Mogliches typisches Aussehen eines Waldes in Mitteleuropa in vergangenen
Warmzeiten
(halboffen und artenreich). In
Kaltzeiten
war Mitteleuropa großtenteils vereist und so gut wie gar nicht bewaldet.
Die
Geschichte des Waldes in Mitteleuropa
ist sehr wechselhaft, vor allem seit der intensiven Nutzung des
Waldes
durch den
Menschen
seit etwa 2.000 Jahren. Diese hat sich tiefgreifend auf den Wald und dessen
okologische
Zusammensetzung ausgewirkt. (Der Begriff
Mitteleuropa
bezieht sich in diesem Artikel auf den Bereich etwa zwischen Nordsee und Alpen sowie zwischen Ostsee und Schwarzem Meer und schließt damit den
Wald in Deutschland
vollstandig mit ein.)
Die Geschichte des Waldes beginnt als botanische
Naturgeschichte
, deren Erforschung vor allem in das Gebiet der
Palaobotanik
fallt. Wahrend
Kaltzeiten
war das heutige Mitteleuropa großtenteils waldfrei, abgesehen von vereinzelten
Waldsteppen
und -
tundren
, so auch wahrend der
letzten Kaltzeit
. Fur vergangene
Warmzeiten
ist der ursprungliche
naturliche
Zustand wissenschaftlich noch nicht abschließend geklart. Gemaß der verbreiteten
Megaherbivorenhypothese
wurde das Wachstum des Waldes hauptsachlich durch die großten
Pflanzenfresser
(
Megaherbivoren
) kontrolliert, die damals noch in deutlich hoherer Zahl Mitteleuropa besiedelten, da die Anzahl der
Menschen
noch verschwindend gering war und damit die
Jagd
auf diese Tiere. Wald war dadurch weltweit komplex mosaikartig verteilt. Neuere Studien scheinen diese Sichtweise zu bestatigen.
[1]
Mogliches typisches Aussehen eines Waldes in Mitteleuropa heute in einer hypothetischen Welt, in der die Menschen weltweit weiterhin als
Jager und Sammler
leben, die
Neolithische Revolution
und die Entwicklung der menschlichen
Zivilisation
also nie stattgefunden haben (dicht und buchendominiert)
Wissenschaftlich gesichert ist, dass sich mit dem Ende der letzten Eiszeit die Walder beginnend vor etwa 16.000 Jahren langsam wieder ausgebreitet haben. Zu Beginn der
Neolithischen Revolution
vor etwa 7.500 Jahren war der Waldanteil in Mitteleuropa bereits sehr hoch (uber 90 %). Die damaligen Walder waren vor allem gemischte
Laubwalder
. Vor etwa 4.500 Jahren begann die
Buche
, sich stark auszubreiten. Zur
Zeitenwende
vor etwa 2.000 Jahren bedeckte sie bereits einen Großteil des heutigen Deutschlands. Im Bereich des heutigen Brandenburgs sowie Polens dominierte die
Kiefer
, in Gebirgsregionen wie Schwarzwald und Alpen die
Fichte
, regional auch andere Baumarten wie z. B.
Eichenarten
.
Es wird davon ausgegangen, dass ohne die
Sesshaftwerdung
des Menschen in Mitteleuropa heute fast uberall die Buche dominieren wurde.
[2]
Mit der ersten dauerhaften sesshaften Besiedelung durch die
bandkeramische Kultur
begann allerdings allmahlich die intensivere Nutzung des Waldes durch den Menschen, welcher die
Klimaxbaumart
Buche benachteiligt hat. Der Abbau des Waldes hatte zunachst v. a. drei Grunde: die Gewinnung von
Holz
als
Baustoff
, die Gewinnung von Holz als
Energietrager
sowie
Rodungen
fur Ackerflachen. Durch die
Ubernutzung
sank der Waldanteil zunachst leicht auf knapp 90 % zur Zeitenwende, ab dem Mittelalter stark
[3]
(im Gebiet des heutigen Deutschland am starksten vom 11. bis zum 13. Jahrhundert, von etwa zwei Drittel auf etwa 20 %
[4]
). Damals neu entstehende Eigentums- und Nutzungsrechte am zuvor fur alle frei verfugbaren Wald konnten diese Entwicklung nur teilweise dampfen. Die Phase der Exploitation dauerte bis in das 18./19. Jahrhundert an,
[5]
der Waldanteil lag damals regional deutlich unter 10 % (z. B. 2?3 % in Danemark um das Jahr 1800).
[3]
Dies beforderte die Entwicklung des Konzepts der
Nachhaltigkeit
durch die deutsche
Forstwirtschaft
und seine Verbreitung in der gesamten Waldwirtschaft. Der Waldanteil nahm seither nur leicht zu,
[3]
stark gesteigert wurde stattdessen die
Flachenproduktivitat
durch Erkenntnisse der
Forstwissenschaft
.
Typisches Aussehen eines Waldes in Mitteleuropa heute (
gleichaltrige
Monokultur
)
Das heutige Landschaftselement ?Wald“ in Mitteleuropa ist eine in Jahrtausenden geschaffene
Kulturlandschaft
, die fast ausschließlich auf
Ersatzgesellschaften
beruht. Die heutigen
Waldgesellschaften Mitteleuropas
sind großtenteils
Wirtschaftswalder
. Diese vom Nutzen einzelner Baumarten gepragten Walder sind entweder als kunstlich angelegte
Forste
oder durch mehr oder minder starke menschliche Eingriffe entstanden. ?Naturnaher Wald“ ist die Ausnahme.
[6]
Die dominierenden Baumarten in den Wirtschaftswaldern Mitteleuropas sind heute zwar weiterhin
Fichte
,
Kiefer
,
Buche
sowie
Eichenarten
, allerdings in stark unterschiedlicher Haufigkeit und regionaler Verteilung im Vergleich zu fruher. So dominiert zum Beispiel im Gebiet Deutschlands durch intensiven Umbau vor allem im 20. Jahrhundert statt der Buche heute die Fichte.
Seit einigen Jahren gibt es einen neuerlichen intensiven Umbau des Waldes in Mitteleuropa unter anderem zur Anpassung an die
globale Erwarmung
und ihre Folgen sowie zur Bereitstellung vielfaltiger
Okosystemdienstleistungen
. Die strukturelle Komplexitat des Waldes sowie teilweise auch die
Biodiversitat
im Wald erhohen sich dadurch neuerdings wieder. In dieser Hinsicht wird der Wald derzeit wieder naturnaher. Eine zukunftige Ruckkehr in seinen ?ursprunglichen“ oder in irgendeinen vergangenen Zustand ist aber ausgeschlossen: Einige Waldlandschaften wurden unwiederbringlich zerstort, viele heimische Arten ausgerottet und manche fremdlandische Arten unumkehrbar etabliert. Außerdem konnen durch die veranderten
Umweltbedingungen
vielerorts die ursprunglich heimischen Arten nicht mehr uberleben. Hierbei ist vor allem die zunehmende Trockenheit zu nennen, die bei der derzeit erwarteten Erwarmung den heute typischen Waldgesellschaften bis in das Jahr 2100 in Mitteleuropa großflachig kein Uberleben mehr ermoglichen wird.
Im
Pliozan
begannen vor vier Millionen Jahren extreme Klimaschwankungen. Im
Pleistozan
fanden diese Schwankungen ihren Hohepunkt in mehreren ausgedehnten
Kaltzeiten
, die vor ca. 12.000 Jahren in Mitteleuropa endeten. (Fur Details siehe auch
letzte Kaltzeit
und
Klimageschichte
.)
Im Verlauf der Kaltzeiten sank die Durchschnittstemperatur in Mitteleuropa um bis zu 12 °C. Die Schneegrenze sank in den
Alpen
um 1200 bis 1400 m. Zwischen den Alpengletschern und dem
Inlandeis
aus Skandinavien mit einer Machtigkeit von bis zu 3000 m verblieb ein nur relativ schmaler, eisfreier Gurtel.
Mitteleuropa war zu dieser Zeit waldfrei, bis auf lokale Waldsteppen und -tundren aus frostharten
Birken
und
Kiefern
. Nach ihrer Leitart, der
Silberwurz
(
Dryas octopetala
), wird von sogenannten Dryas-Floren gesprochen.
Im Gegensatz zum nordamerikanischen Kontinent mit Gebirgszugen in Nord-Sud-Richtung versperrten in Europa die in Ost-West-Richtung verlaufenden Gebirgszuge die Ruckzugsbewegung der vor den Eismassen weichenden Waldgesellschaften. Diese Barriere fuhrte in Europa zum Aussterben etlicher Arten.
In den fruhen Eiszeiten verschwanden
Rosskastanie
(
Aesculus hippocastanum
) und
Amberbaum
(
Liquidambar
). Die nachsten Eiszeiten fuhrten zum Erloschen von
Mammutbaum
(
Sequoia
),
Schirmtanne
(
Cryptomeria
),
Lebensbaum
(
Thuja
),
Tulpenbaum
(
Liriodendron
) und
Douglasien
(
Pseudotsuga
).
Hemlock
(
Tsuga
) und
Hickory
(
Carya
) starben wahrend der letzten Eiszeiten in Mitteleuropa aus.
Auch von den zahlreichen
Eichenarten
konnten in Deutschland und Mitteleuropa nur drei wieder aus den Refugienraumen zuruckkehren, namlich Stiel- (
Quercus robur
), Trauben- (
Q. petraea
) und Flaumeiche (
Q. pubescens
). Zum Vergleich: In Nordamerika existieren uber 80 Eichenarten. Andere Arten bußten wahrend ihrer Ruckwanderung erheblich in ihrer innerartlichen genetischen Diversitat ein wie z. B. die
Weißtanne
(
Abies alba
).
Die Waldflora wurde durch den klimatischen Wechsel langsam zuruckgedrangt. Die Refugien der letzten Eiszeit lagen aber vermutlich nicht ausschließlich nur im Suden Europas. Auch an der heutigen Atlantikkuste zwischen England und Frankreich konnten einige wenige Baumarten in Waldsteppen die Kalteperiode uberdauert haben.
Eine weitere Ruckzugsmoglichkeit waren der Osten und Sudosten Europas. Im Gegensatz zu Skandinavien blieben weite Teile Russlands und der Karpaten eisfrei. So konnten auch hier einige Arten uberdauern. Klassisches Ruckzugsgebiet blieb jedoch der Mittelmeerraum, wo das Mittelmeer fur ein ausgeglicheneres Klima sorgte und die stark zerklufteten Bergzuge verschiedene Restpopulationen abschotteten.
In den Interglazialen erfolgte eine Wiederbesiedlung durch die jeweils nicht ausgestorbenen Baumarten. Diese Ruckwanderungen vollzogen sich baumartenindividuell. Bestimmend fur die Geschwindigkeit, mit der die Baumarten das freigewordene Areal erschlossen, waren z. B. Samenverbreitungsart, Bluhalter, Frostharte und Fahigkeit zur Nahrstoffaufnahme. Das Bild dieser Wanderbewegungen lasst sich mit Hilfe der
Pollenanalyse
rekonstruieren. Zunachst breiteten sich dabei immer schnell wandernde Pioniergeholzarten wie z. B. Birke und Kiefer aus. Ihnen folgten dann die warmeliebenden Arten wie z. B. Eiche und Ulmen. Dann folgten die langsamer wandernden Geholzarten, die sich bis zu einer
Klimaxgesellschaft
entwickeln konnen (siehe
Mosaik-Zyklus-Konzept
). Mit dem Ende der
Warmzeit
und der erneuten Abkuhlung zogen sich die Arten dann wieder in ihre Refugialgebiete zuruck oder starben aus.
Im jungsten Abschnitt des
Quartars
, dem
Holozan
oder auch
Postglazial
, begann vor ca. 12.000 Jahren die Ruckwanderung der Walder in die baumlosen, postglazialen Steppen. Wie diese Ruckwanderung ablief, wurde mittels der
Pollenanalyse
weitgehend geklart. Fur Mitteleuropa werden dabei in der Regel zehn Phasen ausgewiesen (nach
Firbas
), die als Pollenzonen bezeichnet werden und in der
Blytt-Sernander-Sequenz
romisch
durchnummeriert werden. In neueren Arbeiten werden zunehmend haufiger eigene Pollenzonen angegeben, um besser auf lokale Gegebenheiten eingehen zu konnen. Der Ablauf der Wiederbewaldung ist im Großen und Ganzen recht einheitlich, es gibt aber aufgrund lokaler Gegebenheiten einige regionale Unterschiede, auf die hier im Einzelnen nicht eingegangen wird. Aufgrund der Wanderungsgeschwindigkeit (bei der Buche ca. 260 Meter/Jahr) kommt es von Sud nach Nord zu einer zeitlichen Verschiebung der Phasen.
Diese umfasst die Pollenzonen I bis III (ca. 12.400 bis
9.500 v. Chr.
) und entspricht in etwa dem Zeitraum der spaten
Altsteinzeit
. Pionierart der fruhen Nacheiszeit (
Holozan
) waren verschiedene Weidenarten (
Salix
), aber auch Birken (
Betula
) und Kiefern (
Pinus
) fassten wieder in Mitteleuropa Fuß. Kurzfristige Temperaturschwankungen am Ende dieser Phase stoppten ein weiteres Vordringen des Waldes.
In der Vorwarmezeit, entsprechend dem Beginn der Mittelsteinzeit, waren Birken und Kiefern dominierende Arten. Ab dieser Zeit traten keine Kalteruckschlage mehr auf. Die Hasel (
Corylus
) verbreitete sich rasant und fand unter den lichten Kiefernbestanden gunstige Wuchsbedingungen.
Zum Ende der
Mittleren Steinzeit
stiegen die Durchschnittstemperaturen merklich an. Vegetationskundlich begann das
Atlantikum
. Die bisherigen Baumarten wurden vor allem von
Eichen
(
Quercus
) und
Ulmen
(
Ulmus
) verdrangt. Diese waren meist anspruchsvoller betreffend der Nahrstoffversorgung und warmeliebend. Insbesondere die wenig schattenresistente Kiefer wurde auf armere Sandstandorte und Moore abgedrangt. Die Eiche bildete nun mit Ulme und Linde die vorherrschenden Bestande in Mitteleuropa, den Eichenmischwald.
In diese Zeit fiel der Ubergang des Menschen zur sesshaften Lebensweise des
Neolithikums
. Bereits die großen Hauser der
Bandkeramik
zeigten einen hohen Holzbedarf der noch kleinen und wenigen lokalen Gesellschaften. Spatestens im
Jungneolithikum
wurde im Voralpenland der Wald zielgerichtet auf die Produktion von Stangenholz ausgerichtet.
[7]
Wahrend der Jungsteinzeit wanderten weitere warmeliebende Laubgeholze aus ihren Refugien in Sudeuropa zuruck nach Mitteleuropa.
Ahorne
(
Acer
) und
Eschen
(
Fraxinus
) bereicherten die vorhandenen Bestande. Die Durchschnittstemperaturen lagen nun 2?3 °C hoher als heute. Die
Flaumeiche
(
Quercus pubescens
) erreichte wieder Deutschland.
Erlenbruche
(
Alnus glutinosa
) entstanden in den sumpfigen Niederungen und
Fichten
(
Picea abies
) erreichten den Harz.
In der spaten Warmezeit kam es zu einer Abkuhlung und das Klima wurde feuchter. Zum ersten Mal seit der
letzten Eiszeit
wurden nun
Rotbuche
(
Fagus sylvatica
),
Hainbuche
(
Carpinus betulus
) und Weißtanne (
Abies alba
) wieder nachweisbar.
Wahrend der
Bronzezeit
sank die Durchschnittstemperatur weiter. Buchen drangen in die bisher eichendominierten Bestande ein. In der
Eisenzeit
ab
1000 v. Chr.
verdrangte die Buche die Eiche auf fast allen Standorten. Begunstigt durch das humide, ozeanische Klima in Mitteleuropa und ihre Fahigkeit, auch noch im hohen Alter entsprechenden Lebensraum einzunehmen, wurde die Buche (hohe Plastizitat der Krone) zur dominierenden Baumart. Auf den trockeneren Standorten (Niederschlag < 500 mm/a) im Osten ubernahm die Hainbuche diese Rolle.
In den Mittelgebirgen entwickelte sich der
Bergmischwald
durch das Eindringen der Buche. Der außerst schattentoleranten Tanne gelang es ebenfalls in diesen Waldern Fuß zu fassen und sich auf einigen Standorten gegenuber Fichten und Buchen durchzusetzen. Moglicherweise stellte sich zu diesem Zeitpunkt eine
potentiell naturliche Vegetation
ein, jedoch war der Mensch zu dieser Zeit schon in Mitteleuropa ausgebreitet und
Großherbivorenherden
streiften umher.
Durch die abnehmende Durchschnittstemperatur kam es zur Teilung einiger Verbreitungsareale, z. B. der Flaumeiche. Nun machte sich zunehmend der Einfluss sesshafter menschlicher Besiedlungsformen bemerkbar.
Eine erste intensivere Waldnutzung ist in keltischer Zeit mit der Ausbreitung der Landwirtschaft und der Metallverhuttung zu verzeichnen. Dies nahm in der romisch-germanischen Periode vor allem in den dichter besiedelten sudwestlichen Teilen weiter zu.
Publius Cornelius Tacitus
beschrieb das freie Germanien (
Germania magna
) im 1. Jahrhundert als ?terra aut silvis horrida aut paludibus foeda“ ? ein Land, erschreckend wegen seiner Walder und abstoßend wegen seiner Sumpfe. Tacitus’ mediterrane Heimat war zu diesem Zeitpunkt bereits Jahrhunderte Kulturlandschaft, der Wald fur Felder, Obstanlagen, Stadte, fur Holzbedarf fur
Hausbrand
und Flottenbau gerodet. Ein Land, dessen Flache zu vermutlich 70 % mit Wald bedeckt und klimatisch abweisend war, beeindruckte romische Beobachter offensichtlich. In der Namensgebung kommt dies zum Ausdruck. Gebirgszuge wie der Schwarzwald hießen
Silva Abnoba
, nicht
Mons Abnoba
. Es kann davon ausgegangen werden, dass in dieser Zeit unwegsame Mittelgebirgszuge von menschlicher Einflussnahme noch weitgehend verschont waren. Aber auch in den Ebenen gab es noch große, zusammenhangende Waldgebiete. Diese fanden sich vor allem zwischen den Siedlungsgebieten der germanischen Stamme und wurden zur gegenseitigen Abgrenzung respektiert. Als Siedlungsraume kamen flussferne
Auengebiete
und Walder auf reichen Boden in Frage. Eingriffe fanden zuerst durch den direkten Siedlungsbau statt; es erfolgte dann die Rodung fur Ackerbau und Weideland. Holzentnahme fur Feuerung fuhrte um die Siedlungsbereiche zu weiterer Ausdunnung der naturlichen Bestande. Verschiedene Nutzungsformen wie Waldweide begunstigten
masttragende
Baumarten wie Eiche (
Quercus
) und Buche (
Fagus
). In der Nahe von Erzabbaugebieten wurden vermutlich in großem Umfang Buchenbestande gefallt, da Feuer aus Buchenholzkohle zur Bearbeitung des Metalls notwendig war.
Feste Stadte und Dorfer waren im freien Germanien jedoch eher eine Seltenheit. Wurden Siedlungen nach einiger Zeit aufgegeben, konnte sich durch
Sukzession
wieder eine naturahnliche, nicht naturliche, Vegetation entwickeln.
Der Wald im romisch besetzten Germanien (Provinzen Germania
Superior
und
Inferior
) wurde weit intensiver genutzt als im unbesetzten Teil. Schon fur den Stadtebau (z. B. Mainz, Trier, Koln, Xanten) wurden entsprechende Holzmengen benotigt. Fur den Hausbrand und den Betrieb der Bader mit ihren aufwendigen Bodenheizungen und Warmwasserbecken mussten stetig große Holzmengen bereitgestellt werden. Nachdem die Eroberung Germaniens fehlgeschlagen war (Niederlage des
Varus
im Jahr 9 n. Chr.) verlegten sich die Romer auf eine Defensivstrategie. Wieder wurden große Mengen Holz benotigt. Mit dem Bau des uber 500 km langen
Limes
, der mehr ein Holz- denn ein Steinwall war, wurde vom Rhein bis zur Donau eine breite Schneise in die Walder geschlagen und Holz fur Palisaden- und Turmbau benotigt. Die romischen Konstrukteure achteten darauf, so gut wie moglich der Gelandeform zu folgen und mit dem Limes fruchtbare Boden einzuschließen. So lag die Mainz gegenuberliegende, fruchtbare Wetterau innerhalb des Limes, die armen, mit Kiefern bestockten Keuperboden sudlich des Odenwaldes jedoch außerhalb. Die auf den nahrstoffreichen Boden stockenden Buchen- und Eichengesellschaften mussten meist dem Feldbau und der Weidewirtschaft weichen. Auf einigen Standorten entstanden Gras- und
Zwergstrauchheiden
, die sich bis in unsere Zeit erhalten haben. Von den Ebenen mit ihren unberechenbaren Flussen hielten die Romer sich ebenfalls fern. Die flussfernen Erlenbruche (
Alnus glutinosa
) wurden jedoch oft in Weideland umgewandelt.
Die Romer mieden auch geschlossene Nadelwalder fur ihre Siedlungen, allenfalls Mischwaldgebiete waren fur sie noch attraktiv. Sie schatzten jedoch Nadelholz, besonders das der
Weißtanne
(
Abies alba
), fur Konstruktion und Schiffbau. Tannenholz wurde in allen erreichbaren Lagen geschlagen und auch durch
Trift
uber weite Wege transportiert. Dadurch wurde der naturliche Bergwald in Teilen der Alpen, des Schwarzwaldes und der Vogesen entmischt.
Die Romer brachten aus dem Mittelmeerraum vertraute Baumarten mit nach Germanien, so Esskastanie (
Castanea sativa
) und Walnuss (
Juglans regia
). Diese Arten waren wahrend der Eiszeit in Nordeuropa ausgestorben. Die Baume wurden wegen ihrer Fruchte und ihres Holzes geschatzt. Daneben nutzte man das dauerhafte, gerbstoffreiche Holz der Esskastanie im Rebbau.
Die romische Kolonisierung war ein einschneidender Eingriff in die Waldgesellschaften Mitteleuropas. Es verblieben waldfreie Zonen, die sich von der Beweidung nicht mehr erholten, das Artengefuge in vielen Waldgesellschaften war durch die selektive Nutzung gestort und eingefuhrte Arten wurden Bestandteil der Vegetation.
Dem standig wachsenden Druck der germanischen Stamme gaben die Romer schrittweise nach. Zuerst wurden die rechtsrheinischen Siedlungen nach der Niederlage des Varus aufgegeben. Seit dem 2. Jahrhundert durchstießen einige Volker bereits die Grenze (Markomannen, Langobarden). Im 4. und 5. Jahrhundert uberwanden die germanischen Volker auch die letzten Reste des Limes. Pollenanalysen aus dieser Zeit belegen, dass der Ackerbau in weiten Teilen zum Erliegen kam. Aufgegebene romische Kastelle und Gutshofe wurden wieder Waldland. Die Siedlungsweise im ehemals besetzten Teil veranderte sich. Dauerhafte Siedlungen wurden zugunsten der halbsesshaften Besiedlungsform aufgegeben. War der Wald und Boden um eine Siedlung erschopft, zogen die Bewohner weiter.
Mit den Wirrnissen der
Volkerwanderungszeit
breitete sich der Wald in Mitteleuropa wieder aus. Auf den Kulturflachen der romischen Kolonisation konnte der Wald oft wieder Fuß fassen. Mit der abnehmenden Siedlungsdichte begann auf vielen Flachen wieder eine Sukzession von Waldgesellschaften, die durch das Wirtschaften der romischen Siedler stark beeinflusst worden war. Die Pollenanalysen aus dieser Zeit zeigen auch, dass die Buche (
Fagus sylvatica
) sich wieder stark ausbreitete, zum einen in den von Romern verlassenen Gebieten, zum anderen entlang der pommerschen Ostseekuste und nach Sudschweden.
Am Ende der Volkerwanderungszeit nahm die Besiedlungsflache wieder zu. Vor allem auf ackerbaulich geeigneten Boden entstanden bald gefestigte Strukturen. Nach der Ausbreitung des Waldes in der Zeit der Volkerwanderungen folgten im fruhen und hohen
Mittelalter
großflachige
Rodungen
. Sie dienten einerseits der Erschließung neuer
Siedlungsflachen
, andererseits der Gewinnung von Bau- und Brennholz. Diese Periode hat die Landschaften großer Teile Mitteleuropas bis heute gepragt.
Eine erste große Phase der Rodungen dauerte von etwa 500 bis etwa 800. Zur Zeit der
Karolinger
wurden die bereits von den Romern erschlossenen Gebiete wieder besiedelt. Danach wurden vor allem gut erreichbare und nahrstoffreichere Boden besiedelt. Nach dem Jahr 800 stockte die Besiedlung und Rodung der Walder in Mitteleuropa. Bedingt durch Seuchenzuge und den Einfall fremder Volker (im Norden die Raubzuge der
Normannen
, im Suden die
Ungarneinfalle
) stieg die Bevolkerungszahl nicht wesentlich an.
Die hohen Mittelgebirgszuge blieben in dieser fruhen Phase menschenleer. Erste dauerhafte Siedlungen lassen sich im Schwarzwald z. B. erst ab etwa 1000 nachweisen, auch der Harz war zu dieser Zeit nur von schwer begehbaren Pfaden durchzogen. Aber auch stromnahe
Auwalder
(z. B. am Rhein) blieben aufgrund der Unberechenbarkeit der Flusse noch erhalten. Die flussfernen Teile der Aue wurden hingegen genutzt.
Ab 1100 setzte die zweite große Rodungsperiode ein. Menschliche Besiedlungen drangen nun auch in entlegenere Taler der Mittelgebirge vor. Waldflachen wurden bis 1300 gerodet bzw. landwirtschaftlich so intensiv genutzt, dass sie ihren Waldcharakter verloren. Am Ende des 14. Jahrhunderts hatte sich ein Verhaltnis zwischen Kultur- und Waldflache gebildet, das ungefahr dem heutigen entspricht.
Im Mittelalter entstanden vielfaltige Eigentums- und Nutzungsrechte (z. B.
Allmende
,
Markwald
,
Waldinteressentenschaft
) am zuvor fur alle frei verfugbaren Wald sowie vielfaltige Nutzungsformen:
Wacholder in der
Luneburger Heide
Waldweide ist eine fruhe historische landwirtschaftliche Form der Waldnutzung. Das Vieh wurde zur Weide in den Wald getrieben. Je nach Nutzungsintensitat lichtete sich der Wald auf oder starb. Geholze, die nicht gerne gefressen werden, wie
Wacholder
, breiten sich aus. So konnten an vielen Stellen aufgelichtete, parkartige Landschaften und
Wacholderheiden
im Mittelalter und bis in die Neuzeit entstehen. Diese Wuchsgemeinschaften sind spater durch Wiederaufforstung oder Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung im Bestand zuruckgegangen.
Neben Schweinen wurde auch regelmaßig Großvieh (Rind, Pferd) in den Wald eingetrieben, mit deutlich negativen Folgen fur die Waldgesellschaften. Anders als bei der Schweinemast, bei der der Waldcharakter erhalten blieb, wurde Wald durch den Verbiss und Tritt der großen Haustierarten zerstort. ?Uberweidete“ Walder verwandelten sich schnell in Gestrupp.
Besonders verhangnisvoll wirkte auch der Eintrieb von Schafen und Ziegen aus. Ziegen konnen durch ihre Kletterfahigkeiten auch altere Baume zerstoren, ihr Eintrieb war deshalb schon in fruhen Forstordnungen verboten. Uber das Verbot setzte man sich oft hinweg, da Ziegen und Schafe als Haustiere zur Lebenssicherung der armeren Bevolkerung beitrugen.
Die Bienenzucht stellte im Mittelalter eine herausragende Waldnutzung dar, war Honig bis ins 19. Jahrhundert doch der einzige Sußstoff fur Speisen. Daruber hinaus wurde das
Bienenwachs
zur Herstellung von
Kerzen
zur Beleuchtung von Kirchen sehr geschatzt. Dementsprechend hoch wurden die Rechte zur Bienenzucht gehandelt. Erwahnt wird diese Nutzung beispielsweise im
Nurnberger Reichswald
. Die Existenz von
Zeidlerbetrieben
stellte den Schutz des Waldes sicher. Insbesondere Baumarten wie Linde, Salweide, Tanne, aber auch Kiefer wurden durch diese Wirtschaftsform begunstigt. Als Zeidelweide bezeichnet man auch das Waldstuck, in dem die Bienen gezuchtet wurden.
[8]
Regional verschieden ist der Waldfeldbau ab dem 11. Jahrhundert entstanden. Diese Wirtschaftsform wurde etabliert, nachdem die besseren Boden fur die Landwirtschaft bereits erschlossen waren. Fur diese Art der landwirtschaftlichen
Zwischennutzung
pragten sich eine Vielzahl Varianten aus, die sich auch in der Namensgebung niederschlagt. Hackwald, Hauberge, Reutberge, Birkenberge und Schiffelland sind die gelaufigsten Bezeichnungen. Die Bedeutung dieser Wirtschaftsform nahm in der vorindustriellen Zeit noch zu. Sie wurde stetig verfeinert und bildete ein ausgeklugeltetes System aus forstlichen Nebennutzungen
(Lohrinde)
, Brennholz und Ackerbau. Dabei wurde der Bestand zuerst durch Brandrodung oder Schlag gelichtet. Nach der Bearbeitung des Bodens mit Hacke oder Pflug folgte ein Einsaen von Roggen,
Buchweizen
oder Weizen. Meist gaben die Boden schon nach einem Jahr nichts mehr her. Man ging dann zur Weidenutzung uber, bis aus Stockausschlagen oder Samen stammende Baume erneut in die Hohe wuchsen. Diese Wirtschaftsform hatte erhebliche Auswirkungen auf die Baumartenzusammensetzung.
Diese Nutzungsform ist eines der altesten Waldgewerbe. Geeignet sind Nadelbaume, wobei Fichte und Kiefer bevorzugt wurden. Auch diese Form der Waldnutzung ging mit erheblichen Zerstorungen einher. Zuwachsverluste und Schwachung der Vitalitat ganzer Bestande waren die Folge. Daher war
Harzgewinnung
schon fruh nur in den Bestanden erlaubt, die nicht gut schlagbar, also flussfern lagen. Da Harz jedoch ein beliebter Grundstoff war, setzte man sich allerorten uber das Verbot hinweg.
Holz ist auch heute noch einer der wichtigsten Energietrager des Menschen. In Mitteleuropa wurde er im Laufe des 19. Jahrhunderts durch Kohle ersetzt. In der mittelalterlichen Brennholznutzung lassen sich zwei Arten unterscheiden ? siedlungsnah (vor allem Feuerholz fur den Hausbrand) und siedlungsfern. Eine Reihe vorindustrieller Produktionen benotigten Holzfeuer als Energiequelle oder Rohstoff, namlich Kohlerei, Glashutten, Salinen und Bergwerke nebst den angeschlossenen Hammerwerken. Teilweise wurde das Holz auch von
Aschenbrennern
einfach verbrannt, um
Pottasche
zu gewinnen, die einzige Kaliumquelle fur die mittelalterlichen Gewerbe.
Die
Kohlerei
wurde in allen Waldungen betrieben, wobei man in siedlungsnaheren Waldern starker auf Brandschutz achtete und auch nur minderwertiges Holz verwendete. In siedlungsfernen Waldern entfielen diese Beschrankungen jedoch. Meist folgte die Kohlerei kleinen Flussen und Bachen, die zum Transport der Kohle genutzt wurden. Im Mittelalter wurden ausschließlich Erdmeiler zur Produktion verwendet.
Glas
wurde im Mittelalter sehr geschatzt und war entsprechend wertvoll. An
Waldglashutten
waren oft kleine Siedlungen gebunden, in denen die Familien der Glasblaser wohnten. Glashutten zeichneten sich durch einen besonders großen Holzverbrauch aus und werden in zeitgenossischen Berichten oft als ?holzfressendes Gewerbe“ bezeichnet. Glashutten erforderten auch
Kohlereien
und Aschenbrenner, die wichtige Grundstoffe fur die Glasherstellung lieferten. Dabei wurden 90 % des verbrauchten Holzes fur
Pottasche
, den wichtigsten Grundstoff der Glasherstellung, benotigt, die ubrigen 10 % fur die eigentliche Glasschmelze.
Im spaten Mittelalter gingen die meisten
Salzvorkommen
in den Besitz der Landesfursten uber. Damit begann ein hemmungsloser Abbau dieses wichtigen Wirtschaftsgutes. Fur diesen Abbau waren große Holzmengen vonnoten, sowohl fur den Stollenbau als auch fur die
Sudpfannen
der
Salinen
. Letztere verbrauchten den großeren Holzanteil. Wie verheerend sich die Salzgewinnung fur einige Landschaften auswirkte, zeigt das Beispiel der Stadt
Luneburg
. Vor dem Salzfund von dichten Waldern umschlossen, wurden im Verlaufe der Salzgewinnung samtliche Waldungen gerodet. Zuruck blieb eine
Landschaft
, die durch weitere Bodennutzung (
Plaggenwirtschaft
) auf das Außerste zerstort wurde.
Der
Bergbau
setzte drei naturliche Gegebenheiten voraus; zum ersten naturlich das Vorkommen von
Erzen
, zum zweiten große Waldungen, aus denen
Grubenholz
und
Holz
zur
Kohleproduktion
gewonnen werden konnte, und zum dritten musste
Wasserkraft
in Form von Bachen und Flussen vorhanden sein. Die Verhuttung erfolgte in der Nahe der Schurforte. Fur den
Harz
wird Bergbau bereits im 10. Jahrhundert erwahnt. Da der Bergbau große Holzmengen erforderte, machte man sich fruhzeitig Gedanken uber eine geregelte Nutzung. Schon zum Ausgang des Mittelalters fanden erste Taxationen von Waldern fur die bergbauliche Nutzung statt. Walder in Bergbaugebieten genossen einen besonderen Status. Ihre vorrangige Verwendung fur die Erzgewinnung wurde fruh festgelegt.
Bau- und Konstruktionsholz wurde schon fruh aus verschiedenen Teilen Europas importiert. Beliebte Holzer wie
Eiche
und Nadelholzer wurden beurkundet seit dem 13. Jahrhundert uber Flusse und Ostsee
gefloßt
. Eine besondere Stellung hatte die
Eibe
, die wegen ihrer hervorragenden Eigenschaften (Biegefestigkeit) bei den Waffenherstellern sehr beliebt war. Zur Herstellung von
Bogen
(englischer Langbogen) wurden in
Osterreich
ganze Eibenbestande gerodet. Die Baumart war bei den Fuhrleuten verhasst, da ihre Zugtiere durch den Genuss der Fruchte starben. Entlang der Transportwege wurde die Eibe von ihnen systematisch bekampft.
Ubernutzung
und systematische Bekampfung haben zur Folge, dass Eiben heute nur noch in buschformigen
Phanotypen
vorkommen.
Vor allem durch die Brennholznutzung wurden in betrachtlichem Maße viele geschlossene Waldgesellschaften zerstort. Auch entlegenste Waldgebiete wurden genutzt. Zuruck blieb eine Landschaft, deren Storungen noch heute erkennbar sind, so an kahlen Bergrucken, Heidelandschaften und an der Baumartenverteilung in den mitteleuropaischen Waldern. Uberdies kam es aufgrund verschwindender und sich nicht regenerierender Walder zur
Erosion
des (auch Agrar-)Bodens, woraufhin Felder wie auch Siedlungen aufgegeben werden mussten. Besonders in Kriegszeiten waren Versorgungskrisen die Folge.
Angesichts der verheerenden Folgen des
Raubbaus
am Wald wurden von Landesherren amtliche Nutzungsregelungen erlassen. Ein Beispiel ist die
Hohenlohische Forstordnung
aus dem Jahr 1579.
Im
Dreißigjahrigen Krieg
(1618?1648) wurde die Bevolkerung Mitteleuropas langfristig dezimiert (in weiten Teilen Deutschlands wurden die Bevolkerungszahlen von 1600 erst nach 200 Jahren wieder erreicht). In der Folge erholten sich die Walder. Auch verlassene Landstriche mit vormals landwirtschaftlicher Nutzung verwaldeten.
Andererseits wurden stets große Mengen Brennholz in Privathaushalten und in der fruhen industriellen Produktion benotigt, zum Beispiel bei der Herstellung von
Glas
, in der
Gerberei
oder im
Bergbau
beim
Grubenausbau
(Abstutzen der Stollen gegen Einsturz). Eine
Holznot
wurde seit dem 16. Jahrhundert und bis ins fruhe 19. Jahrhundert regelmaßig beklagt oder befurchtet. Im
Schwarzwald
wurden riesige Mengen Holz zu Floßen gebunden und in die Niederlande exportiert, wo das Holz fur den
Schiffbau
verwendet wurde. Bedingt durch die
feudalen
Strukturen im Mittelalter waren die Besitzverhaltnisse uber Jahrhunderte oft unklar, was zum Raubbau beitrug.
Im Zeitraum zwischen 1750 und 1850 befand sich der Wald im schlechtesten Zustand. Um 1800 waren in Deutschland kaum noch geschlossene Walder vorhanden (siehe
Entwaldung
). Zeitgenossische Darstellungen sprechen teilweise von wustenahnlichen Landschaften. Holz war zeitweise so knapp, dass zur Winterzeit Zaunpfahle, Treppen und sonstige Gegenstande aus Holz verbrannt wurden.
Um eine drohende
Holznot
abzuwenden, wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts die devastierten Walder und Kahlflachen im Rahmen einer
nachhaltigen Forstwirtschaft
auf den besseren Boden vielfach mit der
Gemeinen Fichte
und auf den armeren Boden mit der
Waldkiefer
wiederaufgeforstet. Diese beiden robusten Baumarten kommen mit den schwierigen okologischen Bedingungen auf
Kahlschlagflachen
besser zurecht als frostempfindliche Baumarten wie
Rotbuche
und
Weiß-Tanne
und liefern zudem hohe Holzertrage. Ab dieser Zeit, teilweise auch fruher, entstanden auch die staatlichen
Forstverwaltungen
in Mitteleuropa, die eine geordnete Holznutzung sicherstellen sollten.
Durch die zunehmende
Industrialisierung
und den Bau der
Eisenbahnen
in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts verdrangte die
Kohle
das Brennholz als Hauptenergielieferant fur Haushalte und Industrie- und Gewerbebetriebe. Das sorgte fur eine deutliche Entlastung der Walder. Zudem wurde durch die Entwicklung von
Mineraldungern
und die zunehmende Verwendung von
Stroh
als Einstreu die
Streunutzung
der Walder zuruckgedrangt, wodurch sich die ausgelaugten Waldboden wieder langsam erholen konnten.
Wahrend und nach den beiden
Weltkriegen
entstanden durch Kriegszerstorungen,
Reparationshiebe
und den Holzbedarf fur den Wiederaufbau wiederum große Kahlflachen, auf denen haufig wieder Reinbestande aus Fichte und Kiefer begrundet wurden.
[9]
In den 1980er Jahren wurde das
Waldsterben
im Zusammenhang mit
Luftschadstoffen
zu einem neuen Problem fur die Walder Mitteleuropas. Entgegen der seinerzeitigen Debatte wurde aber bis ins 21. Jahrhundert eine starke Zunahme des Waldes in Mitteleuropa festgestellt.
[10]
Die Jahre um die Jahrtausendwende waren primar von der beherrschenden Schadenslage durch den
Borkenkafer
an Fichten nach den schweren Sturmen der Epoche (
Vivian
und
Wiebke
1990,
Lothar 1999
, dann
Kyrill 2007
,
Paula
und
Emma 2008
) gepragt.
Ende der 2010er flammte die Debatte um ein Waldsterben wieder auf, nun im Kontext des
Klimawandels
.
Parallel entwickelte sich der Umweltschutzgedanke hin zu vielfaltigeren, resistenteren Waldern, insbesondere einem Umbau des Waldes hin zu mehr Laubholz und
Mischwald
. Insbesondere im
Natura-2000-Programm
der EU sind zahlreiche naturnahe Waldokosysteme als schutzwurdig erfasst. In diesen Kontext fallt auch das ab 2007 sukzessive erweiterte UNESCO-Welterbe
Alte Buchenwalder Europas
, insbesondere der
Karpaten
, da nun zunehmend der Raubbau in den neuen EU-Mitgliedern Ost- und Sudosteuropas in den Fokus der Offentlichkeit ruckte.
Altersklassenwald
im Nebel
Heute uberwiegt bei weitem die
forstwirtschaftliche
Bewirtschaftung. Aus okologischen Grunden wird oft ein
Waldumbau
gefordert: weg von Monokulturen, hin zu stabilen
Mischwaldern
.
Von den Waldbewirtschaftungsformen dominiert heute bei weitem der
Hochwald
. Wenn ein Wald in regelmaßigen Zyklen verjungt wird und die Baume in einem Bestand gleich alt sind, spricht man von
Altersklassenwald
(in Deutschland ca. 90 % der Waldflache). Im
Plenterwald
stehen alte und junge Baume nebeneinander (unregelmaßige Verjungung).
Niederwald
und
Mittelwald
waren nur fruher bedeutende Formen des
Waldbaus
. In Deutschland spielen sie nur noch eine geringe Rolle (ca. 1 % der Waldflache). Weitere Beispiele fur nur noch historische Nutzungsformen sind
Streunutzung
(Nutzung von Laub und Nadeln als Einstreu in Viehstallen) sowie
Hauberg
(genossenschaftliche Mischnutzung; Gewinnung von Brennholz, Holzkohle und Gerberlohe).
Als
Urwalder
werden in Mitteleuropa die wenigen verbliebenen Bestande bezeichnet, die nie forstlich genutzt worden sind. Auch bei diesen
Urwaldern Europas
sind gewisse andere direkte Nutzungen des Menschen, zum Beispiel durch
Waldweide
, nicht ganz auszuschließen; indirekt beeinflusst die Menschheit heute u. a. durch die globale Erwarmung jeden Wald. Versuche auf Waldflachen nach Aufgabe der Nutzung und Vergleiche mit echten Urwaldern in klimatisch vergleichbaren Regionen, besonders dem
Hyrkanischen Wald
am Kaspischen Meer, konnen zu der Forschung nach dem ursprunglichen Wald beitragen.
[11]
Weiserflache
zur Beurteilung des Wildeinflusses auf die
Naturverjungung
? man beachte das Fehlen von Verjungung außerhalb des Zaunes
Jagd
ist die ursprunglichste Form der Waldnutzung.
Jagdpachter
bezahlen Gebuhren an die Landbesitzer, in deren Wald sie jagen. Zu den wichtigsten jagdbaren Tierarten gehoren das
Reh
und andere
Hirscharten
, das
Wildschwein
, der
Rotfuchs
und einige kleinere Sauger. Walder, die fruher den herrschaftlichen Jagden vorbehalten waren (
Wildbannforst
), haben sich teilweise in einem relativ urtumlichen Zustand erhalten. Die Bejagung insbesondere von Rehen ist notwendig, da große Beutegreifer fehlen.
Zu hohe Wilddichten von
Pflanzenfressern
, insbesondere von
Schalenwild
, konnen durch
Verbiss
eine aus okologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten angestrebte
naturliche Verjungung des Waldes
erschweren oder verhindern.
[12]
[13]
[14]
Durch die Bevorzugung bestimmter Baumarten kann selektiver Verbiss Mischbaumarten aus dem Bestand verdrangen und so die
Baumartendiversitat
verringern.
[15]
Von Forstleuten, Naturschutzverbanden und Waldbesitzern wird dieser sogenannte
Wald-Wild-Konflikt
? zur Verdeutlichung des Zielkonflikts und der Akteure gelegentlich auch als Forst-Jagd- bzw. Waldbesitzer-Jager-Konflikt beschrieben ? im Hinblick auf einen angestrebten
Waldumbau
hin zu klimastabilen
Mischwaldern
als bedeutendes Problem betrachtet.
[16]
[17]
[18]
Schutzwald
sind Walder, in denen die wirtschaftliche Nutzung in den Hintergrund tritt. Der Schutz bezieht sich auf den
Standort
(etwa instabile Boden), auf
Objekte
(Lawinenschutz von Siedlungen) sowie auf
Biotopschutz
und andere okologische Aspekte. Die Schutzfunktion des Waldes ist heute die dritte große Komponente neben Forst- und Jagdnutzung.
Daneben gewinnt seit dem 20. Jahrhundert der Wald auch als
Erholungsraum
Bedeutung (soziale Funktion des Waldes).
Zu den heutigen Eigentumsverhaltnissen siehe
Privatwald
,
Staatsforst
und
Korperschaftswald
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