Fritz Usinger

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Erinnerungstafel am Fritz-Usinger-Platz in Friedberg
Unterschrift von Fritz Usinger

Fritz Usinger (* 5. Marz 1895 in Friedberg , Hessen ; † 9. Dezember 1982 ebenda) war ein deutscher Schriftsteller , Lyriker , Essayist und Ubersetzer .

Leben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Fritz Usinger (Mitte) als junger Soldat mit zwei Freunden in Friedberg

Fritz Usingers gleichnamiger Vater Friedrich Usinger war Taubstummenlehrer in Friedberg. [1] Fritz studierte nach dem Abitur Germanistik , Romanistik und Philosophie . 1913 lebte er in Munchen und lernte dort Hans Schiebelhuth , Karl Wolfskehl , Emil Preetorius und Ernst Moritz Engert kennen. 1914 setzte er sein Studium in Heidelberg und Gießen fort. 1915 wurde er Soldat im Ersten Weltkrieg und nahm als Infanterist am Serbienfeldzug der Mittelmachte teil. [2] Danach war er als Redakteur in Metz tatig. Dort befreundete er sich mit Carlo Mierendorff und Theodor Haubach , die ihn einluden, bei der Zeitschrift Die Dachstube mitzuarbeiten. Im Verlag der Dachstube erschienen seine ersten Gedichtbande Der ewige Kampf (1918) und Große Elegie (1920). 1918 nahm Usinger sein Studium in Gießen wieder auf und promovierte dort 1921 mit einer begriffshistorischen Studie zur franzosischen Romanliteratur. Nach dem Referendariat an der Justus-Liebig-Schule in Darmstadt unterrichtete er als Studienrat uber 25 Jahre lang Deutsch und Franzosisch an hoheren Schulen in Bingen, Mainz, Offenbach am Main und Bad Nauheim. In dieser Zeit entstanden seine Gedichtbande und Essaysammlungen.

Albert Einsteins Auftritt in Bad Nauheim im Jahr 1920 und das radikal neue Weltbild der Relativitatstheorie machten einen starken Eindruck auf die vom Weltkrieg traumatisierte Gelehrten- und Kunstlergeneration und inspirierten Usinger und zeitgenossische Kunstler wie Paul Hindemith oder Rudolf Kassner zu neuen Gedankengangen und Utopien von friedlichen, klugen Weltburgern . [3] Befreundet war Usinger auch mit Wilhelm Michel , Karl Wolfskehl , Henry Benrath und Gustav Hillard . [4] Im Dezember 1932 hielt er einen 35-minutigen Vortrag im Frankfurter Radio (SWR) uber Die Form des deutschen Geistes . [5] Er nahm auch in der Zeit des Nationalsozialismus am Kulturbetrieb teil und beteiligte sich z. B. zusammen mit Hermann Graf Keyserling und anderen Schriftstellern und Kunstlern 1937 an der ortlichen Gau-Kulturwoche der NSDAP in Darmstadt. [6] Ein im Sommer 1939 erschienener Aufsatz Usingers beschaftigt sich unter Anknupfung an ein Thema der kunstphilosophischen Asthetik Hans W. Fischers mit Gestalttheorie , Grenzen der Psychotechnik und Auswuchsen der Massenpsychologie . [7] Im Zweiten Weltkrieg veroffentlichte er in der von Baldur von Schirach herausgegebenen offiziosen nationalsozialistischen Jugendzeitschrift Wille und Macht 1943 das Gedicht ?Die Heroen“. Nach dem Konzept der Herausgeber sollte der kampfenden mannlichen Jugend nach Ausrufung des ? totalen Krieges “ in der Sportpalastrede von Joseph Goebbels mittels Heldendichtung klassischen Stils ein Deutungsmuster fur ihre Erlebnisse nahegebracht werden. [8]

In der Nachkriegszeit setzte sich Usinger sehr fur seinen ehemaligen Kreis Die Dachstube ein und gab u. a. Werksammlungen seiner Freunde Hans Schiebelhuth (der 1944 in der Emigration verstorben war) und Carlo Mierendorff (der sich im Widerstand gegen den Nationalsozialismus betatigt hatte und 1943 bei einem Bombenangriff auf Leipzig umgekommen war) heraus. Er war auch mit Erich Kastner , Carl Zuckmayer und Hans Arp befreundet und erhielt 1946 als erster Schriftsteller in Nachkriegsdeutschland den Georg-Buchner-Preis . [1] Die Laudatio hielt der Darmstadter Journalist Kurt Heyd , ein fruheres KPD -Mitglied und ehemaliger Schuler Usingers. Mit der eher konservativen Jury-Entscheidung knupfte man demonstrativ an die Vorkriegstradition des Preises bis 1933 an. Uber dessen lokale Verwurzelung im Darmstadter Kulturleben hinaus war die Wahl Usingers Ausdruck eines Bedurfnisses der Zeit nach Klassizitat, Ausgewogenheit und Ordnung, das sich auch auf die vom Nationalsozialismus verrohte und verunstaltete Sprache richtete. [9]

1949 gab Usinger den Lehrerberuf auf und wurde freier Schriftsteller. Er gehorte im selben Jahr zu den Grundungsmitgliedern der Deutschen Akademie fur Sprache und Dichtung in Darmstadt. Von 1953 bis 1965 war er Mitglied der Jury und bis 1966 einer der Vizeprasidenten. Außerdem war er Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz und korrespondierendes Mitglied der Academia Goetheana in Sao Paulo . [10]

Usinger stand als junger Literat und spater wiederum in den Jahrzehnten nach 1945 in engem brieflichen und personlichen Austausch mit zeitgenossischen bildenden Kunstlern , die er als Mentor betreute, in Essays und Katalogartikeln wurdigte, als Redner zu Ausstellungen begleitete und deren Werke er vielfach sammelte. Auf diese Weise entstand seine Sammlung von uber 200 Werken mit ihm befreundeter Kunstler wie Hans Arp, Ernst Wilhelm Nay , Hermann Goepfert (dessen Deutschlehrer Usinger in Bad Nauheim gewesen war), Lucio Fontana und zahlreicher weiterer Kunstlerinnen und Kunstler, die heute im Wetterau-Museum in Friedberg aufbewahrt und gezeigt wird. [11]

Zu seinem 80. Geburtstag fand 1975 eine umfangreiche Ausstellung uber sein Leben und Werk in der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt (heute: Universitats- und Landesbibliothek Darmstadt ) statt. Drei Jahre zuvor hatte er der im Darmstadter Schloss ansassigen Bibliothek bedeutendes Material (Briefe, Manuskripte, seltene Buchausgaben) aus seinem Besitz mit Bezug zur Gruppe Die Dachstube uberlassen, darunter seine teils umfangreichen Briefkorrespondenzen mit Darmstadter Autoren. Sein Nachlass wird im Literaturarchiv Marbach am Neckar verwahrt. [12]

In seiner Wohnung in der Friedberger Burg lebte Usinger bis zu seinem Tod im Alter von 87 Jahren inmitten seiner Sammlung moderner Kunst, die einen bewussten Kontrast zu seinem alten Mobiliar aus hochwertigen Antiquitaten herstellte. [11]

Wirken [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Fritz Usinger veroffentlichte mehr als zehn Gedichtbande, darunter seine bekannteste Nachkriegsanthologie Der Stern Vergeblichkeit (1962), und vierzehn Bande mit Essays. Außerdem ubersetzte er Gedichte aus dem Franzosischen und Englischen . Seine Lyrik steht in der klassischen Tradition von Holderlin , Rilke und George und umfasst Hymnen , Elegien , Sonette und Oden , die thematisch besonders um das Verhaltnis des Einzelnen zur Welt und die Beziehung Gottes zu den Dingen kreisen. [9] [13] Seine Ausdrucksformen reichen von kurzen Spruchen in wenigen Strophen und schlichten Reimen uber streng komponierte Sonettfolgen, alkaische Strophen und Hexameter bis zu ausladenden symphonischen Gedichten . [14] Thematisch nimmt die Auseinandersetzung mit der griechischen Mythologie in seinem Werk breiten Raum ein. [8] Sein Essayband Geist und Gestalt (1939) enthalt weltanschauliche und kulturkritische Aufsatze, die teilweise volkisch gefarbt sind. Als grundlegend wird seine Analyse der Dichtung von Marie Luise Kaschnitz wahrgenommen, die er in einem Essay Ende der 1950er Jahre veroffentlichte. [4] Wolfram Knauer hat darauf hingewiesen, dass Usinger in einem 1948 entstandenen und 1953 veroffentlichten Essay die in Deutschland damals vielfach noch abgelehnte amerikanische Jazzmusik trotz seiner klassizistischen Pragung gleichberechtigt neben die Musik der klassischen Moderne stellte. Auch Essays zur modernen Kunst und Architektur machten ihn bekannt. [15]

Ehrungen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nachleben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Usinger ist eine wichtige, aber stets im Hintergrund bleibende Figur in Andreas Maiers Roman Der Kreis (2016).

Werke [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Gedenktafel, In der Burg 28, Friedberg
  • Der ewige Kampf , mit 4 Original-Lithografien von Carl Gunschmann . Die Dachstube, Darmstadt 1918.
  • Große Elegie . Die Dachstube, Darmstadt 1920.
  • Die franzosischen Bezeichnungen des Modehelden im 18. und 19. Jahrhundert . Selbstverlag des Romanischen Seminars, Gießen 1921 (Dissertation).
  • Irdisches Gedicht , mit 4 Original-Radierung von Carl Gunschmann . Die Dachstube, Darmstadt 1927.
  • Sonette. Aufsatze zu Bildern . Selbstverlag, Friedberg 1927.
  • Das Wort . Darmstadter Verlag, Darmstadt 1931 (Neuauflage 1938).
  • Die Stimmen . Darmstadter Verlag, Darmstadt 1934.
  • Die Geheimnisse . Darmstadter Verlag, Darmstadt 1937 (Neuauflage 1938).
  • Geist und Gestalt. Essays . Darmstadter Verlag, Darmstadt 1939. Rauch, Jena 1941.
  • Medusa. Aufsatze zu Bildern Rauch, Dessau 1940.
  • Erfullung und Grenze. Worte der Weisung Rauch, Dessau/Leipzig 1940.
  • Hermes . Darmstadter Verlag, Darmstadt 1942
  • Das Gluck . Darmstadter Verlag, Darmstadt 1947
  • Kleine Biographie des Jazz . Liselotte-Kumm-Verlag, Offenbach 1953.
  • Der Stern Vergeblichkeit. Gedichte . Johannesdruck, Munchen 1962.
  • Der Sinn und das Sinnlose. Notizen zum zwanzigsten Jahrhundert . Bernhart, Darmstadt 1970.
  • Der Planet. Gedichte . Bernhart, Darmstadt 1972.
  • Opal und Pfauenfeder. Englische Gedichte deutsch . Calatra Press Willem Enzinck, Lahnstein 1975.
  • Himmlische Heimkehr. Gedichte . Calatra Press Willem Enzinck, Lahnstein 1977.
  • Meerstern. Franzosische Gedichte deutsch . Calatra Press Willem Enzinck, Lahnstein 1978.
  • Zwei Freunde, Carl Zuckmayer und Fritz Usinger. Ein Briefwechsel (1919?1976) (= Blatter der Carl-Zuckmayer-Gesellschaft , Jg. 10, Heft 1), Mainz 1984.
  • Werke , Bd. 1?6, hrsgg. von Siegfried Hagen. Waldkircher Verlagsgesellschaft, Waldkirch 1984?1988.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Claus Netuschil: Usinger, Fritz. In: Stadtlexikon Darmstadt, Stuttgart 2006, S. 935 (online) .
  • Christine Rosemary Barker: Fritz Usinger. Poet, Essayist and Critic. An investigation of his work. University of Hull (Diss.), 1975. [16]
  • Siegfried Hagen: Vortrag zur Ausstellung Fritz Usinger, Leben und Werk. Rasch, Bramsche 1975. [17]
  • Siegfried Hagen: Fritz Usinger. Endlichkeit und Unendlichkeit (= Abhandlungen zur Kunst, Musik- und Literaturwissenschaft , Band 138). Bouvier, Bonn 1973.
  • Siegfried Hagen (Hrsg.): Die Gotter lesen nicht. Fritz Usinger zum 80. Geburtstag am 5. Marz 1975 . Bouvier, Bonn 1975.
  • Andreas Nentwich : Fritz Usinger Bibliographie (herausgegeben von der Forschungsstelle Literarische Kultur in Oberhessen am Fachbereich Germanistik der Justus-Liebig-Universitat Gießen). Waldkircher Verlagsgesellschaft, Waldkirch 1989.

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. a b Usinger, Fritz , in: Hessische Biografie (Stand: 15. April 2021).
  2. Deutsche Verlustlisten des Ersten Weltkrieges : Ausgabe 818 vom 3. Dezember 1915 (Preußen 395), S. 10531 (? Infanterie-Regiment 129 . Usinger, Friedrich ? Friedberg, Hessen ? leicht verwundet. “).
  3. Auf dem Planetenwanderweg. Einsteins Weltbild: Physik, Musik und Dichtung fur den Frieden. In: 7. Mai 2017. Ein Tag fur die Literatur. Hessischer Literaturrat, hr2-kultur (Programmheft), S. 23.
    Volkssternwarte: Wanderung und Vortrag am Sonntag. In: Gießener Allgemeine , 5. Mai 2017. Beide abgerufen am 7. Mai 2021.
  4. a b Eckart Ullrich: Fritz Usinger: Marie Luise Kaschnitz. Onlinepublikation 2020, gelesen im Juni 2021.
  5. Fritz Usinger. In: Schriftsteller im Rundfunk ? Autorenauftritte im Rundfunk der Weimarer Republik 1924?1932. Deutsches Rundfunkarchiv , Abruf im Mai 2021.
  6. Deppert, Karl , in: Von Adelung bis Zwangsarbeit ? Stichworte zu Militar und Nationalsozialismus in Darmstadt. 2. Auflage. Deutsche Friedensgesellschaft ? Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen , Gruppe Darmstadt (Stand: 1. Juni 2021).
  7. Fritz Usinger: Gestalt und Antlitz. Zur Wesensdeutung des heutigen Menschen und seiner moglichen Kunst/Grenzen der Psychotechnik. Uber Auswuchse der Massenpsychologie. Kulturbeilage der Zeit und Gegenwart 290, 12. Juni 1939. Nchw.: Michael Herkenhof u. a. (Bearb.): Nachlass Erich Rothacker (1888?1965). Inhaltsverzeichnis zum wissenschaftlichen Teil des Nachlasses. Handschriftenabteilung der Universitats- und Landesbibliothek Bonn, Bonn 2016, S. 315.
  8. a b Theodor Schroers: Die Rezeption griechischer Helden in der nationalsozialistischen Jugendzeitschrift Wille und Macht. Albert-Ludwigs-Universitat Freiburg im Breisgau , Januar 2013, S. 49?52.
  9. a b Judith S. Ulmer: Geschichte des Georg-Buchner-Preises. Soziologie eines Rituals. Walter de Gruyter, Berlin 2006, ISBN 3-11-019069-9 , S. 100?102.
  10. Fritz Usinger. Autorenprofil der Gesellschaft hessischer Literaturfreunde, Abruf im Juni 2021.
  11. a b Arp, Fontana, Goepfert, Nay. Die Sammlung Fritz Usinger. Homepage des Wetterau-Museums, Abruf im Juni 2021 (Stand: 21. Mai 2021).
  12. Bestandsbeschreibung (PDF; 870 kB) der TU Darmstadt (Stand 1998).
  13. Fritz Usinger bei Feltas , abgerufen im Mai 2021.
  14. Fritz Usinger im Alten Hallenbad ? Erinnerungen an den Buchner-Preistrager aus Friedberg. In: Wetterauer Nachrichten , 19. Februar 2018, abgerufen am 7. Mai 2021.
  15. Gerhard Kollmer: Wenn Musik zur Gefahr wird. In: Wetterauer Zeitung , 13. Marz 2019, abgerufen am 7. Mai 2021.
  16. Werner Schuder (Hrsg.): Kurschners Deutscher Literatur-Kalender. 58. Jahrgang. Walter de Gruyter, Berlin/New York 1981, S. 1116.
  17. Der Vortrag wurde am 8. Marz 1975 zur Eroffnung der Fritz-Usinger-Ausstellung in der Landesbibliothek Darmstadt gehalten (bibliografische Information der TU Darmstadt) .