Georges Marchais
(*
7. Juni
1920
in
La Hoguette
,
Departement Calvados
; †
16. November
1997
in
Paris
) war ein
franzosischer
Politiker
und
Gewerkschafter
. Von 1972 bis 1994 war er Chef der
Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF)
.
Nach einer Lehre als Maschinenschlosser arbeitete Georges Marchais 1940 als Arbeiter in der Flugzeugmotorenfabrik
Aeroplanes G. Voisin
[1]
in
Issy-les-Moulineaux
. Ab November 1940 arbeitete er bei der deutschen
Aktien-Gesellschaft Otto
[1]
in Bievres, die dort Maschinen der Marke
Focke-Wulf
reparierte. Als Freiwilliger ? seiner eigenen Version zufolge als Zwangsarbeiter ? nahm er 1942 am
Service du travail obligatoire
(STO) in Deutschland als Flugzeugmechaniker auf einem deutschen Luftwaffenstutzpunkt und bei
Messerschmitt
in
Munchen
teil. Dort arbeitete er an der
Messerschmitt Bf 19
.
[1]
In
Augsburg
wohnte er keineswegs in einem Zwangsarbeiterlager, sondern im Gasthaus
Der blaue Ziegenbock
.
[1]
Er setzte sich nach eigener Darstellung im Mai 1943 nach Frankreich ab. Sein Biograf
Thomas Hofnung
, geht von einer Ruckkehr im Mai 1945 aus. Eine Episode seines Lebens, die zum Ziel juristischer Angriffe zwischen 1977 und 1980 wurde. Bis 1945 befand sich Marchais im Untergrund. Von einem Engagement in der
Resistance
ist nichts bekannt.
1946 wurde er Sekretar der Metallarbeitergewerkschaft von Issy-les-Moulineaux. 1951 stieg er dort zum Sekretar der
CGT
auf und wurde zwischen 1953 und 1956 Sekretar der Union der Metallarbeitergewerkschaften der Region
Seine
.
[1]
Seit 1947
[1]
war Marchais Mitglied der PCF. 1959 wurde er Kandidat zum
Zentralkomitee
seiner Partei und Sekretar der Foderation von Seine-Sud, im selben Jahr stieg er zum Mitglied des Zentralkomitees und
Politburos
auf. Seit 1961 war Marchais Organisationssekretar und seit 1970 stellvertretender Generalsekretar seiner Partei.
Im Mai 1968 attackierte er
Daniel Cohn-Bendit
als einen der Kopfe des
Studentenstreiks
als ?deutschen Anarchisten“.
Im Juni 1972 war er Mitunterzeichner des gemeinsamen Regierungsprogramms der PCF mit dem
Parti socialiste francais
(PS) und den
Radicaux de gauche
unter dem Stichwort
Union de la Gauche
. Im selben Jahr, im Dezember 1972 wurde er als Nachfolger von
Waldeck Rochet
Generalsekretar
der PCF, der seine Funktion krankheitshalber aufgab. Nach dem fur die PCF enttauschenden Wahlausgang 1978 suchte Marchais großere Distanz zum PS.
Marchais traf sich mit dem Generalsekretar der
Italienischen Kommunisten
Enrico Berlinguer
, mit dem ihn der Gedanke des
Eurokommunismus
verband. Auf dem Parteitag der PCF im Mai 1979 wurde die ?
Diktatur des Proletariats
“ verworfen. Anders als die PCI betrachtete sich die PCF jedoch unter Fuhrung von Georges Marchais als die Partei der Arbeiterklasse, die fur sich einen Fuhrungsanspruch im Transformationsprozess erhob. Gemeinsam mit der PCI wurde die Politik der Interventionen der UdSSR in der
Tschechoslowakei
(
Prager Fruhling
), in Polen, Afghanistan und insbesondere der Fuhrungsanspruch der KPdSU gegenuber der kommunistischen Weltbewegung unter dem Begriff ?proletarischer Internationalismus“ abgelehnt. Andererseits hielt die PCF an der traditionellen
Zwei-Lager-Theorie
fest, nach der die kommunistischen Parteien ?Vorhut der
Weltrevolution
“ seien und die ?Gesamtinteressen des Proletariats gegen den imperialistischen Gegner in enger Zusammenarbeit wahrzunehmen“ hatten. Nach mehr als funf Jahren reiste Marchais Anfang 1980 erstmals wieder zu Gesprachen mit der KPdSU nach
Moskau
. Im Oktober 1982 unterstutzte Marchais die Forderung nach unabhangigen Gewerkschaften in Polen und trat fur die Wiederaufnahme offizieller Beziehungen seiner Partei zur KPCh ein. Im Juli 1983 forderte Marchais gar eine Verminderung der Rustung in Ost und West, bei der er die franzosische
Atomstreitmacht
namens der PCF in die
Abrustungsverhandlungen
zwischen USA und UdSSR einzubeziehen verlangte.
Im Marz 1973 wurde Marchais erstmals im
Departement Val-de-Marne
(Arcueil-Cachan-Villejuif) zum Abgeordneten der
Nationalversammlung
gewahlt und regelmaßig in jeder Legislaturperiode bis 1997 wiedergewahlt. An der Spitze der PCF-Liste bei den Europawahlen 1979 wurde er bis 1989 zum Abgeordneten des
Europaparlaments
gewahlt.
Als Kandidat der Kommunisten bei der Wahl des franzosischen
Staatsprasidenten
1981 erreichte er 15,34 % der Stimmen im ersten Wahlgang gegen
Francois Mitterrand
, was ihn nicht zum zweiten Wahlgang qualifizierte und als Misserfolg seiner Partei bei der Wahl angesehen wurde. Dennoch unterstutzte die PCF daraufhin Mitterrand im zweiten Wahlgang und gehorte der Regierung von
Pierre Mauroy
mit vier Ministern an. Nachdem die neue linke Regierung zunachst das Ziel verfolgt hatte, durch umfangreiche Verstaatlichungen und Sozialprogramme den Sozialismus in Frankreich zu verwirklichen, anderte sie angesichts wirtschaftlicher Krisensymptome ihren Kurs: Finanzminister
Jacques Delors
verfolgte von nun an eine
Austeritatspolitik
, die die Indexierung der Einkommen an die Preisniveausteigerung aufgab. Dies sorgte fur Unmut bei den Anhangern der Kommunistischen Partei: Marchais geriet im April 1983 in zunehmende Kritik, die uber seine Person auf die grundsatzliche Rolle der PCF in der Koalition zielte. Im April 1984 verstarkte Marchais die Kritik seiner Partei an der Wirtschaftspolitik der Regierung. Die franzosischen Eisenbahner, die hauptsachlich in der CGT organisiert waren, und die Pariser Metro streikten wochenlang. Nach schweren Verlusten seiner Partei bei den Europawahlen am 17. Juni 1984 endete das Regierungsbundnis mit der PS mit dem Ruckzug der kommunistischen Minister aus der Regierung. Im September proklamierte Marchais einen harten Kurs gegenuber seinem fruheren Koalitionspartner und schloss eine Wiederherstellung der Regierungskoalition praktisch aus. Als neues Ziel strebte er eine neue
Volksfront
an der Basis an. Dies konnte dennoch nicht verhindern, dass PS und PCF infolge der Prasidentschaft Mitterrands ihre traditionellen Rollen getauscht hatten: Die PCF, die anders als z. B. die
DKP
immer eine mitgliederstarke Partei mit landesweit besseren Ergebnissen als die vor 1971 in verschiedene Parteien zerfallenen Sozialisten war, nahm seitdem kontinuierlich an Stimmen und Bedeutung ab, wahrend die PS die großere linke Partei in Frankreich wurde und blieb.
Beim 28. Parteitag der PCF 1994 uberließ Marchais seine Funktion als Generalsekretar
Robert Hue
, blieb aber nominell Mitglied des Politburos. Im selben Jahr wurde er Prasident des Komitees der PCF zur Verteidigung der Freiheiten und Menschenrechte in Frankreich und der Welt.
Marchais war eine bemerkenswerte Personlichkeit wegen seines Manierismus (
C‘est un scandaaaale
? ?Das ist ein Skandaaaal“) und brusken Benehmens, z. B. als er den Journalisten
Jean-Pierre Elkabbach
Taisez-vous Elkabbach
(?Halten Sie den Mund, Elkabbach“) abkanzelte und wurde deshalb haufig Ziel von bitterbosen Parodien des Komikers
Thierry Le Luron
.
Georges Marchais starb 1997 im
Hopital Lariboisiere
an den Folgen einer Herzerkrankung.
Marchais soll als Vorbild fur die Figur des Tullius Destructivus aus dem
Asterix
-Band
Streit um Asterix
gedient haben. Neben der optischen Ahnlichkeit wird auch die zeitliche Entstehung des Buches wahrend des Aufstiegs Marchais’ ins Treffen gefuhrt, was zur Inspiration
Uderzos
bei der Entwicklung dieser Comic-Figur gefuhrt haben durfte.
[2]
- Les Communistes et les Paysans (1972)
- Le defi democratique (1973)
- La politique du PCF (1974)
- Communistes et/ou chretiens (1977)
- Parlons franchement, B. Grasset, Paris (1977)
- Reponses (1977)
- L‘espoir au present (1980)
- Democratie (1990)
- Thomas Hofnung:
Georges Marchais. L’inconnu du Parti communiste francais
. Edition L’Archipel, Paris 2001,
ISBN 978-2-84187-319-7
.
- ↑
a
b
c
d
e
f
Francois Broche
:
La cavale des collabos
. Nouveau Monde editions, Paris 2023,
ISBN 978-2-38094-444-0
,
S.
325
ff
.
- ↑
Destructivus, Tullius - Asterix Archiv - Lexikon -.
Abgerufen am 27. Marz 2023
.