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Funktionalismus (Design)

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Turknauf und Turklinke, entworfen von Ferdinand Kramer

In Architektur und Design versteht man unter Funktionalismus das Zurucktreten rein asthetischer Gestaltungs prinzipien hinter den die Form bestimmenden Verwendungszweck des Gebaudes oder des Gerats. Daher stammt der beruhmte Ausspruch ? Form follows function “ (?die Funktion bestimmt die Form“) von Louis Sullivan , der der popularen Auffassung entsprang, eine zeitgemaße Schonheit in Architektur und Design ergebe sich bereits aus deren Funktionalitat.

Schonheit war im vorindustriellen Zeitalter eng mit Zweckzusammenhangen der Gesellschaft verwoben, z. B. mit sakralen, aber auch profanen Zwecken. Mit der industriellen Produktion emanzipierte sich die Kunst aus Zweckzusammenhangen, wie sich umgekehrt die Nutzlichkeit von der Schonheit emanzipiert. Beim industriell gefertigten Gebrauchsgegenstand wird Schonheit damit zu einem bloßen ?asthetischen Uberschuss“. [1] Darauf reagiert der gestalterische Funktionalismus, der die Asthetik der Funktion gegen die illusionistische Dekoration sichtbar machen will, Der Funktionsbegriff war allerdings nach Andreas Dorschel von Anfang an mehrdeutig: ?Funktion kann sowohl praktische Funktion bzw. Zweck als auch technische Funktionsweise bzw. Produktionsweise meinen“. [2] Die Anfange des Funktionalismus in Design und Architektur reichen zu den asthetischen Theoretikern des 19. Jahrhunderts zuruck ( Lotze , Semper , Greenough ), werden in Deutschland jedoch erst mit der Grundung des Deutschen Werkbundes im Jahr 1907 unter den Schlagworten Sachlichkeit und Zweckform in den Rang einer kunstlerisch ernstzunehmenden Gestaltungsweise erhoben.

Der Funktionalismus erlangte nach dem Ersten Weltkrieg und nach dem Zwischenspiel des Expressionismus unter dem Begriff Neues Bauen oder Neue Sachlichkeit als gestalterisches Prinzip erneut großere Beachtung. In Schweden setzte sich der Funktionalismus unter anderem infolge der Stockholmer Ausstellung von 1930 und des Manifests acceptera seit den 1930er Jahren durch.

Zum wirklich allgemeinverbindlichen Inbegriff modernen Bauens wurde der Funktionalismus in Deutschland jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg und hat auf diese Weise die Architektursprache des Wiederaufbaus weitestgehend gepragt. Seit Beginn der 1970er Jahre gerat die formale Armut und Unwirtlichkeit der funktionalistischen Planungen (der ?Zweckbau“) zunehmend in das Feld offentlicher Kritik, weshalb die Postmoderne in den 1980er Jahren dem Funktionalismus schließlich vollig neue Gestaltungsprinzipien entgegenzusetzen versuchte. In der gewerblichen und Industriearchitektur wie auch bei offentlicher Infrastruktur ist Funktionalismus ? allein aus Finanzierungsfragen heraus ? aber immer vertreten geblieben.

Eine erneute Aktualitat als Gestaltungsprinzip erlangt der Funktionalismus in der Architektur in der zweiten Halfte der 1990er Jahre, nach dem Abebben des sogenannten Dekonstruktivismus . In der Architektur abseits der Reprasentationsbauten wird der Ansatz im Laufe der letzten Jahrzehnte wieder dominierend. Stromungen wie Nachhaltiges Bauen sind uber das Streben nach minimalem Ressourcen-Einsatz einem funktionalistischen Grundzug ebenso zugeneigt wie Energieeffizientes Bauen , in dem die Formgebungen technischen Maßgaben von Warmedammung , Besonnung und ahnlichem folgt. Dasselbe gilt fur materialbezogene Fachrichtungen wie den modernen Holzbau oder Lehmbau , oder Standortalternativen wie Bauen am Wasser .

Kritik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Albrecht Wellmer betont, dass der Funktionalismus in der Architektur mit den von Ornamenten uberladenen Fassaden des 19. Jahrhunderts aufgeraumt und so einen eklektischen und verlogenen ?Uberbau“ zerstort habe, der eine schlecht proportionierte Architektur nur verdeckte. Damit habe der Funktionalismus die Trostlosigkeit einer darunterliegenden, von der Okonomie diktierten architektonischen und urbanistischen ?Basis“ sichtbar gemacht, jedoch auch die Erinnerungsspuren, an denen sich Veranderungen orientieren konnten, ausgeloscht. Die funktionalistische Modernisierung der westdeutschen Stadte nach dem Zweiten Weltkrieg trage Zuge einer ?Selbstverstummelung“. Die Vorstellung der dem Funktionalismus huldigenden Architekten und Designer, den industriellen Fortschritt ?mit den schwachen Kraften einer asthetischen Aufklarung (zu) humanisieren und domestizieren“, sei immer schon naiv gewesen. [3]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Albrecht Wellmer: Kunst und industrielle Produktion , in: Ders.: Zur Dialektik von Moderne und Postmoderne. Frankfurt, 5. Auflage 1993, S. 115.
  2. Design und Improvisation: Produkte, Prozesse und Methoden in der Google-Buchsuche
  3. Albrecht Wellmer: Kunst und industrielle Produktion , in: Ders.: Zur Dialektik von Moderne und Postmoderne. Frankfurt, 5. Auflage 1993, S. 121 ff.