Reichsgesetzblatt
vom 31. Marz 1933:
Gesetz uber Verhangung und Vollzug der Todesstrafe
Die
Lex van der Lubbe
ist die umgangssprachliche Bezeichnung fur das
Gesetz uber Verhangung und Vollzug der Todesstrafe
vom 29. Marz 1933.
Der Name ruhrt daher, dass das Gesetz die
Rechtsgrundlage
fur die Verhangung der Todesstrafe gegen
Marinus van der Lubbe
bildete, der am 28. Februar 1933 bei der
Brandstiftung im Reichstag
gefasst worden war. Es wurde eigens beschlossen, um diesen und seine Mitangeklagten zur
Todesstrafe
verurteilen zu konnen, obwohl sie zur Tatzeit noch nicht fur Brandstiftung gegolten hatte.
Die seit 28. Februar 1933 in Kraft stehende
Reichstagsbrandverordnung
hatte in § 5 eine Liste von Verbrechen enthalten, fur die nicht wie bisher eine
lebenslange Freiheitsstrafe
, sondern die
Todesstrafe
zu verhangen war. Das am 29. Marz auf der Grundlage des
Ermachtigungsgesetzes
von der
Regierung Hitler
beschlossene
Gesetz uber Verhangung und Vollzug der Todesstrafe
dehnte den Geltungszeitraum dieses § 5 ruckwirkend auf den 31. Januar 1933 aus. Heute wird darin vielfach eine Durchbrechung des in Art. 116 der Weimarer
Reichsverfassung
garantierten Grundsatzes des Ruckwirkungsverbots von Strafgesetzen (
Nulla poena sine lege praevia
) gesehen
[1]
und auch schon damals zog die Verteidigung der Angeklagten im Reichstagsbrandprozess die Rechtmaßigkeit der Regelung in Zweifel. Die damalige hochstrichterliche Rechtsprechung kam im Rahmen ihrer Gultigkeitsprufung jedoch zu dem Ergebnis, das Gesetz sei vereinbar mit Art. 116 WRV und auch sonst rechtlich nicht zu beanstanden. Die dahin fuhrende Argumentation basierte dabei auf einer restriktiven, wortlautfokussierten Auslegung des Art. 116 WRV: Da die Norm im Wortlaut lediglich die Bestimmung einer generellen Strafbarkeit zum Tatzeitpunkt fordert, wurde sie alleinig als Verbot einer ruckwirkenden Strafbegrundung gesehen; ruckwirkende Strafscharfungen hingegen sollten nicht in ihren Schutzbereich fallen.
[2]
[3]
Damit konnte das Gesetz auf van der Lubbe angewendet werden, der vor Gericht bekannt hatte, am 27. Februar den Reichstag angezundet zu haben. Diese Interpretation des Reichsgerichts war allerdings keinesfalls ein Novum; vielmehr gab es schon lange vor der Machtergreifung einen diesbezuglichen Meinungsstreit im Schrifttum, bei dem eine solche restriktive Auslegung vertreten wurde.
[4]
[5]
Hinrichtungsraum der
Haftanstalt Berlin-Plotzensee
mit Eisenschiene und Haken
Die
Lex van der Lubbe
ließ ferner wieder die Methode des
Hangens
zum Vollzug der Todesstrafe zu, welche aus Sicht der Nationalsozialisten besonders unehrenhaft war. Seit Einfuhrung des
Reichsstrafgesetzbuchs
von 1871 war als Hinrichtungsmethode im Deutschen Reich ausschließlich die
Enthauptung
vorgeschrieben gewesen (§ 13), welche in der Praxis mittels
Handbeil
oder
Fallbeil
durchgefuhrt wurde. Die Mehrzahl der nordlichen Lander (etwa
Preußen
) gebrauchte bis Mitte der 1930er Jahre das Handbeil, andere Lander (etwa
Bayern
und
Sachsen
) Fallbeile. Trotz des Gesetzes uber die Verhangung und den Vollzug der Todesstrafe vom 29. Marz 1933 wurde die Methode des Hangens jedoch bis Ende 1942 im Kerngebiet des Deutschen Reiches nicht angewandt. Todesurteile von
Militargerichten
wurden stattdessen durch
Erschießung
und die von Zivilgerichten durch Enthauptung (seit einem
Fuhrererlass
vom 14. Oktober 1936 ausschließlich per Fallbeil
[6]
) vollstreckt. Im Dezember 1942 wurden die fuhrenden Mitglieder des ?
Schulze-Boysen/Harnack-Kreises
“ auf Befehl Hitlers jedoch erhangt, worauf in Deutschland wieder regelmaßig Exekutionen auf diese Art durchgefuhrt wurden
[7]
(z. B. nach dem
20. Juli 1944
). Im Zusammenhang mit den zu erwartenden Todesurteilen wurde am 15. Dezember 1942 im Hinrichtungsraum der
Haftanstalt Berlin-Plotzensee
eine Eisenschiene mit
Fleischerhaken
angebracht,
[7]
und bis Mitte 1943 wurden Vorkehrungen zum Vollzug der Todesstrafe durch Hangen auch in nahezu allen anderen
zentralen Hinrichtungsstatten
des Deutschen Reichs getroffen. Der Galgen wurde dabei zumeist im selben Raum wie das Fallbeilgerat installiert. Am 22. Dezember 1942 wurden
Harro Schulze-Boysen
um 19:05 Uhr
[8]
[9]
und
Arvid Harnack
um 19:10 Uhr
[10]
als Erste in Berlin-Plotzensee gehangt.
[11]
Am 30. Januar 1946 hob der
Alliierte Kontrollrat
mit zahlreichen weiteren Strafbestimmungen der nationalsozialistischen Zeit durch das
Kontrollratsgesetz Nr. 11
auch dieses Gesetz auf.
[12]
- ↑
Uwe Wesel
:
Geschichte des Rechts. Von den Fruhformen bis zur Gegenwart
. 3. uberarbeitete und erweiterte Auflage. Beck, Munchen 2006,
ISBN 3-406-47543-4
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- ↑
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- ↑
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- ↑
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- ↑
Christoph Gusy:
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. Mohr Siebeck, Tubingen 1997,
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- ↑
Kurt Finker:
Teil der inneren Front
(Nachdruck bei Junge Welt, 21. Dezember 2007)
(
Memento
vom 18. Dezember 2014 im
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)
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Gedenkstatte Plotzensee
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Kontrollratsgesetz Nr. 11
vom 30. Januar 1946.
In:
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, Nummer 3 vom 31. Januar 1946, S. 55 ff., Digitalisat der Deutschen Nationalbibliothek:
urn
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nbn:de:101:1-201301314942
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