Dieser Artikel beschreibt die Geschichte der Medizin. Zur speziellen Geschichtswissenschaft siehe
Medizingeschichte
.
Die
Geschichte der Medizin
umfasst die historischen Entwicklungen der
Heilkunde
, einschließlich der Biografien von Personen, die Einfluss auf die Medizin ihrer Zeit ausubten.
Als Synonyma sind
Medizinhistorie
und
Medizingeschichte
weniger gebrauchlich.
Die Erforschung der medizinischen Praktiken der schriftlosen Volker der
Steinzeit
(mit einer ursprunglich rein auf Empirie beruhenden, auch
?primitive Medizin“
genannten,
prahistorischen Medizin
als Heilkunde und
Krankheitslehre
zwischen 18.000 und 4000 v. Chr.
[1]
) ist ein Gegenstand der
Palaopathologie
.
Als Ursache von Krankheiten und Schmerzen wurde ursprunglich, ausgehend von
praanimistischen
Vorstellungen (Entfernung von eingedrungenen Fremdkorpern durch Austreibemittel und Bekampfung naturlicher
Emanationen
durch heilkundige Frauen und Manner) und dann in
animistischer Weltanschauung
(mit Personifikation des Fremdkorpers als Krankheitsdamon, und vorgestellt als Besessenheit) vermutlich das Wirken von Damonen angesehen, vor dem der Mensch sich etwa durch Armringe, Hauttatowierungen oder Amuletten versuchte zu schutzen. Als Spenderin des Lebens oblag dann wohl vor allem der Frau als Heilerin, Priesterin oder Zauberin die Bekampfung der Damonen bzw. Vertreibung boser Geister mittels beschworender Worte und magisch wirkender Tranke. Spater ubernahmen dann auch Medizinmanner, Schamanen und mannliche Zauberer diese Aufgaben.
[2]
[3]
Mit Einfluss einer dogmatischen Religion in spateren Kulturstufen erfolgte die Krankheitsdeutung auch als Strafe oder Prufung eines Gottes und die Heilhandlung (im Sinne einer auf theurgischer Pathologie beruhenden
theurgischen Medizin
) als
Kulthandlung
durch Priesterarzte.
[4]
Die Medizingeschichte im engeren Sinn beginnt mit dem Vorhandensein von Textzeugnissen. Aus dem
Alten Orient
sind von Sumerern,
Babyloniern
und Assyrern
[5]
die altesten Schriften zu Arznei- und Zaubermitteln, aber auch rechtliche Regelungen fur den Arztberuf bekannt (Gesetzeskodex des
Hammurabi
). Die Behauptung
Herodots
, dass die Babylonier ihre Kranken einfach auf dem Marktplatze ablegen und jeder Vorubergehende Hinweise zur Gesundung mitteile, kann dadurch widerlegt werden. Wie bei den meisten alteren
Krankheitskonzepten
gingen auch die Menschen im Alten Orient von einer Krankheitsverursachung durch bose
Damonen
und strafende Gotter aus. Bei ihren Therapieformen lag ein großes Gewicht auf der Wiederherstellung der kultischen Reinheit.
Aus dem
Alten Agypten
sind ahnliche Textzeugnisse erhalten. Ein Spezialgebiet der
Medizin im Alten Agypten
ist die Praxis der
Mumifizierung
, die erhebliche medizinische und konservatorische Kenntnisse erforderte. In Agypten existierte bereits ein ausdifferenziertes Spezialistentum unter den Heilern, die teilweise auch in eine arztliche Beamten-Hierarchie eingegliedert waren.
Im
antiken Griechenland
lag das
Heilen
zunachst in den Handen von religiosen Deutungskonzepten und Institutionen (
Asklepiosmedizin
,
Asklepios
,
Epidauros
), als deren alteste
Autoritat
der mythologische Asklepios galt. Allerdings entstand Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. unter dem Einfluss der
vorsokratischen
Naturphilosophie
(
Empedokles
) die sogenannte rationale Medizin, die eng mit dem Namen des
Hippokrates von Kos
verknupft wird. Im 5. Jahrhundert v. Chr. versuchte sich die Medizin zudem von der Philosophie abzugrenzen.
[6]
Dabei wurde der Korper beobachtet und mit Einflussnahme auf seine Zusammensetzung (Anfange der
Humoralpathologie
) versucht, seine Selbstheilung zu unterstutzen.
Im
Hellenismus
entstand in
Alexandria
ein großes Zentrum fur medizinische Ausbildung und Forschung, wo sich verschiedene Gruppen und Theorien herausbildeten. Große antike Entdeckungen wurden hauptsachlich in dieser Zeit gemacht, da im dortigen offenen Klima selbst
Sektionen
an Menschen und Tieren moglich waren. Ab dem 4. Jahrhundert v. Chr. gewannen die Philosophie und Naturlehre des
Aristoteles
, daneben die des
Platon
, großen
Einfluss
[7]
auf die Entwicklung der Medizin. Zu den bedeutenden Arzte dieser Zeit gehorte
Diokles von Karystos
.
Nach
Rom
kam die griechische Medizin erst spat, aber sie setzte sich trotz der Vorbehalte ehrwurdiger Romer wie z. B.
Catos des Alteren
durch. Auch die griechischen Heilkulte erfuhren Adaption (
Aesculapius
). Das medizinische Personal vom Sklaven bis zum hochgebildeten Privatarzt war meist griechischer Herkunft.
Fur die Etablierung der griechischen Medizin im Romischen Reich war
Aulus Cornelius Celsus
(† um 50 n. Chr.) von Bedeutung, er verfasste eine achtbandige, auch laienmedizinische und uber die Kenntnisse der Hippokratiker hinausgehende Elemente (etwa bezuglich der Blutstillung)
[8]
enthaltende, medizinische
Enzyklopadie
, die bis in die Neuzeit als Standardwerk der Medizin benutzt wurde. Der in Rom wirkende Arzt
Galenos
von Pergamon († um 200 n. Chr.) verstand sich als
Hippokratiker
, vertrat aber eine eigene Lehre. Er baute die
Humoralpathologie
(?Saftelehre“) des Hippokrates zu einer
Temperamentenlehre
aus, die als grundlegendes
Krankheitskonzept
bis ins 19. Jahrhundert von Bedeutung blieb.
In der
Spatantike
nach Galen und in
byzantinischer Zeit
wurde das bis dahin erworbene Wissen hauptsachlich gesammelt und tradiert. Die medizinischen Schriftsteller des ostromischen Reichs bis 1453 (
Eroberung Konstantinopels
durch die
Turken
) fassten hauptsachlich altere Schriftsteller in Enzyklopadien zusammen und ordneten deren Wissen thematisch in Sammelwerken. Nur wenig Neues wurde den Schriften hinzugefugt. In der Tradition des Erhalts der bewunderten Kulturguter der heidnischen Antike versuchte man, die Medizin von christlichen Einflussen frei zu halten. Den Beginn machte
Oreibasios
, Leibarzt des Kaisers
Julian
, der im 4. Jahrhundert n. Chr. das erste medizinische Sammelwerk in 70 Banden verfasste.
Die bis etwa 400 n. Chr. praktizierte Medizin der altgermanischen Heilkunde und der
europaischen Volksmedizin
beruhte wie bei anderen Kulturvolkern der
Alten Welt
im Wesentlichen auf Beobachtung. Es existierten zum einen heilkundige ?Empiriker“ wie Tierzuchter und Hirten, zum anderen eine kultische Medizin betreibende Priesterschaft.
[9]
Die
arabische Medizin
baute direkt auf den antiken Vorlaufern auf. Die griechischen und lateinischen Texte wurden teils im Original tradiert, teils ins Arabische ubersetzt. Im arabischen Raum erfuhr die Antike Medizin noch einmal eine Blute, da arabische bzw. arabischsprachige orientalische Mediziner auf ihr aufbauend auch zu Erkenntnissen kamen, die seit den Kreuzzugen im 11. Jahrhundert durch ruckkehrende Kreuzfahrer auch im Abendland eine verstarkte, uber die christlich gepragten Nachbarregionen der Iberischen Halbinsel und Suditaliens hinausgehende, Verbreitung
[10]
fanden. Die Araber entwickelten Spezialistentum und z. B. auch Krankenhauser von einer Qualitat, wie sie im Westen erst im 19. Jahrhundert wiederzufinden waren. Ein Teil des heute vorhandenen Wissens uber die griechische Medizin wurde auf Arabisch festgehalten und spater wieder ins Griechische ubersetzt. Einer der bedeutendsten Arzte dieser Zeit war der Perser
Avicenna
, seine Schrift
Qanun
galt seit dem
12. Jahrhundert
als ein Standardwerk der Medizin. Ebenfalls von Bedeutung war der auch aus Persien stammende
Rhazes
, der einer der ersten Vertreter einer auf Experimenten beruhenden Medizin war.
Wahrend die byzantinischen und arabischen Mediziner das antike Erbe bewahrten, war die Medizin des westlichen
Mittelalters
recht unberuhrt von allen Erkenntnissen, die es zuvor einmal gegeben hatte. Nur wenige lateinische Schriften aus dem Altertum hatten uberlebt, das Griechische ging verloren. Lediglich klosterliche Heilkrauterkunde wurde betrieben, sodass man diesen Abschnitt als
Klostermedizin
zusammenfassen kann (dabei herausragend
Hildegard von Bingen
). Erst ab dem 13. Jahrhundert kamen uber Spanien und die
Mauren
Einflusse der hoch entwickelten arabischen Medizin nach Mittel- und Westeuropa. Uber Italien und die dortigen Handelskontakte nach Byzanz/Konstantinopel wurden die griechischen Texte wieder zuganglich. Wesentlichen Anteil an der Einbringung des griechisch-arabischen Medizinwissens in die westliche Welt hatte die
Schule von Salerno
, die als eine der ersten medizinischen Hochschulen Europas gilt. Spater entstand auch an der
Universitat Ferrara
[11]
eine bedeutende Medizinschule.
Nach anfanglichen Verschmelzungen von Empirie und naturwissenschaftlicher Theorie um 450 bis 300 v. Chr. ist die erste naturwissenschaftliche Periode der modernen Medizin etwa die Zeit von 1500 bis 1700.
[12]
Nachdem man uber Jahrhunderte hinweg gemaß der
scholastischen
Methode lediglich die alten Autoritaten
Galen
,
Celsus
,
Avicenna
,
Rhazes
und
Hippokrates
gelesen hatte, gewannen ab dem 15. und 16. Jahrhundert eigene Erkenntnisse und Untersuchungen an Gewicht. Eigene Beobachtungen und Experimente stellten die Autoritaten kritisch (etwa nach dem Vorbild von Texteditionen von
Niccolo Leoniceno
,
Thomas Linacre
,
Johann Winther von Andernach
,
Johannes Hagenbut
und
Anuce Foes
[13]
) in Frage und fuhrten zu neuen Entdeckungen besonders in der Anatomie und Physiologie. Mit
Vesalius
wurde es zunehmend ublich, dass die Anatomen im anatomischen Unterricht die
Sektionen
selbst durchfuhrten und die manuelle Arbeit nicht mehr einem Handwerkschirurgen uberließen, wahrend sie gelehrte anatomische Texte von
Galen
,
Mondino
oder anderen Autoritaten vortrugen.
Ab dem 16. Jahrhundert gab es auch erste Versuche, die gelehrten Arzte einer Stadt in sogenannten
Collegia medica
zu organisieren, mit dem Ziel, sich besser gegen die Vertreter anderer, teilweise in Zunften organisierter Heilberufe (
Bader
,
Chirurgen
) und gegen die
Hebammen
und Laienheiler aller Art durchzusetzen, die den Heilermarkt dominierten.
Das
Barock
entwickelte sich aus der Renaissance etwa ab der Mitte des 16. Jahrhunderts.
[14]
Unter
Barockmedizin
versteht man die Medizin im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert, die unter anderem durch einen neuen Umgang mit den Autoritaten gekennzeichnet ist
[15]
und in der sich eine wachsende Vielfalt von medizinischen Theorien und Systemen herausbildete. Zwar blieben wesentliche Elemente der
Humoralpathologie
noch bis ins 19. Jahrhundert sehr wirkmachtig und bildeten insbesondere in Laienkreisen weiterhin die Grundlage von Korper- und Krankheitsvorstellungen. In der gelehrten Medizin traten aber neue Sichtweisen hinzu, wie der
Cartesianismus
, die
Iatrochemie
, die Schule von
Georg Ernst Stahl
und, im 18. Jahrhundert, der
Vitalismus
.
Zu den bedeutenden deutschsprachigen Wundarzten gehorte
Wilhelm Fabry
. Im 17. und 18. Jahrhundert war Frankreich in der Chirurgie ? etwa mit
Jean Mery
(1645?1722), Pierre Dionis (1643?1718) und
Jacques de Beaulieu
? und in der Geburtshilfe, vertreten zum Beispiel durch
Francois Mauriceau
,
Paul Portal
(um 1650 bis 1703) und
Guillaume Mauquest de La Motte
(1655?1737), fuhrend.
[16]
Im 18. Jahrhundert konnte die universitare Medizin ihre gesellschaftliche Stellung weiter ausbauen. Durch
Aufklarung
[17]
[18]
und
Absolutismus
wurde der Staat und seine moglichst hohe Bevolkerungszahl zum Thema der Wissenschaft, besonders auch der Medizin (
Medicinische Policey
). In diesem Zusammenhang konnte der Einfluss der universitaren Medizin weiter steigen und erfolgreich andere Berufsgruppen ersetzen. Hierzu gehort z. B. die
Geburtshilfe
, in der die Hebammen in den großeren Stadten allmahlich von den Arzten verdrangt wurden. Die
Chirurgie
und
Zahnheilkunde
wurden langsam den
Badern
und
Barbieren
und den fahrenden Heilern entzogen und verwissenschaftlicht.
Fur die Heilkunde bedeutsame Vertreter dieser Epoche der Belebung der Naturwissenschaften waren auch Nichtmediziner wie
Francis Bacon
,
Rene Descartes
,
Stephen Hales
und
Antoni van Leeuwenhoek
.
Bedeutende Anatomen im Zeitalter des Vitalismus waren unter anderem
Bernhard Siegfried Albinus
,
Pieter Camper
,
Joseph Lieutaud
,
William Hunter
,
John Hunter
,
Samuel Thomas Sommering
,
Heinrich August Wrisberg
und
Johann Friedrich Meckel
(der Altere).
[19]
Das 18. und auch das beginnende 19. Jahrhundert, als das Denken der Arzte stark unter dem Einfluss der Philosophie stand, der von
Leibniz
ausgehend in der Naturphilosophie der Romantik endete,
[20]
waren fur verschiedenste medizinische Systeme offen. Neue Erkenntnisse (z. B. die Entdeckung der
Nerven
) und darauf folgende theoretische Deutungssysteme (z. B.
Brownianismus
,
animalischer Magnetismus
) waren in einer Vielzahl vorhanden. Als Gemeinsames kann man die Idee von einer allgemeinen
Lebenskraft
nennen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts, im geistigen Kontext der
Romantik
und des
Deutschen Idealismus
, entstand in Deutschland vorubergehend auch eine
romantische Medizin
. Diese Sonderstromung war mit einer gewissen Abkehr vom wissenschaftlichen Prinzip verbunden.
[21]
Das 19. Jahrhundert brachte enorme Fortschritte in der Diagnostik, Diagnose und Therapie vieler Krankheiten vor allem durch die Entwicklungen im Bereich der Naturwissenschaften. So wies die
Zelltheorie
den Weg zur Entwicklung von
Histologie
und mikroskopischer Pathologie. Der
Pathologe
Rudolf Virchow
wurde durch seine Lehre, wonach die Zelle der Ort der Erkrankung sei, Vorreiter einer bis heute in der wissenschaftlichen Medizin anerkannten Krankheitstheorie (?
Zellularpathologie
“). Sie loste endgultig die alte Vorstellung von den
Korpersaften
ab. Ab etwa 1815 bildete sich die
Naturhistorische Schule
[22]
der Medizin, zu der unter anderem die Auffassung von Krankheit als Parasitismus, aber auch die Vorstellung von Sunde als Ursprung von Krankheit und theurgische Therapien sowie die Ganzheitsbetrachtung der Medizin und die starkere Berucksichtigung von Umwelteinflussen auf den Menschen gehorten. Im 19. Jahrhundert gab es bedeutende Fortschritte in den biologischen Grundlagen der Medizin; so fur die Anatomie auf dem Gebiet der Zellenlehre, der Anwendung der Deszendenztheorie, der vergleichenden Morphologie (etwa durch
Thomas Huxley
und
Carl Gegenbaur
) und der Anatomie und neue Erkenntnisse in den biochemischen und biophysikalischen Lebensvorgangen.
[23]
Die in der Biologie formulierte
Evolutionstheorie
verstarkte das Interesse an vergleichender Anatomie und Physiologie. Beobachtungen und Experimente im Bereich der Vererbung fuhrten zu ersten Erkenntnissen der
Humangenetik
.
Die erfolgreiche Bekampfung des
Kindbettfiebers
durch
Hygienemaßnahmen
war Ausgangspunkt einer bedeutsamen Entwicklung der
Bakteriologie
bzw.
Mikrobiologie
. Innerhalb weniger Jahrzehnte konnten die
Erreger
vieler vorher kaum erfolgreich behandelbarer Krankheiten wie Milzbrand, Diphtherie, Tuberkulose, Lepra, Pest, Syphilis und Gonorrho gefunden werden.
Durch konsequente Anwendung bakteriologischer Erkenntnisse in der Chirurgie (
Antisepsis
) wurde die durch
Wundinfektionen
verursachte Sterblichkeit stark reduziert. In der Behandlung von Fieber wurden unter anderem durch neue
Antipyretika
, vor allem Salizylsaureverbindungen Fortschritte gemacht.
[24]
Ein weiterer Fortschritt in der Chirurgie war die Wiedereinfuhrung der
Narkose
. Erst durch die Fortschritte auf diesen beiden Gebieten wurde die Entwicklung der Chirurgie zu einem alle Regionen des Korpers erfassenden Fachgebiet moglich; viele auch heute noch relevante Operationstechniken wurden in der zweiten Halfte des 19. Jahrhunderts entwickelt. Auch die Einfuhrung der ?kunstlichen Blutleere“
[25]
1873 durch
Friedrich von Esmarch
ermoglichte seinerzeit Fortschritte in der Chirurgie.
Zwischen etwa 1858 und 1878 entwickelte sich die europaische Heilkunde zur sogenannten Weltmedizin.
[26]
Fortschritte der Physik und Chemie ermoglichten neue Erkenntnisse der
Physiologie
des Nervensystems, der Verdauung, des Herz-Kreislauf-Systems, des
Hormonsystems
und weiterer Stoffwechselfunktionen. Die Entdeckung der
Rontgenstrahlen
(1895) und der
Radioaktivitat
(1898 von
Marie Curie
) fuhrte bald zu ersten diagnostischen und therapeutischen Anwendungen (
Radiologie
) und erheblichen Erkenntnisfortschritten. Gleichwohl kursierten zahlreiche Halbwahrheiten und viel Unbewiesenes.
Zum Beispiel hielten zahlreiche Arzte im 18. und 19. Jahrhundert
Masturbation
fur die Ursache von ?jugendlicher Rebellion“ und von Krankheiten wie
Epilepsie
, ?Erweichung von Korper und Geist“,
Hysterie
und
Neurosen
.
Anfang des 19. Jahrhunderts wurde in damaligen wissenschaftlichen Zentren Deutschlands wie
Leipzig
und
Konigsberg
die
Psychologie
begrundet (siehe
Geschichte der Psychologie
).
1896 verwendete Sigmund Freud zum ersten Mal
den Begriff Psychoanalyse
. Freuds Arbeit trug dazu bei, sexuelle Themen zu ent
tabuisieren
.
Ab dem 19. Jahrhundert erfolgte eine vermehrte
Spezialisierung
der medizinischen Teildisziplinen.
[27]
Vorreiter dieser Entwicklung war die Medizinische Fakultat der Universitat Wurzburg, wo etwa die Facher Gynakologie, Physiologie und Pathologie fruh eigenstandig geworden sind.
[28]
[29]
Um 1900 haben Pathologie, Bakteriologie, Serologie und Immunologie die Verbindung morphologischer und biologisch-funktioneller Forschung in enger Zusammenarbeit mit der Klinik bewiesen und großte Forderung erhalten. Unter anderem durch die
Erfahrungen im Ersten Weltkrieg
(1914?1918) kam es im 20. Jahrhundert zu Fortschritten etwa auf dem Gebiet der praktischen Medizin und der Pathologie. An der
Kaiser-Wilhelm-Akademie
in Berlin wurde eine kriegspathologische Sammlung eingerichtet. Doch mit Philosophie und Psychologie errangen auch die Geisteswissenschaften Einfluss auf die Medizin des 20. Jahrhunderts.
[30]
Geburtshilfe
,
Pharmazie
und die
Krankenpflege
haben jahrhundertelang die Geschichte der Medizin mitgepragt. Erst im 20. Jahrhundert haben sich diese Fachgebiete als eigenstandige Disziplinen herausgebildet.
Listen:
Aktuelle Darstellungen der Medizingeschichte
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Geschichte der Medizin
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Licht der Natur. Medizin in Fachliteratur und Dichtung.
Festschrift fur Gundolf Keil zum 60. Geburtstag. Goppingen 1994 (=
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- Wolfgang U. Eckart
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Medizingeschichte. Eine Einfuhrung
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- Wolfgang U. Eckart:
Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin
. 7. vollig neu bearbeitete Auflage [als Druck- und E-Book-Version]. Springer, 2013.
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Die Kunst des Heilens. Eine medizinische Geschichte der Menschheit von der Antike bis heute.
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ISBN 3-8274-0472-X
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Altere Darstellungen der Medizingeschichte
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Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
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- Henry E. Sigerist:
A History of Medicine.
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Early Greek, Hindu, and Persian medicine.
Oxford University Press, London 1961 (posthum).
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Anfange der Medizin.
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Von der primitiven und archaischen Medizin bis zum Goldenen Zeitalter in Griechenland.
Europa-Verlag, Zurich 1963.
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:
Kurzes Handbuch der Geschichte der Medizin.
[3. und 4. Auflage von J. L. Pagels
Einfuhrung in die Geschichte der Medizin
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- Karl Sudhoff
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Theodor Meyer-Steineg
:
Geschichte der Medizin im Uberblick mit Abbildungen.
Gustav Fischer, Jena 1921; 3. Auflage ebenda 1923; 4. Auflage, besorgt durch Benno von Hagen, ebenda 1950; 5., durchgesehene und erweiterte Auflage, unter dem Titel
Illustrierte Geschichte der Medizin
, hrsg. und erganzt von
Robert Herrlinger
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Fridolf Kudlien
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Von der Vorzeit bis zur Neuzeit
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ISBN 3-938478-56-X
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(Jean-Charles Sournia, Jacques Poulet, Marcel Martiny:
Histoire de la medicine, de la pharmacie, de l’art dentaire et de l’art veterinaire.
Hrsg. von Albin Michel-Laffont-Tchou und Mitarbeitern, Paris 1977?1980, 8 Bande) Deutsche Bearbeitung von Richard Toellner unter Mitarbeit von
Wolfgang Eckart
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Axel Hinrich Murken
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Peter Hucklenbroich
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Lexika und Worterbucher der Medizingeschichte
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(Hrsg.):
Die beruhmten Arzte.
[nach Rene Dumesnil:
Medecins celebres
(=
La galerie des hommes celebres
) Paris] Koln 1960; 2. deutsche, wesentlich erweiterte Auflage ebenda ohne Jahr [zwischen 1964 und 1974].
- Wolfgang U. Eckart u. a. (Hrsg.):
Arzte Lexikon. Von der Antike bis zur Gegenwart.
1995; 3. Auflage 2006.
- Werner E. Gerabek
, Bernhard Dietrich Haage,
Gundolf Keil
, Wolfgang Wegner (Hrsg.):
Enzyklopadie Medizingeschichte.
De Gruyter, Berlin/ New York (2004) 2005,
ISBN 3-11-015714-4
; 2. Auflage in drei Banden ebenda 2007.
- August Hirsch
,
Ernst Julius Gurlt
(Hrsg.):
Biographisches Lexikon der hervorragenden Arzte aller Zeiten und Volker.
Wien/ Leipzig 1884?1888; 2. Auflage, bearbeitet von
Wilhelm Haberling
,
Franz Hubotter
und Hermann Vierordt, Urban & Schwarzenberg, Berlin / Wien 1929?1935.
- Karl-Heinz Leven
(Hrsg.):
Antike Medizin. Ein Lexikon.
C. H. Beck, Munchen 2005.
- Bernhard Mayrhofer:
Kurzes Worterbuch zur Geschichte der Medizin.
Gustav Fischer, Jena 1937.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 1.
- ↑
Rene Fulop Miller
:
Kulturgeschichte der Heilkunde.
Chemische Fabrik Promonta, Hamburg 1935?1937. Als
Kampf gegen Schmerz und Tod. Kulturgeschichte der Heilkunde.
Sud-Ost-Verlag, Berlin 1938.
- ↑
H. Orth, I. Kis:
Schmerzbekampfung und Narkose.
In: Franz Xaver Sailer, Friedrich Wilhelm Gierhake (Hrsg.):
Chirurgie historisch gesehen. Anfang ? Entwicklung ? Differenzierung.
Dustri-Verlag, Deisenhofen bei Munchen 1973,
ISBN 3-87185-021-7
, S. 1?32, hier: S. 1.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
Neubearbeitung (7., neubearbeitete Auflage). Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 1
(Primitive Medizin)
.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
Neubearbeitung (7., neubearbeitete Auflage). Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 1 f.
- ↑
Jutta Kollesch
,
Diethard Nickel
:
Antike Heilkunst. Ausgewahlte Texte aus dem medizinischen Schrifttum der Griechen und Romer.
Philipp Reclam jun., Leipzig 1979 (=
Reclams Universal-Bibliothek.
Band 771); 6. Auflage ebenda 1989,
ISBN 3-379-00411-1
, S. 14 nd 40.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 8?9.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 10.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 13?14
(Die Heilkunde im germanisch-keltischen Altertum)
.
- ↑
Kay Peter Jankrift
:
Kreuzzuge.
In:
Werner E. Gerabek
, Bernhard D. Haage,
Gundolf Keil
, Wolfgang Wegner (Hrsg.):
Enzyklopadie Medizingeschichte.
De Gruyter, Berlin / New York 2005,
ISBN 3-11-015714-4
, S. 806 f.
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Ladislao Munster:
Die Universitat Ferrara und ie Blutezeit ihrer Medizinschule im 15. und 16. Jahrhundert.
In:
Die Grunenthal Waage.
Band 7, Heft 2, Aachen 1968.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 7 und 20?27.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 21.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 20?21.
- ↑
Susanne Hahn:
Barockmedizin.
In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.):
Enzyklopadie Medizingeschichte.
De Gruyter, Berlin / New York 2005,
ISBN 3-11-015714-4
, S. 139?146.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 25.
- ↑
F. Hartmann:
Medizin der Aufklarung.
In: R. Enskat (Hrsg.):
Wissenschaft und Aufklarung.
Opladen 1997, S. 31?73.
- ↑
Urs Boschung
:
Aufklarungsmedizin.
In:
Werner E. Gerabek
, Bernhard D. Haage,
Gundolf Keil
, Wolfgang Wegner (Hrsg.):
Enzyklopadie Medizingeschichte.
De Gruyter, Berlin / New York 2005,
ISBN 3-11-015714-4
, S. 117?121.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 31.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 26.
- ↑
Vgl. auch Heinz Henne:
Probleme um die arztliche Diagnose als Grundlage fur die Therapie zu Ende des 18. und fruhen 19. Jahrhunderts.
In:
Christa Habrich
, Frank Marguth, Jorn Henning Wolf (Hrsg.) unter Mitarbeit von
Renate Wittern
:
Medizinische Diagnostik in Geschichte und Gegenwart.
Festschrift fur
Heinz Goerke
zum sechzigsten Geburtstag. Munchen 1978 (=
Neue Munchner Beitrage zur Geschichte der Medizin und Naturwissenschaften: Medizinhistorische Reihe.
Band 7/8),
ISBN 3-87239-046-5
, S. 283?296.
- ↑
Vgl. auch
Gottfried Eisenmann
:
Die naturhistorische Schule und ihre Gegner.
In:
H. Haeser
(Hrsg.):
Archiv fur die gesammte Medicin.
Band 4, 1843, S. 493?519.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 30 und 41?43.
- ↑
Paul Diepgen, Heinz Goerke:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
1960, S. 43.
- ↑
Ferdinand Sauerbruch
: Vortrag (?Schilderung der Geschichte der Chirurgie, ihrer Stellung in der Gegenwart und der Bedeutung dieses Zweiges der Medizin“), gehalten in der Preußischen Akademie der Wissenschaften. In:
Hans Rudolf Berndorff
:
Ein Leben fur die Chirurgie. Nachruf auf Ferdinand Sauerbruch.
In: Ferdinand Sauerbruch:
Das war mein Leben.
Kindler
& Schiermeyer, Bad Worishofen 1951 (mit einem Anhang von Hans Rudolf Berndorff); mehrere Neuauflagen, bspw. Lizenzausgabe fur Bertelsmann Lesering, Gutersloh 1956, S. 456?478, hier: S. 460?478, insbesondere S. 469.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 40?45.
- ↑
Vgl. auch
Hans-Heinz Eulner
:
Die Entwicklung der medizinischen Spezialfacher an den Universitaten des deutschen Sprachgebietes
(=
Studien zur Medizingeschichte des 19. Jahrhunderts.
Band 4). Stuttgart 1970. Zugleich medizinische Habilitationsschrift Frankfurt am Main 1963.
- ↑
Martin Sperling
:
Spezialisierung in der Medizin im Spiegel der Wurzburger Geschichte.
In:
Wurzburger medizinhistorische Mitteilungen.
Band 3, 1985, S. 153?184.
- ↑
Heinz Otremba:
Rudolf Virchow. Begrunder der Zellularpathologie. Eine Dokumentation.
Echter-Verlag, Wurzburg 1991, S. 18?19.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 53?68, hier: S. 55, 57 und 62.
- ↑
Vgl.
Digitalisat
.