Gradient (Mathematik)

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Zwei Skalarfelder, dargestellt als Grauschattierung (dunklere Farbung entspricht großerem Funktionswert). Die blauen Pfeile darauf symbolisieren den zugehorigen Gradienten.

Der Gradient als Operator der Mathematik verallgemeinert die bekannten Gradienten (meist aus der Physik), die den Verlauf von physikalischen Großen beschreiben. Als Differentialoperator kann er beispielsweise auf ein Skalarfeld angewandt werden und wird in diesem Fall ein Vektorfeld liefern, das Gradientenfeld genannt wird. Der Gradient ist eine Verallgemeinerung der Ableitung in der mehrdimensionalen Analysis . Zur besseren Abgrenzung zwischen Operator und Resultat seiner Anwendung bezeichnet man solche Gradienten skalarer Feldgroßen in manchen Quellen auch als Gradientvektoren. [1]

In kartesischen Koordinaten sind die Komponenten des Gradientvektors die partiellen Ableitungen im Punkt , der Gradient zeigt deshalb in die Richtung des großten Wertanstiegs. Der Betrag des Gradienten gibt den Wert der großten Anderungsrate an diesem Punkt an.

Beispielsweise kann man die Reliefkarte einer Landschaft so auffassen, dass sie jedem Ort die Hohe an dieser Stelle zuordnet. Dann ist der Gradient an der Stelle genau der Vektor (?Pfeil“), der in die Richtung des großten Hohenanstiegs bei zeigt. Der Betrag (?Lange“) dieses Vektors gibt an, wie stark die (großte) Steigung an diesem Punkt ist.
Zu jeder Stelle gibt es genau einen Gradienten. Zeichnet man zu allen Stellen der Reliefkarte den jeweils zugehorigen Gradientenvektor ein, dann erhalt man das gesamte Vektorfeld .

Der Gradient wird zusammen mit anderen Differentialoperatoren wie Divergenz und Rotation in der Vektor- und Tensoranalysis , Teilgebieten der mehrdimensionalen Analysis , untersucht. Sie werden mit dem gleichen Vektoroperator gebildet, und zwar mit dem Nabla-Operator (bisweilen auch oder um anzudeuten, dass der Nabla-Operator hilfsweise als Vektor verstanden werden kann).

Auf sei das Skalarprodukt gegeben. Der Gradient der total differenzierbaren Funktion im Punkt ist der durch die Forderung

eindeutig bestimmte Vektor Der Operator ist das totale Differential bzw. die Cartan-Ableitung .

Der Gradient hat fur differenzierbare Funktionen die definierende Eigenschaft [2]

fur

Das Landau-Symbol steht fur Terme, die langsamer als wachsen, und stellt eine lineare Funktion von dar. Wenn der Gradient existiert, ist er eindeutig und kann aus

berechnet werden, wo der Nabla-Operator ist. So werden auch Gradienten fur Skalar-, Vektor- und Tensorfelder zweiter Stufe oder allgemein Tensorfelder n-ter Stufe definiert. [3]

Fur ein Skalarfeld folgt hieraus ; oft schreibt man daher (gesprochen ? Nabla “) statt .

Koordinatendarstellung

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Der Gradient hat in unterschiedlichen Koordinatensystemen auch unterschiedliche Darstellungen.

Kartesische Koordinaten

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Im mit dem euklidischen Standardskalarprodukt ist der Spaltenvektor

Die Eintrage sind die partiellen Ableitungen von in -Richtung.

Gegeben sei ein Skalarfeld durch in der xy-Ebene . Es hat die partiellen Ableitungen und und es folgt oder in Vektordarstellung

Fur den Punkt lautet beispielsweise der Gradientvektor . Der Betrag ist .

Zylinder- und Kugelkoordinaten

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  • Darstellung in dreidimensionalen Zylinderkoordinaten :
  • Darstellung in dreidimensionalen Kugelkoordinaten :

Dies sind Spezialfalle des Gradienten auf riemannschen Mannigfaltigkeiten . Fur diese Verallgemeinerung siehe: Außere Ableitung .

Orthogonale Koordinaten

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In allgemeinen orthogonalen Koordinaten hat der Gradient die Darstellung

wobei die den Betrag und die Richtung des Vektors angeben.

Allgemein krummlinige Koordinaten

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In allgemein krummlinigen Koordinaten hat der Gradient die Darstellung

worin der Gradient der Koordinate ist.

Geometrische Interpretation

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Eine anschauliche Bedeutung hat der Gradient im schon eingangs erwahnten Fall von (zweidimensionalen) Landkarten, in denen Hohenangaben eingetragen sind. [4] Die Hohenfunktion ist dann ein Skalarfeld, das jedem Punkt auf der Landkarte (gekennzeichnet durch eine x- und eine y-Koordinate) eine Hohe zuordnet. Der Gradient dieses Skalarfelds in einem Punkt ist ein Vektor, der in Richtung des steilsten Anstiegs der Hohenfunktion weist, und der Betrag des Gradienten entspricht der Starke dieses Anstiegs. Der Gradient steht dabei in jedem Punkt senkrecht auf der Hohenlinie ( Niveaumenge ) der Hohenfunktion durch diesen Punkt. In einem lokalen Minimum oder Maximum ( Extremum ) oder an einem Sattelpunkt ist der Gradient gerade der Nullvektor , vorausgesetzt, dass dieser Extrempunkt im Inneren des betrachteten Gebietes liegt.

Mit Hilfe des Gradienten lasst sich auch der Anstieg in jeder beliebigen Richtung ermitteln. Diese sogenannte Richtungsableitung ist ? im Unterschied zum Gradienten ? ein Skalar. Lauft man im Gebiet in (infinitesimal) kleinen Trippelschritten von einem Punkt a zum Punkt b und summiert das Produkt aus Schrittlange und Richtungsableitung in Richtung des Schritts, erhalt man im Zielpunkt b als Ergebnis die Hohendifferenz zum Startpunkt a. Diese Hohendifferenz ist offensichtlich wegunabhangig. Fallen insbesondere Start- und Endpunkt zusammen, so hat man am Ende seine Hohe nicht verandert, egal welchen Weg man durch das Gebiet eingeschlagen hat.

Darstellung als Volumenableitung

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Mit Hilfe des Integralsatzes von Gauß kann der Gradient, ahnlich wie die Divergenz (Quellendichte) und die Rotation (Wirbeldichte) als Volumenableitung dargestellt werden. Diese Darstellung hat den Vorteil, dass sie koordinatenunabhangig ist. Aus diesem Grund wird der Gradient im Bereich der Ingenieurwissenschaften oftmals direkt so definiert.

Ist ein Raumgebiet mit stuckweise glattem Rand und dem Volumen dann kann der Gradient des Skalarfelds im Punkt mittels der Volumenableitung durch

berechnet werden. Dabei bezeichnet das außere vektorielle Flachenelement von wobei der nach außen zeigende Normalenvektor und das skalare Flachenelement ist. [5]

Zur Grenzwertbildung wird das Raumgebiet auf den Punkt zusammengezogen, sodass sein Inhalt im Volumenintegral unten gegen null geht. Ersetzt man durch einen Druck , erscheint der Gradient als Kraftdichte . Die Koordinatendarstellungen ergeben sich aus der Volumenableitung , wenn man das jeweilige Volumenelement, beispielsweise Kugel oder Zylinder, als Raumgebiet wahlt.

Fur alle Konstanten und Skalarfelder gilt:

Linearitat
Produktregel
Kettenregel
Siehe auch #Nutzliche Formeln .
Integralsatze
Dabei ist ?·“ das Skalarprodukt und der Weg von nach beliebig. Diese Wegunabhangigkeit zeichnet Gradientenfelder aus [6] , siehe auch #Konservative Krafte .
Hier ist ?ד das Kreuzprodukt , ein zweimal stetig differenzierbares Feld und der nach außen gerichtete Normaleneinheitsvektor auf der geschlossenen Oberflache des Volumens [7] und die stuckweise glatte, geschlossene Berandungskurve der Flache . [6] Aus dem ersten Volumenintegral folgt die Koordinatenfreie Darstellung als Volumenableitung, wenn das Volumen so klein wird, dass in ihm der Gradient naherungsweise konstant ist.

Zusammenhang mit der Richtungsableitung

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Unter der Richtungsableitung versteht man die Ableitung , also den Anstieg eines Skalarfeldes in Richtung eines normierten Vektors genauer:

Ist in einer Umgebung von differenzierbar, dann kann man die Richtungsableitung als Skalarprodukt von mit dem Gradienten von berechnen:

Letztere Form ist nicht auf Skalarfelder beschrankt und auf Vektor- oder Tensorfelder n-ter Stufe anwendbar und wird insbesondere in der Stromungsmechanik vielfaltig angewendet.

Integrabilitatsbedingung

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Eine wichtige Beziehung fur differenzierbare Gradientenfelder in Dimensionen ist die Aussage, dass diese (nach dem Satz von Schwarz ) immer ?integrabel“ sind, und zwar in folgendem Sinne: Es gilt fur alle und :

Diese direkt nachprufbare Beziehung ? in drei Dimensionen identisch mit der Rotations ­freiheit des Feldes ? ist notwendig fur die Existenz einer ?Potentialfunktion“ (praziser: der Funktion ). Die bzw. sind die Komponenten des Vektorfeldes. Die Integrabilitatsbedingung impliziert ferner, dass fur alle geschlossenen Wege im das Linienintegral verschwindet, was in der Mechanik bzw. der Elektrodynamik große Bedeutung hat.

Lokal gilt auch das Umgekehrte: Die Integrabilitatsbedingung

fur ein differenzierbares Vektorfeld ist auch hinreichend fur die lokale Existenz einer skalaren Potentialfunktion mit (vgl. Totales Differential#Integrabilitatsbedingung ). Unter geeigneten Voraussetzungen an den Definitionsbereich von (z. B. Sternformigkeit ) kann sogar auf die globale Existenz einer solchen Potentialfunktion geschlossen werden (siehe Poincare-Lemma ).

Nutzliche Formeln

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Folgende Gradienten treten haufig in der Physik auf. Es wird der Ortsvektor verwendet.

Im letzten Beispiel wirkt der Gradient nur auf und nicht auf und wird deshalb auch als geschrieben.

Konservative Krafte

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In der Physik lassen sich viele Kraftfelder als der Gradient eines Potentials darstellen. Beispiele dafur sind:

  • die Gravitationskraft
die fur eine am Koordinatenursprung befindliche zentrale Masse M
lautet, oder
  • statische elektrische Felder in der Elektrodynamik

In konservativen Kraftfeldern wird unter anderem ausgenutzt, dass fur Probemassen bzw. Probeladungen die Wegintegrale die Arbeit entlang eines beliebigen Weges durch das Kraftfeld nur vom Anfangs- und Endpunkt des Weges, nicht aber von seinem Verlauf abhangt, siehe #Integralsatze .

Transportphanomene

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Zahlreiche Transportphanomene lassen sich darauf zuruckfuhren, dass sich die dazugehorigen Strome als Gradient eines Skalarfeldes ausdrucken lassen, wobei der dabei auftretende Proportionalitatsfaktor als Transportkoeffizient oder Leitfahigkeit bezeichnet wird.

Ein Beispiel dafur ist der Warmestrom in der Thermodynamik , fur den

gilt, wobei die Warmeleitfahigkeit ist.

In der Fluidmechanik versteht man unter einer Potentialstromung eine Stromung, bei der die Geschwindigkeit Gradient eines Potentialfeldes ist, siehe Geschwindigkeitspotential .

Bildverarbeitung

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Ein Problem in der Bildverarbeitung ist es, in einem Bild zusammenhangende Flachen zu erkennen. Da ein Bild diskrete Werte enthalt, benutzt man Filter wie den Sobel-Operator , um ein Gradientenfeld des Bildes zu erhalten. Ein Filter ist dabei eine Matrix, mit der das Bild gefaltet wird (siehe Diskrete Faltung ). Die Kanten in dem Bild sind dann als Extremwerte des gefilterten Bildes erkennbar.

Weitere Anwendungen

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Verallgemeinerungen

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Gradienten von Vektoren und Tensoren

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Wie im Abschnitt #Definition schon bemerkt, wird der Gradient auch auf Vektoren und Tensoren angewendet. Der Gradient eines Skalarfeldes (Tensorfeld nullter Stufe) ergibt ein Vektorfeld, das ein Tensorfeld erster Stufe ist. Allgemein fuhrt Gradientenbildung eines Tensorfeldes n-ter Stufe auf ein Tensorfeld der Stufe n+1. [8]

Die Koeffizienten der Gradienten der kovarianten Basisvektoren eines krummlinigen Koordinatensystems sind die Christoffelsymbole . [9]

Insbesondere in der Kontinuumsmechanik und Fluidmechanik werden die Gradienten von Skalar- und Vektorfeldern vielfaltig genutzt, denn die oben genannten #Eigenschaften lassen sich ohne Weiteres auf Gradienten von Vektorfeldern ubertragen.

Riemannsche Mannigfaltigkeiten

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Fur eine glatte Funktion auf einer Riemannschen Mannigfaltigkeit ist der Gradient von dasjenige Vektorfeld , mit dem fur jedes Vektorfeld die Gleichung

gilt, wobei das durch definierte innere Produkt von Tangentialvektoren an ist und (oft auch bezeichnet) diejenige Funktion ist, die jedem Punkt die Richtungsableitung von in Richtung , ausgewertet in , zuordnet. Mit anderen Worten, in einer Karte von einer offenen Teilmenge von auf eine offene Teilmenge von ist gegeben durch:

wobei die -te Komponente von in diesen Koordinaten bedeutet.

In lokalen Koordinaten hat der Gradient also die Form

Analog zum Fall hat man den Zusammenhang des Gradienten mit der außeren Ableitung vermittels

Der Ausdruck ist also das der 1-Form unter dem mittels der Metrik definierten musikalischen Isomorphismus (?sharp“)

entsprechende Vektorfeld. Der Zusammenhang zwischen außerer Ableitung und Gradienten fur Funktionen auf dem ist der Spezialfall fur die durch das euklidische Skalarprodukt gegebene flache Metrik.

Einzelnachweise

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  1. Ernst Grimsehl : Lehrbuch der Physik. Band 1: Mechanik, Warmelehre, Akustik. 15. Auflage, herausgegeben von Walter Schallreuter. Teubner, Leipzig 1954, S. 579.
  2. M. E. Gurtin: The Linear Theory of Elasticity . In: S. Flugge (Hrsg.): Handbuch der Physik . Band VI2/a, Bandherausgeber C. Truesdell. Springer, 1972, ISBN 3-540-05535-5 , S.   10 .
  3. C. B. Lang, N. Pucker: Mathematische Methoden in der Physik . Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-49312-0 , S.   420 , doi : 10.1007/978-3-662-49313-7 . , Holm Altenbach : Kontinuumsmechanik . Einfuhrung in die materialunabhangigen und materialabhangigen Gleichungen. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2012, ISBN 978-3-642-24118-5 , S.   43 , doi : 10.1007/978-3-642-24119-2 .
  4. Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik . 2. Auflage. Band   2 (Eig bis Inn). Springer Spektrum Verlag, Mannheim 2017, ISBN 978-3-662-53503-5 , S.   216 , doi : 10.1007/978-3-662-53504-2 .
  5. Bronstein, Semendjajew, Musiol, Muhlig: Taschenbuch der Mathematik , Verlag Harri Deutsch, Frankfurt, 8. Aufl. 2012, Abschn. 13.2, Raumliche Differentialoperatoren
  6. a b Werner (2019), S. 433.
  7. Altenbach (2012), S. 45.
  8. C. B. Lang, N. Pucker: Mathematische Methoden in der Physik . Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg 2016, ISBN 978-3-662-49312-0 , S.   420   f ., doi : 10.1007/978-3-662-49313-7 . und Altenbach (2012), S. 43.
  9. Werner (2019), S. 313.