Genremalerei

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Gaspare Traversi : Die Wahrsagerin , um 1750
Carl Spitzweg : Zeitungsleser im Garten , 1847
Ludwig Knaus : Der Taschenspieler in der Scheune , 1862
Franz Defregger : Wallfahrer , 1901

Ein Genrebild (franz.: Tableau de genre ; [1] zu lat.: genus ?Art‘, ?Geschlecht‘; veraltet: Sittenbild ; entsprechend Sittenmalerei zum Begriff Genremalerei ) ist die gemalte Abbildung einer Alltagsszene ? zum Beispiel Menschengruppen, Szenen und Handlungen ? als Schilderung von Lebensformen eines Volkes und seiner landschaftlichen, Arbeits- oder Wohnumgebung.

Eine klare Abgrenzung zum Portrat bzw. Gruppenportrat ist nicht immer moglich. Wahrend dieses meist identifizierbare Menschen zeigt, sind die Figuren der Genremalerei anonym und werden durch ihre Umgebung charakterisiert; das Interieur steht dabei oft im Vordergrund.

Bisweilen ist auch der Ubergang zur Landschaftsmalerei fließend, insbesondere in der Epoche der Romantik . In Spanien und Lateinamerika wird die Genremalerei des 19. Jahrhunderts auch als Costumbrismo bezeichnet.

Geschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Genreszenen wurden bereits in der Antike gemalt. Sie finden sich z. B. auf griechischen Vasen oder Fresken in Pompeji . Im Mittelalter wurden sie durch Darstellungen moralisch- allegorischen Inhalts verdrangt. Vorlaufer der neueren Genremalerei waren insbesondere die genrehaften Szenen der Monatsbilder , vor allem in den flamischen Stundenbuchern des 15. Jahrhunderts. Aber auch alte Meister wie beispielsweise Pieter und Jan Bruegel d. A. sowie Lucas von Leyden schufen schon im 16. Jahrhundert Gemalde mit den typischen Bauern- und Familienszenen. [2] Der Schwerpunkt lag dabei auf der Darstellung von drastischen Negativbeispielen menschlicher Verhaltensweisen wie Trunksucht, Streit oder Kuppelei.

Ihren Hohepunkt erlebte die Genremalerei nach einem entscheidenden Wandel hin zur Reflexion der Wertvorstellungen gehobenerer Bevolkerungsschichten in der niederlandischen und flamischen Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts. Der protestantische Geist lehnte religiose und mythologische Stoffe weitgehend ab; stattdessen traten die Tatigkeiten des taglichen Lebens in den Vordergrund. Moralische Appelle offenbaren sich dem Betrachter seither nur noch uber einen versteckten Sinn. [3] Zu dieser Zeit entstanden auch die Genrebilder von Jan Vermeer .

Inhaltliche Deutung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Fruhere Untersuchungsansatze interpretierten die Darstellungen des sogenannten Gouden Eeuw oft als Momentaufnahmen des Alltags, denen sie den Wert eines kulturhistorischen Zeugnisses beimaßen. Seit den 1970er-Jahren gelang es jedoch zunehmend, auch den ikonografischen Kontext zu entschlusseln. Dabei wurde deutlich, dass die Genrebilder zwar beispielhaft eine alltagliche Szene wiedergeben, hinter der sich jedoch fast immer eine tiefere Aussage verbirgt. Demnach sind sie im Sinne der popularen Bildsprache des Barock in der Regel als Allegorien , teils mit komplexen mehrdeutigen Aussagen, aufzufassen. [4]

Viele vermeintliche Alltagsszenen haben ihre Grundlage eher in popularen komischen Theaterstucken oder Sprichwortern und sind damit haufig ? wenn nicht sogar immer ? erzahlenden Charakters. Ein italienischer Genremaler, der Neapolitaner Gaspare Traversi , schuf seine Bilder beispielsweise parallel zur Entwicklung und Blutezeit der Opera buffa napolitana um die Mitte des 18. Jahrhunderts, bei der das Alltagsleben des niederen sozialen Milieus durch entlarvende Situationen der Lacherlichkeit preisgegeben wurde. Dadurch wurde eine moralische Botschaft an das Publikum entsandt. Die meisten Genrebilder haben ebenfalls eine didaktische Relevanz, weil sie einen stark moralischen Gehalt aufweisen. Die Darstellung negativer Verhaltensweisen sollte dabei abschrecken und zu besserem Verhalten animieren und positive Beispiele sollten dem Betrachter einen Anreiz zum Nachahmen geben. Naturlich kann den Bildern auch der visuell unterhaltende Wert nicht abgesprochen werden. Aufgrund der den Bildern inharenten lehrhaft-moralisierenden Deutungsansatze waren ihre Besitzer in der Lage, damit ihren kulturellen Hintergrund zu betonen. Die Auftraggeber fur diese Art von Kunst kamen daher ausschließlich aus dem burgerlich-weltlichen Milieu. [2]

Sozialer Realismus [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Benjamin Vautier : Dorfkirche mit Andachtigen , 1858

In der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts ( Biedermeier ) lebt das Genrebild als ? soziales Tendenzbild “ erneut auf, insbesondere durch die Dusseldorfer Malerschule , gerade auch im Zusammenhang mit einer starkeren Hinwendung zum Realismus , so etwa bei Johann Peter Hasenclever . Nach 1848 vertraten in Deutschland Kunstler wie Ludwig Knaus , Benjamin Vautier oder Franz von Defregger eine Genremalerei, die der damaligen literarischen Stromung des Burgerlichen Realismus verwandt war. [5] Die Genremalerei jener Jahrzehnte ist als Wegbereiter der modernen Kunstrichtungen wie des Impressionismus anzusehen. Eine rasch wachsende Zahl von kunstinteressierten Kauferschichten, vor allem aus burgerlichen Haushalten, erfullte sich den Wunsch nach dem eigenen Kunstwerk an der Wand. Besonders das im Zuge der zunehmenden Reisetatigkeit in Mode gekommene bauerliche Landleben fand, dargestellt auf mittelgroßen Formaten, auch in den USA reißenden Absatz. In Kunstmetropolen wie Berlin, Dusseldorf und Munchen versammelten sich Kunstmaler in großer Zahl aus ganz Europa, um mit der Genremalerei ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Zu den bekanntesten Genremalern, deren Werke auch in Monatszeitschriften Verbreitung fanden, gehorten Vertreter der Munchner Schule wie Franz Defregger , Rudolf Epp , Nikolaus Gysis , Hermann von Kaulbach .

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Lothar Brieger (1922)
  • Hans F. Schweers: Genrebilder in deutschen Museen. Verzeichnis der Kunstler und Werke. K. G. Saur, Munchen/ New York NY/ London/ Paris 1986, ISBN 3-598-10517-7 .
  • Barbara Gaehtgens (Hrsg.): Geschichte der Genremalerei (= Geschichte der klassischen Bildgattungen in Quellentexten und Kommentaren. Bd. 4). Dietrich Reimer, Berlin 2002, ISBN 3-496-01141-6 .
  • Norbert Schneider: Geschichte der Genremalerei. Die Entdeckung des Alltags in der Kunst der Fruhen Neuzeit. Dietrich Reimer, Berlin 2004, ISBN 3-496-01296-X .
  • Jeroen Giltaij (Hrsg.): Der Zauber des Alltaglichen. Hollandische Malerei von Adriaen Brouwer bis Johannes Vermeer. Hatje Cantz, Ostfildern-Ruit 2005, ISBN 3-7757-1522-3 .
  • Klaus Turk: Bilder der Arbeit. Eine ikonografische Anthologie. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2000, ISBN 3-531-13358-6 .
  • Lothar Brieger: Das Genrebild. Die Entwicklung der burgerlichen Malerei . Delphin-Verlag, Munchen 1922.
  • Gerhard Kolsch: Zur Tradition der Genremalerei im Rhein-Main-Gebiet zwischen 1750 und 1840, in: Bilder aus dem Leben. Genremalerei im Rhein Main-Gebiet, Ausst. Kat. Haus Giersch ? Museum Regionaler Kunst Frankfurt am Main 2004, S. 11?21.

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Genrebilder  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Wortpragung der franzosischen Kunsttheorie des 18. Jahrhunderts ? Vgl. Ute Ricke-Immel: Die Dusseldorfer Genremalerei . In: Wend von Kalnein (Hrsg.): Die Dusseldorfer Malerschule . Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1979, ISBN 3-8053-0409-9 , S. 149
  2. a b Die niederlandische Malerei des 17. Jahrhunderts . Universitat Munster
  3. Henning Bock , Thomas W. Gaehtgens (Hrsg.): Hollandische Genremalerei im 17. Jahrhundert (= Jahrbuch Preussischer Kulturbesitz. Sonderband 4, ZDB -ID 236025-1 ). Mann, Berlin 1987, S. 5.
  4. Henning Bock, Thomas W. Gaehtgens (Hrsg.): Hollandische Genremalerei im 17. Jahrhundert (= Jahrbuch Preussischer Kulturbesitz. Sonderband 4, ZDB -ID 236025-1 ). Mann, Berlin 1987, S. 3.
  5. Memmel 2013.