Gemeindeprasident

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Ein Gemeindeprasident (je nach Kanton auch Gemeind(e)ammann , Stadtammann , (Bezirks-)Hauptmann oder Stadtprasident genannt) ist das von den Stimmburgern einer Gemeinde gewahlte Oberhaupt einer schweizerischen politischen Gemeinde .

Kantonalrechtliche Terminologie [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im Kanton Freiburg lautet die Amtsbezeichnung Ammann, [1] im Kanton Aargau Gemeindeammann beziehungsweise Stadtammann . [2] Gemeindeammann galt fruher auch in den Kantonen Solothurn (bis 1992), St. Gallen (bis 2002) und Thurgau (bis 2014), in alterer Zeit auch in andern Kantonen, so in Zurich bis 1875. [3] In Engelberg heisst der Gemeindeprasident Talammann . Im Kanton Graubunden sind verschiedene Bezeichnungen gebrauchlich: Die meisten deutschsprachigen Gemeinden haben einen Gemeindeprasidenten, aber in der Landschaft Davos , die fruher zugleich einen Kreis bildete, tragt dieser den sonst den Kreisprasidenten zukommenden Titel Landammann , und Thusis hat einen Gemeindeammann . Auch der Kanton Bern kennt nicht nur die Bezeichnung Gemeindeprasident: In einigen Gemeinden obliegt die Leitung der Exekutive dem Gemeinderatsprasidenten; daneben gibt es einen Gemeindeprasidenten, der die Gemeindeversammlung, also die Legislative, leitet.

In den franzosischsprachigen Gegenden des Kantons Freiburg und im Kanton Waadt nennt man ihn Syndic, in den franzosischsprachigen Gebieten des Kantons Bern , im Kanton Jura und im Kanton Genf Maire und im Kanton Tessin schliesslich Sindaco .

Im Kanton Appenzell Innerrhoden tragt der Prasident den Titel Bezirkshauptmann oder kurz Hauptmann, da dort die Bezirke den politischen Gemeinden entsprechen. Im Kanton Appenzell Ausserrhoden wurde die Amtsbezeichnung Hauptmann 1998 durch Gemeindeprasident(in) ersetzt.

Kanton Bezeichnung aktuell Bezeichnungen historisch
Aargau Gemeindeammann, Stadtammann ?
Appenzell Innerrhoden Bezirkshauptmann oder Hauptmann ?
Appenzell Ausserrhoden Gemeindeprasident(in) Hauptmann bis 1998
Baselland Gemeindeprasident(in), Stadtprasident(in) ?
Basel-Stadt Gemeindeprasident(in) (nur Riehen und Bettingen), in der Stadt Basel funktionell entsprechend: Regierungsprasident(in) ?
Bern DE: Gemeindeprasident(in), Gemeinderatsprasident(in), Stadtprasident(in)<de />FR: Maire ?
Freiburg DE: Ammann, Gemeindeammann
FR: Syndic
?
Genf Maire ?
Glarus Gemeindeprasident(in) ?
Graubunden DE: Gemeindeprasident(in), Stadtprasident(in), Gemeindeammann, Landammann
IT: Sindaco (Misox, Bergell), Podesta (Puschlav)
Rumantsch: President cumunel (Puter), President cumunal (Vallader), Mastral (Surmiran), President communal (Sursilvan)
?
Jura Maire ?
Luzern Gemeindeprasident(in), Stadtprasident(in) ?
Neuenburg President(e) ?
Nidwalden Gemeindeprasident(in) ?
Obwalden Gemeindeprasident(in), in Engelberg Talammann ?
St. Gallen Gemeindeprasident(in), Stadtprasident(in) Gemeindeammann bis 2002
Schaffhausen Gemeindeprasident(in), Stadtprasident(in) ?
Schwyz Gemeindeprasident(in), Bezirksammann (Einsiedeln, Gersau) ?
Solothurn Gemeindeprasident(in) Gemeindeammann bis 1992
Thurgau Gemeindeprasident(in), Stadtprasident(in) Gemeindeammann bis 2014
Tessin Sindaco ?
Waadt Syndic ?
Wallis DE: Gemeindeprasident(in), Stadtprasident(in)
FR: President(e)
?
Zug Gemeindeprasident(in), Stadtprasident(in) ?
Zurich Gemeindeprasident(in), Stadtprasident(in) Gemeindammann 1855?1875

Gemeindeammann in anderer Bedeutung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In den Kantonen Zurich und Luzern ist der Stadt- bzw. der Gemeindeammann nicht mit dem Stadt- bzw. Gemeindeprasidenten identisch. Vielmehr ist er in Zurich ein Organ der Rechtspflege fur spezielle Aufgaben, insbesondere fur die zivilrechtliche Vollstreckung, und amtet deshalb unter anderem als Betreibungsbeamter. In Luzern ist der Gemeindeammann ein Mitglied der Gemeindeexekutive, das insbesondere fur das Finanzwesen zustandig ist.

Geschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Vorlaufer des Amtes des Gemeindeprasidenten entstanden mit dem Aufbau einer beschrankten Gemeindeautonomie im Hochmittelalter. Der oberste Amtstrager war der Ammann , in den Stadten der Schultheiss , in manchen Fallen auch ein Vogt , Untervogt oder Meier . Dieser Funktionsinhaber wurde je nach politischem System (Stadtregime oder Landkanton) vom Patriziat in den Stadtkantonen eingesetzt oder von den Landleuten gewahlt. Nach dem Franzoseneinfall wurde in der Helvetischen Republik das Gemeindewesen nach franzosischem Vorbild umstrukturiert, und der Begriff des Prasidenten wurde neu eingefuhrt. Diese Neuorganisation wurde nach dem Ende der Helvetik ab 1803 teilweise ruckgangig gemacht, von den 1803 neu gegrundeten Kantonen Aargau, Thurgau, St. Gallen, Waadt und Tessin jedoch weitergefuhrt. Nach dem Ende der Restaurationsphase und den liberalen Staatsumwalzungen der 1830er Jahre setzte sich zunehmend das Prinzip der demokratischen Wahl des Gemeindeoberhaupts durch die stimmberechtigten Manner durch, wobei in einigen Kantonen die traditionelle Bezeichnung Gemeindeammann auf den modernen Gemeindeprasidenten ubertragen wurde.

Das System eines exekutiven Rates (Kollegialbehorde, die in vielen Gemeinden Gemeinderat genannt wird) mit einem Gemeindeprasidenten an der Spitze hat sich in Analogie zu den kantonalen Regierungsbehorden fast schweizweit durchgesetzt und wird durch die jeweiligen kantonalen Gemeindegesetze geregelt. Als Ausnahme ist der Kanton Genf zu nennen, wo in kleinen Gemeinden unter 3000 Einwohnern der Maire alleiniges Exekutivorgan ist und es dementsprechend keinen Gemeinderat gibt.

Funktionen und Aufgaben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Gemeindeprasident tragt die Verantwortung fur die Leitung seiner Kollegialbehorde, ist also Prasident der Exekutive . Ihm obliegt weiter der Vollzug der ubergeordneten Gesetzgebung von Bund und Kantonen, wo dieser den Gemeinden zufallt, sowie aller von der Gemeinde erlassenen Reglemente. Weiter fungiert der Gemeindeprasident in kleineren Gemeinden in der Regel gleichzeitig als Vorsitzender der Gemeindeversammlung , des obersten Legislativorgans einer politischen Gemeinde; die personelle Gewaltenteilung gilt hier also nicht.

Die Wahl des Gemeindeprasidenten erfolgt meist durch Urnenwahl bzw. Wahl in der Gemeindeversammlung oder indirekt durch das Gemeindeparlament. Die Amtszeit variiert zwischen zwei und funf Jahren. Im Kanton Freiburg konstituiert sich der vom Volk gewahlte Gemeinderat selbst, wahlt also auch den Gemeindeprasidenten.

Der Gemeindeprasident hat oft eine starke Machtposition, da er sowohl dem Gemeinderat vorsteht, wie auch die Leitung der Gemeindeversammlung und der Verwaltung innehat. Die Komplexitat und zunehmende Aufgabenvielfalt moderner Gemeinden verlangt grosses fachliches Wissen, zeitliches Engagement und personlichen Einsatz, was oft nicht mehr von einem Milizprasidenten geleistet werden kann. Es besteht daher die Tendenz zum Vollamt; Gemeindeprasident wird vermehrt zu einem Beruf.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Gesetz vom 25. September 1980 uber die Gemeinden , Art. 58.
  2. Gesetz uber die Einwohnergemeinden vom 19. Dezember 1978 , § 16.
  3. Der Begriff ≪Gemeindammann≫ [sic] wurde mit dem Gemeindegesetz von 1855 eingefuhrt, von demjenigen von 1866 bestatigt und schliesslich mit dem Gemeindegesetz von 1875 durch den Begriff ≪Gemeindeprasident≫ ersetzt. Allerdings kannten schon die beiden 1831 erlassenen Gesetze ≪uber die Gemeindsverwaltung≫ und ≪uber die Gemeindsversammlungen≫ den Begriff ≪Gemeindsprasident≫ [sic]. Zu den jeweiligen Gesetzen siehe die seit 1803 erscheinende Offizielle Sammlung der Gesetze, Beschlusse und Verordnungen des Eidgenossischen Standes Zurich, auch online uber die Homepage des Zurcher Staatsarchivs.