Georgi Jewgenjewitsch Lwow

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Georgi Jewgenjewitsch Lwow (1919)

Furst Georgi Jewgenjewitsch Lwow ( russisch Георгий Евгеньевич Львов , wiss. Transliteration Georgij Evgen’evi? L’vov ; * 21. Oktober jul. / 2. November   1861 greg. in Dresden ; † 6. Marz 1925 in Paris ) war ein russischer Politiker der Konstitutionell-Demokratischen Partei Russlands (Kadetten). Nach der Februarrevolution 1917 war er erster Ministerprasident der provisorischen Regierung .

Herkunft, Familie und Jugend

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Lwow entstammte der furstlichen Adelsfamilie Lwow , die ihre Ursprunge auf die rurikidischen Fursten von Jaroslawl zuruckfuhrte, im Laufe des 19. Jahrhunderts aber verarmt war. Lwows Vater, ein Liberaler, wandte seine verbliebenen Mittel dafur auf, seinen Kindern eine gute Schulbildung zu ermoglichen. Bald nach der Geburt seines Sohnes Georgi zog er mit seiner Familie zuruck an deren Stammsitz, das Gut Popowka im Distrikt Alexin , Gouvernement Tula , um es selbst zu bewirtschaften. Im Laufe der Zeit gelang es der Familie, auch mit Hilfe Georgi Lwows, der eine hohere Schule in Moskau besucht und anschließend an der dortigen Universitat Rechtswissenschaften studiert hatte, ihren Schuldenberg abzutragen und Gewinne zu erwirtschaften. Aus dieser Zeit stammen Lwows demokratische Uberzeugungen und seine kritische Sicht der eigenen, adligen Oberschicht im zaristischen Russland. [1] Verheiratet war er mit Grafin Julia Alexejewna Bobrinskaja (1867?1903), einer Ur-Urenkelin der Zarin Katharina II. und ihres Liebhabers Grigori Orlow .

Tatigkeit in Semstwo und Duma

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Nach seinem Studium war Georgi Lwow im Staatsdienst tatig, bis er seine Stellung 1893 aus Unzufriedenheit mit der reaktionaren Politik Alexanders III. kundigte. Anschließend engagierte er sich im Gouvernements- Semstwo , der Selbstverwaltung seiner Heimatregion Tula, deren Vorsitzender er seit 1900 war. Im Russisch-Japanischen Krieg 1904/05 baute er eine Hilfsorganisation fur Verwundete ahnlich dem Roten Kreuz auf.

Infolge der ersten Russischen Revolution von 1905 musste Zar Nikolaus II. erstmals der Wahl eines gesamtrussischen Parlaments zustimmen. Lwow wurde in die 1.  Reichsduma gewahlt und gehorte dort der Fraktion der liberalen Konstitutionellen Demokraten an, der spater so genannten Kadetten. Als der Zar die Duma schon nach wenigen Monaten wieder aufloste, wechselte Lwow vom gemaßigten zum radikalen Flugel der Partei. So unterstutzte er auch dessen Wyborger Manifest , das die Bevolkerung ? allerdings erfolglos ? dazu aufrief, Steuerzahlungen und Wehrdienst zu verweigern. Da Lwow allerdings auf der Reise zum Tagungsort Wyborg erkrankte, hat er das Manifest selbst nie unterzeichnet. [2] In der Zeit der Stolypinschen Agrarreformen beschaftigte er sich mit Fragen der Kolonisierung Sibiriens . Seine 1913 erfolgte Wahl in den Stadtrat von Moskau wurde von Innenminister Maklakow fur ungultig erklart.

Nach Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 wurde er Vorsitzender des neugebildeten Allrussischen Semstwo-Verbands und im folgenden Jahr fuhrendes Mitglied des Vereinigten Komitees der Semstwo- und Stadtrateverbande Russlands ( Semgor ). Da die staatliche Burokratie sich als weitgehend unfahig erwies, die Armee sowie Verwundeten und Fluchtlinge ausreichend mit Nahrungsmitteln und Material zu versorgen, ubernahm das Semgor diese Aufgabe mit Billigung der Regierung. Lwow wurde dadurch quasi zum Kopf einer zivilen Nebenregierung. Er wurde ein fuhrendes Mitglied im Progressiven Block , der fur die Bildung einer von der Duma statt vom Zaren kontrollierten Regierung eintrat.

Chef der Provisorischen Regierung

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Im Zuge der Februarrevolution wurde Furst Lwow von der Duma zum 3. jul. / 16. Marz 1917 greg. bis zum 7. jul. / 20. Juli 1917 greg. Ministerprasidenten und Innenminister der burgerlichen provisorischen Regierung gewahlt. Er war damit der erste demokratisch legitimierte Regierungschef der Russischen Geschichte. Er erhielt das Amt vor allem aufgrund seines ausgleichenden Charakters und weil er der Kompromisskandidat zwischen zwei Mannern war, die die Amtsubernahme des jeweils anderen verhindern wollten: Pawel Nikolajewitsch Miljukow , der Vorsitzende der Konstitutionellen Demokraten und der Sozialrevolutionar Alexander Fjodorowitsch Kerenski . [3]

Die Regierung Lwow konnte sich nicht auf Schritte zu einer grundlegenden Landreform zugunsten der armen Bauern einigen. Zudem trat sie vor allem auf Betreiben Miljukows fur die Fortsetzung des Ersten Weltkriegs an der Seite der Ententemachte ein. Erschwerend kam hinzu, dass sich mit dem Petrograder Sowjet gleich zu Beginn der Revolution eine zweite Machtzentrale gebildet hatte, die legislative Kompetenzen beanspruchte. Im Laufe des Fruhjahrs verlor Lwow daher zunehmend an Popularitat und Autoritat. Nach dem niedergeschlagenen Juliaufstand der Bolschewiki legte er seine Amter nieder und wurde von Kerenski abgelost. Diesem gelang es jedoch ebenso wenig wie Furst Lwow, die Doppelherrschaft von provisorischer Regierung und Sowjet zu uberwinden.

Nach der Oktoberrevolution

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Acht Monate nach dem Sturz des Zaren ubernahmen die Bolschewiki unter Wladimir Iljitsch Lenin in der Oktoberrevolution die Macht. Nach der Oktoberrevolution zog Lwow mit seiner Familie nach Tjumen . Im Februar 1918 verhaftete ihn dort die neu gegrundete sowjetische Geheimpolizei Tscheka und brachte ihn nach Jekaterinburg . Drei Monate spater wurden er und zwei weitere Personen, darunter sein Amtsvorganger Nikolai Dmitrijewitsch Golizyn , der letzte Ministerprasident des Zaren, unter Auflagen entlassen. Trotz seiner Zusage, in Jekaterinburg zu bleiben, floh Lwow umgehend nach Omsk . Dort hatte sich unter dem Schutz der Tschechoslowakischen Legionen eine antibolschewistische Gegenregierung etabliert. In deren Auftrag reiste er weiter in die USA , um dort Unterstutzung und Geld fur die Weiße Armee im Burgerkrieg zu beschaffen.

Noch vor der endgultigen Niederlage der Weißen emigrierte Furst Lwow nach Paris , wo er das 1919 von den Bolschewiki verbotene Semgor als Organisation zur Unterstutzung der Exilrussen neu grundete. Zu diesem Zweck transferierte er das auf amerikanischen Banken liegende Vermogen des Komitees nach Europa. Er selbst lebte verarmt in Paris, wo er bis zu seinem Tod 1925 in der russischen Emigrantenbewegung tatig war.

Commons : Georgy Lvov  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Orlando Figes: Die Tragodie eines Volkes. Die Epoche der Russischen Revolution 1891 bis 1924 , Berlin Verlag, Berlin 1998, S. 67
  2. Orlando Figes: Die Tragodie eines Volkes. Die Epoche der Russischen Revolution 1891 bis 1924 , Berlin Verlag, Berlin 1998, S. 239
  3. Orlando Figes: Die Tragodie eines Volkes. Die Epoche der Russischen Revolution 1891 bis 1924 , Berlin Verlag, Berlin 1998, S. 362
Vorganger Amt Nachfolger
Nikolai Golizyn Ministerprasident des Russischen Reiches
15. Marz 1917 ? 21. Juli 1917
Alexander Kerenski