Georg Bernhard
(*
20. Oktober
1875
in
Berlin
; †
10. Februar
1944
in
New York
) war ein
linksliberaler
deutscher
Publizist
judischer
Abstammung, der sich schon fruh gegen den
Nationalsozialismus
engagierte. Er musste 1933 emigrieren und war der Grunder einer bedeutenden
Exilzeitung
.
Bernhards Vater Hermann war als Kaufmann tatig, seine Mutter Helene war eine geborene Soberski. Georg Bernhard hatte eine Banklehre gemacht und war Wirtschaftsjournalist geworden. Im Jahr 1899 heiratete er Fritze Muhsam, die Tochter von Louis Muhsam und seiner Frau Bertha. 1901 wurde ihre Tochter Stefanie Ruth geboren, die Schauspielerin wurde. 1912 wurde die Tochter Eva Marie geboren. 1939 heiratete Bernhard im Exil in Paris die Malerin Gertrud Landsberger, Tochter des Berliner Apothekers Hans Sachs. Landsberger malte unter dem Pseudonym Gert Sax.
[1]
Von 1898 bis 1903 hatte Bernhard eine Stellung als Handelsredakteur bei der zu
Ullstein
gehorenden
Berliner Zeitung
. Parallel dazu studierte er Rechts- und Staatswissenschaften. 1904 bis 1925 gab Bernhard die Wirtschaftszeitung
Plutus
heraus, deren Begrunder und Besitzer er war. Ab 1908 war er in der Verlagsleitung bei Ullstein beschaftigt. Als der Ullstein-Verlag 1914 die
Vossische Zeitung
kaufte, wurde Bernhard bis 1920 als zweiter
Chefredakteur
neben dem bisher alleinigen Chefredakteur
Hermann Bachmann
eingesetzt. Ab 1916 hielt er auch Vorlesungen als
Dozent
an der
Handelshochschule Berlin
. Von 1920 bis 1930 amtierte Bernhard als alleiniger Chefredakteur der
Vossischen Zeitung
. Bernhard formte die Zeitung zu einem linksliberalen Blatt. Er trat fur den Ausbau der Demokratie und ? trotz des
Versailler Vertrags
? entschieden fur eine Verstandigung mit Frankreich ein. Er wirkte in judischen Verbanden mit. Sein Diskussionsstil war sehr entschieden und er hielt mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. Auch das machte Bernhard zu einem bevorzugten Ziel antisemitischer Hetze.
Bernhard war etwa 1900 Mitglied der SPD geworden. Er gehorte dem revisionistischen Flugel der
Sozialdemokratischen Partei
an und geriet deswegen 1903 mit dem Parteivorstand in Auseinandersetzungen. 1906 wurde er ausgeschlossen. Er gehorte 1918 zu den linksliberalen Mitbegrundern der
Deutschen Demokratischen Partei
und war Mitglied im Vorstand. Bernhard war ein wichtiger Verteidiger der Demokratie und bekampfte die Nationalsozialisten entschieden. Von 1928 bis 1930 war er Abgeordneter im
Reichstag
. Als sich im Jahr 1930 die DDP mit der dem
Jungdeutschen Orden
nahestehenden
Volksnationalen Reichsvereinigung
zur
Deutschen Staatspartei
vereinigte, verließ Bernhard die DDP und schloss sich der neu gegrundeten
Radikaldemokratischen Partei
an. Er war ihr prominentestes judisches Mitglied.
[2]
Im Februar 1933 war Bernhard in Berlin noch Mitorganisator des Kongresses
Das Freie Wort
. Nach der
Machtubernahme der Nationalsozialisten
fluchtete er 1933 nach Paris. Bernhards Name stand schon auf der
Ersten Ausburgerungsliste des Deutschen Reichs von 1933
.
[3]
Am 16. April 1933 traf Bernhard in Paris mit
Harry Graf Kessler
zusammen, der in seinem Tagebuch festhielt: ?Bernhard, der seine ziemlich abenteuerliche Flucht […] erzahlte, sagte, er 'wolle nie wieder nach diesem Lande (Deutschland) zuruck. Er betrachte sich nicht mehr als Deutscher'. Er sprach mit der außersten Erbitterung.“
[4]
Im Dezember 1933 grundete Georg Bernhard mit Freunden das
Pariser Tageblatt
als Tageszeitung der deutschen Opposition. Der Verleger und vermutliche Geldgeber war der emigrierte Russe Wladimir Poliakov,
[5]
der Vater von
Leon Poliakov
. Bernhard wurde der Chefredakteur. Die Zeitung war eine wichtige Plattform fur die etwa 35.000 in Frankreich befindlichen Fluchtlinge, wurde aber auch in den anderen Landern des Exils vertrieben. Das Pariser Tageblatt bemuhte sich auch, das gastgebende Land in sachlicher Form uber den verbrecherischen Charakter der Hitlerregierung aufzuklaren. Das war Goebbels naturlich nicht unbekannt geblieben. Der Eintrag uber Georg Bernhard im Meyers Lexikon von 1936
[6]
lautet denn auch: ?Bernhard, Georg, jud. Emigrant, …, ubte als Chefredakteur der ?Vossischen Zeitung‘ einen starken, zersetzenden pol. Einflus aus, wegen seiner deutschfeindlichen Hetze als Herausgeber des ?Pariser Tageblatts‘ 1933 ausgeburgert“.
Bernhard nahm Anfang Juni 1936 am Putsch der Redaktion gegen den eigenen Verleger Poliakov teil. Poliakov hatte aus wirtschaftlichen Grunden den Umfang der Zeitung und die Freiheit der Zeitung einschranken mussen. In der Auseinandersetzung daruber tauchte plotzlich das Gerucht auf, dass Poliakov gemeinsame Sache mit den Nazis mache. Fast alle Redakteure glaubten diesem Gerucht, verließen das Pariser Tageblatt und grundeten eine eigene Zeitung, die
Pariser Tageszeitung
mit dem Chefredakteur Bernhard an der Spitze.
[7]
Die erste Nummer erschien am 12. Juni 1936.
[8]
Ein in Exilkreisen gegrundeter Untersuchungsausschuss, der auf das Betreiben der Zeitschrift
Das Neue Tage-Buch
von
Leopold Schwarzschild
zu Stande gekommen war und dem auch Georg Bernhard und
Berthold Jacob
angehorten, stellte wenig spater fest, dass die Anschuldigungen gegen Poliakov haltlos waren und zu Unrecht erfolgt waren.
[9]
Poliakov hatte sich nach dem Putsch bemuht, das Pariser Tageblatt weiterzufuhren. Aber das Tageblatt hatte wegen der Leichtglaubigkeit der meisten Emigranten viele Leser verloren und war zudem durch kriminelle Aktivitaten der Redakteure und ihrer Unterstutzer schwer getroffen und musste daher den Betrieb einstellen. So war der neue Chefredakteur
Richard Lewinsohn
bei einem Uberfall krankenhausreif geprugelt worden, die Abonnentenkartei der Zeitung gestohlen worden und die Ausgabe des Tageblattes mit dem Bericht uber den Coup vernichtet worden. Die Pariser Tageszeitung konnte dagegen bis zum 17. Februar 1940 in Paris erscheinen. 1938 gab Bernhard den Posten bei der Pariser Tageszeitung auf. Bernhard war weiterhin politisch tatig. Er hatte dem
Ausschuss zur Vorbereitung einer deutschen Volksfront
angehort und nahm 1938 als Vertreter der Vereinigung deutscher Emigranten in Frankreich an der
Fluchtlingskonferenz
des Volkerbundes in Evian teil. Nach dem deutschen Einmarsch 1940 wurde Bernhard wie viele Emigranten von den Franzosen im unbesetzten Sudfrankreich interniert. Die Fluchthilfeorganisation von
Varian Fry
verhalf ihm 1941 zur Flucht nach New York. Dort starb er 1944.
Ihm wurde an der Kleiststraße 19?21
in Schoneberg
eine
Berliner Gedenktafel
gewidmet.
Im September 2020 grundeten Bundestagsmitarbeiter eine Initiative zur Forderung des judischen Lebens und zur Bekampfung von Antisemitismus, die sie nach Georg Bernhard
Bernhard-Kreis
nannten. An der Initiative beteiligen sich Mitarbeiter aller im Bundestag vertretenen Parteien außer der AfD.
[10]
- Georg Bernhard:
Krach ? Krisis und Arbeiterklasse.
48 S., Expedition d. Buchh. Vorwarts, Berlin 1902
- Georg Bernhard:
Berliner Banken
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- Georg Bernhard:
Wie finanzieren wir den Krieg?
40 S., Hobbing, Berlin 1918
- Georg Bernhard:
Demokratische Politik. Grundlinien zu einem Partei-Programm.
In:
Vossische Zeitung.
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- Georg Bernhard:
Wirtschaftsparlamente. Von den Revolutionsraten zum Reichswirtschaftsrat.
141 S., Rikola Verlag, Leipzig 1923
- Hugo F. Simon, Georg Bernhard, Harry Graf Kessler:
In Memoriam Walther Rathenau, 24. Juni 1922.
24 S., Cranach-Presse, Weimar 1925
- Georg Bernhard:
Die deutsche Tragodie. Der Selbstmord einer Republik.
343 S., Orbis Verlag, Prag 1933.
- Georg Bernhard:
Meister und Dilettanten am Kapitalismus im Reiche der Hohenzollern.
393 S., Allert de Lange, Amsterdam 1936.
- Georg Bernhard:
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In:
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- Georg Bernhard unter dem Pseudonym Gracchus:
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Walter F. Peterson:
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In:
Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte
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1984, Band II, S. 281.
- ↑
Siehe auch die digitalisierten Ausgaben des Pariser Tageblatts hier Nr. 911 ff und di ersten Ausgabe der Pariser Zeitung in der
Deutschen Nationalbibliothek.
In:
ddb.de.
Ehemals im
Original
(nicht mehr online verfugbar)
;
abgerufen am 2. Juni 2024
.
@1
@2
Vorlage:Toter Link/deposit.ddb.de
(
Seite nicht mehr abrufbar
.
Suche in Webarchiven
)
- ↑
Lieselotte Maas:
Kurfurstendamm auf den Champs-Elysees? Der Verlust von Realitat und Moral beim Versuch einer Tageszeitung im Exil.
In:
Exilforschung. Ein Internationales Jahrbuch.
Band 3:
Gedanken an Deutschland im Exil und andere Themen
, Hrsg. Gesellschaft fur Exilforschung, Munchen 1985, S. 112 ff.
- ↑
Bundestagsmitarbeiter grunden Initiative gegen Antisemitismus
,
Judische Allgemeine
, 16. September 2020