirklich sicherzustellen ? musste Ferrari mit Villoresi als einzigem Vertreter fruh mit einem technischen Defekt die Segel streichen, so dass Lago-Talbot durch
Louis Chiron
sogar noch einmal zu einem weiteren Saisonsieg in einem bedeutenden Rennen kam.
Ferrari war im Anschluss dann wieder mit Villoresi beim erstmals international ausgeschriebenen
Großen Preis von Zandvoort
(im Vorjahr hatte es sich noch um eine Gastveranstaltung des britischen Automobilclubs gehandelt) wie auch noch einmal mit Ascari bei der
International Trophy
in Silverstone erfolgreich. Im Rennen von Lausanne musste Villoresi dagegen Farina den Vortritt lassen, nachdem sich beide praktisch die gesamte Saison hindurch packende Zweikampfe geliefert hatten, die jedoch regelmaßig mit technischen Defekten am Maserati zu Ende gegangen waren.
Rechtzeitig zum Heim-Grand-Prix, der erstmals nach dem Krieg wieder an seinen angestammten Austragungsort im
Autodrom von Monza
zuruckkehrte, hatte Ferrari dann das neue Modell
Ferrari 125 F1
mit dem neu konstruiertem
DOHC
-Motor mit Zweistufen-Aufladung und gegenuber dem Vormodell deutlich verlangertem Radstand einsatzbereit. Im Vorfeld des Rennens hatte es noch ein politisches Theaterspiel gegeben, nachdem
Enzo Ferrari
angedroht hatte, mit seinem Team keine Rennen in Italien mehr zu bestreiten. Der italienische Automobilclub
ACI
stellte daraufhin umgehend eine stattliche Summe als finanzielle Unterstutzung in Aussicht, so das Ferrari seinen Entschluss schließlich doch noch einmal uberdachte. Laut Ausschreibung galten die Bedingungen jedoch fur jeden italienischen Hersteller, der beim Heimrennen mit zwei Exemplaren eines neuen Grand-Prix-Modells aufwarten konnte. Dies hatte daraufhin auch die
Scuderia Milan
dazu veranlasst, an ihren Maseratis eine Reihe von Modifikationen vorzunehmen, um sie als Eigenkonstruktionen unter der Markenbezeichnung
Milano
zu prasentieren. Das Rennen selbst war dann aber wieder eine klare Angelegenheit fur Ferrari und Ascari, der nach dem Ausfall Villoresis seinen zweiten Grand-Prix-Sieg in Folge erringen konnte und damit endgultig seinen Durchbruch als internationaler Spitzenpilot erzielte.
Zum Saisonende machte der Grand-Prix-Zirkus schließlich sogar einen Abstecher hinter den noch nicht ganz so dichten
Eisernen Vorhang
zum
Großen Preis der Tschechoslowakei
auf dem klassischen Straßenkurs des
Masaryk-Rings
in
Brunn
, der mit einem Sieg des britischen Ferrari-Kunden
Peter Whitehead
zu Ende ging.
Beim
Großen Preis von Großbritannien
in
Silverstone
am 14. Mai 1949 feierte der Schweizer
Toulo de Graffenried
seinen einzigen Grand Prix Sieg.
Beim Großen Preis von Belgien in
Spa-Francorchamps
am 19. Juni 1949 siegte der franzosische Privatfahrer
Rosier
mit einer Vorkriegskonstruktion.
Beim Großen Preis der Schweiz in Bremgarten bei
Bern
am 3. Juli 1949 feierte
Ferrari
mit
Ascari
und
Villoresi
einen Doppelsieg.
Louis Chiron
konnte beim Großen Preis von Frankreich in
Reims
am 17. Juli 1949 seinen letzten großen Erfolg feiern.
Beim Großen Preis von Italien in Monza am 11. September 1949 feierte
Alberto Ascari
auf Ferrari einen deutlichen Sieg.
Beim
Gran Premio di San Remo
am 3. April 1949 sorgte
Juan Manuel Fangio
mit einem Sieg fur Aufsehen. Es war das erste Rennen des 37-jahrigen Argentiniers in Europa.
Erstmals wurde ein
Grand Prix
in den Dunen von
Zandvoort
bei
Amsterdam
ausgetragen. Die Strecke war zum Teil auf gesprengten Bunkeranlagen der Deutschen errichtet worden. Das Rennen am 31. Juli 1949 gewann
Luigi Villoresi
im Ferrari.
In der Tradition der großen Vorkriegsrennen wurde auf dem
Masaryk-Ring
in
Brunn
am 25. September 1949 erneut der
Grand Prix der Tschechoslowakei
ausgetragen.
Viele bekannte Fahrer hatten wegen der kommunistischen Machtubernahme das Rennen boykottiert, und es war das letzte Mal, dass Grand-Prix-Boliden auf der langen Straßenstrecke antraten.
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Ob der Britische Grand Prix von 1949 tatsachlich den Status eines
Grande Epreuve
hatte, ist nicht mit Sicherheit geklart. Im ursprunglich von der FIA verabschiedeten Rennkalender war wie zuvor ublich zunachst die
RAC Tourist Trophy
als traditionelles
Grande Epreuve
des britischen Automobilclubs RAC gefuhrt. Nachdem diese Veranstaltung jedoch erneut schon fruhzeitig abgesagt worden war, ist es moglich, dass dieser Status auf den Britischen Grand Prix ? der im Vorjahr noch unter dem Titel eines
Grand Prix des RAC
gelaufen war ? ubertragen wurde, der zu diesem Zweck entsprechend umbenannt worden war. Eine solche Aktion hatte jedoch andererseits eigentlich dem eigentlichen Sinn hinter der Klassifizierung als
Grande Epreuve
widersprochen, deren eigentlicher Zweck der Vorrang bei der Festlegung des Terminkalenders war. Bis zur endgultigen Klarung des Sachverhalts wird der Grand Prix von Großbritannien an dieser Stelle als
Grande Epreuve
gefuhrt.
- ↑
Die offizielle Typbezeichnung lautete wie beim Vormodell weiterhin
4CL
, die Benennung als
4CLT/48
wurde zur besseren Unterscheidung erst nachtraglich in der Literatur eingefuhrt, hat sich seitdem jedoch mittlerweile allgemein durchgesetzt.
- ↑
www.gilcodesign.com
(abgerufen am 21. Januar 2020)