Unter
Gesundheitspolitik
versteht man den
Politikbereich
, der sich mit der Planung, Organisation, Steuerung und Finanzierung des
Gesundheitssystems
beschaftigt und fur dessen Funktionalitat verantwortlich ist. Dazu gehoren unter vielem anderen Verhandlungen mit den Verbanden der
Krankenkassen
, der Krankenhaustrager, der
Arzte
und
Apotheker
und der
Pharmaindustrie
sowie die Regelung in entsprechenden Gesetzen und Verordnungen.
Zur Gesundheitspolitik gehort auch die Beeinflussung anderer gesundheitsrelevanter Politik- und Lebensbereiche wie Bildung, Arbeit, Wohnen, Ernahrung, Verkehr, Umwelt, Familie und Freizeit. Diese ?indirekte Gesundheitspolitik“ (
Health in All Policies
) und das eigentliche Gesundheitssystem beeinflussen die
Gesundheit der Bevolkerung
.
Der Begriff Gesundheitspolitik wurde ab 1913 von dem Karlsruher Internisten und Sozialhygieniker
Alfons Fischer
[1]
in die Offentlichkeit eingefuhrt.
Gesundheitspolitik strebt in vielen Landern an,
- Krankheiten und Unfalle durch Vorbeugung (
Pravention
) moglichst zu vermeiden,
- jedem Burger im Krankheitsfall unabhangig von seinem Einkommen und Vermogen eine moglichst gute Versorgung anzubieten und dabei die menschliche Wurde und das Selbstbestimmungsrecht des Kranken zu achten,
- das
Gesundheitssystem
so effizient und kostengunstig wie moglich zu betreiben,
- dass die Bevolkerung mit der Gesundheitsversorgung zufrieden ist und
- dass das Personal im Gesundheitssektor gute Arbeitsbedingungen hat.
Ein großer Teil dieser Ziele wird in privatwirtschaftlichen Strukturen (zum Beispiel privaten Krankenhausern, niedergelassenen Arzten, Zahnarzten, Apotheken, Krankenversicherern usw.) verfolgt.
Der großte Bestandteil des Gesundheitssystems ist das Krankenversorgungssystem. Es ist ein sehr komplexes Gebilde von Hunderten von institutionellen Organisationen und Tausenden von individuellen Teilnehmern. Diese Akteure vertreten eigene wirtschaftliche Interessen und daneben teilweise auch Berufsinteressen und gesamtgesellschaftliche Interessen.
Wie in jedem anderen Politikfeld versuchen Akteure, die von den politischen Entscheidungen beruhrt sind (
Stakeholder
), diese durch
Lobbying
zu beeinflussen. Vor allem durch den Kontakt zu und Informationsaustausch mit Entscheidungstragern, Abgeordneten, aber auch mit der
Zivilgesellschaft
und durch Offentlichkeitsarbeit. Lobbying bestimmt maßgeblich, welche Themen in der Offentlichkeit ausfuhrlich diskutiert werden, und welche nicht. Durch Lobbying erfahren Politiker, auf welchen Widerstand und welche Schwierigkeiten ihre Gesetzesinitiativen treffen werden. Sie konnen ihre Initiativen bereits vor der Abstimmung im Parlament anpassen.
Auf Bundesebene ist administrativ hauptsachlich das
Bundesministerium fur Gesundheit
zustandig. Es hat außerdem die
Rechtsaufsicht
uber die Organe der gemeinsamen Selbstverwaltung und kann intervenieren, wenn sich die von der Selbstverwaltung getroffenen Entscheidungen außerhalb des staatlich festgelegten Rahmens befinden, oder keine Einigung zwischen den Parteien innerhalb der
Selbstverwaltung
zustande kommt. Das wichtigste Gremium der Selbstverwaltung ist der
Gemeinsame Bundesausschuss
.
Die Bundeslander haben eigene Zustandigkeiten, z. B. die Organisation des offentlichen Gesundheitsdienstes. Die Gewahrleistung von hinreichenden Krankenhauskapazitaten liegt grundsatzlich in der Pflicht der
Kreise
und
kreisfreien Stadte
, die Krankenhauser aber nicht in eigener Tragerschaft bereitstellen mussen. Daneben halten Kreise und kreisfreie Stadte auch
Gesundheitsamter
vor, die Teil des
Offentlichen Gesundheitsdienstes
sind. Zu den Aufgaben der Gesundheitsamter gehoren
amtsarztlicher Tatigkeiten
, zum Beispiel die Durchfuhrung von
Schuluntersuchungen
oder die kommunale Planung von Schutzmaßnahmen gegen
Pandemien
.
Es hat zahlreiche Reformen und Reformversuche gegeben, um die Kosten des Gesundheitssystems trotz des
demografischen Wandels
zu begrenzen (
siehe:
Gesundheitsreform in Deutschland
). Eine zentrale Frage ist, welche Kosten man solidarisch auf alle (z. B. gesetzlich Versicherte und paritatisch die Arbeitgeber) verteilt und welche man dem Einzelnen nach individuellen Risiken aufburdet (sog. ?Eigenverantwortung“).
Der
Arbeitgeberanteil
an der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland ist seit dem 1. Juli 2005 geringer als 50 Prozent. Dies wurde eingefuhrt, um die
Lohnnebenkosten
zu senken.
Seit 1976 gibt es in Deutschland indirekte
Transferleistungen
von der gesetzlichen Krankenversicherung zu anderen sozialen Sicherungssystemen (Renten- und
Arbeitslosenversicherung
). Die hierdurch entstanden Beitragserhohungen wurden unter dem Begriff der Kostenexplosion als politisches Mittel zu Leistungskurzungen benutzt und fuhrten unter dem Schlagwort der "Reform" zu zahlreichen Veranderungen in der Struktur dieses
Sozialsystems
. Die Struktur wurde komplexer; viele Arbeitsablaufe wurden starker formalisiert.
2002 wurden in Deutschland Modelle diskutiert, die die bisherige Dualitat von
gesetzlicher Krankenversicherung
mit
Kontraktionszwang
und
Familienmitversicherung
sowie der
Privaten Krankenversicherung
ersetzen konnten. Auch die
Beitragsbemessungsgrenze
,
Gesundheitspramien
und eine
Burgerversicherung
wurden diskutiert.
- Rolf Rosenbrock
, Thomas Gerlinger:
Gesundheitspolitik. Eine systematische Einfuhrung
. Hans Huber, Bern 2004, 320 S.,
ISBN 3456840225
- Christian Ruefeli, Margreet Duetz, Michael Jordi, Stefan Spycher:
Gesundheitspolitik.
In: Willy Oggier (Hrsg.):
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(E-Book-ISBN (PDF) 978-3-456-95441-7) S. 117?136.
- Winand Gellner, Markus Schon (Hrsg.):
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:
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Rowohlt, Berlin 2009,
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- Thomas Gerlinger, Hans-Jurgen Urban:
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(
Blatter fur deutsche und internationale Politik
, Ausgabe 1/2010)
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- Wolfgang Woelk et al. (Hrsg.):
Geschichte der Gesundheitspolitik in Deutschland. Von der Weimarer Republik bis in die Fruhgeschichte der ?doppelten Staatsgrundung‘
. Duncker & Humblot, Berlin 2002,
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- Deutschland
- Schweiz
- ↑
Wilfried Witte:
Fischer, Alfons.
In:
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, Bernhard D. Haage,
Gundolf Keil
, Wolfgang Wegner (Hrsg.):
Enzyklopadie Medizingeschichte.
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