Grabdenkmal auf dem Ludwigshafener Hauptfriedhof
Friedrich Wilhelm Wagner
(*
28. Februar
1894
in
Ludwigshafen am Rhein
; †
17. Marz
1971
ebenda) war ein deutscher
Jurist
und
Politiker
(
SPD
). Er war von 1961 bis 1967 Vizeprasident des
Bundesverfassungsgerichts
.
Wagner wurde als Sohn eines Arbeiters geboren. Er absolvierte die
Oberrealschule
in Ludwigshafen, wo er 1913 das Abitur ablegte. Im
Ersten Weltkrieg
war er 1915/16 zum Militardienst eingezogen.
[1]
Nach dem Studium der Staats- und
Rechtswissenschaft
in
Tubingen
,
Munchen
,
Heidelberg
und
Berlin
war er vorubergehend in der Kommunalverwaltung tatig. 1922 ließ er sich als
Rechtsanwalt
in Ludwigshafen nieder. Er war Mitglied der
Freireligiosen
Gemeinde Ludwigshafen und der Freimaurerloge
Carl zur Eintracht
in Mannheim.
[2]
Von 1920 bis 1922 war Wagner Vorsitzender des Ortsvereins Ludwigshafen der SPD, von 1925 bis 1933 Gauvorsitzender des
Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold
fur das Gebiet Pfalz, Saar, Nahe. Zudem war er langjahriges Mitglied des Bezirksvorstands der pfalzischen SPD. 1930 zog er als Nachfolger des verstorbenen
Johannes Hoffmann
(1867?1930) fur die SPD in den
Reichstag
ein. Als Jurist fuhrte er zahlreiche politische Prozesse, vertrat beispielsweise den SPD-Vorsitzenden
Otto Wels
gegen den NSDAP-Gauleiter im Rheinland und spateren Begrunder und Anfuhrer der Deutschen Arbeitsfront (
DAF
),
Robert Ley
, der zu drei Monaten Gefangnisstrafe verurteilt wurde.
[2]
Wagners Stolperstein in seiner Geburtsstadt Ludwigshafen vor dem Haus Rubensstraße 25
Am 10. Marz 1933, kurz nach der nationalsozialistischen
Machtergreifung
, wurde Wagner wahrend einer Gerichtsverhandlung verhaftet. Noch am gleichen Tag gelang ihm die Flucht nach
Straßburg
, spater
Paris
, wo er sich in diversen
Exil
organisationen betatigte. Wagner war von 1937 bis 1941 Vorsitzender der
Zentralvereinigung der deutschen Emigration
und aktiv beteiligt im
Ausschuss zur Vorbereitung einer Volksfront
. Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in
Frankreich
floh er uber
Spanien
und
Portugal
in die
USA
, wo er von April 1941 bis November 1946 blieb. Wagner bekam eine Stellung als Bibliothekar an der
Rand School of Social Science
in New York und wurde deutsches Vorstandsmitglied der
Social Democratic Federation
. Als Mitglied der
Association of Free Germans
sowie der
German Labour Delegation
beschaftigte Wagner sich mit der ?deutschen Frage“ und gehorte so auch zu den Unterzeichnern der Erklarung ?What is to be done with Germany?“ von Ostern 1945.
[2]
[3]
Bei seiner Ruckkehr nach Ludwigshafen Anfang 1947 eroffnete Wagner erneut seine Anwaltskanzlei (die er in den 1960er Jahren an seinen vorherigen Juniorpartner
Karl-Heinz Weyrich
ubergab) und wirkte in zahlreichen Prozessen an der juristischen Aufarbeitung der
NS-Zeit
mit. So verteidigte er 1947/48 im Nurnberger
I.G.-Farben-Prozess
den Leiter des Ludwigshafener Werks,
Carl Wurster
, und erwirkte einen Freispruch. Daruber hinaus war er von 1948 bis 1956 als Prasident der rheinland-pfalzischen
Rechtsanwaltskammer
tatig und bekleidete von 1959 bis 1961 das Amt des Prasidenten des
Ehrengerichtshofes
fur Rechtsanwalte des Landes Rheinland-Pfalz.
[2]
Wagner wurde 1947 Mitglied des
Landtags von Rheinland-Pfalz
und war Vorsitzender des Rechts- und des Hauptausschusses. Er gehorte dem
Parlamentarischen Rat
an, wo er den Vorsitz des Kompetenzausschusses innehatte. Der heute im Grundgesetz verankerte Artikel 102 (?Die Todesstrafe ist abgeschafft.“) geht auf seine Initiative zuruck. Wagner gehorte dem
Bundestag
von
1949
bis 1961 als stets in seinem
Ludwigshafener Wahlkreis
direkt gewahlter Abgeordneter an und befasste sich vornehmlich mit juristischen Fragen. Er saß in den ersten beiden Bundestagen dem Ausschuss fur Patentrecht und gewerblichen Rechtsschutz (spater: ?… und Urheberrecht“) vor. Ferner war Wagner Mitglied des Rechtsausschusses, der in den ersten beiden Wahlperioden als Ausschuss fur Rechtswesen und Verfassungsrecht firmierte, des Ausschusses fur Mittelstandsfragen sowie des Richterwahlausschusses zur Wahl der Richter an oberen Bundesgerichten.
[2]
Mitglied des
Stadtrats
seiner Heimatstadt Ludwigshafen war Wagner vom Dezember 1948 bis zum Dezember 1961.
[4]
Von 1961 bis 1967 war Wagner Vorsitzender des Zweiten Senats und Vizeprasident des Bundesverfassungsgerichts und damit Nachfolger des verstorbenen
Rudolf Katz
, den er in New York kennengelernt hatte.
[2]
Mit 73 Jahren schied er aus dem Gericht aus und war somit der alteste amtierende Verfassungsrichter. Seit 1962 gilt eine Altersgrenze von 68 Jahren, die fur ihn wegen einer Ubergangsfrist nicht galt.
Wagner war 1970 Mitbegrunder der
Freimaurerloge
?Pylon zur Leuchte am Rhein“ in Ludwigshafen. Seine letzte Ruhestatte fand er auf dem Ludwigshafener
Hauptfriedhof
.
Friedrich-Wilhelm-Wagner-Platz in Ludwigshafen
Nach der Verleihung des Ehrentitels
Justizrat
erhielt Wagner 1964 anlasslich seines 70. Geburtstags den
Großen Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland mit Schulterband und Stern
und wurde zum
Ehrenburger
der Stadt Ludwigshafen ernannt. Zudem hat seine Heimatstadt ihm den
Friedrich-Wilhelm-Wagner-Platz
im
Stadtteil Mitte
gewidmet. Das Land Rheinland-Pfalz ehrte ihn mit der Verleihung der
Freiherr-vom-Stein-Plakette
.
[5]
- Friedrich Wilhelm Wagner
in der
Deutschen Biographie
- Klaus J. Becker:
Der Nachlass Friedrich Wilhelm Wagner
. In:
Pfalzisch-Rheinische Familienkunde
. 55. Jahrgang. Band XVI, Heft 1, 2006.
- Andreas Marquet:
Generationen in der Ludwigshafener Sozialdemokratie
. In:
Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz
.
Band
108
, 2010.
- Andreas Marquet:
Friedrich Wilhelm Wagner ? biographische Annaherung an einen politischen Emigranten
. In: Julia M. Monig, Anna Orlikowski (Hrsg.):
Exil interdisziplinar
. Tagungsband zur interdisziplinaren Graduiertentagung Perspektiven der Exilforschung. Konigshausen & Neumann, Wurzburg 2015.
- Andreas Marquet:
Friedrich Wilhelm Wagner 1894?1971
. Eine politische Biografie (=
Politik- und Gesellschaftsgeschichte
.
Band
100
). Verlag J. H. W. Dietz Nachf., Bonn 2015.
- Andreas Marquet:
Sozialstruktur und individuelle Praxis. Zur Verortung des (Sozial-)Demokraten Friedrich Wilhelm Wagner.
In: Sebastian Elsbach u. a. (Hrsg.):
Demokratische Personlichkeiten der Weimarer Republik
. Stuttgart, Franz Steiner 2020 (Weimarer Schriften zur Republik; 13),
ISBN 978-3-515-12799-8
, S. 71?83.
- Friedrich Wilhelm Wagner
in:
Internationales Biographisches Archiv
21/1971 vom 17. Mai 1971, im
Munzinger-Archiv
(Artikelanfang frei abrufbar).
- Wagner, Friedrich Wilhelm
, in: Werner Roder,
Herbert A. Strauss
(Hrsg.):
Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Band 1: Politik, Wirtschaft, Offentliches Leben
. Munchen : Saur 1980, S. 787
- ↑
Klaus J. Becker:
Eliten und Fuhrungsschichten im Sudwesten Deutschlands: Das Beispiel Friedrich Wilhelm Wagner. Vom Ludwigshafener Arbeitersohn zum Bundesverfassungsrichter
, S. 9 (Vortrag, modifiziert 30. Dezember 2014, PDF; 58 kB).
- ↑
a
b
c
d
e
f
Gunter Braun:
Friedrich Wilhelm Wagner (1894?1971)
. Vom Hemshofjungen zum Verfassungsrichter. In: Manfred Geis, Gerhard Nestler (Hrsg.):
Die pfalzische Sozialdemokratie
. Beitrage zu ihrer Geschichte von den Anfangen bis 1948/49. Edenkoben 1999,
S.
654?670
.
- ↑
Andreas Marquet:
Friedrich Wilhelm Wagner ? biographische Annaherung an einen politischen Emigranten
. In: Julia M. Monig, Anna Orlikowski (Hrsg.):
Exil interdisziplinar
. 2015.
- ↑
Andreas Marquet:
Friedrich Wilhelm Wagner 1894?1971
. 2015,
S.
52, 374
(Die Annahme, Wagner habe bereits von 1931 bis 1933 dem Ludwigshafener Stadtrat angehort, wie sie etwa von Gunter Braun (S. 658) vertreten wird, ist unrichtig).
- ↑
Der Prasident des Landtags Rheinland-Pfalz:
Die Stellvertreter des freien Volkes: Die Abgeordneten der Beratenden Landesversammlung und des Landtags Rheinland-Pfalz von 1946 bis 2015
. Hrsg.: Der Prasident des Landtags Rheinland-Pfalz. Springer VS, Wiesbaden 2016,
ISBN 978-3-658-04750-4
,
S.
721–722
.