Georg Arbogast von und zu Franckenstein

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Georg Arbogast von und zu Franckenstein, um 1875

Georg Eugen Heinrich Arbogast Reichsfreiherr von und zu Franckenstein (* 2. Juli 1825 in Wurzburg ; † 22. Januar 1890 in Berlin ) war ein deutscher Politiker, von 1872 bis 1890 Mitglied des Deutschen Reichstags , fuhrendes Mitglied der katholischen Zentrumspartei , seit 1875 deren Fraktionsvorsitzender und von 1879 bis 1887 Erster Vizeprasident des Reichstags.

Leben und Wirken

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Franckenstein entstammte einem Odenwalder Uradelsgeschlecht der frankischen Reichsritterschaft , in dessen Besitz der mittelfrankische Fideikommiss Ullstadt und weitere Besitzungen in Baden und Hessen waren. Er kam als altester Sohn des Reichsfreiherrn Karl Arbogast von und zu Franckenstein, dem koniglichen Kammerer und erblichen Reichsrat der Krone Bayerns, und dessen Gemahlin Leopoldine, geb. Grafin Apponyi de Nagy-Appony , zur Welt. Franckenstein begann ein Jurastudium in Munchen , ubernahm aber schon 1845 nach dem Tod des Vaters den Familienvorsitz mit dem Titel des Reichsfreiherrn und die Verwaltung der Guter der Familie Franckenstein . Er residierte auf Schloss Ullstadt und heiratete im Jahr 1857 Marie (1832?1891), die Tochter des Fursten Karl Krafft von Oettingen-Wallerstein . [1] Das Paar hatte sechs Kinder, drei Tochter und drei Sohne, darunter die Zentrumspolitiker Johann Karl und Moritz von Franckenstein .

1847 wurde Franckenstein als Nachfolger seines Vaters in die Kammer der Reichsrate , die erste Kammer des Bayerischen Landtages , eingefuhrt, der er bis zu seinem Tod angehorte und deren Prasident er von 1881 bis 1890 war. Mit dem Eintritt in die Kammer erfolgte auch seine Ernennung zum Koniglichen Kammerer und die Aufnahme in den Georgsorden , zu dessen Großkanzler er 1879 aufstieg. [2] Er galt bald als Verfechter eines katholisch-patriotischen Kurses in der ersten Kammer des Landtages, stimmte 1867 mit der unterlegenen Minderheit gegen den Zollvereinsvertrag , nahm aber 1868 seine Wahl ins Zollparlament (Wahlkreis Eichstatt ) an. [3] In der Kammer der Reichsrate vertrat er weiterhin einen partikularistischen Weg Bayerns: Zwar stimmte er am 20. Juli 1870 fur den Eintritt Bayerns in den Deutsch-Franzosischen Krieg , doch in der Abstimmung vom 30. Dezember 1870 uber die Novembervertrage und Bayerns Beitritt zum Deutschen Reich votierte er als einer von nur drei Reichsraten mit ?nein“. [4] Franckenstein unterstutzte wahrend des Krieges den bayerischen Georgsorden bei der Versorgung von Verwundeten und beriet spater den bayerischen Konig Ludwig II. bei der Neuorganisation des Ritterordens.

Nach der Reichsgrundung im Spiegelsaal von Versailles zog sich Franckenstein zunachst in die bayerische Politik zuruck. Nachdem aber Karl zu Lowenstein sein Reichstagsmandat fur den Wahlkreis Lohr niedergelegt hatte, wurde Franckenstein dort am 24. Mai 1872 bei der erforderlichen Ersatzwahl gewahlt und vertrat den Wahlkreis Lohr bis 1890 im Reichstag (Wiederwahlen 1874, 1877, 1878, 1881, 1884 und 1887). Frankenstein trat der Zentrumsfraktion bei und positionierte sich schnell als Sprecher der bayerischen Zentrumsabgeordneten. Er wurde in den Vorstand der Fraktion gewahlt und 1875 als Nachfolger des verstorbenen Savigny Fraktionsvorsitzender. Von 1879 bis 1887 war Franckenstein zudem Erster Vizeprasident des Reichstages.

In der Reichspolitik war Franckenstein als einer der Wortfuhrer des Politischen Katholizismus zunachst ein erbitterter Gegner Bismarcks im Kulturkampf . Nach der innenpolitischen Wende Bismarcks 1878/79 aber, die mit ersten Schritten zur Entscharfung des Kulturkampfes verbunden war, wuchs Franckensteins Zentrumsfraktion eine Schlusselposition im Reichstag zu: Bismarck benotigte nun das Zentrum fur wichtige Gesetzesvorhaben und Franckenstein wurde sein bevorzugter Ansprechpartner in der Fraktion. Dies zeigte sich erstmals beim Ubergang zur Schutzzollpolitik im Jahr 1879, als es Franckenstein in der Tarifkommission des Reichstages und in direkten Verhandlungen mit Bismarck gelang, die fur die Finanzverfassung des Kaiserreichs bedeutsame, nach ihm benannte Franckensteinsche Klausel durchzusetzen. [5] Ab 1880 profilierte er sich auf dem Gebiet der Sozialpolitik und half als Vorsitzender der zustandigen Reichstagskommissionen bei der Durchsetzung der Sozialversicherungsgesetze [6] (Kranken- (1883), Unfall- (1884), Alters- und Invaliditatsversicherung (1889)). Hier entstanden erhebliche (und von Bismarck beabsichtigte) Konflikte zwischen Franckenstein und dem Zentrumsfuhrer Ludwig Windthorst , der die Zustimmung der Fraktion von kirchenpolitischen Zugestandnissen Bismarcks abhangig machen wollte. Das Alters- und Invaliditatsgesetz wurde von Windthorst und der Fraktionsmehrheit abgelehnt, konnte aber durch Zustimmung einer Fraktionsminderheit um Franckenstein verabschiedet werden. In der schweren Septennatskrise des Jahres 1887 allerdings wiesen Windthorst und Franckenstein die versuchte Einflussnahme der Kurie auf die Zentrumspolitik gemeinsam und entschieden zuruck. [7]

In der bayerischen Politik galt Franckenstein ?als der kommende Mann“ [8] ( Georg von Hertling ) und Hoffnungstrager der konservativen Krafte in der schwierigen innenpolitischen Lage der 1870er und 80er Jahre, die dadurch gekennzeichnet war, ?dass ein weltanschaulich liberales, politisch staatskonservatives, reichsfreundlich und staatskirchlich orientiertes Staatsministerium fortgesetzt gegen eine konservative, betont bayerisch-eigenstaatlich und katholisch bestimmte Mehrheit der Kammer der Abgeordneten regierte“ [9] ( Dieter Albrecht ). Konig Ludwig II. wollte Franckenstein nach den Landtagswahlen von 1875 zum Ministerratsvorsitzenden ernennen, doch dieser lehnte ab, weil er befurchtete, dass Bismarck die Ernennung eines profilierten Katholiken als Provokation empfinden und zum Anlass fur eine antibayerische Politik nehmen wurde. Als im Umfeld der Landtagswahlen des Jahres 1881 erneut uber ein ?Ministerium Franckenstein“ spekuliert wurde, nahm Bismarck dezidiert Stellung dagegen, Ludwig II. folgte der Pression und sprach dem liberalen Ministerium Lutz erneut sein Vertrauen aus. In die Konigstragodie um Ludwig II. im Jahr 1886 war Franckenstein als personlicher Vertrauter des Konigs und als Prasident der Kammer der Reichsrate involviert; zeitgenossische Geruchte, Ludwig II. habe im letzten Moment ein ?Ministerium Franckenstein“ bilden wollen und dieser sei dazu auch bereit gewesen, konnen heute als widerlegt gelten; [10] das Verhaltnis Prinzregent Luitpolds zu Franckenstein aber blieb aufgrund dieser Geruchte belastet. Franckensteins ausfuhrlicher Bericht Juni 1886 uber seine Rolle im Prozess der Entmundigung Ludwigs II. wurde von Karl Otmar von Aretin im Jahr 2003 erstmals publiziert. [11]

Einzelnachweise

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  1. Bernhard Loffler : Die Bayerische Kammer der Reichsrate 1848 bis 1918. Grundlagen, Zusammensetzung, Politik. Munchen 1996, S. 145.
  2. Bernhard Loffler: Die Bayerische Kammer der Reichsrate 1848 bis 1918. Grundlagen, Zusammensetzung, Politik. Munchen 1996, S. 145.
  3. Karl Otmar von Aretin: Franckenstein. Eine politische Karriere zwischen Bismarck und Ludwig II. Stuttgart 2003, S. 22 f.
  4. Bernhard Loffler: Die Bayerische Kammer der Reichsrate 1848 bis 1918. Grundlagen, Zusammensetzung, Politik. Munchen 1996, S. 427 und S. 432 f.
  5. Karl Otmar von Aretin: Franckenstein. Eine politische Karriere zwischen Bismarck und Ludwig II. Stuttgart 2003, S. 92?113.
  6. Erstmals umfassend dargestellt bei Karl Otmar von Aretin: Franckenstein. Eine politische Karriere zwischen Bismarck und Ludwig II. Stuttgart 2003, S. 132?146, 168?182, 263?280.
  7. Bernhard Loffler: Die Bayerische Kammer der Reichsrate 1848 bis 1918. Grundlagen, Zusammensetzung, Politik. Munchen 1996, S. 147 f.
  8. Zitiert nach Bernhard Loffler: Die Bayerische Kammer der Reichsrate 1848 bis 1918. Grundlagen, Zusammensetzung, Politik. Munchen 1996, S. 146.
  9. Dieter Albrecht: Von der Reichsgrundung bis zum Ende des Ersten Weltkrieges (1871?1918). In: Alois Schmid (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. Band IV, 1, Munchen 2003, S. 377.
  10. Karl Otmar von Aretin: Franckenstein. Eine politische Karriere zwischen Bismarck und Ludwig II. Stuttgart 2003, S. 204 ff.
  11. Karl Otmar von Aretin: Franckenstein. Eine politische Karriere zwischen Bismarck und Ludwig II. Stuttgart 2003, S. 206?225 mit editorischer Notiz S. 333 Anm. 9.