Gaskammer (Todesstrafe)

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Verwendung der Gaskammer in den US-Bundesstaaten
Farblegende:
  •  Zurzeit neben der Giftspritze als zweite Hinrichtungsart vorgesehen
  •  In der Vergangenheit als Hinrichtungsart vorgesehen
  •  Zu keinem Zeitpunkt als Hinrichtungsart vorgesehen
  • Hinrichtungen in der Gaskammer nach Wiederzulassung der Todesstrafe seit 1976 (erste 1979, bisher letzte 1999)
    Die Gaskammer des Staates Kalifornien im San Quentin State Prison , derzeit umgebaut fur Hinrichtungen mit der Giftspritze

    In einigen Bundesstaaten der USA wurden Gaskammern zur Hinrichtung von verurteilten Straftatern verwendet. Gaskammern werden auch von der Demokratischen Volksrepublik Korea ( Nordkorea ) eingesetzt. Die Nutzung von Gaskammern fur Hinrichtungen wird von der Nutzung fur Massenmord unterschieden.

    Geschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    Die Gaskammern stammen zumeist aus den 1920er und 1930er Jahren. Die Gaskammer wurde zum ersten Mal am 8. Februar 1924 in Carson City , Nevada , USA, verwendet, als der Chinese Gee Jon dort hingerichtet wurde. [1]

    Ab dem 1. Juni 1956 loste die Gaskammer in Maryland Erhangen als Todesstrafe ab. [2] Der damalige Gouverneur Theodore McKeldin hatte kurz zuvor ein entsprechendes Gesetz unterschrieben. Die erste Vollstreckung in Maryland erfolgte am 29. Juni 1957 an dem zum Tode verurteilten Raubmorder Eddie Lee Daniels.

    Am 2. Mai 1960 starb Caryl Chessman in der Gaskammer des San Quentin State Prison , nachdem seine Hinrichtung zuvor acht Mal verschoben worden war. Als das Gas aufstieg, klingelte das Telefon. Es war die Nachricht, die Hinrichtung zum neunten Mal aufzuschieben. Der leitende Beamte entschied sich aber dafur, weiterzumachen, weil die Hinrichtung zu weit fortgeschritten war, um sie noch zu stoppen. [3]

    Bis zum USA-weiten Vollstreckungsmoratorium, das im Sommer 1967 begann und Anfang 1977 endete, war die Gaskammer in elf Bundesstaaten als Hinrichtungsmethode vorgesehen. Unterdessen haben sechs davon ( Colorado , Mississippi , Nevada , New Mexico , North Carolina , Oregon ) zur Giftspritze als einzige Methode gewechselt. In Maryland wurde die Todestrafe 2013 abgeschafft, allerdings nicht ruckwirkend fur bestehende Urteile.

    Neben der Giftspritze ist die Gaskammer derzeit noch in funf Bundesstaaten zugelassen, wobei hier unterschiedliche Vorschriften zum Tragen kommen. In Kalifornien kann der Verurteilte zwischen Spritze und Gastod wahlen. In Arizona konnen vor dem 15. November 1992 Verurteilte zwischen Spritze und Gas wahlen, fur spater Verurteilte ist die Spritze obligatorisch. Eine ahnliche Regelung besteht in Maryland : Hier konnen Delinquenten wahlen, die ihr zum Todesurteil fuhrendes Verbrechen vor dem 25. Marz 1994 begangen haben. Fur alle anderen ist dagegen die Giftspritze vorgeschrieben. In Missouri bestehen beide Hinrichtungsarten nebeneinander, wobei im Gesetz nicht explizit festgelegt ist, ob im Einzelfall der Verurteilte oder die Staatsgewalt die Methode festlegt. In Wyoming ist die Gaskammer nur fur den Fall vorgesehen, dass Gerichte die Giftspritze fur verfassungswidrig erklaren sollten.

    Nach der Wiederaufnahme der Hinrichtungen seit 1977 sind insgesamt elf Personen in funf Bundesstaaten (siehe Karte) durch Gas exekutiert worden. Der erste nach Wiederaufnahme der Todesstrafe Hingerichtete und bisher einzige im US-Bundesstaat Nevada, der in einer Gaskammer starb, war der 66-jahrige Jesse Bishop. Der bisher letzte Mensch, der in den USA in einer Gaskammer hingerichtet wurde, war am 3. Marz 1999 der wegen Mordes verurteilte Deutsche Walter LaGrand im Bundesstaat Arizona. Er konnte zwischen Giftspritze und Gas wahlen und hatte sich fur die Gaskammer entschieden. [4] Der Internationale Gerichtshof urteilte 2001, dass diese Hinrichtung, die trotz einer einstweiligen Anordnung seitens des IGH vollstreckt wurde, gegen das Volkerrecht verstieß. [5]

    Seit April 2015 ist in Oklahoma die Vergasung mit Stickstoff (N 2 ) dann vorgesehen, wenn keine Giftinjektion moglich ist. [6] Die erste Hinrichtung mit Stickstoff in den USA fand 2024 in Alabama statt. Der erste Hinrichtungsversuch an Kenneth Eugene Smith mit Giftspritze scheiterte. Da Smith ohne Betaubung erst nach einem mehrminutigen Todeskampf starb, kritisierten unter anderem die EU, UN und die US-Regierung das Vorgehen. [7] Da weltweit kaum Erfahrung bezuglich der Methode existiert, bezeichneten einige Menschenrechtsaktivisten die Hinrichtung als Menschenversuch .

    Ablauf der Hinrichtung in den Vereinigten Staaten [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    Die Gaskammern der USA sind achteckige stahlerne Kammern mit knapp drei Metern Durchmesser.

    Der Verurteilte wird auf einen Stuhl im Inneren der Kammer geschnallt. Der obere Teil ist verglast, so dass die bei der Strafvollstreckung vorgeschriebenen Zeugen die Hinrichtung beobachten konnen. Anschließend wird die gasdichte Tur von außen verschlossen. Per Hebelbetatigung wird unter dem Sitz des Verurteilten eine chemische Reaktion zweier Komponenten ? Schwefelsaure und Kaliumcyanid (Zyankali) ? ausgelost. Das Zyankali fallt in einen offenen Saurebehalter hinein, was das giftige Cyanwasserstoffgas (Blausaure) entstehen und sich verbreiten lasst. Amtliche und geladene Zeugen mussen den gesamten Prozess der Hinrichtung beobachten.

    Nach der Vollstreckung bleibt der Hingerichtete noch etwa eine halbe Stunde in der Gaskammer, bevor das Gas abgesogen und frische Luft in den Raum hineingelassen wird. Die restlichen Chemikalien werden mit Wasser verdunnt und in die Kanalisation gepumpt. Daraufhin wird die Kammer geoffnet. Der Raum und der Korper mussen mit Ammoniak bespruht werden. Denn auch jetzt ist das Beruhren des Giftes, das sich in der Kleidung sowie auf der Haut des Verurteilten adsorbiert hat, lebensgefahrlich. Danach stellt ein Arzt amtlich den Tod fest. Der Tote wird in einem speziellen Plastiksack dem Bestatter ubergeben. Dieser Plastiksack darf nicht mehr geoffnet werden, da der Bestatter sich sonst einer potentiell todlichen Vergiftung (aufgrund Desorption ) aussetzen wurde.

    Nutzung in Litauen 1937 bis 1940 [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    Im Januar 1937 wurde in Litauen die Hinrichtung mit der Gaskammer eingefuhrt, nachdem zunachst Gift und Starkstrom in Betracht gezogen, aber wieder verworfen worden waren. Zuvor wurden Todesurteile mit dem Strang oder spater de facto im militarischen Umfeld durch Erschießung durchgefuhrt. Nachdem es Widerstand der Soldaten gegeben hatte, als Henker eingesetzt zu werden, suchte das Parlament nach einer neuen Methode.

    Mehrere Exekutionen mittels Gas in Litauen sind dokumentiert; die genauen Umstande nach der sowjetischen Besetzung ab Juni 1940 sind ungewiss.

    Nutzung in Nordkorea [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    Im 2012 geschlossenen Konzentrationslager Haengy?ng (auch bekannt als Camp 22 ) existierte eine Gaskammer, in der zum Tode Verurteilte vergast wurden. [8] Wissenschaftler konnten die Vergasungen durch eine Glasscheibe, die oberhalb der Gaskammer angebracht war, beobachten. Laut dem ehemaligen Militarattache der nordkoreanischen Botschaft in Peking wurden ganze Familien zusammen vergast. [9] [10] Die Gaskammer war 3,5 Meter breit, 3 Meter lang und 2,2 Meter hoch. [11] Im Boston Globe wurden die Vergasungen in Nordkorea mit denen in Auschwitz verglichen, was auch im US-Kongress besprochen wurde. [12]

    Wirkung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    Das Cyanwasserstoffgas (HCN) wird eingeatmet; durch den Blutkreislauf wird es im Korper an alle Zellen verteilt und unterbindet die Zellatmung, wodurch nach ca. 60 Sekunden Krampfe ausgelost werden. [13] [14] Durch den Energiemangel ( Adenosintriphosphat -Mangel) der Korperzellen kommt es zunachst zu Bewusstlosigkeit und dann zum Tod. Die Todeskandidaten verlieren meist nach 15 Sekunden bis zu einer Minute das Bewusstsein, und das Einsetzen von Krampfen wird nicht mehr bewusst wahrgenommen. Wenn der Todeskandidat nicht (wie empfohlen) sofort tief einatmet, versagt der Atemapparat jedoch durch das Gift schneller als das Bewusstsein, weshalb es zu qualvollen Komplikationen kommt. In nicht seltenen Fallen tritt als Nebeneffekt ein, dass das Bewusstsein und damit das Schmerzempfinden des Gefangenen uber einige Minuten hinweg noch erhalten bleiben und dieser starke Schmerzen erleidet, welche vergleichbar mit dem Erstickungstod sein konnen. Als weitere Komplikationen konnen daher sehr schmerzhafte Krampfe oder hohe Adrenalinwerte und Milchsaurekonzentrationen auftreten. [15]

    Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    Wiktionary: Gaskammer  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

    Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

    1. Robert M. Bohm: DeathQuest: An Introduction to the Theory and Practice of Capital Punishment in the United States . 4. Auflage, Elsevier 2011, ISBN 1-4377-3499-5 , S. 135 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).
    2. http://articles.baltimoresun.com/1993-11-02/news/1993306212_1_gas-chamber-new-chamber-thanos Baltimore Sun am 2. November 1993:"A 'neater' way to kill"; Einfuhrung der Gaskammer in Maryland; abgerufen am 7. Mai 2018
    3. Peter Maxwill: Caryl Chessman: Der Mann, der neunmal starb. Artikel auf einestages vom 24. Juni 2013, zuletzt eingesehen 9. Januar 2014.
    4. Death Penalty Information Center (Auswahl ?Methods“: ?Gas Chamber“, dann ?Search by Details“)
    5. LAGRAND CASE (GERMANY v. UNITED STATES OF AMERICA)(MERITS). IGH, 27. Juni 2001, abgerufen am 21. Dezember 2018 .
    6. Oklahoma Gov. Mary Fallin signs bill allowing nitrogen asphyxiation as alternative execution method. In: NewsOK.com. Abgerufen am 29. Marz 2016 (amerikanisches Englisch).
    7. Erste Stickstoff-Hinrichtung in den USA. 27. Januar 2024, abgerufen am 29. Januar 2024 .
    8. Yad Vashem Reacts to Gas Chambers in North Korea. Yad Vashem, abgerufen am 29. Marz 2016 (englisch).
    9. Antony Barnett: Revealed: the gas chamber horror of North Korea's gulag . In: The Guardian . 31. Januar 2004 ( theguardian.com [abgerufen am 29. Marz 2016]).
    10. Olenka Frenkiel: 'I saw an entire family being killed. They were put in the gas chamber where they all suffocated. The last to die was the youngest son'. In: Telegraph.co.uk. Abgerufen am 29. Marz 2016 .
    11. This World North Korea. In: bbc.co.uk. Abgerufen am 29. Marz 2016 .
    12. Congressional Record: Proceedings and Debatesof the 111th Congress First Session: Vol. 155 Part 8 . Government Printing Office ( google.de [abgerufen am 29. Marz 2016]).
    13. Angaben der verschiedenen Wirkungen einer Cyanidvergiftung in zeitlicher Reihenfolge in der Abtlg. Zeitfaktor im Online-Ratgeber ?Cyanidvergiftung und Rauchgas“ der Firma Merck Serono .
    14. Bernd Engels, Carsten Schmuck , Reinhold Fink, Tanja Schirmeister : Chemie fur Mediziner . Online Ressource, Pearson Deutschland, Munchen 2008, ISBN 3-8273-7286-0 , S. 341 ( eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).
    15. William Schabas: The Death Penalty as Cruel Treatment und Torture. S. 193.