Die
Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen
(FSF) ist ein gemeinnutziger Verein privater Fernsehanbieter in
Deutschland
mit Sitz in
Berlin
. Ziel der FSF ist es, einerseits durch eine Programmbegutachtung den Jugendschutzbelangen im Fernsehen gerecht zu werden und andererseits durch Publikationen, Veranstaltungen und medienpadagogische Aktivitaten den bewussteren Umgang mit den visuellen Inhalten in den Bereichen Fernsehen und Internet zu fordern. Die FSF wurde 1993 als eine weitere Einrichtung der Medienselbstkontrolle neben der
Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft
oder dem
Deutschen Presserat
gegrundet.
[1]
Seit April 1994 lassen die Vereinsmitglieder ihre Programme bei der FSF prufen, seit August 2003 arbeitet die FSF als anerkannte
Freiwillige Selbstkontrolle
im Rahmen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags.
Mitglieder sind bundesweit ausstrahlende
Sender
des
Privatfernsehens
.
Aus den Reihen der Mitglieder wird ein Vorstand gewahlt. Dieser ist fur das ordnungsgemaße Funktionieren der Geschaftsstelle und fur die Finanzen zustandig, er hat allerdings auf die Programmprufungen keinen Einfluss.
Ein unabhangiges Kuratorium ist zustandig fur alle inhaltlichen und formalen Fragen, die mit den Prufungen zusammenhangen, und verantwortlich fur die Benennung und Weiterbildung der Prufer. Außerdem entwickelt das Kuratorium die Prufgrundsatze sowie Kriterien fur die Programmbeurteilung. Die Mitglieder des Kuratoriums kommen aus den Bereichen
Wissenschaft
(
Psychologie
,
Kommunikationswissenschaft
),
Medienkritik
,
Medienpadagogik
oder dem praktischen
Jugendschutz
und sind von den Sendern unabhangig. Die Mitgliedssender konnen ebenfalls Vertreter entsenden; ihr Anteil darf jedoch nicht die Mehrheit im Kuratorium ausmachen. Die Kuratoriumsmitglieder werden von der Mitgliederversammlung gewahlt.
Die Geschaftsstelle fungiert als Schnittstelle zwischen Sendern, Prufern, den FSF-Gremien und der Offentlichkeit und sorgt fur die Umsetzung der Vereinsziele und -aufgaben nach Maßgabe des
Jugendmedienschutz-Staatsvertrags
(JMStV). Außerdem organisiert sie die Prufungen der vorgelegten Inhalte aus den Bereichen Fernsehen und Internet.
Die FSF arbeitet mit circa 100 unabhangigen Prufern aus dem ganzen Bundesgebiet zusammen. Darunter befinden sich Fachleute aus den Medien- und Erziehungswissenschaften, aus Jugendamtern oder Jugendmedienzentren, von Kinder- und Jugendfilmfestivals, aus der Kunst- und Medienpadagogik, Kinderbuchautoren sowie freie Journalisten. Bei der Auswahl werden auch Angehorige gesellschaftlicher Gruppen berucksichtigt, die sich in besonderer Weise mit Fragen des Jugendschutzes befassen. Dies sind etwa Fachleute aus Jugendschutzorganisationen oder den Kirchen. Die Prufer durfen nicht bei ordentlichen Mitgliedern der FSF, ihren Anteilseignern oder Programmlieferanten beschaftigt sein. Sie werden fur etwa sechs bis sechzehn Pruftage im Jahr nach Berlin eingeladen und nehmen dann an den Prufausschussen in der Geschaftsstelle teil. Um eine einheitliche Spruchpraxis zu gewahrleisten, beschaftigt die FSF mehrere hauptamtliche Prufer.
In der Regel lassen Fernsehsender, die Mitglieder der FSF sind, ihre Sendungen durch die FSF prufen. Es ist aber auch moglich, als externer Anbieter Inhalte von einem FSF-Ausschuss begutachten zu lassen.
Den Prufantrag stellen die jeweiligen Jugendschutzbeauftragten der Sender. Zuvor mussen sie entscheiden, welches Programm unter den Gesichtspunkten des Jugendschutzes und fur die geplante Sendezeit ?nicht offensichtlich unbedenklich ist“ (§ 1 PrO-FSF). Auch die Mitglieder des Kuratoriums und die
Kommission fur Jugendmedienschutz
(KJM), die nach dem JMStV fur die Aufsicht der Sender zustandig ist, haben das Recht, Antrage auf Prufung zu stellen.
Im Prufantrag wird die vom Sender angestrebte Altersfreigabe (§ 5 JMStV) und die damit verbundene Sendezeit festgehalten.
?Ziel der Prufungen ist der Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Programmen, die geeignet sind, ihre Entwicklung oder Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfahigen Personlichkeiten zu beeintrachtigen oder zu gefahrden, sowie der Schutz vor solchen Programmen, die die
Menschenwurde
oder sonstige, durch das
Strafgesetzbuch
geschutzte Rechtsguter verletzen“ (§ 28 Prufungsordnung - FSF (PrO-FSF), in Anlehnung an §§ 4 und 5 JMStV).
Die Programmprufung ist der wesentliche Aufgabenbereich der FSF. Gepruft werden die Fernsehsendungen hinsichtlich des Gehalts an Gewalthandlungen und sexuellen Darstellungen sowie der Vermittlung von Einstellungen und Werten, die einer demokratischen Gesellschaftsform nicht entsprechen. Davon hangt die Altersfreigabe und damit die zulassige Sendezeit im Tages-, Abend-, Spatabend- oder Nachtprogramm ab. Vorgelegt werden bei der FSF insbesondere Antrage zu
Serien
, TV-Movies (die vorher weder im
Kino
noch auf
Video
erschienen sind) sowie FSK-12er
Filme
, die fur das Tagesprogramm vorgesehen sind. Seit der Erweiterung ihrer Anerkennung als Selbstkontrolle fur Telemedien (Marz 2012) gelten die FSF-Freigaben auch fur fernsehahnliche Programme im Internet.
Die Ausschusse, die in erster Instanz aus drei oder funf Prufern bestehen, diskutieren nach Sichtung des Inhalts den Antrag des Antragstellers auf der Grundlage der gesetzlichen Bestimmungen und den Kriterien der Prufordnung. Nach § 5 des JMStV gelten folgende Sendezeitschienen:
Sendezeitschiene
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Uhrzeit
|
Altersgruppe
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Tagesprogramm
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6 bis 20 Uhr
|
Kinder bis 12 Jahren, auch ohne Aufsicht ? wenn das Wohl jungerer Kinder dem nicht entgegensteht
|
Hauptabendprogramm
|
20 bis 22 Uhr
|
Freigabe ab 12 Jahren ? Sendezeitbeschrankung ab 20.00 Uhr, wenn das Programm an der Grenze zu einer Freigabe ab 16 Jahren liegt
|
Spatabendprogramm
|
22 bis 23 Uhr
|
Freigabe ab 16 Jahren
|
Nachtprogramm
|
23 bis 6 Uhr
|
Keine Jugendfreigabe (ab 18 Jahren)
|
Je nach Wirkungsrisiko fur Kinder und Jugendliche konnen die Prufer fur eine Sendung eine spatere Sendezeit festlegen, Schnittauflagen verfugen oder ? wenn die Bedenken des Jugendschutzes auch durch Bearbeitung des Programms nicht zu beseitigen sind ? eine Genehmigung fur die Ausstrahlung verweigern.
Aufgabe der Prufungen ist es, zu bewerten, ob visuelle Angebote Wirkungsrisiken fur bestimmte Altersgruppen beinhalten. Aufgrund der weitgehenden Freiheit der Medien, die in Art. 5 unseres Grundgesetzes festgelegt ist, durfen im Jugendschutz Qualitat, Geschmack oder andere subjektive Eindrucke der Prufenden keine Rolle spielen. Wenn die Prufausschusse z. B. einen Film mit Sendezeitbeschrankungen belegen, nur unter Schnittauflagen freigeben oder gar ablehnen, mussen sie plausibel begrunden, dass Zuschauende bestimmter Altersgruppen durch eine Sendung beeintrachtigt werden konnten.
Bei den Prufentscheidungen werden Ergebnisse der wissenschaftlichen
Medienwirkungsforschung
sowie der
Entwicklungspsychologie
herangezogen. Jugendschutzentscheidungen hangen aber immer auch von den Wahrnehmungen der einzelnen Prufer ab. Eine genaue Prognose der Wirkung eines konkreten Inhalts auf alle Zuschauer kann kaum vorhergesagt werden. Das ist auch der Grund, warum ein Ausschuss mit mehreren Personen die Inhalte pruft. So konnen subjektive Einflusse zumindest relativiert werden.
Bei der Beurteilung, ob ein Angebot auf Kinder oder Jugendliche entwicklungsbeeintrachtigend wirken kann, spielen mehrere Risikodimensionen eine wichtige Rolle:
Bei der Altersgruppe der ab 12-Jahrigen ist der Angstdimension in der Regel weniger Gewicht beizumessen als bei jungeren Zuschauergruppen.
Bei sogenannten
Erotikfilmen
steht weniger im Vordergrund, ob Zuschauer sexuell stimuliert werden konnten. Wichtig ist vielmehr, dass nicht der Eindruck entsteht, man durfe sexuelle Wunsche gegen die Interessen des Sexualpartners durchsetzen. Das
Menschenbild
unserer Verfassung ist gepragt von Selbstbestimmung und Gleichberechtigung der Partner. Die Behandlung eines Menschen als Objekt sexueller Begierde und die Loslosung von zwischenmenschlichen Beziehungen, die in manchen Erotikfilmen zu finden ist, kann nach der Prufordnung der FSF die Erziehung Jugendlicher mit Blick auf die beschriebenen Grundwerte unserer Verfassung beeintrachtigen oder gar gefahrden.
Wenn der Sender mit der Prufentscheidung nicht einverstanden ist, kann er den Berufungsausschuss anrufen, der aus funf oder sieben Prufenden besteht. Der Berufungsausschuss kann auch vom Kuratorium oder von der KJM angerufen werden, wenn ein Prufergebnis noch einmal verhandelt werden soll.
Welche konkreten Entscheidungen die FSF getroffen hat, wie dabei unter den Gesichtspunkten des Jugendschutzes argumentiert wird und welche Wirkungsrisiken bei einer Sendung vermutet werden, diese Fragen werden in ausgewahlten Kurzbewertungen beantwortet.
[2]
Bei diesen Kurzbewertungen handelt es sich nicht um die FSF-Prufgutachten, sondern um eigens fur die Veroffentlichung erstellte Versionen. Sie dienen allein der Verbraucherinformation. Dabei werden die Prufentscheidungen folgenden Kategorien zugeordnet:
- Spielfilme
- TV-Movies
- Serien
- Reality-TV
, Casting-, Coaching-Formate
- Dokumentationen, Reportage, Non-Fiction
- Erotik
- Trailer, Werbe- und Musikclips
Prufantrage nach Kategorien
(Prufungen seit Beginn der FSF-Pruftatigkeit im April 1994 [Stand: 31. Dezember 2022])
Geprufte Sendungen insgesamt:
|
37.961
|
Ausnahmeantrage
|
5.789 (15 %)
|
FSK-12-Kennzeichen
|
4.606 (12 %)
|
Erotik
|
2.852 (8 %)
|
Indizierte Filme (bis 2001)
|
908 (2 %)
|
Keine Kennzeichnung
|
210 (1 %)
|
Non-Fiction/Reality
|
8.953 (24 %)
|
Serie
|
12.786 (34 %)
|
Trailer
|
727 (2 %)
|
TV-Movies
|
1.130 (3 %)
|
Angesichts der großen Menge an Programmen der Mitgliedssender ist eine komplette Programmprufung nicht moglich. Sie ist auch nicht notwendig, da viele Programme selbst bei kritischer Betrachtung mit Jugendschutz nichts zu tun haben. Jeder Sender beschaftigt mindestens einen Jugendschutzbeauftragten, der dafur sorgt, dass beim Programmeinkauf, bei Eigenproduktionen und bei der Programmplanung die Kriterien des Jugendschutzes beachtet werden. Wenn Programme unter Berucksichtigung der angestrebten Sendezeit nicht offensichtlich unbedenklich sind, legt der Jugendschutzbeauftragte sie der FSF vor.
Neben der fachlichen Erorterung von Wirkungsrisiken und Jugendschutzkriterien ist es fur die Arbeit der FSF wichtig, die Meinung und die Kritik der Fernsehzuschauer mit einzubeziehen. Zu diesem Zweck hat der Verein eine Informations- und Beschwerdestelle eingerichtet.
In verschiedenen Publikationen informiert die FSF uber den Umgang mit Medien, uber Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung zu Medienwirkungen sowie uber allgemeine Themen des Jugendmedienschutzes.
Bereits seit 1997 erscheint vierteljahrlich die Fachzeitschrift
mediendiskurs
(
bis Mai 2022:
tv diskurs ? Verantwortung in audiovisuellen Medien
), die uber aktuelle Entwicklungen im Bereich des Jugendmedienschutzes, der Medienforschung und der Medienpadagogik berichtet.
[3]
Zusatzlich wurden und werden viele Bucher direkt von der FSF oder mit ihrer Unterstutzung herausgegeben.
[4]
Als multimediale Lernangebote bieten sich die DVD-ROMs
Krieg in den Medien
und
Faszination Medien
fur die praktische medienpadagogische Arbeit an.
[5]
Außerdem bietet die FSF mit der Internetplattform
Medienradar
ein breites Angebot an Lehrmaterialien zu Medienthemen.
[6]
In Kooperation mit der
Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM)
fuhrt die FSF seit 2009 die Veranstaltungsreihe
medien impuls
durch.
[7]
Hier bieten beide Selbstkontrolleinrichtungen ein Diskussionsforum zu aktuellen Entwicklungen im Medienbereich unter besonderer Berucksichtigung des Jugendmedienschutzes.
Seit 2012 organisieren die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) und die
Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB)
das
Sommerforum Medienkompetenz
. Ziel der Veranstaltungsreihe ist es, Wissenschaft und Praxis miteinander zu vernetzen.
[8]
Zur Forderung des wissenschaftlichen Nachwuchses wird jahrlich der
medius
verliehen. Gemeinsam mit der
Gesellschaft fur Medienpadagogik und Kommunikationskultur (GMK)
, dem
Deutschen Kinderhilfswerk (DKHW)
und der
Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB)
zeichnet die FSF Abschlussarbeiten zu Themen aus dem Medienbereich, der Medienpadagogik oder dem Jugendmedienschutz aus.
- ↑
Jessica Eisermann:
Medienselbstkontrolle - ein organisationsanalytischer Vergleich des Deutschen Presserates und der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen.
In: Weßler, Hartmut et al. (Hrsg.):
Perspektiven der Medienkritik
. Westdeutscher Verlag, Opladen 1997,
ISBN 978-3-322-85097-3
,
S.
237–250
.
- ↑
Prufentscheidungen
- ↑
Zeitschrift mediendiskurs.
Abgerufen am 25. Mai 2023
.
- ↑
FSF-Publikationen
- ↑
Medienpadagogische Materialien
- ↑
Medienradar
- ↑
medien impuls
- ↑
Sommerforum Medienkompetenz