Giovanni Vincenzo Infantino
(*
23. Marz
1970
in
Brig
,
Wallis
) ist ein
schweizerisch
-
italienischer
Fussball
funktionar
. Er war von 2009 bis 2016
Generalsekretar
der Europaischen Fussball-Union (
UEFA
). Am 26. Februar 2016 wurde Infantino zum Prasidenten des Weltfussballverbandes
FIFA
gewahlt und trat die Nachfolge von
Sepp Blatter
an.
[1]
Infantino studierte
Rechtswissenschaft
und arbeitete anschließend als Rechtsanwalt.
[2]
Vor seiner Tatigkeit bei der UEFA als Generalsekretar des Internationalen Zentrums fur Sportstudien (CIES) war er an der
Universitat Neuenburg
Berater verschiedener nationaler und internationaler
Fussball
gremien.
Ab August 2000 bei der UEFA tatig, hatte er diverse Amter inne, darunter ab Januar 2004 die Leitung der Rechts- und Klublizenzierungsabteilung. Vom 1. Februar bis Mai 2007 war er nach dem Rucktritt des Schweden
Lars-Christer Olsson
infolge der Wahl
Michel Platinis
zum Prasidenten der UEFA Interims-Generaldirektor des Verbandes (gefolgt vom Schotten
David Taylor
) und wurde danach zum stellvertretenden Generalsekretar ernannt. Ab dem 1. Oktober 2009 war er, wiederum als Nachfolger David Taylors, bis zu seiner Wahl zum FIFA-Prasidenten Generalsekretar.
Am 26. Oktober 2015 gab Infantino kurz vor Ende der Frist seine Kandidatur zur Wahl des FIFA-Prasidenten als Nachfolger von
Sepp Blatter
bekannt.
[3]
Er sollte zunachst nur als Ersatzkandidat der UEFA bis zur Aufhebung der Sperre seines Prasidenten
Michel Platini
fungieren und erklarte gleichzeitig zuruckzuziehen, sobald Platini zur Wahl zugelassen wurde.
[4]
Platinis Sperre wurde jedoch auf acht Jahre verlangert, so dass Infantino mit der Unterstutzung der UEFA gegen die meisten Kandidaten in der Geschichte einer FIFA-Prasidentenwahl antrat. Bei der Wahl am 26. Februar 2016 in Zurich erreichte er im ersten Wahlgang 88 Stimmen, im zweiten Wahlgang erlangte er mit 115 von 207 Stimmen der Mitgliedsverbande die absolute Mehrheit und wurde damit zum FIFA-Prasidenten gewahlt. Sein Hauptgegner in der letzten Wahlrunde war Scheich
Salman bin Ibrahim Al Chalifa
.
Zu seinen Wahlversprechen gehorte die Aufstockung der WM-Teilnehmer von 32 auf 40 und die Verdoppelung der Entwicklungshilfezahlungen fur die Mitgliedsverbande.
[5]
Auf demselben Kongress der FIFA wurde ein Reformpaket verabschiedet, das seine eigene Stellung als Prasident stark beschneidet und die Amtszeit auf zwolf Jahre beschrankt.
Stattdessen soll von nun an der von Infantino vorzuschlagende Generalsekretar als
CEO
das operative Geschaft fuhren, wahrend der Prasident und das vergrosserte Exekutivkomitee (nunmehr
Council
) eine Art
Aufsichtsrat
darstellen. Auch muss bei neu aufzunehmenden Funktionaren ein externer Integritatscheck durchgefuhrt werden, und die Funktionare sind erstmals zur Offenlegung ihrer Gehalter verpflichtet.
[6]
Infantino trat 2019 als einziger Kandidat fur die FIFA-Prasidentschaft an und wurde auf dem 69. FIFA-Kongress am 5. Juni des Jahres im Amt bestatigt, ebenso beim 73. FIFA-Kongress am 16. Marz 2023 in
Kigali
.
Auf dem FIFA-Kongress im Mai 2016 wurde auf Infantinos Vorschlag beschlossen, dass der Rat bis zum kommenden Jahr alle Mitglieder der Audit- und Compliance-Kommission, der Ethikkommission, der Disziplinarkommission und der neuen Governance-Kommission selbst bestimmen und entlassen kann.
Domenico Scala
, Leiter des
Audit & Compliance Committees
der FIFA, trat am gleichen Tag von seinem Amt zuruck.
[7]
Seinen Rucktritt kommentierte er wie folgt:
≪Ich bin uber diesen Entscheid konsterniert, da damit eine zentrale Saule der Good Governance der FIFA untergraben und eine wesentliche Errungenschaft der Reformen zunichte gemacht wird.≫
[8]
Im Nachgang zu dieser Versammlung wuchs die Kritik an Infantino. Laut der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung
existieren Protokolle und Aussagen von hochrangigen FIFA-Mitarbeitern, die einen mangelnden Reformwillen des neuen Prasidenten nahelegen.
[9]
Dies wird jedoch von Infantino vehement bestritten.
[10]
Medien berichteten im Februar 2017 uber Bestrebungen Infantinos, beim FIFA-Kongress im Mai in
Bahrain
die beiden Chefs der FIFA-Ethikkommission zu ersetzen
[11]
[12]
und sich von der US-Rechtsanwaltskanzlei Quinn Emanuel zu trennen.
[13]
Diese untersucht im Auftrag der amerikanischen Justiz interne Vorgange bei der FIFA. Strafrechtsexperten haben gewarnt, dass die FIFA durch dieses Vorgehen in den USA aufgrund des
Racketeer Influenced and Corrupt Organizations Act
unter
Mafia
-Verdacht gestellt und zu hohen Strafzahlungen verurteilt werden konnte. Parallel hat der
Europarat
eine eigene Untersuchung der FIFA angekundigt.
[14]
DFB-Prasident
Reinhard Grindel
warnte Infantino vor einer Absetzung der FIFA-Ethikkommissare.
[15]
Laut FIFA-Rats-Mitgliedern soll Infantino bei der Council-Sitzung im Marz 2018 in Bogota ein Milliardenangebot fur den Verkauf von Veranstaltungen prasentiert haben, dessen Inhalt er wegen einer Verschwiegenheits-Vereinbarung aber nicht nennen wollte. Das Council soll wegen der Geheimverhandlung konsterniert gewesen sein.
Auf Grund mangelnder Informationen haben sie das Angebot abgelehnt und daruber diskutiert, ob es zwischen Infantino und dem Rechtepartner personliche Absprachen gibt.
[16]
Nach Aktenlage wollte Infantino in den Entscheidungsprozess fur die WM 2026 eingreifen. Infantino versuchte die Zustandigkeit vom FIFA-Kongress an eine kleine Task Force aus eigenen Leuten zu ubertragen, damit diese entscheiden konnen, ob die Kandidaten alle Bedingungen erfullen, um im Juni wahlbar zu sein. So hatte Infantino vorab verhindern konnen, dass Marokko den Zuschlag fur die WM 2026 bekommen kann.
Ein moglicher Grund ist, dass sich Infantino bei einer WM in den USA mehr Einnahmen verspricht. Jedoch haben Asiaten, Europaer und der afrikanische Verband
CAF
, der hinter der Bewerbung Marokkos steht, Infantino verdeutlicht, dass sie einen vorzeitigen Ausschluss Marokkos nicht akzeptieren werden.
[17]
Die Schweizer Justiz stellte 2023 ihre dreijahrigen Ermittlungen gegen Infantino ein, die sie wegen seiner Treffen mit dem ehemaligen Schweizer Bundesanwalt
Michael Lauber
und einem weiteren Staatsanwalt gefuhrt hatte. Es verblieb lediglich der Vorwurf, dass die Staatsanwalte die Gesprache hatten protokollieren mussen.
[18]
Infantino wuchs als
Kind
italienischer
Gastarbeiter
[19]
[20]
im schweizerischen Brig auf, wo er in seiner Jugend Fussball beim FC Folgore (spater FC Brig-Glis) in der
5. Liga
spielte.
[21]
Sein Vater stammte aus
Reggio Calabria
und war
Zeitungsbote
, seine Mutter stammte aus dem
Valcamonica
.
[22]
Infantino ist verheiratet und Vater von vier Kindern.
[23]
Er spricht
Italienisch
,
Deutsch
,
Englisch
,
Franzosisch
sowie
Spanisch
und
Arabisch
und besitzt neben dem
Schweizer Burgerrecht
die
italienische Staatsburgerschaft
.
[21]
[24]
Seine Frau stammt aus dem
Libanon
, bei dessen Fussballverband sie als stellvertretende Generalsekretarin tatig war.
[25]
Infantino wohnt in
Zug
.
[26]
Wegen ? laut eigener Angabe ? haufiger Aufenthalte in
Katar
hinsichtlich der
Fussball-Weltmeisterschaft 2022
legte er sich dort eine Zweitwohnung zu.
[27]
- ↑
Gianni Infantino ist neuer Fifa-Prasident
, faz.net, vom 26. Februar 2016
- ↑
Die Versprechen der "Losfee" sind Europas einzige Antwort
, diepresse.com, 20. Februar 2016
- ↑
UEFA ruckt von Michel Platini ab.
sport1.de, 26. Oktober 2015, abgerufen am 19. Januar 2016.
- ↑
Infantino als Platini-Ersatz ? Bewerber-Rekord fur FIFA-Prasidenten.
Auf brf.be, 26. Oktober 2015, abgerufen am 29. Februar 2016.
- ↑
Weshalb Gianni Infantino neuer Fifa-Prasident wurde.
In:
Die Welt
vom 26. Februar 2016, abgerufen am 27. Februar 2016.
- ↑
≪Infantino muss das Reformpaket wirklich umsetzen≫.
Auf deutschlandfunk.de, 27. Februar 2016, abgerufen am 29. Februar 2016.
- ↑
Erster Kongress unter Infantino: Fifa-Macher wahlen ihre Kontrolleure kunftig selbst.
In:
Spiegel Online
.
Abgerufen am 15. Mai 2016
.
- ↑
Nach Kongressbeschluss: Fifa-Chefaufseher Scala tritt zuruck.
In:
Spiegel Online
.
Abgerufen am 15. Mai 2016
.
- ↑
Michael Ashelm:
F.A.Z. exklusiv: Aussagen und Protokolle belasten Fifa-Prasident Infantino
. In:
Frankfurter Allgemeine Zeitung
. 27. Mai 2016,
ISSN
0174-4909
(
faz.net
[abgerufen am 27. Mai 2016]).
- ↑
Felix Bingesser, Andreas Boni:
Exklusiv! Jetzt schlagt Fifa-Boss Gianni Infantino zuruck: ≪Das sind bewusst gestreute Marchen!≫
In:
Blick online
vom 28. August 2016.
- ↑
Offener Machtkampf von Infantino: Fifa will offenbar Ethikkommissare loswerden.
- ↑
Ethikwachter der Fifa vor dem Aus
(
Memento
vom 16. Marz 2017 im
Internet Archive
)
- ↑
Infantino und die lastigen Fifa-Kontrolleure.
- ↑
Will Infantino unabhangige Kontrolleure loswerden?
- ↑
Grindel warnt Infantino: "Vollig falsches Signal".
- ↑
Thomas Kistner:
Ein Vorschlag, der viel uber die Not der FIFA verrat.
In:
sz.de.
Abgerufen am 10. April 2018
.
- ↑
Thomas Kistner:
Trump und Infantino, Marokkos versehentliche Wahlhelfer.
In:
sz.de.
30. April 2018,
abgerufen am 30. April 2018
.
- ↑
Strafverfahren gegen FIFA-Chef Gianni Infantino eingestellt ? DW ? 26.10.2023.
Abgerufen am 19. November 2023
.
- ↑
Infantino: “Cambiero tutto”
, raisport.rai.it, 26. Februar 2016
- ↑
Chi e Gianni Infantino, il nuovo presidente della Fifa
, unita.tv, 26. Februar 2016
- ↑
a
b
Peter M. Birrer, Thomas Schifferle:
Wer ist dieser Mann aus Brig eigentlich?
in
Tages-Anzeiger
vom 26. Februar 2016
- ↑
Blick
am 25. Februar 2016,
So fiebert Brig mit Infantino mit
(abgerufen am 27. Februar 2016)
- ↑
Gianni Infantino: "A Trelex, ma famille et moi, nous nous sentons a la maison".
In: lacote.ch vom 4. Februar 2016.
- ↑
Gianni Infantino nuovo presidente della Fifa
(
Memento
vom 26. Februar 2016 im
Internet Archive
), sport.leonardo.it, 26. Februar 2016
- ↑
Fifa-Prasi-Kandidat im Interview vor der Wahl ? ≪Ich fliege auch Economy≫
in: Blick vom 21. Februar 2016.
- ↑
Cyrill Pinto:
Fifa-Chef Gianni Infantino ist nach Zug gezogen.
In:
Tages-Anzeiger
/
SonntagsZeitung
, 26. November 2022.
- ↑
Patrik Muller
:
Infantino wehrt sich: ≪Zahle Steuern in Zurich ? und der Hauptsitz bleibt hier!≫.
In:
Watson.ch
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CH Media
, 25. Mai 2022.
- ↑
Christoph Becker:
Der Furst. FIFA-Prasident Gianni Infantino ist unantastbar.
In:
Frankfurter Allgemeine Zeitung
, 19. November 2022, S. 40.